++Grundlegung++ zur ++Metaphysik der Sitten++ von ++Immanuel Kant.++ +Kant's Schriften.+ Werke. IV. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · 1903 Preussische Akademie Auflage [387.1] +++Vorrede+.++ [387.2] Die alte griechische Philosophie theilte sich in drei Wissenschaften ab: [387.3] Die ++Physik,++ die ++Ethik++ und die ++Logik.++ Diese Eintheilung ist der Natur [387.4] der Sache vollkommen angemessen, und man hat an ihr nichts zu ver- [387.5] bessern, als etwa nur das Princip derselben hinzu zu thun, um sich auf [387.6] solche Art theils ihrer Vollständigkeit zu versichern, theils die nothwen- [387.7] digen Unterabtheilungen richtig bestimmen zu können. [387.8] Alle Vernunfterkenntniß ist entweder +material+ und betrachtet irgend [387.9] ein Object; oder +formal+ und beschäftigt sich bloß mit der Form des Ver- [387.10] standes und der Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens [387.11] überhaupt ohne Unterschied der Objecte. Die formale Philosophie heißt [387.12] ++Logik,++ die materiale aber, welche es mit bestimmten Gegenständen und [387.13] den Gesetzen zu thun hat, denen sie unterworfen sind, ist wiederum zwie- [387.14] fach. Denn diese Gesetze sind entweder Gesetze der ++Natur,++ oder der ++Frei-++ [387.15] ++heit.++ Die Wissenschaft von der ersten heißt ++Physik,++ die der andern ist [387.16] ++Ethik;++ jene wird auch Naturlehre, diese Sittenlehre genannt. [387.17] Die Logik kann keinen empirischen Theil haben, d. i. einen solchen, [387.18] da die allgemeinen und nothwendigen Gesetze des Denkens auf Gründen [387.19] beruhten, die von der Erfahrung hergenommen wären; denn sonst wäre [387.20] sie nicht Logik, d. i. ein Kanon für den Verstand oder die Vernunft, der [387.21] bei allem Denken gilt und demonstrirt werden muß. Dagegen können so- [387.22] wohl die natürliche, als sittliche Weltweisheit jede ihren empirischen Theil [387.23] haben, weil jene der Natur als einem Gegenstande der Erfahrung, diese [387.24] aber dem Willen des Menschen, so fern er durch die Natur afficirt wird, [387.25] ihre Gesetze bestimmen muß, die erstern zwar als Gesetze, nach denen alles 387 [iii-iv] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · 1903 Preussische Akademie Auflage [388.1] geschieht, die zweiten als solche, nach denen alles geschehen soll, aber doch [388.2] auch mit Erwägung der Bedingungen, unter denen es öfters nicht ge- [388.3] schieht. [388.4] Man kann alle Philosophie, so fern sie sich auf Gründe der Erfah- [388.5] rung fußt, +empirische+, die aber, so lediglich aus Principien a priori ihre [388.6] Lehren vorträgt, +reine+ Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie bloß [388.7] formal ist, heißt +Logik+; ist sie aber auf bestimmte Gegenstände des Ver- [388.8] standes eingeschränkt, so heißt sie +Metaphysik+. [388.9] Auf solche Weise entspringt die Idee einer zwiefachen Metaphysik, [388.10] einer +Metaphysik der Natur+ und einer +Metaphysik der Sitten+. [388.11] Die Physik wird also ihren empirischen, aber auch einen rationalen Theil [388.12] haben; die Ethik gleichfalls, wiewohl hier der empirische Theil besonders [388.13] +praktische Anthropologie+, der rationale aber eigentlich +Moral+ heißen [388.14] könnte. [388.15] Alle Gewerbe, Handwerke und Künste haben durch die Vertheilung [388.16] der Arbeiten gewonnen, da nämlich nicht einer alles macht, sondern jeder [388.17] sich auf gewisse Arbeit, die sich ihrer Behandlungsweise nach von andern [388.18] merklich unterscheidet, einschränkt, um sie in der größten Vollkommenheit [388.19] und mit mehrerer Leichtigkeit leisten zu können. Wo die Arbeiten so nicht [388.20] unterschieden und vertheilt werden, wo jeder ein Tausendkünstler ist, da [388.21] liegen die Gewerbe noch in der größten Barbarei. Aber ob dieses zwar [388.22] für sich ein der Erwägung nicht unwürdiges Object wäre, zu fragen: ob [388.23] die reine Philosophie in allen ihren Theilen nicht ihren besondern Mann [388.24] erheische, und es um das Ganze des gelehrten Gewerbes nicht besser stehen [388.25] würde, wenn die, so das Empirische mit dem Rationalen dem Geschmacke [388.26] des Publicums gemäß nach allerlei ihnen selbst unbekannten Verhältnissen [388.27] gemischt zu verkaufen gewohnt sind, die sich Selbstdenker, andere aber, die [388.28] den bloß rationalen Theil zubereiten, Grübler nennen, gewarnt würden, [388.29] nicht zwei Geschäfte zugleich zu treiben, die in der Art, sie zu behandeln, [388.30] gar sehr verschieden sind, zu deren jedem vielleicht ein besonderes Talent [388.31] erfordert wird, und deren Verbindung in einer Person nur Stümper her- [388.32] vorbringt: so frage ich hier doch nur, ob nicht die Natur der Wissenschaft [388.33] es erfordere, den empirischen von dem rationalen Theil jederzeit sorgfältig [388.34] abzusondern und vor der eigentlichen (empirischen) Physik eine Metaphysik [388.35] der Natur, vor der praktischen Anthropologie aber eine Metaphysik der [388.36] Sitten voranzuschicken, die von allem Empirischen sorgfältig gesäubert [388.37] sein müßten, um zu wissen, wie viel reine Vernunft in beiden Fällen leisten 388 [iv-vii] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · 1903 Preussische Akademie Auflage [389.1] könne, und aus welchen Quellen sie selbst diese ihre Belehrung a priori [389.2] schöpfe, es mag übrigens das letztere Geschäfte von allen Sittenlehrern [389.3] (deren Namen Legion heißt) oder nur von einigen, die Beruf dazu fühlen, [389.4] getrieben werden. [389.5] Da meine Absicht hier eigentlich auf die sittliche Weltweisheit ge- [389.6] richtet ist, so schränke ich die vorgelegte Frage nur darauf ein: ob man [389.7] nicht meine, daß es von der äußersten Nothwendigkeit sei, einmal eine [389.8] reine Moralphilosophie zu bearbeiten, die von allem, was nur empirisch [389.9] sein mag und zur Anthropologie gehört, völlig gesäubert wäre; denn daß [389.10] es eine solche geben müsse, leuchtet von selbst aus der gemeinen Idee der [389.11] Pflicht und der sittlichen Gesetze ein. Jedermann muß eingestehen, daß [389.12] ein Gesetz, wenn es moralisch, d. i. als Grund einer Verbindlichkeit, gelten [389.13] soll, absolute Nothwendigkeit bei sich führen müsse; daß das Gebot: du [389.14] sollst nicht lügen, nicht etwa bloß für Menschen gelte, andere vernünftige [389.15] Wesen sich aber daran nicht zu kehren hätten, und so alle übrige eigentliche [389.16] Sittengesetze; daß mithin der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der [389.17] Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist, [389.18] gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen [389.19] Vernunft, und daß jede andere Vorschrift, die sich auf Principien der [389.20] bloßen Erfahrung gründet, und sogar eine in gewissem Betracht allge- [389.21] meine Vorschrift, so fern sie sich dem mindesten Theile, vielleicht nur einem [389.22] Bewegungsgrunde nach auf empirische Gründe stützt, zwar eine praktische [389.23] Regel, niemals aber ein moralisches Gesetz heißen kann. [389.24] Also unterscheiden sich die moralischen Gesetze sammt ihren Principien [389.25] unter allem praktischen Erkenntnisse von allem übrigen, darin irgend etwas [389.26] Empirisches ist, nicht allein wesentlich, sondern alle Moralphilosophie be- [389.27] ruht gänzlich auf ihrem reinen Theil, und auf den Menschen angewandt, [389.28] entlehnt sie nicht das mindeste von der Kenntniß desselben (Anthropolo- [389.29] gie), sondern giebt ihm, als vernünftigem Wesen, Gesetze a priori, die frei- [389.30] lich noch durch Erfahrung geschärfte Urtheilskraft erfordern, um theils zu [389.31] unterscheiden, in welchen Fällen sie ihre Anwendung haben, theils ihnen [389.32] Eingang in den Willen des Menschen und Nachdruck zur Ausübung zu [389.33] verschaffen, da dieser, als selbst mit so viel Neigungen afficirt, der Idee [389.34] einer praktischen reinen Vernunft zwar fähig, aber nicht so leicht vermö- [389.35] gend ist, sie in seinem Lebenswandel in concreto wirksam zu machen. [389.36] Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich nothwendig, nicht [389.37] bloß aus einem Bewegungsgrunde der Speculation, um die Quelle der a 389 [vii-ix] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · 1903 Preussische Akademie Auflage [390.1] priori in unserer Vernunft liegenden praktischen Grundsätze zu erforschen, [390.2] sondern weil die Sitten selber allerlei Verderbniß unterworfen bleiben, so [390.3] lange jener Leitfaden und oberste Norm ihrer richtigen Beurtheilung fehlt. [390.4] Denn bei dem, was moralisch gut sein soll, ist es nicht genug, daß es dem [390.5] sittlichen Gesetze +gemäß+ sei, sondern es muß auch +um desselben willen+ [390.6] geschehen; widrigenfalls ist jene Gemäßheit nur sehr zufällig und mißlich, [390.7] weil der unsittliche Grund zwar dann und wann gesetzmäßige, mehrmals [390.8] aber gesetzwidrige Handlungen hervorbringen wird. Nun ist aber das sitt- [390.9] liche Gesetz in seiner Reinigkeit und Ächtheit (woran eben im Praktischen [390.10] am meisten gelegen ist) nirgend anders, als in einer reinen Philosophie [390.11] zu suchen, also muß diese (Metaphysik) vorangehen, und ohne sie kann es [390.12] überall keine Moralphilosophie geben; selbst verdient diejenige, welche jene [390.13] reine Principien unter die empirischen mischt, den Namen einer Philoso- [390.14] phie nicht (denn dadurch unterscheidet diese sich eben von der gemeinen [390.15] Vernunfterkenntniß, daß sie, was diese nur vermengt begreift, in abgeson- [390.16] derter Wissenschaft vorträgt), viel weniger einer Moralphilosophie, weil [390.17] sie eben durch diese Vermengung sogar der Reinigkeit der Sitten selbst [390.18] Abbruch thut und ihrem eigenen Zwecke zuwider verfährt. [390.19] Man denke doch ja nicht, daß man das, was hier gefordert wird, schon [390.20] an der Propädeutik des berühmten +Wolff+ vor seiner Moralphilosophie, [390.21] nämlich der von ihm so genannten +allgemeinen praktischen Welt-+ [390.22] +weisheit+, habe, und hier also nicht eben ein ganz neues Feld einzuschla- [390.23] gen sei. Eben darum, weil sie eine allgemeine praktische Weltweisheit sein [390.24] sollte, hat sie keinen Willen von irgend einer besondern Art, etwa einen [390.25] solchen, der ohne alle empirische Bewegungsgründe, völlig aus Principien [390.26] a priori bestimmt werde, und den man einen reinen Willen nennen könnte, [390.27] sondern das Wollen überhaupt in Betrachtung gezogen mit allen Hand- [390.28] lungen und Bedingungen, die ihm in dieser allgemeinen Bedeutung zu- [390.29] kommen, und dadurch unterscheidet sie sich von einer Metaphysik der Sitten, [390.30] eben so wie die allgemeine Logik von der Transscendentalphilosophie, von [390.31] denen die erstere die Handlungen und Regeln des Denkens +überhaupt+, [390.32] diese aber bloß die besondern Handlungen und Regeln des ++reinen++ Den- [390.33] kens, d. i. desjenigen, wodurch Gegenstände völlig a priori erkannt werden, [390.34] vorträgt. Denn die Metaphysik der Sitten soll die Idee und die Princi- [390.35] pien eines möglichen +reinen+ Willens untersuchen und nicht die Handlun- [390.36] gen und Bedingungen des menschlichen Wollens überhaupt, welche größ- [390.37] tentheils aus der Psychologie geschöpft werden. Daß in der allgemeinen 390 [ix-xii] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · 1903 Preussische Akademie Auflage [391.1] praktischen Weltweisheit (wiewohl wider alle Befugniß) auch von mora- [391.2] lischen Gesetzen und Pflicht geredet wird, macht keinen Einwurf wider [391.3] meine Behauptung aus. Denn die Verfasser jener Wissenschaft bleiben [391.4] ihrer Idee von derselben auch hierin treu; sie unterscheiden nicht die Be- [391.5] wegungsgründe, die als solche völlig a priori bloß durch Vernunft vorge- [391.6] stellt werden und eigentlich moralisch sind, von den empirischen, die der [391.7] Verstand bloß durch Vergleichung der Erfahrungen zu allgemeinen Be- [391.8] griffen erhebt, sondern betrachten sie, ohne auf den Unterschied ihrer Quel- [391.9] len zu achten, nur nach der größeren oder kleineren Summe derselben (in- [391.10] dem sie alle als gleichartig angesehen werden) und machen sich dadurch [391.11] ihren Begriff von +Verbindlichkeit+, der freilich nichts weniger als mo- [391.12] ralisch, aber doch so beschaffen ist, als es in einer Philosophie, die über [391.13] den +Ursprung+ aller möglichen praktischen Begriffe, ob sie auch a priori [391.14] oder bloß a posteriori stattfinden, gar nicht urtheilt, nur verlangt werden [391.15] kann. [391.16] Im Vorsatze nun, eine Metaphysik der Sitten dereinst zu liefern, [391.17] lasse ich diese Grundlegung vorangehen. Zwar giebt es eigentlich keine [391.18] andere Grundlage derselben, als die Kritik einer +reinen praktischen+ [391.19] +Vernunft+, so wie zur Metaphysik die schon gelieferte Kritik der reinen [391.20] speculativen Vernunft. Allein theils ist jene nicht von so äußerster Noth- [391.21] wendigkeit als diese, weil die menschliche Vernunft im Moralischen selbst [391.22] beim gemeinsten Verstande leicht zu großer Richtigkeit und Ausführlich- [391.23] keit gebracht werden kann, da sie hingegen im theoretischen, aber reinen [391.24] Gebrauch ganz und gar dialektisch ist: theils erfordere ich zur Kritik einer [391.25] reinen praktischen Vernunft, daß, wenn sie vollendet sein soll, ihre Einheit [391.26] mit der speculativen in einem gemeinschaftlichen Princip zugleich müsse [391.27] dargestellt werden können, weil es doch am Ende nur eine und dieselbe [391.28] Vernunft sein kann, die bloß in der Anwendung unterschieden sein muß. [391.29] Zu einer solchen Vollständigkeit konnte ich es aber hier noch nicht bringen, [391.30] ohne Betrachtungen von ganz anderer Art herbeizuziehen und den Leser [391.31] zu verwirren. Um deswillen habe ich mich statt der Benennung einer [391.32] +Kritik der reinen praktischen Vernunft+ der von einer +Grundle-+ [391.33] +gung zur Metaphysik der Sitten+ bedient. [391.34] Weil aber drittens auch eine Metaphysik der Sitten ungeachtet des [391.35] abschreckenden Titels dennoch eines großen Grades der Popularität und [391.36] Angemessenheit zum gemeinen Verstande fähig ist, so finde ich für nütz- [391.37] lich, diese Vorarbeitung der Grundlage davon abzusondern, um das Sub- 391 [xii-xiv] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · 1903 Preussische Akademie Auflage [392.1] tile, was darin unvermeidlich ist, künftig nicht faßlichern Lehren beifügen [392.2] zu dürfen. [392.3] Gegenwärtige Grundlegung ist aber nichts mehr, als die Aufsuchung [392.4] und Festsetzung +des obersten Princips der Moralität+, welche allein [392.5] ein in seiner Absicht ganzes und von aller anderen sittlichen Untersuchung [392.6] abzusonderndes Geschäfte ausmacht. Zwar würden meine Behauptungen [392.7] über diese wichtige und bisher bei weitem noch nicht zur Gnugthuung er- [392.8] örterte Hauptfrage durch Anwendung desselben Princips auf das ganze [392.9] System viel Licht und durch die Zulänglichkeit, die es allenthalben blicken [392.10] läßt, große Bestätigung erhalten: allein ich mußte mich dieses Vortheils [392.11] begeben, der auch im Grunde mehr eigenliebig, als gemeinnützig sein [392.12] würde, weil die Leichtigkeit im Gebrauche und die scheinbare Zulänglich- [392.13] keit eines Princips keinen ganz sicheren Beweis von der Richtigkeit des- [392.14] selben abgiebt, vielmehr eine gewisse Parteilichkeit erweckt, es nicht für [392.15] sich selbst, ohne alle Rücksicht auf die Folge, nach aller Strenge zu unter- [392.16] suchen und zu wägen. [392.17] Ich habe meine Methode in dieser Schrift so genommen, wie ich [392.18] glaube, daß sie die schicklichste sei, wenn man vom gemeinen Erkenntnisse [392.19] zur Bestimmung des obersten Princips desselben analytisch und wiederum [392.20] zurück von der Prüfung dieses Princips und den Quellen desselben zur [392.21] gemeinen Erkenntniß, darin sein Gebrauch angetroffen wird, synthetisch [392.22] den Weg nehmen will. Die Eintheilung ist daher so ausgefallen: [392.23] 1. +Erster Abschnitt:+ Übergang von der gemeinen sittlichen Ver- [392.24] nunfterkenntniß zur philosophischen. [392.25] 2. +Zweiter Abschnitt:+ Übergang von der populären Moralphilo- [392.26] sophie zur Metaphysik der Sitten. [392.27] 3. +Dritter Abschnitt:+ Letzter Schritt von der Metaphysik der Sit- [392.28] ten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. ___________________ 392 [xiv-xvi] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [393.1] ++Erster Abschnitt.++ [393.2] +Übergang+ [393.3] +von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß+ [393.4] +zur philosophischen.+ [393.5] Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben [393.6] zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten wer- [393.7] den, als allein ein ++guter Wille.++ Verstand, Witz, Urtheilskraft und wie [393.8] die +Talente+ des Geistes sonst heißen mögen, oder Muth, Entschlossen- [393.9] heit, Beharrlichkeit im Vorsatze als Eigenschaften des +Temperaments+ [393.10] sind ohne Zweifel in mancher Absicht gut und wünschenswerth; aber sie [393.11] können auch äußerst böse und schädlich werden, wenn der Wille, der von [393.12] diesen Naturgaben Gebrauch machen soll und dessen eigenthümliche Be- [393.13] schaffenheit darum +Charakter+ heißt, nicht gut ist. Mit den +Glücksga-+ [393.14] +ben+ ist es eben so bewandt. Macht, Reichthum, Ehre, selbst Gesundheit [393.15] und das ganze Wohlbefinden und Zufriedenheit mit seinem Zustande un- [393.16] ter dem Namen der +Glückseligkeit+ machen Muth und hiedurch öfters [393.17] auch Übermuth, wo nicht ein guter Wille da ist, der den Einfluß derselben [393.18] aufs Gemüth und hiemit auch das ganze Princip zu handeln berichtige [393.19] und allgemein-zweckmäßig mache; ohne zu erwähnen, daß ein vernünfti- [393.20] ger unparteiischer Zuschauer sogar am Anblicke eines ununterbrochenen [393.21] Wohlergehens eines Wesens, das kein Zug eines reinen und guten Wil- [393.22] lens ziert, nimmermehr ein Wohlgefallen haben kann, und so der gute [393.23] Wille die unerlaßliche Bedingung selbst der Würdigkeit glücklich zu sein [393.24] auszumachen scheint. [393.25] Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Willen selbst beförder- [393.26] lich und können sein Werk sehr erleichtern, haben aber dem ungeachtet kei- 393 [1-2] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [394.1] nen innern unbedingten Werth, sondern setzen immer noch einen guten [394.2] Willen voraus, der die Hochschätzung, die man übrigens mit Recht für sie [394.3] trägt, einschränkt und es nicht erlaubt, sie für schlechthin gut zu halten. [394.4] Mäßigung in Affecten und Leidenschaften, Selbstbeherrschung und nüch- [394.5] terne Überlegung sind nicht allein in vielerlei Absicht gut, sondern scheinen [394.6] sogar einen Theil vom +innern+ Werthe der Person auszumachen; allein [394.7] es fehlt viel daran, um sie ohne Einschränkung für gut zu erklären (so un- [394.8] bedingt sie auch von den Alten gepriesen worden). Denn ohne Grundsätze [394.9] eines guten Willens können sie höchst böse werden, und das kalte Blut [394.10] eines Bösewichts macht ihn nicht allein weit gefährlicher, sondern auch un- [394.11] mittelbar in unsern Augen noch verabscheuungswürdiger, als er ohne die- [394.12] ses dafür würde gehalten werden. [394.13] Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, [394.14] nicht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten [394.15] Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich [394.16] selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch [394.17] ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe [394.18] aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn [394.19] gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche [394.20] Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänzlich an [394.21] Vermögen fehlte, seine Absicht durchzusetzen; wenn bei seiner größten Be- [394.22] strebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und nur der gute [394.23] Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die Auf- [394.24] bietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so [394.25] würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen [394.26] vollen Werth in sich selbst hat. Die Nützlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann [394.27] diesem Werthe weder etwas zusetzen, noch abnehmen. Sie würde gleich- [394.28] sam nur die Einfassung sein, um ihn im gemeinen Verkehr besser hand- [394.29] haben zu können, oder die Aufmerksamkeit derer, die noch nicht gnug Ken- [394.30] ner sind, auf sich zu ziehen, nicht aber um ihn Kennern zu empfehlen und [394.31] seinen Werth zu bestimmen. [394.32] Es liegt gleichwohl in dieser Idee von dem absoluten Werthe des [394.33] bloßen Willens, ohne einigen Nutzen bei Schätzung desselben in Anschlag [394.34] zu bringen, etwas so Befremdliches, daß unerachtet aller Einstimmung [394.35] selbst der gemeinen Vernunft mit derselben dennoch ein Verdacht entsprin- [394.36] gen muß, daß vielleicht bloß hochfliegende Phantasterei ingeheim zum [394.37] Grunde liege, und die Natur in ihrer Absicht, warum sie unserm Willen 394 [2-4] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [395.1] Vernunft zur Regiererin beigelegt habe, falsch verstanden sein möge. Da- [395.2] her wollen wir diese Idee aus diesem Gesichtspunkte auf die Prüfung [395.3] stellen. [395.4] In den Naturanlagen eines organisirten, d. i. zweckmäßig zum Leben [395.5] eingerichteten, Wesens nehmen wir es als Grundsatz an, daß kein Werk- [395.6] zeug zu irgend einem Zwecke in demselben angetroffen werde, als was auch [395.7] zu demselben das schicklichste und ihm am meisten angemessen ist. Wäre [395.8] nun an einem Wesen, das Vernunft und einen Willen hat, seine +Erhal-+ [395.9] +tung+, sein +Wohlergehen+, mit einem Worte seine +Glückseligkeit+, der [395.10] eigentliche Zweck der Natur, so hätte sie ihre Veranstaltung dazu sehr [395.11] schlecht getroffen, sich die Vernunft des Geschöpfs zur Ausrichterin dieser [395.12] ihrer Absicht zu ersehen. Denn alle Handlungen, die es in dieser Absicht [395.13] auszuüben hat, und die ganze Regel seines Verhaltens würden ihm weit [395.14] genauer durch Instinct vorgezeichnet und jener Zweck weit sicherer dadurch [395.15] haben erhalten werden können, als es jemals durch Vernunft geschehen [395.16] kann, und sollte diese ja obenein dem begünstigten Geschöpf ertheilt wor- [395.17] den sein, so würde sie ihm nur dazu haben dienen müssen, um über die [395.18] glückliche Anlage seiner Natur Betrachtungen anzustellen, sie zu bewun- [395.19] dern, sich ihrer zu erfreuen und der wohlthätigen Ursache dafür dankbar [395.20] zu sein; nicht aber, um sein Begehrungsvermögen jener schwachen und [395.21] trüglichen Leitung zu unterwerfen und in der Naturabsicht zu pfuschen; [395.22] mit einem Worte, sie würde verhütet haben, daß Vernunft nicht in +prak-+ [395.23] +tischen Gebrauch+ ausschlüge und die Vermessenheit hätte, mit ihren [395.24] schwachen Einsichten ihr selbst den Entwurf der Glückseligkeit und der [395.25] Mittel dazu zu gelangen auszudenken; die Natur würde nicht allein die [395.26] Wahl der Zwecke, sondern auch der Mittel selbst übernommen und beide [395.27] mit weiser Vorsorge lediglich dem Instincte anvertraut haben. [395.28] In der That finden wir auch, daß, je mehr eine cultivirte Vernunft [395.29] sich mit der Absicht auf den Genuß des Lebens und der Glückseligkeit ab- [395.30] giebt, desto weiter der Mensch von der wahren Zufriedenheit abkomme, [395.31] woraus bei vielen und zwar den Versuchtesten im Gebrauche derselben, [395.32] wenn sie nur aufrichtig genug sind, es zu gestehen, ein gewisser Grad von [395.33] +Misologie+, d. i. Haß der Vernunft, entspringt, weil sie nach dem Über- [395.34] schlage alles Vortheils, den sie, ich will nicht sagen von der Erfindung [395.35] aller Künste des gemeinen Luxus, sondern sogar von den Wissenschaften [395.36] (die ihnen am Ende auch ein Luxus des Verstandes zu sein scheinen) zie- [395.37] hen, dennoch finden, daß sie sich in der That nur mehr Mühseligkeit auf 395 [4-6] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [396.1] den Hals gezogen, als an Glückseligkeit gewonnen haben und darüber [396.2] endlich den gemeinern Schlag der Menschen, welcher der Leitung des blo- [396.3] ßen Naturinstincts näher ist, und der seiner Vernunft nicht viel Einfluß [396.4] auf sein Thun und Lassen verstattet, eher beneiden als geringschätzen. Und [396.5] so weit muß man gestehen, daß das Urtheil derer, die die ruhmredige Hoch- [396.6] preisungen der Vortheile, die uns die Vernunft in Ansehung der Glück- [396.7] seligkeit und Zufriedenheit des Lebens verschaffen sollte, sehr mäßigen und [396.8] sogar unter Null herabsetzen, keinesweges grämisch, oder gegen die Güte [396.9] der Weltregierung undankbar sei, sondern daß diesen Urtheilen ingeheim [396.10] die Idee von einer andern und viel würdigern Absicht ihrer Existenz zum [396.11] Grunde liege, zu welcher und nicht der Glückseligkeit die Vernunft ganz [396.12] eigentlich bestimmt sei, und welcher darum als oberster Bedingung die [396.13] Privatabsicht des Menschen größtentheils nachstehen muß. [396.14] Denn da die Vernunft dazu nicht tauglich genug ist, um den Willen [396.15] in Ansehung der Gegenstände desselben und der Befriedigung aller unserer [396.16] Bedürfnisse (die sie zum Theil selbst vervielfältigt) sicher zu leiten, als zu [396.17] welchem Zwecke ein eingepflanzter Naturinstinct viel gewisser geführt ha- [396.18] ben würde, gleichwohl aber uns Vernunft als praktisches Vermögen, d. i. [396.19] als ein solches, das Einfluß auf den +Willen+ haben soll, dennoch zuge- [396.20] theilt ist: so muß die wahre Bestimmung derselben sein, einen nicht etwa [396.21] in anderer Absicht +als Mittel+, sondern +an sich selbst guten Willen+ [396.22] hervorzubringen, wozu schlechterdings Vernunft nöthig war, wo anders [396.23] die Natur überall in Austheilung ihrer Anlagen zweckmäßig zu Werke ge- [396.24] gangen ist. Dieser Wille darf also zwar nicht das einzige und das ganze, [396.25] aber er muß doch das höchste Gut und zu allem Übrigen, selbst allem Ver- [396.26] langen nach Glückseligkeit die Bedingung sein, in welchem Falle es sich [396.27] mit der Weisheit der Natur gar wohl vereinigen läßt, wenn man wahr- [396.28] nimmt, daß die Cultur der Vernunft, die zur erstern und unbedingten Ab- [396.29] sicht erforderlich ist, die Erreichung der zweiten, die jederzeit bedingt ist, [396.30] nämlich der Glückseligkeit, wenigstens in diesem Leben auf mancherlei [396.31] Weise einschränke, ja sie selbst unter Nichts herabbringen könne, ohne daß [396.32] die Natur darin unzweckmäßig verfahre, weil die Vernunft, die ihre höchste [396.33] praktische Bestimmung in der Gründung eines guten Willens erkennt, bei [396.34] Erreichung dieser Absicht nur einer Zufriedenheit nach ihrer eigenen Art, [396.35] nämlich aus der Erfüllung eines Zwecks, den wiederum nur Vernunft be- [396.36] stimmt, fähig ist, sollte dieses auch mit manchem Abbruch, der den Zwek- [396.37] ken der Neigung geschieht, verbunden sein. 396 [6-8] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [397.1] Um aber den Begriff eines an sich selbst hochzuschätzenden und ohne [397.2] weitere Absicht guten Willens, so wie er schon dem natürlichen gesunden [397.3] Verstande beiwohnt und nicht sowohl gelehrt als vielmehr nur aufgeklärt [397.4] zu werden bedarf, diesen Begriff, der in der Schätzung des ganzen Werths [397.5] unserer Handlungen immer obenan steht und die Bedingung alles übri- [397.6] gen ausmacht, zu entwickeln: wollen wir den Begriff der ++Pflicht++ vor uns [397.7] nehmen, der den eines guten Willens, obzwar unter gewissen subjectiven [397.8] Einschränkungen und Hindernissen, enthält, die aber doch, weit gefehlt daß [397.9] sie ihn verstecken und unkenntlich machen sollten, ihn vielmehr durch Ab- [397.10] stechung heben und desto heller hervorscheinen lassen. [397.11] Ich übergehe hier alle Handlungen, die schon als pflichtwidrig er- [397.12] kannt werden, ob sie gleich in dieser oder jener Absicht nützlich sein mögen; [397.13] denn bei denen ist gar nicht einmal die Frage, ob sie +aus Pflicht+ gesche- [397.14] hen sein mögen, da sie dieser sogar widerstreiten. Ich setze auch die Hand- [397.15] lungen bei Seite, die wirklich pflichtmäßig sind, zu denen aber Menschen [397.16] unmittelbar +keine Neigung+ haben, sie aber dennoch ausüben, weil sie [397.17] durch eine andere Neigung dazu getrieben werden. Denn da läßt sich leicht [397.18] unterscheiden, ob die pflichtmäßige Handlung +aus Pflicht+ oder aus selbst- [397.19] süchtiger Absicht geschehen sei. Weit schwerer ist dieser Unterschied zu be- [397.20] merken, wo die Handlung pflichtmäßig ist und das Subject noch überdem [397.21] +unmittelbare+ Neigung zu ihr hat. Z. B. es ist allerdings pflichtmäßig, [397.22] daß der Krämer seinen unerfahrnen Käufer nicht übertheure, und, wo viel [397.23] Verkehr ist, thut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, sondern hält einen [397.24] festgesetzten allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind eben so [397.25] gut bei ihm kauft, als jeder andere. Man wird also +ehrlich+ bedient; all- [397.26] ein das ist lange nicht genug, um deswegen zu glauben, der Kaufmann [397.27] habe aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vor- [397.28] theil erforderte es; daß er aber überdem noch eine unmittelbare Neigung [397.29] zu den Käufern haben sollte, um gleichsam aus Liebe keinem vor dem an- [397.30] dern im Preise den Vorzug zu geben, läßt sich hier nicht annehmen. Also [397.31] war die Handlung weder aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, [397.32] sondern bloß in eigennütziger Absicht geschehen. [397.33] Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht, und überdem hat jeder- [397.34] mann dazu noch eine unmittelbare Neigung. Aber um deswillen hat die [397.35] oft ängstliche Sorgfalt, die der größte Theil der Menschen dafür trägt, [397.36] doch keinen innern Werth und die Maxime derselben keinen moralischen 397 [8-9] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [398.1] Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar +pflichtmäßig+, aber nicht +aus+ [398.2] +Pflicht+. Dagegen wenn Widerwärtigkeiten und hoffnungsloser Gram [398.3] den Geschmack am Leben gänzlich weggenommen haben; wenn der Un- [398.4] glückliche, stark an Seele, über sein Schicksal mehr entrüstet als kleinmü- [398.5] thig oder niedergeschlagen, den Tod wünscht und sein Leben doch erhält, [398.6] ohne es zu lieben, nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht: [398.7] alsdann hat seine Maxime einen moralischen Gehalt. [398.8] Wohlthätig sein, wo man kann, ist Pflicht, und überdem giebt es [398.9] manche so theilnehmend gestimmte Seelen, daß sie auch ohne einen andern [398.10] Bewegungsgrund der Eitelkeit oder des Eigennutzes ein inneres Vergnü- [398.11] gen daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an der Zu- [398.12] friedenheit anderer, so fern sie ihr Werk ist, ergötzen können. Aber ich be- [398.13] haupte, daß in solchem Falle dergleichen Handlung, so pflichtmäßig, so [398.14] liebenswürdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen Werth habe, [398.15] sondern mit andern Neigungen zu gleichen Paaren gehe, z. E. der Neigung [398.16] nach Ehre, die, wenn sie glücklicherweise auf das trifft, was in der That [398.17] gemeinnützig und pflichtmäßig, mithin ehrenwerth ist, Lob und Aufmun- [398.18] terung, aber nicht Hochschätzung verdient; denn der Maxime fehlt der sitt- [398.19] liche Gehalt, nämlich solche Handlungen nicht aus Neigung, sondern +aus+ [398.20] +Pflicht+ zu thun. Gesetzt also, das Gemüth jenes Menschenfreundes wäre [398.21] vom eigenen Gram umwölkt, der alle Theilnehmung an anderer Schicksal [398.22] auslöscht, er hätte immer noch Vermögen, andern Nothleidenden wohlzu- [398.23] thun, aber fremde Noth rührte ihn nicht, weil er mit seiner eigenen gnug [398.24] beschäftigt ist, und nun, da keine Neigung ihn mehr dazu anreizt, risse er [398.25] sich doch aus dieser tödtlichen Unempfindlichkeit heraus und thäte die [398.26] Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, alsdann hat sie aller- [398.27] erst ihren ächten moralischen Werth. Noch mehr: wenn die Natur diesem [398.28] oder jenem überhaupt wenig Sympathie ins Herz gelegt hätte, wenn er [398.29] (übrigens ein ehrlicher Mann) von Temperament kalt und gleichgültig [398.30] gegen die Leiden anderer wäre, vielleicht weil er, selbst gegen seine eigene [398.31] mit der besondern Gabe der Geduld und aushaltenden Stärke versehen, [398.32] dergleichen bei jedem andern auch voraussetzt, oder gar fordert; wenn die [398.33] Natur einen solchen Mann (welcher wahrlich nicht ihr schlechtestes Pro- [398.34] duct sein würde) nicht eigentlich zum Menschenfreunde gebildet hätte, wür- [398.35] de er denn nicht noch in sich einen Quell finden, sich selbst einen weit hö- [398.36] hern Werth zu geben, als der eines gutartigen Temperaments sein mag? [398.37] Allerdings! gerade da hebt der Werth des Charakters an, der moralisch 398 [9-11] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [399.1] und ohne alle Vergleichung der höchste ist, nämlich daß er wohlthue, nicht [399.2] aus Neigung, sondern aus Pflicht. [399.3] Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens indirect), [399.4] denn der Mangel der Zufriedenheit mit seinem Zustande in einem Ge- [399.5] dränge von vielen Sorgen und mitten unter unbefriedigten Bedürfnissen [399.6] könnte leicht eine große +Versuchung zu Übertretung der Pflichten+ [399.7] werden. Aber auch ohne hier auf Pflicht zu sehen, haben alle Menschen [399.8] schon von selbst die mächtigste und innigste Neigung zur Glückseligkeit, [399.9] weil sich gerade in dieser Idee alle Neigungen zu einer Summe vereini- [399.10] gen. Nur ist die Vorschrift der Glückseligkeit mehrentheils so beschaffen, [399.11] daß sie einigen Neigungen großen Abbruch thut und doch der Mensch sich [399.12] von der Summe der Befriedigung aller unter dem Namen der Glückselig- [399.13] keit keinen bestimmten und sichern Begriff machen kann; daher nicht zu [399.14] verwundern ist, wie eine einzige in Ansehung dessen, was sie verheißt, und [399.15] der Zeit, worin ihre Befriedigung erhalten werden kann, bestimmte Nei- [399.16] gung eine schwankende Idee überwiegen könne, und der Mensch, z. B. ein [399.17] Podagrist, wählen könne, zu genießen, was ihm schmeckt, und zu leiden, [399.18] was er kann, weil er nach seinem Überschlage hier wenigstens sich nicht [399.19] durch vielleicht grundlose Erwartungen eines Glücks, das in der Gesund- [399.20] heit stecken soll, um den Genuß des gegenwärtigen Augenblicks gebracht [399.21] hat. Aber auch in diesem Falle, wenn die allgemeine Neigung zur Glück- [399.22] seligkeit seinen Willen nicht bestimmte, wenn Gesundheit für ihn wenig- [399.23] stens nicht so nothwendig in diesen Überschlag gehörte, so bleibt noch hier [399.24] wie in allen andern Fällen ein Gesetz übrig, nämlich seine Glückseligkeit [399.25] zu befördern, nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht, und da hat sein [399.26] Verhalten allererst den eigentlichen moralischen Werth. [399.27] So sind ohne Zweifel auch die Schriftstellen zu verstehen, darin ge- [399.28] boten wird, seinen Nächsten, selbst unsern Feind zu lieben. Denn Liebe [399.29] als Neigung kann nicht geboten werden, aber Wohlthun aus Pflicht selbst, [399.30] wenn dazu gleich gar keine Neigung treibt, ja gar natürliche und unbe- [399.31] zwingliche Abneigung widersteht, ist +praktische+ und nicht +pathologi-+ [399.32] +sche+ Liebe, die im Willen liegt und nicht im Hange der Empfindung, in [399.33] Grundsätzen der Handlung und nicht schmelzender Theilnehmung; jene [399.34] aber allein kann geboten werden. [399.35] Der zweite Satz ist: eine Handlung aus Pflicht hat ihren morali- [399.36] schen Werth +nicht in der Absicht+, welche dadurch erreicht werden soll, [399.37] sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird, hängt also nicht von 399 [11-13] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [400.1] der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, sondern blos von dem [400.2] +Princip+ des +Wollens+, nach welchem die Handlung unangesehen aller [400.3] Gegenstände des Begehrungsvermögens geschehen ist. Daß die Absichten, [400.4] die wir bei Handlungen haben mögen, und ihre Wirkungen, als Zwecke [400.5] und Triebfedern des Willens, den Handlungen keinen unbedingten und [400.6] moralischen Werth ertheilen können, ist aus dem vorigen klar. Worin [400.7] kann also dieser Werth liegen, wenn er nicht im Willen in Beziehung auf [400.8] deren verhoffte Wirkung bestehen soll? Er kann nirgend anders liegen, [400.9] +als im Princip des Willens+ unangesehen der Zwecke, die durch solche [400.10] Handlung bewirkt werden können; denn der Wille ist mitten inne zwischen [400.11] seinem Princip a priori, welches formell ist, und zwischen seiner Triebfeder [400.12] a posteriori, welche materiell ist, gleichsam auf einem Scheidewege, und [400.13] da er doch irgend wodurch muß bestimmt werden, so wird er durch das [400.14] formelle Princip des Wollens überhaupt bestimmt werden müssen, wenn [400.15] eine Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Princip ent- [400.16] zogen worden. [400.17] Den dritten Satz als Folgerung aus beiden vorigen würde ich so [400.18] ausdrücken: +Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus+ [400.19] +Achtung fürs Gesetz+. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden [400.20] Handlung kann ich zwar +Neigung+ haben, aber niemals +Achtung+, eben [400.21] darum, weil sie bloß eine Wirkung und nicht Thätigkeit eines Willens ist. [400.22] Eben so kann ich für Neigung überhaupt, sie mag nun meine oder eines [400.23] andern seine sein, nicht Achtung haben, ich kann sie höchstens im ersten [400.24] Falle billigen, im zweiten bisweilen selbst lieben, d. i. sie als meinem ei- [400.25] genen Vortheile günstig ansehen. Nur das, was bloß als Grund, niemals [400.26] aber als Wirkung mit meinem Willen verknüpft ist, was nicht meiner [400.27] Neigung dient, sondern sie überwiegt, wenigstens diese von deren Über- [400.28] schlage bei der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße Gesetz für sich [400.29] kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun soll [400.30] eine Handlung aus Pflicht den Einfluß der Neigung und mit ihr jeden [400.31] Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt nichts für den Willen [400.32] übrig, was ihn bestimmen könne, als objectiv das +Gesetz+ und subjectiv [400.33] +reine Achtung+ für dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime*), einem ______________ [400.34] *) +Maxime+ ist das subjective Princip des Wollens; das objective Princip [400.35] (d. i. dasjenige, was allen vernünftigen Wesen auch subjectiv zum praktischen Princip [400.36] dienen würde, wenn Vernunft volle Gewalt über das Begehrungsvermögen hätte) ist [400.37] das praktische +Gesetz+. 400 [13-15] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [401.1] solchen Gesetze selbst mit Abbruch aller meiner Neigungen Folge zu [401.2] leisten. [401.3] Es liegt also der moralische Werth der Handlung nicht in der Wir- [401.4] kung, die daraus erwartet wird, also auch nicht in irgend einem Princip [401.5] der Handlung, welches seinen Bewegungsgrund von dieser erwarteten [401.6] Wirkung zu entlehnen bedarf. Denn alle diese Wirkungen (Annehmlich- [401.7] keit seines Zustandes, ja gar Beförderung fremder Glückseligkeit) konnten [401.8] auch durch andere Ursachen zu Stande gebracht werden, und es brauchte [401.9] also dazu nicht des Willens eines vernünftigen Wesens, worin gleichwohl [401.10] das höchste und unbedingte Gute allein angetroffen werden kann. Es [401.11] kann daher nichts anders als die +Vorstellung des Gesetzes+ an sich [401.12] selbst, +die freilich nur im vernünftigen Wesen stattfindet+, so fern [401.13] sie, nicht aber die verhoffte Wirkung der Bestimmungsgrund des Willens [401.14] ist, das so vorzügliche Gute, welches wir sittlich nennen, ausmachen, wel- [401.15] ches in der Person selbst schon gegenwärtig ist, die darnach handelt, nicht [401.16] aber allererst aus der Wirkung erwartet werden darf*). ______________ [401.17] *) Man könnte mir vorwerfen, als suchte ich hinter dem Worte +Achtung+ nur [401.18] Zuflucht in einem dunkelen Gefühle, anstatt durch einen Begriff der Vernunft in der [401.19] Frage deutliche Auskunft zu geben. Allein wenn Achtung gleich ein Gefühl ist, so ist [401.20] es doch kein durch Einfluß +empfangenes+, sondern durch einen Vernunftbegriff [401.21] +selbstgewirktes+ Gefühl und daher von allen Gefühlen der ersteren Art, die sich auf [401.22] Neigung oder Furcht bringen lassen, specifisch unterschieden. Was ich unmittelbar als [401.23] Gesetz für mich erkenne, erkenne ich mit Achtung, welche bloß das Bewußtsein der [401.24] +Unterordnung+ meines Willens unter einem Gesetze ohne Vermittelung anderer [401.25] Einflüsse auf meinen Sinn bedeutet. Die unmittelbare Bestimmung des Willens [401.26] durchs Gesetz und das Bewußtsein derselben heißt +Achtung+, so daß diese als [401.27] +Wirkung+ des Gesetzes aufs Subject und nicht als +Ursache+ desselben angesehen [401.28] wird. Eigentlich ist Achtung die Vorstellung von einem Werthe, der meiner Selbst- [401.29] liebe Abbruch thut. Also ist es etwas, was weder als Gegenstand der Neigung, noch [401.30] der Furcht betrachtet wird, obgleich es mit beiden zugleich etwas Analogisches hat. [401.31] Der +Gegenstand+ der Achtung ist also lediglich das +Gesetz+ und zwar dasjenige, das [401.32] wir +uns selbst+ und doch als an sich nothwendig auferlegen. Als Gesetz sind wir ihm [401.33] unterworfen, ohne die Selbstliebe zu befragen; als uns von uns selbst auferlegt, ist [401.34] es doch eine Folge unsers Willens und hat in der ersten Rücksicht Analogie mit [401.35] Furcht, in der zweiten mit Neigung. Alle Achtung für eine Person ist eigentlich nur [401.36] Achtung fürs Gesetz (der Rechtschaffenheit etc.), wovon jene uns das Beispiel giebt. [401.37] Weil wir Erweiterung unserer Talente auch als Pflicht ansehen, so stellen wir uns [401.38] an einer Person von Talenten auch gleichsam das +Beispiel eines Gesetzes+ vor [401.39] (ihr durch Übung hierin ähnlich zu werden), und das macht unsere Achtung aus. [401.40] Alles moralische so genannte +Interesse+ besteht lediglich in der +Achtung+ fürs Gesetz. 401 [15-17] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [402.1] Was kann das aber wohl für ein Gesetz sein, dessen Vorstellung, auch [402.2] ohne auf die daraus erwartete Wirkung Rücksicht zu nehmen, den Willen [402.3] bestimmen muß, damit dieser schlechterdings und ohne Einschränkung gut [402.4] heißen könne? Da ich den Willen aller Antriebe beraubt habe, die ihm [402.5] aus der Befolgung irgend eines Gesetzes entspringen könnten, so bleibt [402.6] nichts als die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlungen überhaupt üb- [402.7] rig, welche allein dem Willen zum Princip dienen soll, d. i. ich soll nie- [402.8] mals anders verfahren als so, +daß ich auch wollen könne, meine+ [402.9] +Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden+. Hier ist nun die [402.10] bloße Gesetzmäßigkeit überhaupt (ohne irgend ein auf gewisse Handlungen [402.11] bestimmtes Gesetz zum Grunde zu legen) das, was dem Willen zum Prin- [402.12] cip dient und ihm auch dazu dienen muß, wenn Pflicht nicht überall ein [402.13] leerer Wahn und chimärischer Begriff sein soll; hiemit stimmt die gemeine [402.14] Menschenvernunft in ihrer praktischen Beurtheilung auch vollkommen über- [402.15] ein und hat das gedachte Princip jederzeit vor Augen. [402.16] Die Frage sei z. B.: darf ich, wenn ich im Gedränge bin, nicht ein [402.17] Versprechen thun, in der Absicht, es nicht zu halten? Ich mache hier leicht [402.18] den Unterschied, den die Bedeutung der Frage haben kann, ob es klüglich, [402.19] oder ob es pflichtmäßig sei, ein falsches Versprechen zu thun. Das erstere [402.20] kann ohne Zweifel öfters stattfinden. Zwar sehe ich wohl, daß es nicht [402.21] gnug sei, mich vermittelst dieser Ausflucht aus einer gegenwärtigen Ver- [402.22] legenheit zu ziehen, sondern wohl überlegt werden müsse, ob mir aus die- [402.23] ser Lüge nicht hinterher viel größere Ungelegenheit entspringen könne, als [402.24] die sind, von denen ich mich jetzt befreie, und, da die Folgen bei aller [402.25] meiner vermeinten +Schlauigkeit+ nicht so leicht vorauszusehen sind, daß [402.26] nicht ein einmal verlornes Zutrauen mir weit nachtheiliger werden könnte [402.27] als alles Übel, das ich jetzt zu vermeiden gedenke, ob es nicht +klüglicher+ [402.28] gehandelt sei, hiebei nach einer allgemeinen Maxime zu verfahren und es [402.29] sich zur Gewohnheit zu machen, nichts zu versprechen als in der Absicht, [402.30] es zu halten. Allein es leuchtet mir hier bald ein, daß eine solche Maxime [402.31] doch immer nur die besorglichen Folgen zum Grunde habe. Nun ist es [402.32] doch etwas ganz anderes, aus Pflicht wahrhaft zu sein, als aus Besorgniß [402.33] der nachtheiligen Folgen: indem im ersten Falle der Begriff der Handlung [402.34] an sich selbst schon ein Gesetz für mich enthält, im zweiten ich mich aller- [402.35] erst anderwärtsher umsehen muß, welche Wirkungen für mich wohl damit [402.36] verbunden sein möchten. Denn wenn ich von dem Princip der Pflicht ab- [402.37] weiche, so ist es ganz gewiß böse; werde ich aber meiner Maxime der 402 [17-19] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [403.1] Klugheit abtrünnig, so kann das mir doch manchmal sehr vortheilhaft sein, [403.2] wiewohl es freilich sicherer ist, bei ihr zu bleiben. Um indessen mich in [403.3] Ansehung der Beantwortung dieser Aufgabe, ob ein lügenhaftes Ver- [403.4] sprechen pflichtmäßig sei, auf die allerkürzeste und doch untrügliche Art zu [403.5] belehren, so frage ich mich selbst: würde ich wohl damit zufrieden sein, daß [403.6] meine Maxime (mich durch ein unwahres Versprechen aus Verlegenheit [403.7] zu ziehen) als ein allgemeines Gesetz (sowohl für mich als andere) gelten [403.8] solle, und würde ich wohl zu mir sagen können: es mag jedermann ein un- [403.9] wahres Versprechen thun, wenn er sich in Verlegenheit befindet, daraus [403.10] er sich auf andere Art nicht ziehen kann? So werde ich bald inne, daß ich [403.11] zwar die Lüge, aber ein allgemeines Gesetz zu lügen gar nicht wollen könne; [403.12] denn nach einem solchen würde es eigentlich gar kein Versprechen geben, [403.13] weil es vergeblich wäre, meinen Willen in Ansehung meiner künftigen [403.14] Handlungen andern vorzugeben, die diesem Vorgeben doch nicht glauben, [403.15] oder, wenn sie es übereilter Weise thäten, mich doch mit gleicher Münze [403.16] bezahlen würden, mithin meine Maxime, so bald sie zum allgemeinen Ge- [403.17] setze gemacht würde, sich selbst zerstören müsse. [403.18] Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu [403.19] brauche ich gar keine weit ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in [403.20] Ansehung des Weltlaufs, unfähig auf alle sich eräugnende Vorfälle des- [403.21] selben gefaßt zu sein, frage ich mich nur: kannst du auch wollen, daß [403.22] deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? Wo nicht, so ist sie verwerf- [403.23] lich und das zwar nicht um eines dir oder auch anderen daraus bevor- [403.24] stehenden Nachtheils willen, sondern weil sie nicht als Princip in eine [403.25] mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann; für diese aber zwingt mir [403.26] die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht [403.27] +einsehe+, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), [403.28] wenigstens aber doch so viel verstehe: daß es eine Schätzung des Werthes [403.29] sei, welcher allen Werth dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit [403.30] überwiegt, und daß die Nothwendigkeit meiner Handlungen aus +reiner+ [403.31] Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der [403.32] jeder andere Bewegungsgrund weichen muß, weil sie die Bedingung eines [403.33] +an sich+ guten Willens ist, dessen Werth über alles geht. [403.34] So sind wir denn in der moralischen Erkenntniß der gemeinen Men- [403.35] schenvernunft bis zu ihrem Princip gelangt, welches sie sich zwar freilich [403.36] nicht so in einer allgemeinen Form abgesondert denkt, aber doch jederzeit [403.37] wirklich vor Augen hat und zum Richtmaße ihrer Beurtheilung braucht. 403 [19-20] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [404.1] Es wäre hier leicht zu zeigen, wie sie mit diesem Compasse in der Hand [404.2] in allen vorkommenden Fällen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden, [404.3] was gut, was böse, pflichtmäßig, oder pflichtwidrig sei, wenn man, ohne [404.4] sie im mindesten etwas Neues zu lehren, sie nur, wie Sokrates that, auf [404.5] ihr eigenes Princip aufmerksam macht, und daß es also keiner Wissenschaft [404.6] und Philosophie bedürfe, um zu wissen, was man zu thun habe, um ehr- [404.7] lich und gut, ja sogar um weise und tugendhaft zu sein. Das ließe sich [404.8] auch wohl schon zum voraus vermuthen, daß die Kenntniß dessen, was zu [404.9] thun, mithin auch zu wissen jedem Menschen obliegt, auch jedes, selbst des [404.10] gemeinsten Menschen Sache sein werde. Hier kann man es doch nicht ohne [404.11] Bewunderung ansehen, wie das praktische Beurtheilungsvermögen vor [404.12] dem theoretischen im gemeinen Menschenverstande so gar viel voraus habe. [404.13] In dem letzteren, wenn die gemeine Vernunft es wagt, von den Erfah- [404.14] rungsgesetzen und den Wahrnehmungen der Sinne abzugehen, geräth sie [404.15] in lauter Unbegreiflichkeiten und Widersprüche mit sich selbst, wenigstens [404.16] in ein Chaos von Ungewißheit, Dunkelheit und Unbestand. Im praktischen [404.17] aber fängt die Beurtheilungskraft dann eben allererst an, sich recht vor- [404.18] theilhaft zu zeigen, wenn der gemeine Verstand alle sinnliche Triebfedern [404.19] von praktischen Gesetzen ausschließt. Er wird alsdann sogar subtil, es [404.20] mag sein, daß er mit seinem Gewissen oder anderen Ansprüchen in Be- [404.21] ziehung auf das, was Recht heißen soll, chicaniren, oder auch den Werth [404.22] der Handlungen zu seiner eigenen Belehrung aufrichtig bestimmen will, [404.23] und was das meiste ist, er kann im letzteren Falle sich eben so gut Hoff- [404.24] nung machen, es recht zu treffen, als es sich immer ein Philosoph ver- [404.25] sprechen mag, ja ist beinahe noch sicherer hierin, als selbst der letztere, weil [404.26] dieser doch kein anderes Princip als jener haben, sein Urtheil aber durch [404.27] eine Menge fremder, nicht zur Sache gehöriger Erwägungen leicht ver- [404.28] wirren und von der geraden Richtung abweichend machen kann. Wäre es [404.29] demnach nicht rathsamer, es in moralischen Dingen bei dem gemeinen [404.30] Vernunfturtheil bewenden zu lassen und höchstens nur Philosophie anzu- [404.31] bringen, um das System der Sitten desto vollständiger und faßlicher, im- [404.32] gleichen die Regeln derselben zum Gebrauche (noch mehr aber zum Dis- [404.33] putiren) bequemer darzustellen, nicht aber um selbst in praktischer Absicht [404.34] den gemeinen Menschenverstand von seiner glücklichen Einfalt abzubringen [404.35] und ihn durch Philosophie auf einen neuen Weg der Untersuchung und [404.36] Belehrung zu bringen? [404.37] Es ist eine herrliche Sache um die Unschuld, nur es ist auch wiederum 404 [20-22] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [405.1] sehr schlimm, daß sie sich nicht wohl bewahren läßt und leicht verführt [405.2] wird. Deswegen bedarf selbst die Weisheit — die sonst wohl mehr im [405.3] Thun und Lassen, als im Wissen besteht — doch auch der Wissenschaft, [405.4] nicht um von ihr zu lernen, sondern ihrer Vorschrift Eingang und Dauer- [405.5] haftigkeit zu verschaffen. Der Mensch fühlt in sich selbst ein mächtiges Ge- [405.6] gengewicht gegen alle Gebote der Pflicht, die ihm die Vernunft so hoch- [405.7] achtungswürdig vorstellt, an seinen Bedürfnissen und Neigungen, deren [405.8] ganze Befriedigung er unter dem Namen der Glückseligkeit zusammenfaßt. [405.9] Nun gebietet die Vernunft, ohne doch dabei den Neigungen etwas zu ver- [405.10] heißen, unnachlaßlich, mithin gleichsam mit Zurücksetzung und Nicht- [405.11] achtung jener so ungestümen und dabei so billig scheinenden Ansprüche [405.12] (die sich durch kein Gebot wollen aufheben lassen) ihre Vorschriften. Hier- [405.13] aus entspringt aber eine +natürliche Dialektik+, d. i. ein Hang, wider [405.14] jene strenge Gesetze der Pflicht zu vernünfteln und ihre Gültigkeit, wenig- [405.15] stens ihre Reinigkeit und Strenge in Zweifel zu ziehen und sie wo mög- [405.16] lich unsern Wünschen und Neigungen angemessener zu machen, d. i. sie [405.17] im Grunde zu verderben und um ihre ganze Würde zu bringen, welches [405.18] denn doch selbst die gemeine praktische Vernunft am Ende nicht gut heißen [405.19] kann. [405.20] So wird also die +gemeine Menschenvernunft+ nicht durch irgend [405.21] ein Bedürfniß der Speculation (welches ihr, so lange sie sich genügt, bloße [405.22] gesunde Vernunft zu sein, niemals anwandelt), sondern selbst aus prak- [405.23] tischen Gründen angetrieben, aus ihrem Kreise zu gehen und einen Schritt [405.24] ins Feld einer +praktischen Philosophie+ zu thun, um daselbst wegen der [405.25] Quelle ihres Princips und richtigen Bestimmung desselben in Gegenhal- [405.26] tung mit den Maximen, die sich auf Bedürfniß und Neigung fußen, Er- [405.27] kundigung und deutliche Anweisung zu bekommen, damit sie aus der Ver- [405.28] legenheit wegen beiderseitiger Ansprüche herauskomme und nicht Gefahr [405.29] laufe, durch die Zweideutigkeit, in die sie leicht geräth, um alle ächte sitt- [405.30] liche Grundsätze gebracht zu werden. Also entspinnt sich eben sowohl in der [405.31] praktischen gemeinen Vernunft, wenn sie sich cultivirt, unvermerkt eine [405.32] +Dialektik+, welche sie nöthigt, in der Philosophie Hülfe zu suchen, als es [405.33] ihr im theoretischen Gebrauche widerfährt, und die erstere wird daher wohl [405.34] eben so wenig als die andere irgendwo sonst, als in einer vollständigen [405.35] Kritik unserer Vernunft Ruhe finden. ___________________ 405 [22-24] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [406.1] ++Zweiter Abschnitt.++ [406.2] Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit [406.3] zur [406.4] +Metaphysik der Sitten.+ [406.5] Wenn wir unsern bisherigen Begriff der Pflicht aus dem gemeinen [406.6] Gebrauche unserer praktischen Vernunft gezogen haben, so ist daraus kei- [406.7] nesweges zu schließen, als hätten wir ihn als einen Erfahrungsbegriff [406.8] behandelt. Vielmehr, wenn wir auf die Erfahrung vom Thun und Lassen [406.9] der Menschen Acht haben, treffen wir häufige und, wie wir selbst einräu- [406.10] men, gerechte Klagen an, daß man von der Gesinnung, aus reiner Pflicht [406.11] zu handeln, so gar keine sichere Beispiele anführen könne, daß, wenn gleich [406.12] manches dem, was +Pflicht+ gebietet, +gemäß+ geschehen mag, dennoch es [406.13] immer noch zweifelhaft sei, ob es eigentlich +aus Pflicht+ geschehe und also [406.14] einen moralischen Werth habe. Daher es zu aller Zeit Philosophen ge- [406.15] geben hat, welche die Wirklichkeit dieser Gesinnung in den menschlichen [406.16] Handlungen schlechterdings abgeleugnet und alles der mehr oder weniger [406.17] verfeinerten Selbstliebe zugeschrieben haben, ohne doch deswegen die Rich- [406.18] tigkeit des Begriffs von Sittlichkeit in Zweifel zu ziehen, vielmehr mit [406.19] inniglichem Bedauren der Gebrechlichkeit und Unlauterkeit der mensch- [406.20] lichen Natur Erwähnung thaten, die zwar edel gnug sei, sich eine so ach- [406.21] tungswürdige Idee zu ihrer Vorschrift zu machen, aber zugleich zu schwach, [406.22] um sie zu befolgen, und die Vernunft, die ihr zur Gesetzgebung dienen [406.23] sollte, nur dazu braucht, um das Interesse der Neigungen, es sei einzeln [406.24] oder, wenn es hoch kommt, in ihrer größten Verträglichkeit unter einander, [406.25] zu besorgen. 406 [25-26] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [407.1] In der That ist es schlechterdings unmöglich, durch Erfahrung einen [407.2] einzigen Fall mit völliger Gewißheit auszumachen, da die Maxime einer [407.3] sonst pflichtmäßigen Handlung lediglich auf moralischen Gründen und auf [407.4] der Vorstellung seiner Pflicht beruht habe. Denn es ist zwar bisweilen [407.5] der Fall, daß wir bei der schärfsten Selbstprüfung gar nichts antreffen, [407.6] was außer dem moralischen Grunde der Pflicht mächtig genug hätte sein [407.7] können, uns zu dieser oder jener guten Handlung und so großer Aufopfe- [407.8] rung zu bewegen; es kann aber daraus gar nicht mit Sicherheit geschlossen [407.9] werden, daß wirklich gar kein geheimer Antrieb der Selbstliebe unter der [407.10] bloßen Vorspiegelung jener Idee die eigentliche bestimmende Ursache des [407.11] Willens gewesen sei, dafür wir denn gerne uns mit einem uns fälschlich [407.12] angemaßten edlern Bewegungsgrunde schmeicheln, in der That aber selbst [407.13] durch die angestrengteste Prüfung hinter die geheimen Triebfedern nie- [407.14] mals völlig kommen können, weil, wenn vom moralischen Werthe die Rede [407.15] ist, es nicht auf die Handlungen ankommt, die man sieht, sondern auf jene [407.16] innere Principien derselben, die man nicht sieht. [407.17] Man kann auch denen, die alle Sittlichkeit als bloßes Hirngespinst [407.18] einer durch Eigendünkel sich selbst übersteigenden menschlichen Einbildung [407.19] verlachen, keinen gewünschteren Dienst thun, als ihnen einzuräumen, daß [407.20] die Begriffe der Pflicht (so wie man sich auch aus Gemächlichkeit gerne [407.21] überredet, daß es auch mit allen übrigen Begriffen bewandt sei) lediglich [407.22] aus der Erfahrung gezogen werden mußten; denn da bereitet man jenen [407.23] einen sichern Triumph. Ich will aus Menschenliebe einräumen, daß noch [407.24] die meisten unserer Handlungen pflichtmäßig seien; sieht man aber ihr [407.25] Tichten und Trachten näher an, so stößt man allenthalben auf das liebe [407.26] Selbst, was immer hervorsticht, worauf und nicht auf das strenge Gebot [407.27] der Pflicht, welches mehrmals Selbstverleugnung erfordern würde, sich [407.28] ihre Absicht stützt. Man braucht auch eben kein Feind der Tugend, sondern [407.29] nur ein kaltblütiger Beobachter zu sein, der den lebhaftesten Wunsch für [407.30] das Gute nicht sofort für dessen Wirklichkeit hält, um (vornehmlich mit [407.31] zunehmenden Jahren und einer durch Erfahrung theils gewitzigten, theils [407.32] zum Beobachten geschärften Urtheilskraft) in gewissen Augenblicken zwei- [407.33] felhaft zu werden, ob auch wirklich in der Welt irgend wahre Tugend an- [407.34] getroffen werde. Und hier kann uns nun nichts vor dem gänzlichen Ab- [407.35] fall von unseren Ideen der Pflicht bewahren und gegründete Achtung ge- [407.36] gen ihr Gesetz in der Seele erhalten, als die klare Überzeugung, daß, wenn [407.37] es auch niemals Handlungen gegeben habe, die aus solchen reinen Quellen 407 [26-28] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [408.1] entsprungen wären, dennoch hier auch davon gar nicht die Rede sei, ob [408.2] dies oder jenes geschehe, sondern die Vernunft für sich selbst und unab- [408.3] hängig von allen Erscheinungen gebiete, was geschehen soll, mithin Hand- [408.4] lungen, von denen die Welt vielleicht bisher noch gar kein Beispiel gege- [408.5] ben hat, an deren Thunlichkeit sogar der, so alles auf Erfahrung gründet, [408.6] sehr zweifeln möchte, dennoch durch Vernunft unnachlaßlich geboten seien, [408.7] und daß z. B. reine Redlichkeit in der Freundschaft um nichts weniger [408.8] von jedem Menschen gefordert werden könne, wenn es gleich bis jetzt gar [408.9] keinen redlichen Freund gegeben haben möchte, weil diese Pflicht als Pflicht [408.10] überhaupt vor aller Erfahrung in der Idee einer den Willen durch Grün- [408.11] de a priori bestimmenden Vernunft liegt. [408.12] Setzt man hinzu, daß, wenn man dem Begriffe von Sittlichkeit nicht [408.13] gar alle Wahrheit und Beziehung auf irgend ein mögliches Object bestrei- [408.14] ten will, man nicht in Abrede ziehen könne, daß sein Gesetz von so aus- [408.15] gebreiteter Bedeutung sei, daß es nicht bloß für Menschen, sondern alle [408.16] +vernünftige Wesen überhaupt+, nicht bloß unter zufälligen Bedin- [408.17] gungen und mit Ausnahmen, sondern +schlechterdings nothwendig+ [408.18] gelten müsse: so ist klar, daß keine Erfahrung, auch nur auf die Möglich- [408.19] keit solcher apodiktischen Gesetze zu schließen, Anlaß geben könne. Denn [408.20] mit welchem Rechte können wir das, was vielleicht nur unter den zufälli- [408.21] gen Bedingungen der Menschheit gültig ist, als allgemeine Vorschrift für [408.22] jede vernünftige Natur in unbeschränkte Achtung bringen, und wie sollen [408.23] Gesetze der Bestimmung +unseres+ Willens für Gesetze der Bestimmung des [408.24] Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt und nur als solche auch für [408.25] den unsrigen gehalten werden, wenn sie bloß empirisch wären und nicht [408.26] völlig a priori aus reiner, aber praktischer Vernunft ihren Ursprung [408.27] nähmen? [408.28] Man könnte auch der Sittlichkeit nicht übler rathen, als wenn man [408.29] sie von Beispielen entlehnen wollte. Denn jedes Beispiel, was mir davon [408.30] vorgestellt wird, muß selbst zuvor nach Principien der Moralität beur- [408.31] theilt werden, ob es auch würdig sei, zum ursprünglichen Beispiele, d. i. [408.32] zum Muster, zu dienen, keinesweges aber kann es den Begriff derselben zu [408.33] oberst an die Hand geben. Selbst der Heilige des Evangelii muß zuvor [408.34] mit unserm Ideal der sittlichen Vollkommenheit verglichen werden, ehe [408.35] man ihn dafür erkennt; auch sagt er von sich selbst: was nennt ihr mich [408.36] (den ihr sehet) gut? niemand ist gut (das Urbild des Guten) als der einige [408.37] Gott (den ihr nicht sehet). Woher haben wir aber den Begriff von Gott 408 [28-29] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [409.1] als dem höchsten Gut? Lediglich aus der +Idee+, die die Vernunft a priori [409.2] von sittlicher Vollkommenheit entwirft und mit dem Begriffe eines freien [409.3] Willens unzertrennlich verknüpft. Nachahmung findet im Sittlichen gar [409.4] nicht statt, und Beispiele dienen nur zur Aufmunterung, d. i. sie setzen [409.5] die Thunlichkeit dessen, was das Gesetz gebietet, außer Zweifel, sie machen [409.6] das, was die praktische Regel allgemeiner ausdrückt, anschaulich, können [409.7] aber niemals berechtigen, ihr wahres Original, das in der Vernunft liegt, [409.8] bei Seite zu setzen und sich nach Beispielen zu richten. [409.9] Wenn es denn keinen ächten obersten Grundsatz der Sittlichkeit giebt, [409.10] der nicht unabhängig von aller Erfahrung bloß auf reiner Vernunft be- [409.11] ruhen müßte, so glaube ich, es sei nicht nöthig, auch nur zu fragen, ob es [409.12] gut sei, diese Begriffe, so wie sie sammt den ihnen zugehörigen Principien [409.13] a priori feststehen, im Allgemeinen (in abstracto) vorzutragen, wofern das [409.14] Erkenntniß sich vom gemeinen unterscheiden und philosophisch heißen soll. [409.15] Aber in unsern Zeiten möchte dieses wohl nöthig sein. Denn wenn man [409.16] Stimmen sammelte, ob reine von allem Empirischen abgesonderte Ver- [409.17] nunfterkenntniß, mithin Metaphysik der Sitten, oder populäre praktische [409.18] Philosophie vorzuziehen sei, so erräth man bald, auf welche Seite das [409.19] Übergewicht fallen werde. [409.20] Diese Herablassung zu Volksbegriffen ist allerdings sehr rühmlich, [409.21] wenn die Erhebung zu den Principien der reinen Vernunft zuvor gesche- [409.22] hen und zur völligen Befriedigung erreicht ist, und das würde heißen, [409.23] die Lehre der Sitten zuvor auf Metaphysik +gründen+, ihr aber, wenn sie [409.24] fest steht, nachher durch Popularität +Eingang+ verschaffen. Es ist aber [409.25] äußerst ungereimt, dieser in der ersten Untersuchung, worauf alle Richtig- [409.26] keit der Grundsätze ankommt, schon willfahren zu wollen. Nicht allein daß [409.27] dieses Verfahren auf das höchst seltene Verdienst einer wahren +philoso-+ [409.28] +phischen Popularität+ niemals Anspruch machen kann, indem es gar [409.29] keine Kunst ist, gemeinverständlich zu sein, wenn man dabei auf alle gründ- [409.30] liche Einsicht Verzicht thut, so bringt es einen ekelhaften Mischmasch von [409.31] zusammengestoppelten Beobachtungen und halbvernünftelnden Principien [409.32] zum Vorschein, daran sich schale Köpfe laben, weil es doch etwas gar [409.33] Brauchbares fürs alltägliche Geschwätz ist, wo Einsehende aber Verwir- [409.34] rung fühlen und unzufrieden, ohne sich doch helfen zu können, ihre Augen [409.35] wegwenden, obgleich Philosophen, die das Blendwerk ganz wohl durch- [409.36] schauen, wenig Gehör finden, wenn sie auf einige Zeit von der vorgeb- 409 [29-31] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [410.1] lichen Popularität abrufen, um nur allererst nach erworbener bestimmter [410.2] Einsicht mit Recht populär sein zu dürfen. [410.3] Man darf nur die Versuche über die Sittlichkeit in jenem beliebten [410.4] Geschmacke ansehen, so wird man bald die besondere Bestimmung der [410.5] menschlichen Natur (mitunter aber auch die Idee von einer vernünftigen [410.6] Natur überhaupt), bald Vollkommenheit, bald Glückseligkeit, hier mora- [410.7] lisches Gefühl, dort Gottesfurcht, von diesem etwas, von jenem auch etwas [410.8] in wunderbarem Gemische antreffen, ohne daß man sich einfallen läßt zu [410.9] fragen, ob auch überall in der Kenntniß der menschlichen Natur (die wir [410.10] doch nur von der Erfahrung herhaben können) die Principien der Sittlich- [410.11] keit zu suchen seien, und, wenn dieses nicht ist, wenn die letztere völlig a [410.12] priori, frei von allem Empirischen, schlechterdings in reinen Vernunftbe- [410.13] griffen und nirgend anders auch nicht dem mindesten Theile nach anzu- [410.14] treffen sind, den Anschlag zu fassen, diese Untersuchung als reine praktische [410.15] Weltweisheit, oder (wenn man einen so Verschrieenen Namen nennen darf) [410.16] als Metaphysik*) der Sitten lieber ganz abzusondern, sie für sich allein [410.17] zu ihrer ganzen Vollständigkeit zu bringen und das Publicum, das Popularität [410.18] verlangt, bis zum Ausgange dieses Unternehmens zu vertrösten. [410.19] Es ist aber eine solche völlig isolirte Metaphysik der Sitten, die mit [410.20] keiner Anthropologie, mit keiner Theologie, mit keiner Physik oder Hyper- [410.21] physik, noch weniger mit verborgenen Qualitäten (die man hypophysisch [410.22] nennen könnte) vermischt ist, nicht allein ein unentbehrliches Substrat [410.23] aller theoretischen, sicher bestimmten Erkenntniß der Pflichten, sondern zu- [410.24] gleich ein Desiderat von der höchsten Wichtigkeit zur wirklichen Vollziehung [410.25] ihrer Vorschriften. Denn die reine und mit keinem fremden Zusatze von [410.26] empirischen Anreizen vermischte Vorstellung der Pflicht und überhaupt [410.27] des sittlichen Gesetzes hat auf das menschliche Herz durch den Weg der [410.28] Vernunft allein (die hiebei zuerst inne wird, daß sie für sich selbst auch [410.29] praktisch sein kann) einen so viel mächtigern Einfluß, als alle andere Trieb- ______________ [410.30] *) Man kann, wenn man will, (so wie die reine Mathematik von der ange- [410.31] wandten, die reine Logik von der angewandten unterschieden wird, also) die reine [410.32] Philosophie der Sitten (Metaphysik) von der angewandten (nämlich auf die mensch- [410.33] liche Natur) unterscheiden. Durch diese Benennung wird man auch sofort erinnert, [410.34] daß die sittlichen Principien nicht auf die Eigenheiten der menschlichen Natur ge- [410.35] gründet, sondern für sich a priori bestehend sein müssen, aus solchen aber, wie für [410.36] jede vernünftige Natur, also auch für die menschliche praktische Regeln müssen ab- [410.37] geleitet werden können. 410 [31-33] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [411.1] federn*), die man aus dem empirischen Felde aufbieten mag, daß sie im [411.2] Bewußtsein ihrer Würde die letzteren verachtet und nach und nach ihr [411.3] Meister werden kann; an dessen Statt eine vermischte Sittenlehre, die aus [411.4] Triebfedern von Gefühlen und Neigungen und zugleich aus Vernunftbe- [411.5] griffen zusammengesetzt ist, das Gemüth zwischen Bewegursachen, die sich [411.6] unter kein Princip bringen lassen, die nur sehr zufällig zum Guten, öfters [411.7] aber auch zum Bösen leiten können, schwankend machen muß. [411.8] Aus dem Angeführten erhellt: daß alle sittliche Begriffe völlig a priori [411.9] in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung haben und dieses zwar in der [411.10] gemeinsten Menschenvernunft eben sowohl, als der im höchsten Maße spe- [411.11] culativen; daß sie von keinem empirischen und darum bloß zufälligen Er- [411.12] kenntnisse abstrahirt werden können; daß in dieser Reinigkeit ihres Ur- [411.13] sprungs eben ihre Würde liege, um uns zu obersten praktischen Principien [411.14] zu dienen; daß man jedesmal so viel, als man Empirisches hinzu thut, [411.15] so viel auch ihrem ächten Einflusse und dem uneingeschränkten Werthe der [411.16] Handlungen entziehe; daß es nicht allein die größte Nothwendigkeit in [411.17] theoretischer Absicht, wenn es bloß auf Speculation ankommt, erfordere, [411.18] sondern auch von der größten praktischen Wichtigkeit sei, ihre Begriffe und [411.19] Gesetze aus reiner Vernunft zu schöpfen, rein und unvermengt vorzutra- [411.20] gen, ja den Umfang dieses ganzen praktischen oder reinen Vernunfter- [411.21] kenntnisses, d. i. das ganze Vermögen der reinen praktischen Vernunft, zu [411.22] bestimmen, hierin aber nicht, wie es wohl die speculative Philosophie er- [411.23] laubt, ja gar bisweilen nothwendig findet, die Principien von der beson- ______________ [411.24] *) Ich habe einen Brief vom sel. vortrefflichen +Sulzer+, worin er mich frägt: [411.25] was doch die Ursache sein möge, warum die Lehren der Tugend, so viel Überzeu- [411.26] gendes sie auch für die Vernunft haben, doch so wenig ausrichten. Meine Antwort [411.27] wurde durch die Zurüstung dazu, um sie vollständig zu geben, verspätet. Allein es [411.28] ist keine andere, als daß die Lehrer selbst ihre Begriffe nicht ins Reine gebracht [411.29] haben, und indem sie es zu gut machen wollen, dadurch, daß sie allerwärts Beweg- [411.30] ursachen zum Sittlichguten auftreiben, um die Arznei recht kräftig zu machen, sie [411.31] sie verderben. Denn die gemeinste Beobachtung zeigt, daß, wenn man eine Hand- [411.32] lung der Rechtschaffenheit vorstellt, wie sie von aller Absicht auf irgend einen Vor- [411.33] theil in dieser oder einer andern Welt abgesondert selbst unter den größten Ver- [411.34] suchungen der Noth oder der Anlockung mit standhafter Seele ausgeübt worden, [411.35] sie jede ähnliche Handlung, die nur im mindesten durch eine fremde Triebfeder affi- [411.36] cirt war, weit hinter sich lasse und verdunkle, die Seele erhebe und den Wunsch er- [411.37] rege, auch so handeln zu können. Selbst Kinder von mittlerem Alter fühlen diesen [411.38] Eindruck, und ihnen sollte man Pflichten auch niemals anders vorstellen. 411 [33-35] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [412.1] dern Natur der menschlichen Vernunft abhängig zu machen, sondern [412.2] darum, weil moralische Gesetze für jedes vernünftige Wesen überhaupt [412.3] gelten sollen, sie schon aus dem allgemeinen Begriffe eines vernünftigen [412.4] Wesens überhaupt abzuleiten und auf solche Weise alle Moral, die zu ihrer [412.5] +Anwendung+ auf Menschen der Anthropologie bedarf, zuerst unabhängig [412.6] von dieser als reine Philosophie, d. i. als Metaphysik, vollständig (welches [412.7] sich in dieser Art ganz abgesonderter Erkenntnisse wohl thun läßt) vorzu- [412.8] tragen, wohl bewußt, daß es, ohne im Besitze derselben zu sein, vergeblich [412.9] sei, ich will nicht sagen, das Moralische der Pflicht in allem, was pflicht- [412.10] mäßig ist, genau für die speculative Beurtheilung zu bestimmen, sondern [412.11] sogar im bloß gemeinen und praktischen Gebrauche, vornehmlich der mo- [412.12] ralischen Unterweisung, unmöglich sei, die Sitten auf ihre ächte Principien [412.13] zu gründen und dadurch reine moralische Gesinnungen zu bewirken und [412.14] zum höchsten Weltbesten den Gemüthern einzupfropfen. [412.15] Um aber in dieser Bearbeitung nicht bloß von der gemeinen sittlichen [412.16] Beurtheilung (die hier sehr achtungswürdig ist) zur philosophischen, wie [412.17] sonst geschehen ist, sondern von einer populären Philosophie, die nicht [412.18] weiter geht, als sie durch Tappen vermittelst der Beispiele kommen kann, [412.19] bis zur Metaphysik (die sich durch nichts Empirisches weiter zurückhalten [412.20] läßt und, indem sie den ganzen Inbegriff der Vernunfterkenntniß dieser [412.21] Art ausmessen muß, allenfalls bis zu Ideen geht, wo selbst die Beispiele [412.22] uns verlassen) durch die natürlichen Stufen fortzuschreiten, müssen wir [412.23] das praktische Vernunftvermögen von seinen allgemeinen Bestimmungs- [412.24] regeln an bis dahin, wo aus ihm der Begriff der Pflicht entspringt, ver- [412.25] folgen und deutlich darstellen. [412.26] Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. Nur ein vernünftiges [412.27] Wesen hat das Vermögen, +nach der Vorstellung+ der Gesetze, d. i. nach [412.28] Principien, zu handeln, oder einen +Willen+. Da zur Ableitung der Hand- [412.29] lungen von Gesetzen +Vernunft+ erfordert wird, so ist der Wille nichts [412.30] anders als praktische Vernunft. Wenn die Vernunft den Willen unaus- [412.31] bleiblich bestimmt, so sind die Handlungen eines solchen Wesens, die als [412.32] objectiv nothwendig erkannt werden, auch subjectiv nothwendig, d. i. der [412.33] Wille ist ein Vermögen, +nur dasjenige+ zu wählen, was die Vernunft [412.34] unabhängig von der Neigung als praktisch nothwendig, d. i. als gut, er- [412.35] kennt. Bestimmt aber die Vernunft für sich allein den Willen nicht hin- [412.36] länglich, ist dieser noch subjectiven Bedingungen (gewissen Triebfedern) [412.37] unterworfen, die nicht immer mit den objectiven übereinstimmen; mit 412 [35-37] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [413.1] einem Worte, ist der Wille nicht +an sich+ völlig der Vernunft gemäß (wie [413.2] es bei Menschen wirklich ist): so sind die Handlungen, die objectiv als [413.3] nothwendig erkannt werden, subjectiv zufällig, und die Bestimmung eines [413.4] solchen Willens objectiven Gesetzen gemäß ist +Nöthigung;+ d. i. das Ver- [413.5] hältniß der objectiven Gesetze zu einem nicht durchaus guten Willen wird [413.6] vorgestellt als die Bestimmung des Willens eines vernünftigen Wesens [413.7] zwar durch Gründe der Vernunft, denen aber dieser Wille seiner Natur [413.8] nach nicht nothwendig folgsam ist. [413.9] Die Vorstellung eines objectiven Princips, sofern es für einen Willen [413.10] nöthigend ist, heißt ein Gebot (der Vernunft), und die Formel des Ge- [413.11] bots heißt ++Imperativ.++ [413.12] Alle Imperativen werden durch ein +Sollen+ ausgedrückt und zeigen [413.13] dadurch das Verhältniß eines objectiven Gesetzes der Vernunft zu einem [413.14] Willen an, der seiner subjectiven Beschaffenheit nach dadurch nicht noth- [413.15] wendig bestimmt wird (eine Nöthigung). Sie sagen, daß etwas zu thun [413.16] oder zu unterlassen gut sein würde, allein sie sagen es einem Willen, der [413.17] nicht immer darum etwas thut, weil ihm vorgestellt wird, daß es zu thun [413.18] gut sei. Praktisch +gut+ ist aber, was vermittelst der Vorstellungen der Ver- [413.19] nunft, mithin nicht aus subjectiven Ursachen, sondern objectiv, d. i. aus [413.20] Gründen, die für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind, den [413.21] Willen bestimmt. Es wird vom +Angenehmen+ unterschieden als dem- [413.22] jenigen, was nur vermittelst der Empfindung aus bloß subjectiven Ur- [413.23] sachen, die nur für dieses oder jenes seinen Sinn gelten, und nicht als [413.24] Princip der Vernunft, das für jedermann gilt, auf den Willen Einfluß [413.25] hat*). ______________ [413.26] *) Die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens von Empfindungen heißt [413.27] Neigung, und diese beweiset also jederzeit ein +Bedürfniß+. Die Abhängigkeit eines [413.28] zufällig bestimmbaren Willens aber von Principien der Vernunft heißt ein +Inter-+ [413.29] +esse+. Dieses findet also nur bei einem abhängigen Willen statt, der nicht von selbst [413.30] jederzeit der Vernunft gemäß ist; beim göttlichen Willen kann man sich kein Inter- [413.31] esse gedenken. Aber auch der menschliche Wille kann woran ein +Interesse nehmen+, [413.32] ohne darum +aus Interesse zu handeln+. Das erste bedeutet das +praktische+ [413.33] Interesse an der Handlung, das zweite das +pathologische+ Interesse am Gegen- [413.34] stande der Handlung. Das erste zeigt nur Abhängigkeit des Willens von Principien [413.35] der Vernunft an sich selbst, das zweite von den Principien derselben zum Behuf [413.36] der Neigung an, da nämlich die Vernunft nur die praktische Regel angiebt, wie [413.37] dem Bedürfnisse der Neigung abgeholfen werde. Im ersten Falle interessirt mich [413.38] die Handlung, im zweiten der Gegenstand der Handlung (so fern er mir angenehm 413 [37-38] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [414.1] Ein vollkommen guter Wille würde also eben sowohl unter objectiven [414.2] Gesetzen (des Guten) stehen, aber nicht dadurch als zu gesetzmäßigen [414.3] Handlungen +genöthigt+ vorgestellt werden können, weil er von selbst nach [414.4] seiner subjectiven Beschaffenheit nur durch die Vorstellung des Guten be- [414.5] stimmt werden kann. Daher gelten für den +göttlichen+ und überhaupt [414.6] für einen +heiligen+ Willen keine Imperativen; das +Sollen+ ist hier am [414.7] unrechten Orte, weil das +Wollen+ schon von selbst mit dem Gesetz noth- [414.8] wendig einstimmig ist. Daher sind Imperativen nur Formeln, das Ver- [414.9] hältniß objectiver Gesetze des Wollens überhaupt zu der subjectiven Un- [414.10] vollkommenheit des Willens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z. B. [414.11] des menschlichen Willens, auszudrücken. [414.12] Alle +Imperativen+ nun gebieten entweder +hypothetisch+, oder [414.13] +kategorisch+. Jene stellen die praktische Nothwendigkeit einer möglichen [414.14] Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man will (oder doch mög- [414.15] lich ist, daß man es wolle), zu gelangen vor. Der kategorische Imperativ [414.16] würde der sein, welcher eine Handlung als für sich selbst, ohne Beziehung [414.17] auf einen andern Zweck, als objectiv-nothwendig vorstellte. [414.18] Weil jedes praktische Gesetz eine mögliche Handlung als gut und [414.19] darum für ein durch Vernunft praktisch bestimmbares Subject als noth- [414.20] wendig vorstellt, so sind alle Imperativen Formeln der Bestimmung der [414.21] Handlung, die nach dem Princip eines in irgend einer Art guten Willens [414.22] nothwendig ist. Wenn nun die Handlung bloß +wozu anders+ als Mittel [414.23] gut sein würde, so ist der Imperativ +hypothetisch;+ wird sie als +an sich+ [414.24] gut vorgestellt, mithin als nothwendig in einem an sich der Vernunft ge- [414.25] mäßen Willen, als Princip desselben, so ist er +kategorisch+. [414.26] Der Imperativ sagt also, welche durch mich mögliche Handlung gut [414.27] wäre, und stellt die praktische Regel in Verhältniß auf einen Willen vor, [414.28] der darum nicht sofort eine Handlung thut, weil sie gut ist, theils weil das [414.29] Subject nicht immer weiß, daß sie gut sei, theils weil, wenn es dieses auch [414.30] wüßte, die Maximen desselben doch den objectiven Principien einer prak- [414.31] tischen Vernunft zuwider sein könnten. [414.32] Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß die Handlung zu [414.33] irgend einer +möglichen+ oder +wirklichen+ Absicht gut sei. Im erstern ______________ [414.34] ist). Wir haben im ersten Abschnitte gesehen: daß bei einer Handlung aus Pflicht [414.35] nicht auf das Interesse am Gegenstande, sondern bloß an der Handlung selbst und [414.36] ihrem Princip in der Vernunft (dem Gesetz) gesehen werden müsse. 414 [38-40] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [415.1] Falle ist er ein ++problematisch-++, im zweiten ++assertorisch++-praktisches Prin- [415.2] cip. Der kategorische Imperativ, der die Handlung ohne Beziehung auf [415.3] irgend eine Absicht, d. i. auch ohne irgend einen andern Zweck, für sich [415.4] als objectiv nothwendig erklärt, gilt als ein ++apodiktisch++-praktisches [415.5] Princip. [415.6] Man kann sich das, was nur durch Kräfte irgend eines vernünftigen [415.7] Wesens möglich ist, auch für irgend einen Willen als mögliche Absicht den- [415.8] ken, und daher sind der Principien der Handlung, so fern diese als noth- [415.9] wendig vorgestellt wird, um irgend eine dadurch zu bewirkende mögliche [415.10] Absicht zu erreichen, in der That unendlich viel. Alle Wissenschaften haben [415.11] irgend einen praktischen Theil, der aus Aufgaben besteht, daß irgend ein [415.12] Zweck für uns möglich sei, und aus Imperativen, wie er erreicht werden [415.13] könne. Diese können daher überhaupt Imperativen der ++Geschicklichkeit++ [415.14] heißen. Ob der Zweck vernünftig und gut sei, davon ist hier gar nicht die [415.15] Frage, sondern nur was man thun müsse, um ihn zu erreichen. Die Vor- [415.16] schriften für den Arzt, um seinen Mann auf gründliche Art gesund zu ma- [415.17] chen, und für einen Giftmischer, um ihn sicher zu tödten, sind in so fern [415.18] von gleichem Werth, als eine jede dazu dient, ihre Absicht vollkommen zu [415.19] bewirken. Weil man in der frühen Jugend nicht weiß, welche Zwecke uns [415.20] im Leben aufstoßen dürften, so suchen Eltern vornehmlich ihre Kinder recht [415.21] +vielerlei+ lernen zu lassen und sorgen für die +Geschicklichkeit+ im Ge- [415.22] brauch der Mittel zu allerlei +beliebigen+ Zwecken, von deren keinem sie [415.23] bestimmen können, ob er etwa wirklich künftig eine Absicht ihres Zög- [415.24] lings werden könne, wovon es indessen doch +möglich+ ist, daß er sie [415.25] einmal haben möchte, und diese Sorgfalt ist so groß, daß sie darüber ge- [415.26] meiniglich verabsäumen, ihnen das Urtheil über den Werth der Dinge, [415.27] die sie sich etwa zu Zwecken machen möchten, zu bilden und zu berichtigen. [415.28] Es ist gleichwohl +ein+ Zweck, den man bei allen vernünftigen Wesen [415.29] (so fern Imperative auf sie, nämlich als abhängige Wesen, passen) als [415.30] wirklich voraussetzen kann, und also eine Absicht, die sie nicht etwa bloß [415.31] haben +können+, sondern von der man sicher voraussetzen kann, daß sie [415.32] solche insgesammt nach einer Naturnothwendigkeit +haben+, und das ist die [415.33] Absicht auf +Glückseligkeit+. Der hypothetische Imperativ, der die prak- [415.34] tische Nothwendigkeit der Handlung als Mittel zur Beförderung der Glück- [415.35] seligkeit vorstellt, ist ++assertorisch.++ Man darf ihn nicht bloß als nothwen- [415.36] dig zu einer ungewissen, bloß möglichen Absicht vortragen, sondern zu einer [415.37] Absicht, die man sicher und a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, 415 [40-42] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [416.1] weil sie zu seinem Wesen gehört. Nun kann man die Geschicklichkeit in der [416.2] Wahl der Mittel zu seinem eigenen größten Wohlsein +Klugheit+*) im [416.3] engsten Verstande nennen. Also ist der Imperativ, der sich auf die Wahl [416.4] der Mittel zur eigenen Glückseligkeit bezieht, d. i. die Vorschrift der Klug- [416.5] heit, noch immer +hypothetisch;+ die Handlung wird nicht schlechthin, son- [416.6] dern nur als Mittel zu einer anderen Absicht geboten. [416.7] Endlich giebt es einen Imperativ, der, ohne irgend eine andere durch [416.8] ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde [416.9] zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebietet. Dieser Imperativ ist [416.10] ++kategorisch.++ Er betrifft nicht die Materie der Handlung und das, was [416.11] aus ihr erfolgen soll, sondern die Form und das Princip, woraus sie selbst [416.12] folgt, und das Wesentlich-Gute derselben besteht in der Gesinnung, der [416.13] Erfolg mag sein, welcher er wolle. Dieser Imperativ mag der ++der Sitt-++ [416.14] ++lichkeit++ heißen. [416.15] Das Wollen nach diesen dreierlei Principien wird auch durch die [416.16] +Ungleichheit+ der Nöthigung des Willens deutlich unterschieden. Um [416.17] diese nun auch merklich zu machen, glaube ich, daß man sie in ihrer Ord- [416.18] nung am angemessensten so benennen würde, wenn man sagte: sie wären [416.19] entweder +Regeln+ der Geschicklichkeit, oder +Rathschläge+ der Klugheit, [416.20] oder +Gebote (Gesetze)+ der Sittlichkeit. Denn nur das +Gesetz+ führt [416.21] den Begriff einer +unbedingten+ und zwar objectiven und mithin allge- [416.22] mein gültigen +Nothwendigkeit+ bei sich, und Gebote sind Gesetze, denen [416.23] gehorcht, d. i. auch wider Neigung Folge geleistet, werden muß. Die [416.24] +Rathgebung+ enthält zwar Nothwendigkeit, die aber bloß unter subjec- [416.25] tiver zufälliger Bedingung, ob dieser oder jener Mensch dieses oder jenes [416.26] zu seiner Glückseligkeit zähle, gelten kann; dagegen der kategorische Im- [416.27] perativ durch keine Bedingung eingeschränkt wird und als absolut-, ob- [416.28] gleich praktisch-nothwendig ganz eigentlich ein Gebot heißen kann. Man [416.29] könnte die ersteren Imperative auch +technisch+ (zur Kunst gehörig), die ______________ [416.30] *) Das Wort Klugheit wird in zwiefachem Sinn genommen, einmal kann es [416.31] den Namen Weltklugheit, im zweiten den der Privatklugheit führen. Die erste ist die [416.32] Geschicklichkeit eines Menschen, auf andere Einfluß zu haben, um sie zu seinen Ab- [416.33] sichten zu gebrauchen. Die zweite die Einsicht, alle diese Absichten zu seinem eigenen [416.34] daurenden Vortheil zu vereinigen. Die letztere ist eigentlich diejenige, worauf selbst [416.35] der Werth der erstern zurückgeführt wird, und wer in der erstern Art klug ist, nicht [416.36] aber in der zweiten, von dem könnte man besser sagen: er ist gescheut und verschlagen, [416.37] im Ganzen aber doch unklug. 416 [42-44] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [417.1] zweiten +pragmatisch+*) (zur Wohlfahrt), die dritten +moralisch+ (zum [417.2] freien Verhalten überhaupt, d. i. zu den Sitten gehörig) nennen. [417.3] Nun entsteht die Frage: wie sind alle diese Imperative möglich? [417.4] Diese Frage verlangt nicht zu wissen, wie die Vollziehung der Handlung, [417.5] welche der Imperativ gebietet, sondern wie bloß die Nöthigung des Wil- [417.6] lens, die der Imperativ in der Aufgabe ausdrückt, gedacht werden könne. [417.7] Wie ein Imperativ der Geschicklichkeit möglich sei, bedarf wohl keiner be- [417.8] sondern Erörterung. Wer den Zweck will, will (so fern die Vernunft auf [417.9] seine Handlungen entscheidenden Einfluß hat) auch das dazu unentbehr- [417.10] lich nothwendige Mittel, das in seiner Gewalt ist. Dieser Satz ist, was [417.11] das Wollen betrifft, analytisch; denn in dem Wollen eines Objects als [417.12] meiner Wirkung wird schon meine Causalität als handelnde Ursache, d. i. [417.13] der Gebrauch der Mittel, gedacht, und der Imperativ zieht den Begriff [417.14] nothwendiger Handlungen zu diesem Zwecke schon aus dem Begriff eines [417.15] Wollens dieses Zwecks heraus (die Mittel selbst zu einer vorgesetzten Ab- [417.16] sicht zu bestimmen, dazu gehören allerdings synthetische Sätze, die aber [417.17] nicht den Grund betreffen, den Actus des Willens, sondern das Object [417.18] wirklich zu machen). Daß, um eine Linie nach einem sichern Princip in [417.19] zwei gleiche Theile zu theilen, ich aus den Enden derselben zwei Kreuz- [417.20] bogen machen müsse, das lehrt die Mathematik freilich nur durch synthe- [417.21] tische Sätze; aber daß, wenn ich weiß, durch solche Handlung allein könne [417.22] die gedachte Wirkung geschehen, ich, wenn ich die Wirkung vollständig will, [417.23] auch die Handlung wolle, die dazu erforderlich ist, ist ein analytischer Satz; [417.24] denn etwas als eine auf gewisse Art durch mich mögliche Wirkung und [417.25] mich in Ansehung ihrer auf dieselbe Art handelnd vorstellen, ist ganz ei- [417.26] nerlei. [417.27] Die Imperativen der Klugheit würden, wenn es nur so leicht wäre, [417.28] einen bestimmten Begriff von Glückseligkeit zu geben, mit denen der Ge- [417.29] schicklichkeit ganz und gar übereinkommen und eben sowohl analytisch sein. [417.30] Denn es würde eben sowohl hier als dort heißen: wer den Zweck will, will [417.31] auch (der Vernunft gemäß nothwendig) die einzigen Mittel, die dazu in ______________ [417.32] *) Mich deucht, die eigentliche Bedeutung des Worts +pragmatisch+ könne so [417.33] am genauesten bestimmt werden. Denn pragmatisch werden die +Sanctionen+ ge- [417.34] nannt, welche eigentlich nicht aus dem Rechte der Staaten als nothwendige Gesetze, [417.35] sondern aus der +Vorsorge+ für die allgemeine Wohlfahrt fließen. Pragmatisch ist [417.36] eine +Geschichte+ abgefaßt, wenn sie +klug+ macht, d. i. die Welt belehrt, wie sie ihren [417.37] Vortheil besser, oder wenigstens eben so gut als die Vorwelt besorgen könne. 417 [44-46] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [418.1] seiner Gewalt sind. Allein es ist ein Unglück, daß der Begriff der Glück- [418.2] seligkeit ein so unbestimmter Begriff ist, daß, obgleich jeder Mensch zu die- [418.3] ser zu gelangen wünscht, er doch niemals bestimmt und mit sich selbst ein- [418.4] stimmig sagen kann, was er eigentlich wünsche und wolle. Die Ursache [418.5] davon ist: daß alle Elemente, die zum Begriff der Glückseligkeit gehören, [418.6] insgesammt empirisch sind, d. i. aus der Erfahrung müssen entlehnt wer- [418.7] den, daß gleichwohl zur Idee der Glückseligkeit ein absolutes Ganze, ein [418.8] Maximum des Wohlbefindens, in meinem gegenwärtigen und jedem zu- [418.9] künftigen Zustande erforderlich ist. Nun ists unmöglich, daß das ein- [418.10] sehendste und zugleich allervermögendste, aber doch endliche Wesen sich ei- [418.11] nen bestimmten Begriff von dem mache, was er hier eigentlich wolle. Will [418.12] er Reichthum, wie viel Sorge, Neid und Nachstellung könnte er sich da- [418.13] durch nicht auf den Hals ziehen! Will er viel Erkenntniß und Einsicht, [418.14] vielleicht könnte das ein nur um desto schärferes Auge werden, um die [418.15] Übel, die sich für ihn jetzt noch verbergen und doch nicht vermieden werden [418.16] können, ihm nur um desto schrecklicher zu zeigen, oder seinen Begierden, [418.17] die ihm schon genug zu schaffen machen, noch mehr Bedürfnisse aufzubür- [418.18] den. Will er ein langes Leben, wer steht ihm dafür, daß es nicht ein lan- [418.19] ges Elend sein würde? Will er wenigstens Gesundheit, wie oft hat noch [418.20] Ungemächlichkeit des Körpers von Ausschweifung abgehalten, darein un- [418.21] beschränkte Gesundheit würde haben fallen lassen, u. s. w. Kurz, er ist [418.22] nicht vermögend, nach irgend einem Grundsatze mit völliger Gewißheit zu [418.23] bestimmen, was ihn wahrhaftig glücklich machen werde, darum weil hiezu [418.24] Allwissenheit erforderlich sein würde. Man kann also nicht nach bestimm- [418.25] ten Principien handeln, um glücklich zu sein, sondern nur nach empirischen [418.26] Rathschlägen, z. B. der Diät, der Sparsamkeit, der Höflichkeit, der Zu- [418.27] rückhaltung u. s. w., von welchen die Erfahrung lehrt, daß sie das Wohl- [418.28] befinden im Durchschnitt am meisten befördern. Hieraus folgt, daß die [418.29] Imperativen der Klugheit, genau zu reden, gar nicht gebieten, d. i. Hand- [418.30] lungen objectiv als praktisch-+nothwendig+ darstellen, können, daß sie eher [418.31] für Anrathungen (consilia) als Gebote (praecepta) der Vernunft zu hal- [418.32] ten sind, daß die Aufgabe: sicher und allgemein zu bestimmen, welche [418.33] Handlung die Glückseligkeit eines vernünftigen Wesens befördern werde, [418.34] völlig unauflöslich, mithin kein Imperativ in Ansehung derselben möglich [418.35] sei, der im strengen Verstande geböte, das zu thun, was glücklich macht, [418.36] weil Glückseligkeit nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungs- [418.37] kraft ist, was bloß auf empirischen Gründen beruht, von denen man ver- 418 [46-47] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [419.1] geblich erwartet, daß sie eine Handlung bestimmen sollten, dadurch die To- [419.2] talität einer in der That unendlichen Reihe von Folgen erreicht würde. [419.3] Dieser Imperativ der Klugheit würde indessen, wenn man annimmt, die [419.4] Mittel zur Glückseligkeit ließen sich sicher angeben, ein analytisch-prakti- [419.5] scher Satz sein; denn er ist von dem Imperativ der Geschicklichkeit nur [419.6] darin unterschieden, daß bei diesem der Zweck bloß möglich, bei jenem aber [419.7] gegeben ist; da beide aber bloß die Mittel zu demjenigen gebieten, von dem [419.8] man voraussetzt, daß man es als Zweck wollte: so ist der Imperativ, der [419.9] das Wollen der Mittel für den, der den Zweck will, gebietet, in beiden [419.10] Fällen analytisch. Es ist also in Ansehung der Möglichkeit eines solchen [419.11] Imperativs auch keine Schwierigkeit. [419.12] Dagegen, wie der Imperativ der +Sittlichkeit+ möglich sei, ist ohne [419.13] Zweifel die einzige einer Auflösung bedürftige Frage, da er gar nicht [419.14] hypothetisch ist und also die objectiv-vorgestellte Nothwendigkeit sich auf [419.15] keine Voraussetzung stützen kann, wie bei den hypothetischen Imperativen. [419.16] Nur ist immer hiebei nicht aus der Acht zu lassen, daß es +durch kein+ [419.17] +Beispiel+, mithin empirisch, auszumachen sei, ob es überall irgend einen [419.18] dergleichen Imperativ gebe, sondern zu besorgen, daß alle, die kategorisch [419.19] scheinen, doch versteckter Weise hypothetisch sein mögen. Z. B. wenn es [419.20] heißt: du sollt nichts betrüglich versprechen, und man nimmt an, daß die [419.21] Nothwendigkeit dieser Unterlassung nicht etwa bloße Rathgebung zu Ver- [419.22] meidung irgend eines andern Übels sei, so daß es etwa hieße: du sollt nicht [419.23] lügenhaft versprechen, damit du nicht, wenn es offenbar wird, dich um den [419.24] Credit bringest; sondern eine Handlung dieser Art müsse für sich selbst als [419.25] böse betrachtet werden, der Imperativ des Verbots sei also kategorisch: so [419.26] kann man doch in keinem Beispiel mit Gewißheit darthun, daß der Wille [419.27] hier ohne andere Triebfeder, bloß durchs Gesetz, bestimmt werde, ob es [419.28] gleich so scheint; denn es ist immer möglich, daß ingeheim Furcht vor Be- [419.29] schämung, vielleicht auch dunkle Besorgniß anderer Gefahren Einfluß auf [419.30] den Willen haben möge. Wer kann das Nichtsein einer Ursache durch Er- [419.31] fahrung beweisen, da diese nichts weiter lehrt, als daß wir jene nicht wahr- [419.32] nehmen? Auf solchen Fall aber würde der sogenannte moralische Im- [419.33] perativ der als ein solcher kategorisch und unbedingt erscheint, in der [419.34] That nur eine pragmatische Vorschrift sein, die uns auf unsern Vortheil [419.35] aufmerksam macht und uns bloß lehrt, diesen in Acht zu nehmen. [419.36] Wir werden also die Möglichkeit eines +kategorischen+ Imperativs [419.37] gänzlich a priori zu untersuchen haben, da uns hier der Vortheil nicht zu 419 [47-49] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [420.1] statten kommt, daß die Wirklichkeit desselben in der Erfahrung gegeben [420.2] und also die Möglichkeit nicht zur Festsetzung, sondern bloß zur Erklärung [420.3] nöthig wäre. So viel ist indessen vorläufig einzusehen: daß der kategorische [420.4] Imperativ allein als ein praktisches ++Gesetz++ laute, die übrigen insgesammt [420.5] zwar +Principien+ des Willens, aber nicht Gesetze heißen können: weil, [420.6] was bloß zur Erreichung einer beliebigen Absicht zu thun nothwendig ist, [420.7] an sich als zufällig betrachtet werden kann, und wir von der Vorschrift [420.8] jederzeit los sein können, wenn wir die Absicht aufgeben, dahingegen das [420.9] unbedingte Gebot dem Willen kein Belieben in Ansehung des Gegentheils [420.10] frei läßt, mithin allein diejenige Nothwendigkeit bei sich führt, welche wir [420.11] zum Gesetze verlangen. [420.12] Zweitens ist bei diesem kategorischen Imperativ oder Gesetze der Sitt- [420.13] lichkeit der Grund der Schwierigkeit (die Möglichkeit desselben einzusehen) [420.14] auch sehr groß. Er ist ein synthetisch-praktischer Satz*) a priori, und da [420.15] die Möglichkeit der Sätze dieser Art einzusehen so viel Schwierigkeit im [420.16] theoretischen Erkenntnisse hat, so läßt sich leicht abnehmen, daß sie im [420.17] praktischen nicht weniger haben werde. [420.18] Bei dieser Aufgabe wollen wir zuerst versuchen, ob nicht vielleicht der [420.19] bloße Begriff eines kategorischen Imperativs auch die Formel desselben [420.20] an die Hand gebe, die den Satz enthält, der allein ein kategorischer Impe- [420.21] rativ sein kann; denn wie ein solches absolutes Gebot möglich sei, wenn [420.22] wir auch gleich wissen, wie es lautet, wird noch besondere und schwere Be- [420.23] mühung erfordern, die wir aber zum letzten Abschnitte aussetzen. [420.24] Wenn ich mir einen +hypothetischen+ Imperativ überhaupt denke, [420.25] so weiß ich nicht zum voraus, was er enthalten werde: bis mir die Be- [420.26] dingung gegeben ist. Denke ich mir aber einen +kategorischen+ Impera- [420.27] tiv, so weiß ich sofort, was er enthalte. Denn da der Imperativ außer [420.28] dem Gesetze nur die Nothwendigkeit der Maxime**) enthält, diesem Gesetze ______________ [420.29] *) Ich verknüpfe mit dem Willen ohne vorausgesetzte Bedingung aus irgend [420.30] einer Neigung die That a priori, mithin nothwendig (obgleich nur objectiv, d. i. [420.31] unter der Idee einer Vernunft, die über alle subjective Bewegursachen völlige Ge- [420.32] walt hätte). Dieses ist also ein praktischer Satz, der das Wollen einer Handlung [420.33] nicht aus einem anderen, schon vorausgesetzten analytisch ableitet (denn wir haben [420.34] keinen so vollkommenen Willen), sondern mit dem Begriffe des Willens eines ver- [420.35] nünftigen Wesens unmittelbar als etwas, das in ihm nicht enthalten ist, verknüpft. [420.36] **) +Maxime+ ist das subjective Princip zu handeln und muß vom +objectiven+ [420.37] +Princip+, nämlich dem praktischen Gesetze, unterschieden werden. Jene enthält die 420 [49-51] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [421.1] gemäß zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthält, auf die es ein- [421.2] geschränkt war, so bleibt nichts als die Allgemeinheit eines Gesetzes über- [421.3] haupt übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß sein soll, und [421.4] welche Gemäßheit allein der Imperativ eigentlich als nothwendig vor- [421.5] stellt. [421.6] Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: [421.7] +handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wol-+ [421.8] +len kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde+. [421.9] Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Imperativen der [421.10] Pflicht als aus ihrem Princip abgeleitet werden können, so werden wir, [421.11] ob wir es gleich unausgemacht lassen, ob nicht überhaupt das, was man [421.12] Pflicht nennt, ein leerer Begriff sei, doch wenigstens anzeigen können, was [421.13] wir dadurch denken und was dieser Begriff sagen wolle. [421.14] Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wornach Wirkungen geschehen, [421.15] dasjenige ausmacht, was eigentlich +Natur+ im allgemeinsten Verstande [421.16] (der Form nach), d. i. das Dasein der Dinge, heißt, so fern es nach all- [421.17] gemeinen Gesetzen bestimmt ist, so könnte der allgemeine Imperativ der [421.18] Pflicht auch so lauten: +handle so, als ob die Maxime deiner Hand-+ [421.19] +lung durch deinen Willen zum+ ++allgemeinen Naturgesetze++ +werden+ [421.20] +sollte+. [421.21] Nun wollen wir einige Pflichten herzählen nach der gewöhnlichen [421.22] Eintheilung derselben in Pflichten gegen uns selbst und gegen andere [421.23] Menschen, in vollkommene und unvollkommene Pflichten.*) [421.24] 1) Einer, der durch eine Reihe von Übeln, die bis zur Hoffnungs- [421.25] losigkeit angewachsen ist, einen Überdruß am Leben empfindet, ist noch ______________ [421.26] praktische Regel, die die Vernunft den Bedingungen des Subjects gemäß (öfters der [421.27] Unwissenheit oder auch den Neigungen desselben) bestimmt, und ist also der Grund- [421.28] satz, nach welchem das Subject +handelt;+ das Gesetz aber ist das objective Princip, [421.29] gültig für jedes vernünftige Wesen, und der Grundsatz, nach dem es +handeln soll+, [421.30] d. i. ein Imperativ. [421.31] *) Man muß hier wohl merken, daß ich die Eintheilung der Pflichten für eine [421.32] künftige +Metaphysik der Sitten+ mir gänzlich vorbehalte, diese hier also nur als [421.33] beliebig (um meine Beispiele zu ordnen) dastehe. Übrigens verstehe ich hier unter [421.34] einer vollkommenen Pflicht diejenige, die keine Ausnahme zum Vortheil der Neigung [421.35] verstattet, und da habe ich nicht bloß äußere, sondern auch innere +vollkommene+ [421.36] +Pflichten+, welches dem in Schulen angenommenen Wortgebrauch zuwider läuft, ich [421.37] aber hier nicht zu verantworten gemeint bin, weil es zu meiner Absicht einerlei ist, [421.38] ob man es mir einräumt, oder nicht. 421 [51-53] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [422.1] so weit im Besitze seiner Vernunft, daß er sich selbst fragen kann, ob es [422.2] auch nicht etwa der Pflicht gegen sich selbst zuwider sei, sich das Leben zu [422.3] nehmen. Nun versucht er: ob die Maxime seiner Handlung wohl ein all- [422.4] gemeines Naturgesetz werden könne. Seine Maxime aber ist: ich mache [422.5] es mir aus Selbstliebe zum Princip, wenn das Leben bei seiner längern [422.6] Frist mehr Übel droht, als es Annehmlichkeit verspricht, es mir abzu- [422.7] kürzen. Es frägt sich nur noch, ob dieses Princip der Selbstliebe ein all- [422.8] gemeines Naturgesetz werden könne. Da sieht man aber bald, daß eine [422.9] Natur, deren Gesetz es wäre, durch dieselbe Empfindung, deren Bestim- [422.10] mung es ist, zur Beförderung des Lebens anzutreiben, das Leben selbst [422.11] zu zerstören, ihr selbst widersprechen und also nicht als Natur bestehen [422.12] würde, mithin jene Maxime unmöglich als allgemeines Naturgesetz statt- [422.13] finden könne und folglich dem obersten Princip aller Pflicht gänzlich wider- [422.14] streite. [422.15] 2) Ein anderer sieht sich durch Noth gedrungen, Geld zu borgen. Er [422.16] weiß wohl, daß er nicht wird bezahlen können, sieht aber auch, daß ihm [422.17] nichts geliehen werden wird, wenn er nicht festiglich verspricht, es zu einer [422.18] bestimmten Zeit zu bezahlen. Er hat Lust, ein solches Versprechen zu [422.19] thun; noch aber hat er so viel Gewissen, sich zu fragen: ist es nicht uner- [422.20] laubt und pflichtwidrig, sich auf solche Art aus Noth zu helfen? Gesetzt, [422.21] er beschlösse es doch, so würde seine Maxime der Handlung so lauten: [422.22] wenn ich mich in Geldnoth zu sein glaube, so will ich Geld borgen und [422.23] versprechen es zu bezahlen, ob ich gleich weiß, es werde niemals geschehen. [422.24] Nun ist dieses Princip der Selbstliebe oder der eigenen Zuträglichkeit [422.25] mit meinem ganzen künftigen Wohlbefinden vielleicht wohl zu vereini- [422.26] gen, allein jetzt ist die Frage: ob es recht sei. Ich verwandle also die [422.27] Zumuthung der Selbstliebe in ein allgemeines Gesetz und richte die Frage [422.28] so ein: wie es dann stehen würde, wenn meine Maxime ein allgemeines [422.29] Gesetz würde. Da sehe ich nun sogleich, daß sie niemals als allgemeines [422.30] Naturgesetz gelten und mit sich selbst zusammenstimmen könne, sondern [422.31] sich nothwendig widersprechen müsse. Denn die Allgemeinheit eines Ge- [422.32] setzes, daß jeder, nachdem er in Noth zu sein glaubt, versprechen könne, [422.33] was ihm einfällt, mit dem Vorsatz, es nicht zu halten, würde das Ver- [422.34] sprechen und den Zweck, den man damit haben mag, selbst unmöglich [422.35] machen, indem niemand glauben würde, daß ihm was versprochen sei, [422.36] sondern über alle solche Äußerung als eitles Vorgeben lachen würde. [422.37] 3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger 422 [53-55] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [423.1] Cultur ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren Menschen machen [423.2] könnte. Er sieht sich aber in bequemen Umständen und zieht vor, lieber [423.3] dem Vergnügen nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung [423.4] seiner glücklichen Naturanlagen zu bemühen. Noch frägt er aber: ob außer [423.5] der Übereinstimmung, die seine Maxime der Verwahrlosung seiner Natur- [423.6] gaben mit seinem Hange zur Ergötzlichkeit an sich hat, sie auch mit dem, [423.7] was man Pflicht nennt, übereinstimme. Da sieht er nun, daß zwar eine [423.8] Natur nach einem solchen allgemeinen Gesetze immer noch bestehen könne, [423.9] obgleich der Mensch (so wie die Südsee-Einwohner) sein Talent rosten [423.10] ließe und sein Leben bloß auf Müßiggang, Ergötzlichkeit, Fortpflanzung, [423.11] mit einem Wort auf Genuß zu verwenden bedacht wäre; allein er kann un- [423.12] möglich ++wollen,++ daß dieses ein allgemeines Naturgesetz werde, oder als [423.13] ein solches in uns durch Naturinstinct gelegt sei. Denn als ein vernünf- [423.14] tiges Wesen will er nothwendig, daß alle Vermögen in ihm entwickelt [423.15] werden, weil sie ihm doch zu allerlei möglichen Absichten dienlich und ge- [423.16] geben sind. [423.17] Noch denkt ein +vierter+, dem es wohl geht, indessen er sieht, daß an- [423.18] dere mit großen Mühseligkeiten zu kämpfen haben (denen er auch wohl [423.19] helfen könnte): was gehts mich an? mag doch ein jeder so glücklich sein, [423.20] als es der Himmel will, oder er sich selbst machen kann, ich werde ihm [423.21] nichts entziehen, ja nicht einmal beneiden; nur zu seinem Wohlbefinden [423.22] oder seinem Beistande in der Noth habe ich nicht Lust etwas beizutragen! [423.23] Nun könnte allerdings, wenn eine solche Denkungsart ein allgemeines [423.24] Naturgesetz würde, das menschliche Geschlecht gar wohl bestehen und ohne [423.25] Zweifel noch besser, als wenn jedermann von Theilnehmung und Wohl- [423.26] wollen schwatzt, auch sich beeifert, gelegentlich dergleichen auszuüben, da- [423.27] gegen aber auch, wo er nur kann, betrügt, das Recht der Menschen ver- [423.28] kauft, oder ihm sonst Abbruch thut. Aber obgleich es möglich ist, daß [423.29] nach jener Maxime ein allgemeines Naturgesetz wohl bestehen könnte: so [423.30] ist es doch unmöglich, zu ++wollen,++ daß ein solches Princip als Naturgesetz [423.31] allenthalben gelte. Denn ein Wille, der dieses beschlösse, würde sich selbst [423.32] widerstreiten, indem der Fälle sich doch manche eräugnen können, wo er [423.33] anderer Liebe und Theilnehmung bedarf, und wo er durch ein solches aus [423.34] seinem eigenen Willen entsprungenes Naturgesetz sich selbst alle Hoffnung [423.35] des Beistandes, den er sich wünscht, rauben würde. [423.36] Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen oder wenigstens von [423.37] uns dafür gehaltenen Pflichten, deren Abtheilung aus dem einigen ange- 423 [55-57] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [424.1] führten Princip klar in die Augen fällt. Man muß +wollen können+, [424.2] daß eine Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde: dies [424.3] ist der Kanon der moralischen Beurtheilung derselben überhaupt. Einige [424.4] Handlungen sind so beschaffen, daß ihre Maxime ohne Widerspruch nicht [424.5] einmal als allgemeines Naturgesetz +gedacht+ werden kann; weit gefehlt, [424.6] daß man noch +wollen+ könne, es +sollte+ ein solches werden. Bei andern [424.7] ist zwar jene innere Unmöglichkeit nicht anzutreffen, aber es ist doch un- [424.8] möglich, zu +wollen+, daß ihre Maxime zur Allgemeinheit eines Natur- [424.9] gesetzes erhoben werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen [424.10] würde. Man sieht leicht: daß die erstere der strengen oder engeren (un- [424.11] nachlaßlichen) Pflicht, die zweite nur der weiteren (verdienstlichen) Pflicht [424.12] widerstreite, und so alle Pflichten, was die Art der Verbindlichkeit (nicht [424.13] das Object ihrer Handlung) betrifft, durch diese Beispiele in ihrer Ab- [424.14] hängigkeit von dem einigen Princip vollständig aufgestellt worden. [424.15] Wenn wir nun auf uns selbst bei jeder Übertretung einer Pflicht Acht [424.16] haben, so finden wir, daß wir wirklich nicht wollen, es solle unsere Maxime [424.17] ein allgemeines Gesetz werden, denn das ist uns unmöglich, sondern das [424.18] Gegentheil derselben soll vielmehr allgemein ein Gesetz bleiben; nur neh- [424.19] men wir uns die Freiheit, für uns oder (auch nur für diesesmal) zum [424.20] Vortheil unserer Neigung davon eine +Ausnahme+ zu machen. Folglich [424.21] wenn wir alles aus einem und demselben Gesichtspunkte, nämlich der [424.22] Vernunft, erwögen, so würden wir einen Widerspruch in unserm eigenen [424.23] Willen antreffen, nämlich daß ein gewisses Princip objectiv als allge- [424.24] meines Gesetz nothwendig sei und doch subjectiv nicht allgemein gelten, [424.25] sondern Ausnahmen verstatten sollte. Da wir aber einmal unsere Hand- [424.26] lung aus dem Gesichtspunkte eines ganz der Vernunft gemäßen, dann [424.27] aber auch eben dieselbe Handlung aus dem Gesichtspunkte eines durch [424.28] Neigung afficirten Willens betrachten, so ist wirklich hier kein Wider- [424.29] spruch, wohl aber ein Widerstand der Neigung gegen die Vorschrift der [424.30] Vernunft (antagonismus), wodurch die Allgemeinheit des Princips (uni- [424.31] versalitas) in eine bloße Gemeingültigkeit (generalitas) verwandelt wird, [424.32] dadurch das praktische Vernunftprincip mit der Maxime auf dem halben [424.33] Wege zusammenkommen soll. Ob nun dieses gleich in unserm eigenen [424.34] unparteiisch angestellten Urtheile nicht gerechtfertigt werden kann, so be- [424.35] weiset es doch, daß wir die Gültigkeit des kategorischen Imperativs wirk- [424.36] lich anerkennen und uns (mit aller Achtung für denselben) nur einige, wie [424.37] es uns scheint, unerhebliche und uns abgedrungene Ausnahmen erlauben. 424 [57-59] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [425.1] Wir haben so viel also wenigstens dargethan, daß, wenn Pflicht ein [425.2] Begriff ist, der Bedeutung und wirkliche Gesetzgebung für unsere Hand- [425.3] lungen enthalten soll, diese nur in kategorischen Imperativen, keinesweges [425.4] aber in hypothetischen ausgedrückt werden könne; imgleichen haben wir, [425.5] welches schon viel ist, den Inhalt des kategorischen Imperativs, der das [425.6] Princip aller Pflicht (wenn es überhaupt dergleichen gäbe) enthalten [425.7] müßte, deutlich und zu jedem Gebrauche bestimmt dargestellt. Noch sind [425.8] wir aber nicht so weit, a priori zu beweisen, daß dergleichen Imperativ [425.9] wirklich stattfinde, daß es ein praktisches Gesetz gebe, welches schlechter- [425.10] dings und ohne alle Triebfedern für sich gebietet, und daß die Befolgung [425.11] dieses Gesetzes Pflicht sei. [425.12] Bei der Absicht, dazu zu gelangen, ist es von der äußersten Wichtig- [425.13] keit, sich dieses zur Warnung dienen zu lassen, daß man es sich ja nicht in [425.14] den Sinn kommen lasse, die Realität dieses Princips aus der +besondern+ [425.15] +Eigenschaft der menschlichen Natur+ ableiten zu wollen. Denn [425.16] Pflicht soll praktisch-unbedingte Nothwendigkeit der Handlung sein; sie [425.17] muß also für alle vernünftige Wesen (auf die nur überall ein Imperativ [425.18] treffen kann) gelten und +allein darum+ auch für allen menschlichen Wil- [425.19] len ein Gesetz sein. Was dagegen aus der besondern Naturanlage der [425.20] Menschheit, was aus gewissen Gefühlen und Hange, ja sogar wo möglich [425.21] aus einer besonderen Richtung, die der menschlichen Vernunft eigen wäre [425.22] und nicht nothwendig für den Willen eines jeden vernünftigen Wesens [425.23] gelten müßte, abgeleitet wird, das kann zwar eine Maxime für uns, aber [425.24] kein Gesetz abgeben, ein subjectiv Princip, nach welchem wir handeln zu [425.25] dürfen Hang und Neigung haben, aber nicht ein objectives, nach welchem [425.26] wir +angewiesen+ wären zu handeln, wenn gleich aller unser Hang, Nei- [425.27] gung und Natureinrichtung dawider wäre, sogar, daß es um desto mehr [425.28] die Erhabenheit und innere Würde des Gebots in einer Pflicht beweiset, [425.29] je weniger die subjectiven Ursachen dafür, je mehr sie dagegen sind, ohne [425.30] doch deswegen die Nöthigung durchs Gesetz nur im mindesten zu schwächen [425.31] und seiner Gültigkeit etwas zu benehmen. [425.32] Hier sehen wir nun die Philosophie in der That auf einen mißlichen [425.33] Standpunkt gestellt, der fest sein soll, unerachtet er weder im Himmel, noch [425.34] auf der Erde an etwas gehängt oder woran gestützt wird. Hier soll sie ihre [425.35] Lauterkeit beweisen als Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold derje- [425.36] nigen, welche ihr ein eingepflanzter Sinn, oder wer weiß welche vormund- [425.37] schaftliche Natur einflüstert, die insgesammt, sie mögen immer besser sein 425 [59-60] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [426.1] als gar nichts, doch niemals Grundsätze abgeben können, die die Vernunft [426.2] dictirt, und die durchaus völlig a priori ihren Quell und hiemit zu- [426.3] gleich ihr gebietendes Ansehen haben müssen: nichts von der Neigung des [426.4] Menschen, sondern alles von der Obergewalt des Gesetzes und der schul- [426.5] digen Achtung für dasselbe zu erwarten, oder den Menschen widrigenfalls [426.6] zur Selbstverachtung und innern Abscheu zu verurtheilen. [426.7] Alles also, was empirisch ist, ist als Zuthat zum Princip der Sitt- [426.8] lichkeit nicht allein dazu ganz untauglich, sondern der Lauterkeit der Sitten [426.9] selbst höchst nachtheilig, an welchen der eigentliche und über allen Preis [426.10] erhabene Werth eines schlechterdings guten Willens eben darin besteht, [426.11] daß das Princip der Handlung von allen Einflüssen zufälliger Gründe, [426.12] die nur Erfahrung an die Hand geben kann, frei sei. Wider diese Nach- [426.13] lässigkeit oder gar niedrige Denkungsart in Aufsuchung des Princips unter [426.14] empirischen Bewegursachen und Gesetzen kann man auch nicht zu viel und [426.15] zu oft Warnungen ergehen lassen, indem die menschliche Vernunft in ihrer [426.16] Ermüdung gern auf diesem Polster ausruht und in dem Traume süßer [426.17] Vorspiegelungen (die sie doch statt der Juno eine Wolke umarmen lassen) [426.18] der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz verschiedener Abstammung zu- [426.19] sammengeflickten Bastard unterschiebt, der allem ähnlich sieht, was man [426.20] daran sehen will, nur der Tugend nicht für den, der sie einmal in ihrer [426.21] wahren Gestalt erblickt hat.*) [426.22] Die Frage ist also diese: ist es ein nothwendiges Gesetz +für alle+ [426.23] +vernünftige Wesen+, ihre Handlungen jederzeit nach solchen Maximen [426.24] zu beurtheilen, von denen sie selbst wollen können, daß sie zu allgemeinen [426.25] Gesetzen dienen sollen? Wenn es ein solches ist, so muß es (völlig a pri- [426.26] ori) schon mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens über- [426.27] haupt verbunden sein. Um aber diese Verknüpfung zu entdecken, muß man, [426.28] so sehr man sich auch sträubt, einen Schritt hinaus thun, nämlich zur Me- [426.29] taphysik, obgleich in ein Gebiet derselben, welches von dem der specula- [426.30] tiven Philosophie unterschieden ist, nämlich in die Metaphysik der Sitten. ______________ [426.31] *) Die Tugend in ihrer eigentlichen Gestalt erblicken, ist nichts anders, als [426.32] die Sittlichkeit von aller Beimischung des Sinnlichen und allem unächten Schmuck [426.33] des Lohns oder der Selbstliebe entkleidet darzustellen. Wie sehr sie alsdann alles [426.34] übrige, was den Neigungen reizend erscheint, verdunkele, kann jeder vermittelst des [426.35] mindesten Versuchs seiner nicht ganz für alle Abstraction verdorbenen Vernunft leicht [426.36] inne werden. 426 [60-62] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [427.1] In einer praktischen Philosophie, wo es uns nicht darum zu thun ist, [427.2] Gründe anzunehmen von dem, was +geschieht+, sondern Gesetze von dem, [427.3] was +geschehen soll+, ob es gleich niemals geschieht, d. i. objectiv-prak- [427.4] tische Gesetze: da haben wir nicht nöthig, über die Gründe Untersuchung [427.5] anzustellen, warum etwas gefällt oder mißfällt, wie das Vergnügen der [427.6] bloßen Empfindung vom Geschmacke, und ob dieser von einem allgemeinen [427.7] Wohlgefallen der Vernunft unterschieden sei; worauf Gefühl der Lust [427.8] und Unlust beruhe, und wie hieraus Begierden und Neigungen, aus die- [427.9] sen aber durch Mitwirkung der Vernunft Maximen entspringen; denn das [427.10] gehört alles zu einer empirischen Seelenlehre, welche den zweiten Theil [427.11] der Naturlehre ausmachen würde, wenn man sie als +Philosophie der+ [427.12] +Natur+ betrachtet, so fern sie auf +empirischen Gesetzen+ gegründet ist. [427.13] Hier aber ist vom objectiv-praktischen Gesetze die Rede, mithin von dem [427.14] Verhältnisse eines Willens zu sich selbst, so fern er sich bloß durch Ver- [427.15] nunft bestimmt, da denn alles, was aufs Empirische Beziehung hat, von [427.16] selbst wegfällt: weil, wenn die +Vernunft für sich allein+ das Verhalten [427.17] bestimmt (wovon wir die Möglichkeit jetzt eben untersuchen wollen), sie [427.18] dieses nothwendig a priori thun muß. [427.19] Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, +der Vorstellung ge-+ [427.20] +wisser Gesetze gemäß+ sich selbst zum Handeln zu bestimmen. Und ein [427.21] solches Vermögen kann nur in vernünftigen Wesen anzutreffen sein. Nun [427.22] ist das, was dem Willen zum objectiven Grunde seiner Selbstbestimmung [427.23] dient, der +Zweck+, und dieser, wenn er durch bloße Vernunft gegeben wird, [427.24] muß für alle vernünftige Wesen gleich gelten. Was dagegen bloß den [427.25] Grund der Möglichkeit der Handlung enthält, deren Wirkung Zweck ist, [427.26] heißt das +Mittel+. Der subjective Grund des Begehrens ist die +Trieb-+ [427.27] +feder+, der objective des Wollens der +Bewegungsgrund;+ daher der [427.28] Unterschied zwischen subjectiven Zwecken, die auf Triebfedern beruhen, [427.29] und objectiven, die auf Bewegungsgründe ankommen, welche für jedes [427.30] vernünftige Wesen gelten. Praktische Principien sind +formal+, wenn sie [427.31] von allen subjectiven Zwecken abstrahiren; sie sind aber +material+, wenn [427.32] sie diese, mithin gewisse Triebfedern zum Grunde legen. Die Zwecke, die [427.33] sich ein vernünftiges Wesen als +Wirkungen+ seiner Handlung nach Be- [427.34] lieben vorsetzt, (materiale Zwecke) sind insgesammt nur relativ; denn nur [427.35] bloß ihr Verhältniß auf ein besonders geartetes Begehrungsvermögen des [427.36] Subjects giebt ihnen den Werth, der daher keine allgemeine für alle ver- [427.37] nünftige Wesen und auch nicht für jedes Wollen gültige und nothwendige 427 [62-64] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [428.1] Principien, d. i. praktische Gesetze, an die Hand geben kann. Daher sind [428.2] alle diese relative Zwecke nur der Grund von hypothetischen Imperativen. [428.3] Gesetzt aber, es gäbe etwas, +dessen Dasein an sich selbst+ einen [428.4] absoluten Werth hat, was als +Zweck an sich selbst+ ein Grund bestimmter [428.5] Gesetze sein könnte, so würde in ihm und nur in ihm allein der Grund [428.6] eines möglichen kategorischen Imperativs, d. i. praktischen Gesetzes, liegen. [428.7] Nun sage ich: der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen [428.8] +existirt+ als Zweck an sich selbst, +nicht bloß als Mittel+ zum beliebigen [428.9] Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen so- [428.10] wohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten [428.11] Handlungen jederzeit +zugleich als Zweck+ betrachtet werden. Alle Gegen- [428.12] stände der Neigungen haben nur einen bedingten Werth; denn wenn die [428.13] Neigungen und darauf gegründete Bedürfnisse nicht wären, so würde ihr [428.14] Gegenstand ohne Werth sein. Die Neigungen selber aber als Quellen des [428.15] Bedürfnisses haben so wenig einen absoluten Werth, um sie selbst zu [428.16] wünschen, daß vielmehr, gänzlich davon frei zu sein, der allgemeine Wunsch [428.17] eines jeden vernünftigen Wesens sein muß. Also ist der Werth aller durch [428.18] unsere Handlung +zu erwerbenden+ Gegenstände jederzeit bedingt. Die [428.19] Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserm Willen, sondern der Natur [428.20] beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen re- [428.21] lativen Werth, als Mittel, und heißen daher +Sachen+, dagegen vernünftige [428.22] Wesen +Personen+ genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke [428.23] an sich selbst, d. i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden [428.24] darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkür einschränkt (und ein Gegen- [428.25] stand der Achtung ist). Dies sind also nicht bloß subjective Zwecke, deren [428.26] Existenz als Wirkung unserer Handlung +für uns+ einen Werth hat; son- [428.27] dern +objective Zwecke+, d. i. Dinge, deren Dasein an sich selbst Zweck [428.28] ist und zwar ein solcher, an dessen Statt kein anderer Zweck gesetzt wer- [428.29] den kann, dem sie +bloß+ als Mittel zu Diensten stehen sollten, weil ohne [428.30] dieses überall gar nichts von +absolutem Werthe+ würde angetroffen [428.31] werden; wenn aber aller Werth bedingt, mithin zufällig wäre, so könnte [428.32] für die Vernunft überall kein oberstes praktisches Princip angetroffen [428.33] werden. [428.34] Wenn es denn also ein oberstes praktisches Princip und in Ansehung [428.35] des menschlichen Willens einen kategorischen Imperativ geben soll, so muß [428.36] es ein solches sein, das aus der Vorstellung dessen, was nothwendig für [428.37] jedermann Zweck ist, weil es +Zweck an sich selbst+ ist, ein +objectives+ 428 [64-66] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [429.1] Princip des Willens ausmacht, mithin zum allgemeinen praktischen Gesetz [429.2] dienen kann. Der Grund dieses Princips ist: +die vernünftige Natur+ [429.3] +existirt als Zweck an sich selbst+. So stellt sich nothwendig der Mensch [429.4] sein eignes Dasein vor; so fern ist es also ein +subjectives+ Princip mensch- [429.5] licher Handlungen. So stellt sich aber auch jedes andere vernünftige Wesen [429.6] sein Dasein zufolge eben desselben Vernunftgrundes, der auch für mich [429.7] gilt, vor*); also ist es zugleich ein +objectives+ Princip, woraus als einem [429.8] obersten praktischen Grunde alle Gesetze des Willens müssen abgeleitet [429.9] werden können. Der praktische Imperativ wird also folgender sein: [429.10] +Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als+ [429.11] +in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck,+ [429.12] +niemals bloß als Mittel brauchst+. Wir wollen sehen, ob sich dieses [429.13] bewerkstelligen lasse. [429.14] Um bei den vorigen Beispielen zu bleiben, so wird [429.15] +Erstlich+ nach dem Begriffe der nothwendigen Pflicht gegen sich selbst [429.16] derjenige, der mit Selbstmorde umgeht, sich fragen, ob seine Handlung [429.17] mit der Idee der Menschheit +als Zwecks an sich selbst+ zusammen be- [429.18] stehen könne. Wenn er, um einem beschwerlichen Zustande zu entfliehen, [429.19] sich selbst zerstört, so bedient er sich einer Person bloß als +eines Mittels+ [429.20] zu Erhaltung eines erträglichen Zustandes bis zu Ende des Lebens. Der [429.21] Mensch aber ist keine Sache, mithin nicht etwas, das +bloß+ als Mittel [429.22] gebraucht werden kann, sondern muß bei allen seinen Handlungen jederzeit [429.23] als Zweck an sich selbst betrachtet werden. Also kann ich über den Menschen [429.24] in meiner Person nichts disponiren, ihn zu verstümmeln, zu verderben, [429.25] oder zu tödten. (Die nähere Bestimmung dieses Grundsatzes zur Ver- [429.26] meidung alles Mißverstandes, z. B. der Amputation der Glieder, um mich [429.27] zu erhalten, der Gefahr, der ich mein Leben aussetze, um mein Leben zu [429.28] erhalten etc., muß ich hier vorbeigehen; sie gehört zur eigentlichen Moral.) [429.29] +Zweitens+, was die nothwendige oder schuldige Pflicht gegen andere [429.30] betrifft, so wird der, so ein lügenhaftes Versprechen gegen andere zu thun [429.31] im Sinne hat, sofort einsehen, daß er sich eines andern Menschen +bloß+ [429.32] +als Mittels+ bedienen will, ohne daß dieser zugleich den Zweck in sich [429.33] enthalte. Denn der, den ich durch ein solches Versprechen zu meinen Ab- [429.34] sichten brauchen will, kann unmöglich in meine Art, gegen ihn zu ver- ______________ [429.35] *) Diesen Satz stelle ich hier als Postulat auf. Im letzten Abschnitte wird [429.36] man die Gründe dazu finden. 429 [66-68] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [430.1] fahren, einstimmen und also selbst den Zweck dieser Handlung enthalten. [430.2] Deutlicher fällt dieser Widerstreit gegen das Princip anderer Menschen [430.3] in die Augen, wenn man Beispiele von Angriffen auf Freiheit und Eigen- [430.4] thum anderer herbeizieht. Denn da leuchtet klar ein, daß der Übertreter [430.5] der Rechte der Menschen, sich der Person anderer bloß als Mittel zu be- [430.6] dienen, gesonnen sei, ohne in Betracht zu ziehen, daß sie als vernünftige [430.7] Wesen jederzeit zugleich als Zwecke, d. i. nur als solche, die von eben der- [430.8] selben Handlung auch in sich den Zweck müssen enthalten können, geschätzt [430.9] werden sollen*). [430.10] +Drittens+, in Ansehung der zufälligen (verdienstlichen) Pflicht gegen [430.11] sich selbst ists nicht genug, daß die Handlung nicht der Menschheit in un- [430.12] serer Person als Zweck an sich selbst widerstreite, sie muß auch +dazu zu-+ [430.13] +sammenstimmen+. Nun sind in der Menschheit Anlagen zu größerer [430.14] Vollkommenheit, die zum Zwecke der Natur in Ansehung der Menschheit [430.15] in unserem Subject gehören; diese zu vernachlässigen, würde allenfalls [430.16] wohl mit der +Erhaltung+ der Menschheit als Zwecks an sich selbst, aber [430.17] nicht der +Beförderung+ dieses Zwecks bestehen können. [430.18] +Viertens+, in Betreff der verdienstlichen Pflicht gegen andere ist der [430.19] Naturzweck, den alle Menschen haben, ihre eigene Glückseligkeit. Nun [430.20] würde zwar die Menschheit bestehen können, wenn niemand zu des andern [430.21] Glückseligkeit was beitrüge, dabei aber ihr nichts vorsetzlich entzöge; allein [430.22] es ist dieses doch nur eine negative und nicht positive Übereinstimmung zur [430.23] +Menschheit als Zweck an sich selbst+, wenn jedermann auch nicht die [430.24] Zwecke anderer, so viel an ihm ist, zu befördern trachtete. Denn das Sub- [430.25] ject, welches Zweck an sich selbst ist, dessen Zwecke müssen, wenn jene Vor- [430.26] stellung bei mir +alle+ Wirkung thun soll, auch, so viel möglich, +meine+ [430.27] Zwecke sein. [430.28] Dieses Princip der Menschheit und jeder vernünftigen Natur über- [430.29] haupt, +als Zwecks an sich selbst+, (welche die oberste einschränkende ______________ [430.30] *) Man denke ja nicht, daß hier das triviale: quod tibi non vis fieri etc. [430.31] zur Richtschnur oder Princip dienen könne. Denn es ist, obzwar mit verschiedenen [430.32] Einschränkungen, nur aus jenem abgeleitet; es kann kein allgemeines Gesetz sein, [430.33] denn es enthält nicht den Grund der Pflichten gegen sich selbst, nicht der Liebes- [430.34] pflichten gegen andere (denn mancher würde es gerne eingehen, daß andere ihm [430.35] nicht wohlthun sollen, wenn er es nur überhoben sein dürfte, ihnen Wohlthat zu [430.36] erzeigen), endlich nicht der schuldigen Pflichten gegen einander; denn der Verbrecher [430.37] würde aus diesem Grunde gegen seine strafenden Richter argumentiren, u. s. w. 430 [68-69] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [431.1] Bedingung der Freiheit der Handlungen eines jeden Menschen ist) ist nicht [431.2] aus der Erfahrung entlehnt: erstlich wegen seiner Allgemeinheit, da es [431.3] auf alle vernünftige Wesen überhaupt geht, worüber etwas zu bestimmen [431.4] keine Erfahrung zureicht; zweitens weil darin die Menschheit nicht als [431.5] Zweck der Menschen (subjectiv), d. i. als Gegenstand, den man sich von [431.6] selbst wirklich zum Zwecke macht, sondern als objectiver Zweck, der, wir [431.7] mögen Zwecke haben, welche wir wollen, als Gesetz die oberste einschrän- [431.8] kende Bedingung aller subjectiven Zwecke ausmachen soll, vorgestellt wird, [431.9] mithin es aus reiner Vernunft entspringen muß. Es liegt nämlich der [431.10] Grund aller praktischen Gesetzgebung +objectiv in der Regel+ und der [431.11] Form der Allgemeinheit, die sie ein Gesetz (allenfalls Naturgesetz) zu sein [431.12] fähig macht (nach dem ersten Princip), +subjectiv+ aber im +Zwecke;+ das [431.13] Subject aller Zwecke aber ist jedes vernünftige Wesen, als Zweck an sich [431.14] selbst (nach dem zweiten Princip): hieraus folgt nun das dritte praktische [431.15] Princip des Willens, als oberste Bedingung der Zusammenstimmung des- [431.16] selben mit der allgemeinen praktischen Vernunft, die Idee +des Willens+ [431.17] +jedes vernünftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden+ [431.18] +Willens+. [431.19] Alle Maximen werden nach diesem Princip verworfen, die mit der [431.20] eigenen allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen [431.21] können. Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, [431.22] sondern so unterworfen, daß er auch +als selbstgesetzgebend+ und eben [431.23] um deswillen allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber be- [431.24] trachten kann) unterworfen angesehen werden muß. [431.25] Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, nämlich der all- [431.26] gemein einer +Naturordnung+ ähnlichen Gesetzmäßigkeit der Handlungen, [431.27] oder des allgemeinen +Zwecksvorzuges+ vernünftiger Wesen an sich selbst, [431.28] schlossen zwar von ihrem gebietenden Ansehen alle Beimischung irgend [431.29] eines Interesse als Triebfeder aus, eben dadurch daß sie als kategorisch [431.30] vorgestellt wurden; sie wurden aber nur als kategorisch +angenommen+, [431.31] weil man dergleichen annehmen mußte, wenn man den Begriff von Pflicht [431.32] erklären wollte. Daß es aber praktische Sätze gäbe, die kategorisch gebö- [431.33] ten, könnte für sich nicht bewiesen werden, so wenig wie es überhaupt in [431.34] diesem Abschnitte auch hier noch nicht geschehen kann; allein eines hätte [431.35] doch geschehen können, nämlich: daß die Lossagung von allem Interesse [431.36] beim Wollen aus Pflicht, als das specifische Unterscheidungszeichen des [431.37] kategorischen vom hypothetischen Imperativ, in dem Imperativ selbst durch 431 [69-71] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [432.1] irgend eine Bestimmung, die er enthielte, mit angedeutet würde, und [432.2] dieses geschieht in gegenwärtiger dritten Formel des Princips, nämlich [432.3] der Idee des Willens eines jeden vernünftigen Wesens als +allgemein-+ [432.4] +gesetzgebenden Willens+. [432.5] Denn wenn wir einen solchen denken, so kann, obgleich ein Wille, +der+ [432.6] +unter Gesetzen steht+, noch vermittelst eines Interesse an dieses Gesetz [432.7] gebunden sein mag, dennoch ein Wille, der selbst zu oberst gesetzgebend ist, [432.8] unmöglich so fern von irgend einem Interesse abhängen; denn ein solcher [432.9] abhängender Wille würde selbst noch eines andern Gesetzes bedürfen, wel- [432.10] ches das Interesse seiner Selbstliebe auf die Bedingung einer Gültigkeit [432.11] zum allgemeinen Gesetz einschränkte. [432.12] Also würde das +Princip+ eines jeden menschlichen Willens, als [432.13] +eines durch alle seine Maximen allgemein gesetzgebenden Wil-+ [432.14] +lens+*), wenn es sonst mit ihm nur seine Richtigkeit hätte, sich zum kate- [432.15] gorischen Imperativ darin gar +wohl schicken+, daß es eben um der Idee [432.16] der allgemeinen Gesetzgebung willen sich +auf kein Interesse gründet+ [432.17] und also unter allen möglichen Imperativen allein +unbedingt+ sein kann; [432.18] oder noch besser, indem wir den Satz umkehren: wenn es einen kategori- [432.19] schen Imperativ giebt (d. i. ein Gesetz für jeden Willen eines vernünftigen [432.20] Wesens), so kann er nur gebieten, alles aus der Maxime seines Willens [432.21] als eines solchen zu thun, der zugleich sich selbst als allgemein gesetzgebend [432.22] zum Gegenstande haben könnte; denn alsdann nur ist das praktische Prin- [432.23] cip und der Imperativ, dem er gehorcht, unbedingt, weil er gar kein Inter- [432.24] esse zum Grunde haben kann. [432.25] Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bisherige Bemühungen, [432.26] die jemals unternommen worden, um das Princip der Sittlichkeit aus- [432.27] findig zu machen, zurücksehen, warum sie insgesammt haben fehlschlagen [432.28] müssen. Man sah den Menschen durch seine Pflicht an Gesetze gebunden, [432.29] man ließ es sich aber nicht einfallen, daß er +nur seiner eigenen und+ [432.30] dennoch +allgemeinen Gesetzgebung+ unterworfen sei, und daß er nur [432.31] verbunden sei, seinem eigenen, dem Naturzwecke nach aber allgemein ge- [432.32] setzgebenden Willen gemäß zu handeln. Denn wenn man sich ihn nur als [432.33] einem Gesetz (welches es auch sei) unterworfen dachte: so mußte dieses ir- ______________ [432.34] *) Ich kann hier, Beispiele zur Erläuterung dieses Princips anzuführen, über- [432.35] hoben sein, denn die, so zuerst den kategorischen Imperativ und seine Formel er- [432.36] läuterten, können hier alle zu eben dem Zwecke dienen. 432 [71-73] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [433.1] gend ein Interesse als Reiz oder Zwang bei sich führen, weil es nicht als [433.2] Gesetz aus +seinem+ Willen entsprang, sondern dieser gesetzmäßig von +et-+ [433.3] +was anderm+ genöthigt wurde, auf gewisse Weise zu handeln. Durch [433.4] diese ganz nothwendige Folgerung aber war alle Arbeit, einen obersten [433.5] Grund der Pflicht zu finden, unwiederbringlich verloren. Denn man be- [433.6] kam niemals Pflicht, sondern Nothwendigkeit der Handlung aus einem [433.7] gewissen Interesse heraus. Dieses mochte nun ein eigenes oder fremdes [433.8] Interesse sein. Aber alsdann mußte der Imperativ jederzeit bedingt aus- [433.9] fallen und konnte zum moralischen Gebote gar nicht taugen. Ich will also [433.10] diesen Grundsatz das Princip der ++Autonomie++ des Willens im Gegensatz [433.11] mit jedem andern, das ich deshalb zur ++Heteronomie++ zähle, nennen. [433.12] Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das sich durch alle [433.13] Maximen seines Willens als allgemein gesetzgebend betrachten muß, um [433.14] aus diesem Gesichtspunkte sich selbst und seine Handlungen zu beurtheilen, [433.15] führt auf einen ihm anhängenden sehr fruchtbaren Begriff, nämlich den [433.16] +eines Reichs der Zwecke+. [433.17] Ich verstehe aber unter einem +Reiche+ die systematische Verbindung [433.18] verschiedener vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche Gesetze. Weil [433.19] nun Gesetze die Zwecke ihrer allgemeinen Gültigkeit nach bestimmen, so [433.20] wird, wenn man von dem persönlichen Unterschiede vernünftiger Wesen, [433.21] imgleichen allem Inhalte ihrer Privatzwecke abstrahirt, ein Ganzes aller [433.22] Zwecke (sowohl der vernünftigen Wesen als Zwecke an sich, als auch der [433.23] eigenen Zwecke, die ein jedes sich selbst setzen mag) in systematischer Ver- [433.24] knüpfung, d. i. ein Reich der Zwecke, gedacht werden können, welches nach [433.25] obigen Principien möglich ist. [433.26] Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem +Gesetz+, daß jedes [433.27] derselben sich selbst und alle andere +niemals bloß als Mittel+, sondern [433.28] jederzeit +zugleich als Zweck an sich selbst+ behandeln solle. Hiedurch [433.29] aber entspringt eine systematische Verbindung vernünftiger Wesen durch [433.30] gemeinschaftliche objective Gesetze, d. i. ein Reich, welches, weil diese Ge- [433.31] setze eben die Beziehung dieser Wesen auf einander als Zwecke und Mittel [433.32] zur Absicht haben, ein Reich der Zwecke (freilich nur ein Ideal) heißen [433.33] kann. [433.34] Es gehört aber ein vernünftiges Wesen als +Glied+ zum Reiche der [433.35] Zwecke, wenn es darin zwar allgemein gesetzgebend, aber auch diesen Ge- [433.36] setzen selbst unterworfen ist. Es gehört dazu +als Oberhaupt+, wenn es [433.37] als gesetzgebend keinem Willen eines andern unterworfen ist. 433 [73-75] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [434.1] Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetzgebend in einem [434.2] durch Freiheit des Willens möglichen Reiche der Zwecke betrachten, es mag [434.3] nun sein als Glied, oder als Oberhaupt. Den Platz des letztern kann es [434.4] aber nicht bloß durch die Maxime seines Willens, sondern nur alsdann, [434.5] wenn es ein völlig unabhängiges Wesen ohne Bedürfniß und Einschrän- [434.6] kung seines dem Willen adäquaten Vermögens ist, behaupten. [434.7] Moralität besteht also in der Beziehung aller Handlung auf die Ge- [434.8] setzgebung, dadurch allein ein Reich der Zwecke möglich ist. Diese Gesetz- [434.9] gebung muß aber in jedem vernünftigen Wesen selbst angetroffen werden [434.10] und aus seinem Willen entspringen können, dessen Princip also ist: keine [434.11] Handlung nach einer andern Maxime zu thun, als so, daß es auch mit ihr [434.12] bestehen könne, daß sie ein allgemeines Gesetz sei, und also nur so, +daß+ [434.13] +der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein+ [434.14] +gesetzgebend betrachten könne+. Sind nun die Maximen mit diesem [434.15] objectiven Princip der vernünftigen Wesen, als allgemein gesetzgebend, [434.16] nicht durch ihre Natur schon nothwendig einstimmig, so heißt die Noth- [434.17] wendigkeit der Handlung nach jenem Princip praktische Nöthigung, d. i. [434.18] +Pflicht+. Pflicht kommt nicht dem Oberhaupte im Reiche der Zwecke, wohl [434.19] aber jedem Gliede und zwar allen in gleichem Maße zu. [434.20] Die praktische Nothwendigkeit nach diesem Princip zu handeln, d. i. [434.21] die Pflicht, beruht gar nicht auf Gefühlen, Antrieben und Neigungen, [434.22] sondern bloß auf dem Verhältnisse vernünftiger Wesen zu einander, in [434.23] welchem der Wille eines vernünftigen Wesens jederzeit zugleich als +gesetz-+ [434.24] +gebend+ betrachtet werden muß, weil es sie sonst nicht als +Zweck an sich+ [434.25] +selbst+ denken könnte. Die Vernunft bezieht also jede Maxime des Wil- [434.26] lens als allgemein gesetzgebend auf jeden anderen Willen und auch auf [434.27] jede Handlung gegen sich selbst und dies zwar nicht um irgend eines an- [434.28] dern praktischen Bewegungsgrundes oder künftigen Vortheils willen, son- [434.29] dern aus der Idee der +Würde+ eines vernünftigen Wesens, das keinem [434.30] Gesetze gehorcht als dem, das es zugleich selbst giebt. [434.31] Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen +Preis+, oder eine [434.32] +Würde+. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes [434.33] als +Äquivalent+ gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben [434.34] ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde. [434.35] Was sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedürf- [434.36] nisse bezieht, hat einen +Marktpreis;+ das, was, auch ohne ein Bedürfniß [434.37] vorauszusetzen, einem gewissen Geschmacke, d. i. einem Wohlgefallen am 434 [75-77] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [435.1] bloßen zwecklosen Spiel unserer Gemüthskräfte, gemäß ist, einen +Affec-+ [435.2] +tionspreis;+ das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein [435.3] etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Werth, [435.4] d. i. einen Preis, sondern einen innern Werth, d. i. +Würde+. [435.5] Nun ist Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges [435.6] Wesen Zweck an sich selbst sein kann, weil nur durch sie es möglich ist, ein [435.7] gesetzgebend Glied im Reiche der Zwecke zu sein. Also ist Sittlichkeit und [435.8] die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, dasjenige, was allein Würde [435.9] hat. Geschicklichkeit und Fleiß im Arbeiten haben einen Marktpreis; Witz, [435.10] lebhafte Einbildungskraft und Launen einen Affectionspreis; dagegen [435.11] Treue im Versprechen, Wohlwollen aus Grundsätzen (nicht aus Instinct) [435.12] haben einen innern Werth. Die Natur sowohl als Kunst enthalten nichts, [435.13] was sie in Ermangelung derselben an ihre Stelle setzen könnten; denn ihr [435.14] Werth besteht nicht in den Wirkungen, die daraus entspringen, im Vor- [435.15] theil und Nutzen, den sie schaffen, sondern in den Gesinnungen, d. i. den [435.16] Maximen des Willens, die sich auf diese Art in Handlungen zu offenbaren [435.17] bereit sind, obgleich auch der Erfolg sie nicht begünstigte. Diese Hand- [435.18] lungen bedürfen auch keiner Empfehlung von irgend einer subjectiven Dis- [435.19] position oder Geschmack, sie mit unmittelbarer Gunst und Wohlgefallen [435.20] anzusehen, keines unmittelbaren Hanges oder Gefühles für dieselbe: sie [435.21] stellen den Willen, der sie ausübt, als Gegenstand einer unmittelbaren [435.22] Achtung dar, dazu nichts als Vernunft gefordert wird, um sie dem Willen [435.23] +aufzuerlegen+, nicht von ihm zu +erschmeicheln+, welches letztere bei [435.24] Pflichten ohnedem ein Widerspruch wäre. Diese Schätzung giebt also den [435.25] Werth einer solchen Denkungsart als Würde zu erkennen und setzt sie über [435.26] allen Preis unendlich weg, mit dem sie gar nicht in Anschlag und Ver- [435.27] gleichung gebracht werden kann, ohne sich gleichsam an der Heiligkeit der- [435.28] selben zu vergreifen. [435.29] Und was ist es denn nun, was die sittlich gute Gesinnung oder die [435.30] Tugend berechtigt, so hohe Ansprüche zu machen? Es ist nichts Geringeres [435.31] als der +Antheil+, den sie dem vernünftigen Wesen +an der allgemei-+ [435.32] +nen Gesetzgebung+ verschafft und es hiedurch zum Gliede in einem mög- [435.33] lichen Reiche der Zwecke tauglich macht, wozu es durch seine eigene Natur [435.34] schon bestimmt war, als Zweck an sich selbst und eben darum als gesetz- [435.35] gebend im Reiche der Zwecke, in Ansehung aller Naturgesetze als frei, nur [435.36] denjenigen allein gehorchend, die es selbst giebt und nach welchen seine [435.37] Maximen zu einer allgemeinen Gesetzgebung (der es sich zugleich selbst 435 [77-79] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [436.1] unterwirft) gehören können. Denn es hat nichts einen Werth als den, [436.2] welchen ihm das Gesetz bestimmt. Die Gesetzgebung selbst aber, die allen [436.3] Werth bestimmt, muß eben darum eine Würde, d. i. unbedingten, unver- [436.4] gleichbaren Werth, haben, für welchen das Wort +Achtung+ allein den ge- [436.5] ziemenden Ausdruck der Schätzung abgiebt, die ein vernünftiges Wesen [436.6] über sie anzustellen hat. +Autonomie+ ist also der Grund der Würde der [436.7] menschlichen und jeder vernünftigen Natur. [436.8] Die angeführten drei Arten, das Princip der Sittlichkeit vorzustellen, [436.9] sind aber im Grunde nur so viele Formeln eben desselben Gesetzes, deren [436.10] die eine die anderen zwei von selbst in sich vereinigt. Indessen ist doch eine [436.11] Verschiedenheit in ihnen, die zwar eher subjectiv als objectiv-praktisch ist, näm- [436.12] lich um eine Idee der Vernunft der Anschauung (nach einer gewissen Ana- [436.13] logie) und dadurch dem Gefühle näher zu bringen. Alle Maximen haben [436.14] nämlich [436.15] 1) eine +Form+, welche in der Allgemeinheit besteht, und da ist die [436.16] Formel des sittlichen Imperativs so ausgedrückt: daß die Maximen so [436.17] müssen gewählt werden, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten [436.18] sollten; [436.19] 2) eine +Materie+, nämlich einen Zweck, und da sagt die Formel: daß [436.20] das vernünftige Wesen als Zweck seiner Natur nach, mithin als Zweck an [436.21] sich selbst jeder Maxime zur einschränkenden Bedingung aller bloß rela- [436.22] tiven und willkürlichen Zwecke dienen müsse; [436.23] 3) +eine vollständige Bestimmung+ aller Maximen durch jene For- [436.24] mel, nämlich: daß alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem mög- [436.25] lichen Reiche der Zwecke, als einem Reiche der Natur*), zusammenstimmen [436.26] sollen. Der Fortgang geschieht hier wie durch die Kategorien der +Ein-+ [436.27] +heit+ der Form des Willens (der Allgemeinheit desselben), der +Vielheit+ [436.28] der Materie (der Objecte, d. i. der Zwecke) und der +Allheit+ oder Totalität [436.29] des Systems derselben. Man thut aber besser, wenn man in der sittlichen [436.30] +Beurtheilung+ immer nach der strengen Methode verfährt und die all- [436.31] gemeine Formel des kategorischen Imperativs zum Grunde legt: +handle+ [436.32] +nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Ge-+ ______________ [436.33] *) Die Teleologie erwägt die Natur als ein Reich der Zwecke, die Moral [436.34] ein mögliches Reich der Zwecke als ein Reich der Natur. Dort ist das Reich der [436.35] Zwecke eine theoretische Idee zu Erklärung dessen, was da ist. Hier ist es eine [436.36] praktische Idee, um das, was nicht da ist, aber durch unser Thun und Lassen wirk- [436.37] lich werden kann, und zwar eben dieser Idee gemäß zu Stande zu bringen. 436 [79-81] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [437.1] +setze machen kann+. Will man aber dem sittlichen Gesetze zugleich +Ein-+ [437.2] +gang+ verschaffen: so ist sehr nützlich, ein und eben dieselbe Handlung durch [437.3] benannte drei Begriffe zu führen und sie dadurch, so viel sich thun läßt, [437.4] der Anschauung zu nähern. [437.5] Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im Anfange aus- [437.6] gingen, nämlich dem Begriffe eines unbedingt guten Willens. Der +Wille+ [437.7] ist +schlechterdings gut+, der nicht böse sein, mithin dessen Maxime, wenn [437.8] sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals wider- [437.9] streiten kann. Dieses Princip ist also auch sein oberstes Gesetz: handle [437.10] jederzeit nach derjenigen Maxime, deren Allgemeinheit als Gesetzes du zu- [437.11] gleich wollen kannst; dieses ist die einzige Bedingung, unter der ein Wille [437.12] niemals mit sich selbst im Widerstreite sein kann, und ein solcher Im- [437.13] perativ ist kategorisch. Weil die Gültigkeit des Willens als eines all- [437.14] gemeinen Gesetzes für mögliche Handlungen mit der allgemeinen Ver- [437.15] knüpfung des Daseins der Dinge nach allgemeinen Gesetzen, die das For- [437.16] male der Natur überhaupt ist, Analogie hat, so kann der kategorische Im- [437.17] perativ auch so ausgedrückt werden: +Handle nach Maximen, die sich+ [437.18] +selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande+ [437.19] +haben können+. So ist also die Formel eines schlechterdings guten Wil- [437.20] lens beschaffen. [437.21] Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den übrigen aus, daß [437.22] sie ihr selbst einen Zweck setzt. Dieser würde die Materie eines jeden guten [437.23] Willens sein. Da aber in der Idee eines ohne einschränkende Bedingung [437.24] (der Erreichung dieses oder jenes Zwecks) schlechterdings guten Willens [437.25] durchaus von allem zu +bewirkenden+ Zwecke abstrahirt werden muß (als [437.26] der jeden Willen nur relativ gut machen würde), so wird der Zweck hier [437.27] nicht als ein zu bewirkender, +sondern selbstständiger+ Zweck, mithin [437.28] nur negativ gedacht werden müssen, d. i. dem niemals zuwider gehandelt, [437.29] der also niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck in [437.30] jedem Wollen geschätzt werden muß. Dieser kann nun nichts anders als [437.31] das Subject aller möglichen Zwecke selbst sein, weil dieses zugleich das [437.32] Subject eines möglichen schlechterdings guten Willens ist; denn dieser [437.33] kann ohne Widerspruch keinem andern Gegenstande nachgesetzt werden. [437.34] Das Princip: handle in Beziehung auf ein jedes vernünftige Wesen (auf [437.35] dich selbst und andere) so, daß es in deiner Maxime zugleich als Zweck [437.36] an sich selbst gelte, ist demnach mit dem Grundsatze: handle nach einer [437.37] Maxime, die ihre eigene allgemeine Gültigkeit für jedes vernünftige Wesen 437 [81-82] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [438.1] zugleich in sich enthält, im Grunde einerlei. Denn daß ich meine Maxime [438.2] im Gebrauche der Mittel zu jedem Zwecke auf die Bedingung ihrer All- [438.3] gemeingültigkeit als eines Gesetzes für jedes Subject einschränken soll, [438.4] sagt eben so viel, als: das Subject der Zwecke, d. i. das vernünftige Wesen [438.5] selbst, muß niemals bloß als Mittel, sondern als oberste einschränkende [438.6] Bedingung im Gebrauche aller Mittel, d. i. jederzeit zugleich als Zweck, [438.7] allen Maximen der Handlungen zum Grunde gelegt werden. [438.8] Nun folgt hieraus unstreitig: daß jedes vernünftige Wesen als Zweck [438.9] an sich selbst sich in Ansehung aller Gesetze, denen es nur immer unter- [438.10] worfen sein mag, zugleich als allgemein gesetzgebend müsse ansehen können, [438.11] weil eben diese Schicklichkeit seiner Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung [438.12] es als Zweck an sich selbst auszeichnet, imgleichen daß dieses seine Würde [438.13] (Prärogativ) vor allen bloßen Naturwesen es mit sich bringe, seine Maxi- [438.14] men jederzeit aus dem Gesichtspunkte seiner selbst, zugleich aber auch jedes [438.15] andern vernünftigen als gesetzgebenden Wesens (die darum auch Personen [438.16] heißen) nehmen zu müssen. Nun ist auf solche Weise eine Welt vernünf- [438.17] tiger Wesen (mundus intelligibilis) als ein Reich der Zwecke möglich und [438.18] zwar durch die eigene Gesetzgebung aller Personen als Glieder. Demnach [438.19] muß ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maxi- [438.20] men jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke [438.21] wäre. Das formale Princip dieser Maximen ist: handle so, als ob deine [438.22] Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze (aller vernünftigen Wesen) die- [438.23] nen sollte. Ein Reich der Zwecke ist also nur möglich nach der Analogie [438.24] mit einem Reiche der Natur, jenes aber nur nach Maximen, d. i. sich selbst [438.25] auferlegten Regeln, diese nur nach Gesetzen äußerlich genöthigter wirken- [438.26] den Ursachen. Dem unerachtet giebt man doch auch dem Naturganzen, [438.27] ob es schon als Maschine angesehen wird, dennoch, so fern es auf ver- [438.28] nünftige Wesen als seine Zwecke Beziehung hat, aus diesem Grunde den [438.29] Namen eines Reichs der Natur. Ein solches Reich der Zwecke würde nun [438.30] durch Maximen, deren Regel der kategorische Imperativ allen vernünfti- [438.31] gen Wesen vorschreibt, wirklich zu Stande kommen, +wenn sie allge-+ [438.32] +mein befolgt würden+. Allein obgleich das vernünftige Wesen darauf [438.33] nicht rechnen kann, daß, wenn es auch gleich diese Maxime selbst pünkt- [438.34] lich befolgte, darum jedes andere eben derselben treu sein würde, imglei- [438.35] chen daß das Reich der Natur und die zweckmäßige Anordnung desselben [438.36] mit ihm, als einem schicklichen Gliede, zu einem durch es selbst möglichen [438.37] Reiche der Zwecke zusammenstimmen, d. i. seine Erwartung der Glückselig- 438 [82-84] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [439.1] keit begünstigen werde, so bleibt doch jenes Gesetz: handle nach Maximen [439.2] eines allgemein gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß möglichen Reiche [439.3] der Zwecke, in seiner vollen Kraft, weil es kategorisch gebietend ist. Und [439.4] hierin liegt eben das Paradoxon: daß bloß die Würde der Menschheit [439.5] als vernünftiger Natur ohne irgend einen andern dadurch zu erreichenden [439.6] Zweck oder Vortheil, mithin die Achtung für eine bloße Idee dennoch zur [439.7] unnachlaßlichen Vorschrift des Willens dienen sollte, und daß gerade in [439.8] dieser Unabhängigkeit der Maxime von allen solchen Triebfedern die Er- [439.9] habenheit derselben bestehe und die Würdigkeit eines jeden vernünftigen [439.10] Subjects, ein gesetzgebendes Glied im Reiche der Zwecke zu sein; denn [439.11] sonst würde es nur als dem Naturgesetze seines Bedürfnisses unterworfen [439.12] vorgestellt werden müssen. Obgleich auch das Naturreich sowohl, als das [439.13] Reich der Zwecke als unter einem Oberhaupte vereinigt gedacht würde, [439.14] und dadurch das letztere nicht mehr bloße Idee bliebe, sondern wahre Re- [439.15] alität erhielte, so würde hiedurch zwar jener der Zuwachs einer starken [439.16] Triebfeder, niemals aber Vermehrung ihres innern Werths zu statten [439.17] kommen; denn diesem ungeachtet müßte doch selbst dieser alleinige unum- [439.18] schränkte Gesetzgeber immer so vorgestellt werden, wie er den Werth der [439.19] vernünftigen Wesen nur nach ihrem uneigennützigen, bloß aus jener Idee [439.20] ihnen selbst vorgeschriebenen Verhalten beurtheilte. Das Wesen der Dinge [439.21] ändert sich durch ihre äußere Verhältnisse nicht, und was, ohne an das [439.22] letztere zu denken, den absoluten Werth des Menschen allein ausmacht, [439.23] darnach muß er auch, von wem es auch sei, selbst vom höchsten Wesen be- [439.24] urtheilt werden. +Moralität+ ist also das Verhältniß der Handlungen [439.25] zur Autonomie des Willens, das ist zur möglichen allgemeinen Gesetzge- [439.26] bung durch die Maximen desselben. Die Handlung, die mit der Autono- [439.27] mie des Willens zusammen bestehen kann, ist +erlaubt;+ die nicht damit [439.28] stimmt, ist +unerlaubt+. Der Wille, dessen Maximen nothwendig mit den [439.29] Gesetzen der Autonomie zusammenstimmen, ist ein +heiliger+, schlechter- [439.30] dings guter Wille. Die Abhängigkeit eines nicht schlechterdings guten [439.31] Willens vom Princip der Autonomie (die moralische Nöthigung) ist +Ver-+ [439.32] +bindlichkeit+. Diese kann also auf ein heiliges Wesen nicht gezogen [439.33] werden. Die objective Nothwendigkeit einer Handlung aus Verbindlich- [439.34] keit heißt +Pflicht+. [439.35] Man kann aus dem kurz vorhergehenden sich es jetzt leicht erklären, [439.36] wie es zugehe: daß, ob wir gleich unter dem Begriffe von Pflicht uns eine [439.37] Unterwürfigkeit unter dem Gesetze denken, wir uns dadurch doch zugleich 439 [84-86] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [440.1] eine gewisse Erhabenheit und +Würde+ an derjenigen Person vorstellen, [440.2] die alle ihre Pflichten erfüllt. Denn so fern ist zwar keine Erhabenheit [440.3] an ihr, als sie dem moralischen Gesetze +unterworfen+ ist, wohl aber so [440.4] fern sie in Ansehung eben desselben zugleich +gesetzgebend+ und nur darum [440.5] ihm untergeordnet ist. Auch haben wir oben gezeigt, wie weder Furcht, [440.6] noch Neigung, sondern lediglich Achtung fürs Gesetz diejenige Triebfeder [440.7] sei, die der Handlung einen moralischen Werth geben kann. Unser eigener [440.8] Wille, so fern er nur unter der Bedingung einer durch seine Maximen [440.9] möglichen allgemeinen Gesetzgebung handeln würde, dieser uns mögliche [440.10] Wille in der Idee ist der eigentliche Gegenstand der Achtung, und die [440.11] Würde der Menschheit besteht eben in dieser Fähigkeit, allgemein gesetz- [440.12] gebend, obgleich mit dem Beding, eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst [440.13] unterworfen zu sein. [440.14] ++Die Autonomie des Willens++ [440.15] +als oberstes Princip der Sittlichkeit.+ [440.16] Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch [440.17] derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände [440.18] des Wollens) ein Gesetz ist. Das Princip der Autonomie ist also: nicht [440.19] anders zu wählen als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben [440.20] Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien. Daß diese [440.21] praktische Regel ein Imperativ sei, d. i. der Wille jedes vernünftigen [440.22] Wesens an sie als Bedingung nothwendig gebunden sei, kann durch bloße [440.23] Zergliederung der in ihm vorkommenden Begriffe nicht bewiesen werden, [440.24] weil es ein synthetischer Satz ist; man müßte über die Erkenntniß der [440.25] Objecte und zu einer Kritik des Subjects, d. i. der reinen praktischen Ver- [440.26] nunft, hinausgehen, denn völlig a priori muß dieser synthetische Satz, der [440.27] apodiktisch gebietet, erkannt werden können, dieses Geschäft aber gehört [440.28] nicht in gegenwärtigen Abschnitt. Allein daß gedachtes Princip der Au- [440.29] tonomie das alleinige Princip der Moral sei, läßt sich durch bloße Zer- [440.30] gliederung der Begriffe der Sittlichkeit gar wohl darthun. Denn dadurch [440.31] findet sich, daß ihr Princip ein kategorischer Imperativ sein müsse, dieser [440.32] aber nichts mehr oder weniger als gerade diese Autonomie gebiete. 440 [86-88] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [441.1] ++Die Heteronomie des Willens++ [441.2] +als der Quell aller unächten Principien der Sittlichkeit.+ [441.3] Wenn der Wille irgend +worin anders+, als in der Tauglichkeit sei- [441.4] ner Maximen zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn [441.5] er, indem er über sich selbst hinausgeht, in der Beschaffenheit irgend eines [441.6] seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit [441.7] +Heteronomie+ heraus. Der Wille giebt alsdann sich nicht selbst, sondern [441.8] das Object durch sein Verhältniß zum Willen giebt diesem das Gesetz. [441.9] Dies Verhältniß, es beruhe nun auf der Neigung, oder auf Vorstellungen [441.10] der Vernunft, läßt nur hypothetische Imperativen möglich werden: ich [441.11] soll etwas thun darum, +weil ich etwas anderes will+. Dagegen sagt [441.12] der moralische, mithin kategorische Imperativ: ich soll so oder so handeln, [441.13] ob ich gleich nichts anderes wollte. Z. E. jener sagt: ich soll nicht lügen, [441.14] wenn ich bei Ehren bleiben will; dieser aber: ich soll nicht lügen, ob es [441.15] mir gleich nicht die mindeste Schande zuzöge. Der letztere muß also von [441.16] allem Gegenstande so fern abstrahiren, daß dieser gar keinen +Einfluß+ [441.17] auf den Willen habe, damit praktische Vernunft (Wille) nicht fremdes [441.18] Interesse bloß administrire, sondern bloß ihr eigenes gebietendes Ansehen [441.19] als oberste Gesetzgebung beweise. So soll ich z. B. fremde Glückseligkeit [441.20] zu befördern suchen, nicht als wenn mir an deren Existenz was gelegen [441.21] wäre (es sei durch unmittelbare Neigung, oder irgend ein Wohlgefallen [441.22] indirect durch Vernunft), sondern bloß deswegen, weil die Maxime, die sie [441.23] ausschließt, nicht in einem und demselben Wollen, als allgemeinen Gesetz, [441.24] begriffen werden kann. [441.25] ++Eintheilung++ [441.26] +aller möglichen Principien der Sittlichkeit+ [441.27] +aus dem+ [441.28] +angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie.+ [441.29] Die menschliche Vernunft hat hier, wie allerwärts in ihrem reinen [441.30] Gebrauche, so lange es ihr an Kritik fehlt, vorher alle mögliche unrechte [441.31] Wege versucht, ehe es ihr gelingt, den einzigen wahren zu treffen. [441.32] Alle Principien, die man aus diesem Gesichtspunkte nehmen mag, [441.33] sind entweder +empirisch+ oder +rational+. Die ++ersteren,++ aus dem Princip 441 [88-90] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [442.1] der +Glückseligkeit+, sind aufs physische oder moralische Gefühl, die [442.2] ++zweiten++ aus dem Princip der +Vollkommenheit+, entweder auf den [442.3] Vernunftbegriff derselben als möglicher Wirkung, oder auf den Begriff [442.4] einer selbstständigen Vollkommenheit (den Willen Gottes) als bestimmende [442.5] Ursache unseres Willens gebauet. [442.6] +Empirische Principien+ taugen überall nicht dazu, um moralische [442.7] Gesetze darauf zu gründen. Denn die Allgemeinheit, mit der sie für alle [442.8] vernünftige Wesen ohne Unterschied gelten sollen, die unbedingte praktische [442.9] Nothwendigkeit, die ihnen dadurch auferlegt wird, fällt weg, wenn der [442.10] Grund derselben von der +besonderen Einrichtung der menschlichen+ [442.11] +Natur+, oder den zufälligen Umständen hergenommen wird, darin sie [442.12] gesetzt ist. Doch ist das Princip der +eigenen Glückseligkeit+ am meisten [442.13] verwerflich, nicht bloß deswegen weil es falsch ist, und die Erfahrung dem [442.14] Vorgeben, als ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten [442.15] richte, widerspricht, auch nicht bloß weil es gar nichts zur Gründung der [442.16] Sittlichkeit beiträgt, indem es ganz was anderes ist, einen glücklichen, als [442.17] einen guten Menschen, und diesen klug und auf seinen Vortheil abgewitzt, [442.18] als ihn tugendhaft zu machen: sondern weil es der Sittlichkeit Triebfedern [442.19] unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit zernichten, [442.20] indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine [442.21] Classe stellen und nur den Calcul besser ziehen lehren, den specifischen [442.22] Unterschied beider aber ganz und gar auslöschen; dagegen das moralische [442.23] Gefühl, dieser vermeintliche besondere Sinn*), (so seicht auch die Berufung [442.24] auf selbigen ist, indem diejenigen, die nicht +denken+ können, selbst in dem, [442.25] was bloß auf allgemeine Gesetze ankommt, sich durchs +Fühlen+ auszuhelfen [442.26] glauben, so wenig auch Gefühle, die dem Grade nach von Natur unendlich [442.27] von einander unterschieden sind, einen gleichen Maßstab des Guten und [442.28] Bösen abgeben, auch einer durch sein Gefühl für andere gar nicht gültig [442.29] urtheilen kann) dennoch der Sittlichkeit und ihrer Würde dadurch näher [442.30] bleibt, daß er der Tugend die Ehre beweist, das Wohlgefallen und die [442.31] Hochschätzung für sie ihr +unmittelbar+ zuzuschreiben, und ihr nicht gleich- ______________ [442.32] *) Ich rechne das Princip des moralischen Gefühls zu dem der Glückseligkeit, [442.33] weil ein jedes empirische Interesse durch die Annehmlichkeit, die etwas nur gewährt, [442.34] es mag nun unmittelbar und ohne Absicht auf Vortheile, oder in Rücksicht auf [442.35] dieselbe geschehen, einen Beitrag zum Wohlbefinden verspricht. Imgleichen muß [442.36] man das Princip der Theilnehmung an anderer Glückseligkeit mit +Hutcheson+ zu [442.37] demselben von ihm angenommenen moralischen Sinne rechnen. 442 [90-91] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [443.1] sam ins Gesicht sagt, daß es nicht ihre Schönheit, sondern nur der Vor- [443.2] theil sei, der uns an sie knüpfe. [443.3] Unter den +rationalen+ oder Vernunftgründen der Sittlichkeit ist [443.4] doch der ontologische Begriff der +Vollkommenheit+ (so leer, so unbe- [443.5] stimmt, mithin unbrauchbar er auch ist, um in dem unermeßlichen Felde [443.6] möglicher Realität die für uns schickliche größte Summe auszufinden; so [443.7] sehr er auch, um die Realität, von der hier die Rede ist, specifisch von jeder [443.8] anderen zu unterscheiden, einen unvermeidlichen Hang hat, sich im Cirkel [443.9] zu drehen, und die Sittlichkeit, die er erklären soll, ingeheim vorauszusetzen, [443.10] nicht vermeiden kann) dennoch besser als der theologische Begriff, sie von [443.11] einem göttlichen, allervollkommensten Willen abzuleiten, nicht bloß des- [443.12] wegen weil wir seine Vollkommenheit doch nicht anschauen, sondern sie von [443.13] unseren Begriffen, unter denen der der Sittlichkeit der vornehmste ist, allein [443.14] ableiten können, sondern weil, wenn wir dieses nicht thun (wie es denn, [443.15] wenn es geschähe, ein grober Cirkel im Erklären sein würde), der uns noch [443.16] übrige Begriff seines Willens aus den Eigenschaften der Ehr- und Herrsch- [443.17] begierde, mit den furchtbaren Vorstellungen der Macht und des Racheifers [443.18] verbunden, zu einem System der Sitten, welches der Moralität gerade [443.19] entgegen gesetzt wäre, die Grundlage machen müßte. [443.20] Wenn ich aber zwischen dem Begriff des moralischen Sinnes und [443.21] dem der Vollkommenheit überhaupt (die beide der Sittlichkeit wenigstens [443.22] nicht Abbruch thun, ob sie gleich dazu gar nichts taugen, sie als Grund- [443.23] lagen zu unterstützen) wählen müßte: so würde ich mich für den letzteren [443.24] bestimmen, weil er, da er wenigstens die Entscheidung der Frage von der [443.25] Sinnlichkeit ab und an den Gerichtshof der reinen Vernunft zieht, ob er [443.26] gleich auch hier nichts entscheidet, dennoch die unbestimmte Idee (eines an [443.27] sich guten Willens) zur nähern Bestimmung unverfälscht aufbehält. [443.28] Übrigens glaube ich einer weitläuftigen Widerlegung aller dieser Lehr- [443.29] begriffe überhoben sein zu können. Sie ist so leicht, sie ist von denen selbst, [443.30] deren Amt es erfordert, sich doch für eine dieser Theorien zu erklären (weil [443.31] Zuhörer den Aufschub des Urtheils nicht wohl leiden mögen), selbst ver- [443.32] muthlich so wohl eingesehen, daß dadurch nur überflüssige Arbeit geschehen [443.33] würde. Was uns aber hier mehr interessirt, ist, zu wissen: daß diese [443.34] Principien überall nichts als Heteronomie des Willens zum ersten Grunde [443.35] der Sittlichkeit aufstellen und eben darum nothwendig ihres Zwecks ver- [443.36] fehlen müssen. 443 [91-93] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [444.1] Allenthalben, wo ein Object des Willens zum Grunde gelegt werden [444.2] muß, um diesem die Regel vorzuschreiben, die ihn bestimme, da ist die [444.3] Regel nichts als Heteronomie; der Imperativ ist bedingt, nämlich: +wenn+ [444.4] oder +weil+ man dieses Object will, soll man so oder so handeln; mithin [444.5] kann er niemals moralisch, d. i. kategorisch, gebieten. Es mag nun das [444.6] Object vermittelst der Neigung, wie beim Princip der eigenen Glückselig- [444.7] keit, oder vermittelst der auf Gegenstände unseres möglichen Wollens über- [444.8] haupt gerichteten Vernunft, im Princip der Vollkommenheit, den Willen [444.9] bestimmen, so bestimmt sich der Wille niemals +unmittelbar+ selbst durch [444.10] die Vorstellung der Handlung, sondern nur durch die Triebfeder, welche [444.11] die vorausgesehene Wirkung der Handlung auf den Willen hat; +ich soll+ [444.12] +etwas thun, darum weil ich etwas anderes will+, und hier muß [444.13] noch ein anderes Gesetz in meinem Subject zum Grunde gelegt werden, [444.14] nach welchem ich dieses Andere nothwendig will, welches Gesetz wiederum [444.15] eines Imperativs bedarf, der diese Maxime einschränke. Denn weil der [444.16] Antrieb, den die Vorstellung eines durch unsere Kräfte möglichen Objects [444.17] nach der Naturbeschaffenheit des Subjects auf seinen Willen ausüben soll, [444.18] zur Natur des Subjects gehört, es sei der Sinnlichkeit (der Neigung und [444.19] des Geschmacks) oder des Verstandes und der Vernunft, die nach der be- [444.20] sonderen Einrichtung ihrer Natur an einem Objecte sich mit Wohlgefallen [444.21] üben, so gäbe eigentlich die Natur das Gesetz, welches als ein solches nicht [444.22] allein durch Erfahrung erkannt und bewiesen werden muß, mithin an sich [444.23] zufällig ist und zur apodiktischen praktischen Regel, dergleichen die mo- [444.24] ralische sein muß, dadurch untauglich wird, sondern es ist +immer nur+ [444.25] +Heteronomie+ des Willens, der Wille giebt sich nicht selbst, sondern ein [444.26] fremder Antrieb giebt ihm vermittelst einer auf die Empfänglichkeit des- [444.27] selben gestimmten Natur des Subjects das Gesetz. [444.28] Der schlechterdings gute Wille, dessen Princip ein kategorischer Im- [444.29] perativ sein muß, wird also, in Ansehung aller Objecte unbestimmt, bloß [444.30] die +Form+ des +Wollens+ überhaupt enthalten und zwar als Autonomie, [444.31] d. i. die Tauglichkeit der Maxime eines jeden guten Willens, sich selbst [444.32] zum allgemeinen Gesetze zu machen, ist selbst das alleinige Gesetz, das [444.33] sich der Wille eines jeden vernünftigen Wesens selbst auferlegt, ohne irgend [444.34] eine Triebfeder und Interesse derselben als Grund unterzulegen. [444.35] +Wie ein solcher synthetischer praktischer Satz a priori mög-+ [444.36] +lich+ und warum er nothwendig sei, ist eine Aufgabe, deren Auflösung nicht [444.37] mehr binnen den Grenzen der Metaphysik der Sitten liegt, auch haben wir 444 [93-95] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweiter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [445.1] seine Wahrheit hier nicht behauptet, viel weniger vorgegeben, einen Beweis [445.2] derselben in unserer Gewalt zu haben. Wir zeigten nur durch Entwickelung [445.3] des einmal allgemein im Schwange gehenden Begriffs der Sittlichkeit: [445.4] daß eine Autonomie des Willens demselben unvermeidlicher Weise anhänge, [445.5] oder vielmehr zum Grunde liege. Wer also Sittlichkeit für Etwas und [445.6] nicht für eine chimärische Idee ohne Wahrheit hält, muß das angeführte [445.7] Princip derselben zugleich einräumen. Dieser Abschnitt war also eben [445.8] so, wie der erste bloß analytisch. Daß nun Sittlichkeit kein Hirngespinst [445.9] sei, welches alsdann folgt, wenn der kategorische Imperativ und mit ihm [445.10] die Autonomie des Willens wahr und als ein Princip a priori schlechter- [445.11] dings nothwendig ist, erfordert einen +möglichen synthetischen Ge-+ [445.12] +brauch der reinen praktischen Vernunft+, den wir aber nicht wagen [445.13] dürfen, ohne eine +Kritik+ dieses Vernunftvermögens selbst voranzuschicken, [445.14] von welcher wir in dem letzten Abschnitte die zu unserer Absicht hinläng- [445.15] liche Hauptzüge darzustellen haben. ___________________ 445 [95-96] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [446.1] ++Dritter Abschnitt.++ [446.2] +Übergang+ [446.3] +von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen+ [446.4] +praktischen Vernunft.+ [446.5] +Der Begriff der Freiheit+ [446.6] +ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens.+ [446.7] Der +Wille+ ist eine Art von Causalität lebender Wesen, so fern sie [446.8] vernünftig sind, und +Freiheit+ würde diejenige Eigenschaft dieser Causa- [446.9] lität sein, da sie unabhängig von fremden sie +bestimmenden+ Ursachen [446.10] wirkend sein kann: so wie +Naturnothwendigkeit+ die Eigenschaft der [446.11] Causalität aller vernunftlosen Wesen, durch den Einfluß fremder Ursachen [446.12] zur Thätigkeit bestimmt zu werden. [446.13] Die angeführte Erklärung der Freiheit ist +negativ+ und daher, um [446.14] ihr Wesen einzusehen, unfruchtbar; allein es fließt aus ihr ein +positiver+ [446.15] Begriff derselben, der desto reichhaltiger und fruchtbarer ist. Da der Be- [446.16] griff einer Causalität den von +Gesetzen+ bei sich führt, nach welchen durch [446.17] etwas, was wir Ursache nennen, etwas anderes, nämlich die Folge, ge- [446.18] setzt werden muß: so ist die Freiheit, ob sie zwar nicht eine Eigenschaft [446.19] des Willens nach Naturgesetzen ist, darum doch nicht gar gesetzlos, sondern [446.20] muß vielmehr eine Causalität nach unwandelbaren Gesetzen, aber von be- [446.21] sonderer Art sein; denn sonst wäre ein freier Wille ein Unding. Die [446.22] Naturnothwendigkeit war eine Heteronomie der wirkenden Ursachen; denn [446.23] jede Wirkung war nur nach dem Gesetze möglich, daß etwas anderes die [446.24] wirkende Ursache zur Causalität bestimmte; was kann denn wohl die Frei- 446 [97-98] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [447.1] heit des Willens sonst sein als Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Wil- [447.2] lens, sich selbst ein Gesetz zu sein? Der Satz aber: der Wille ist in allen [447.3] Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das Princip, nach keiner [447.4] anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein allgemeines [447.5] Gesetz zum Gegenstande haben kann. Dies ist aber gerade die Formel des [447.6] kategorischen Imperativs und das Princip der Sittlichkeit: also ist ein [447.7] freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei. [447.8] Wenn also Freiheit des Willens vorausgesetzt wird, so folgt die Sitt- [447.9] lichkeit sammt ihrem Princip daraus durch bloße Zergliederung ihres Be- [447.10] griffs. Indessen ist das letztere doch immer ein synthetischer Satz: ein [447.11] schlechterdings guter Wille ist derjenige, dessen Maxime jederzeit sich selbst, [447.12] als allgemeines Gesetz betrachtet, in sich enthalten kann, denn durch Zer- [447.13] gliederung des Begriffs von einem schlechthin guten Willen kann jene [447.14] Eigenschaft der Maxime nicht gefunden werden. Solche synthetische Sätze [447.15] sind aber nur dadurch möglich, daß beide Erkenntnisse durch die Verknüp- [447.16] fung mit einem dritten, darin sie beiderseits anzutreffen sind, unter ein- [447.17] ander verbunden werden. Der +positive+ Begriff der Freiheit schafft dieses [447.18] dritte, welches nicht wie bei den physischen Ursachen die Natur der Sinnen- [447.19] welt sein kann (in deren Begriff die Begriffe von etwas als Ursache in [447.20] Verhältniß auf +etwas anderes+ als Wirkung zusammenkommen). Was [447.21] dieses dritte sei, worauf uns die Freiheit weiset, und von dem wir a priori [447.22] eine Idee haben, läßt sich hier sofort noch nicht anzeigen und die Deduc- [447.23] tion des Begriffs der Freiheit aus der reinen praktischen Vernunft, mit [447.24] ihr auch die Möglichkeit eines kategorischen Imperativs begreiflich machen, [447.25] sondern bedarf noch einiger Vorbereitung. [447.26] +Freiheit muß als Eigenschaft des Willens aller+ [447.27] +vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden.+ [447.28] Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus welchem [447.29] Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen ver- [447.30] nünftigen Wesen beizulegen hinreichenden Grund haben. Denn da Sitt- [447.31] lichkeit für uns bloß als für +vernünftige Wesen+ zum Gesetze dient, so [447.32] muß sie auch für alle vernünftige Wesen gelten, und da sie lediglich aus [447.33] der Eigenschaft der Freiheit abgeleitet werden muß, so muß auch Frei- [447.34] heit als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen bewiesen wer- [447.35] den, und es ist nicht genug, sie aus gewissen vermeintlichen Erfahrungen 447 [98-100] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [448.1] von der menschlichen Natur darzuthun (wiewohl dieses auch schlechterdings [448.2] unmöglich ist und lediglich a priori dargethan werden kann), sondern man [448.3] muß sie als zur Thätigkeit vernünftiger und mit einem Willen begabter We- [448.4] sen überhaupt gehörig beweisen. Ich sage nun: Ein jedes Wesen, das nicht [448.5] anders als +unter der Idee der Freiheit+ handeln kann, ist eben darum [448.6] in praktischer Rücksicht wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze, [448.7] die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, eben so als ob sein [448.8] Wille auch an sich selbst und in der theoretischen Philosophie gültig für [448.9] frei erklärt würde*). Nun behaupte ich: daß wir jedem vernünftigen Wesen, [448.10] das einen Willen hat, nothwendig auch die Idee der Freiheit leihen müssen, [448.11] unter der es allein handle. Denn in einem solchen Wesen denken wir uns [448.12] eine Vernunft, die praktisch ist, d. i. Causalität in Ansehung ihrer Ob- [448.13] jecte hat. Nun kann man sich unmöglich eine Vernunft denken, die mit [448.14] ihrem eigenen Bewußtsein in Ansehung ihrer Urtheile anderwärts her eine [448.15] Lenkung empfinge, denn alsdann würde das Subject nicht seiner Vernunft, [448.16] sondern einem Antriebe die Bestimmung der Urtheilskraft zuschreiben. [448.17] Sie muß sich selbst als Urheberin ihrer Principien ansehen unabhängig [448.18] von fremden Einflüssen, folglich muß sie als praktische Vernunft, oder als [448.19] Wille eines vernünftigen Wesens von ihr selbst als frei angesehen werden; [448.20] d. i. der Wille desselben kann nur unter der Idee der Freiheit ein eigener [448.21] Wille sein und muß also in praktischer Absicht allen vernünftigen Wesen [448.22] beigelegt werden. [448.23] +Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit+ [448.24] +anhängt.+ [448.25] Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlichkeit auf die Idee der [448.26] Freiheit zuletzt zurückgeführt; diese aber konnten wir als etwas Wirkliches [448.27] nicht einmal in uns selbst und in der menschlichen Natur beweisen; wir ______________ [448.28] *) Diesen Weg, die Freiheit nur als von vernünftigen Wesen bei ihren Hand- [448.29] lungen bloß +in der Idee+ zum Grunde gelegt zu unserer Absicht hinreichend an- [448.30] zunehmen, schlage ich deswegen ein, damit ich mich nicht verbindlich machen dürfte, [448.31] die Freiheit auch in ihrer theoretischen Absicht zu beweisen. Denn wenn dieses [448.32] letztere auch unausgemacht gelassen wird, so gelten doch dieselben Gesetze für ein [448.33] Wesen, das nicht anders als unter der Idee seiner eigenen Freiheit handeln kann, [448.34] die ein Wesen, das wirklich frei wäre, verbinden würden. Wir können uns hier [448.35] also von der Last befreien, die die Theorie drückt. 448 [100-101] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [449.1] sahen nur, daß wir sie voraussetzen müssen, wenn wir uns ein Wesen als [449.2] vernünftig und mit Bewußtsein seiner Causalität in Ansehung der Hand- [449.3] lungen, d. i. mit einem Willen, begabt uns denken wollen, und so finden [449.4] wir, daß wir aus eben demselben Grunde jedem mit Vernunft und Willen [449.5] begabten Wesen diese Eigenschaft, sich unter der Idee seiner Freiheit zum [449.6] Handeln zu bestimmen, beilegen müssen. [449.7] Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen auch das Bewußt- [449.8] sein eines Gesetzes zu handeln: daß die subjectiven Grundsätze der Hand- [449.9] lungen, d. i. Maximen, jederzeit so genommen werden müssen, daß sie auch [449.10] objectiv, d. i. allgemein als Grundsätze, gelten, mithin zu unserer eigenen [449.11] allgemeinen Gesetzgebung dienen können. Warum aber soll ich mich denn [449.12] diesem Princip unterwerfen und zwar als vernünftiges Wesen überhaupt, [449.13] mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte Wesen? Ich will [449.14] einräumen, daß mich hiezu kein Interesse +treibt+, denn das würde keinen [449.15] kategorischen Imperativ geben; aber ich muß doch hieran nothwendig ein [449.16] Interesse +nehmen+ und einsehen, wie das zugeht; denn dieses Sollen ist [449.17] eigentlich ein Wollen, das unter der Bedingung für jedes vernünftige [449.18] Wesen gilt, wenn die Vernunft bei ihm ohne Hindernisse praktisch wäre; [449.19] für Wesen, die wie wir noch durch Sinnlichkeit als Triebfedern anderer [449.20] Art afficirt werden, bei denen es nicht immer geschieht, was die Vernunft [449.21] für sich allein thun würde, heißt jene Nothwendigkeit der Handlung nur [449.22] ein Sollen, und die subjective Nothwendigkeit wird von der objectiven unter- [449.23] schieden. [449.24] Es scheint also, als setzten wir in der Idee der Freiheit eigentlich das [449.25] moralische Gesetz, nämlich das Princip der Autonomie des Willens selbst, [449.26] nur voraus und könnten seine Realität und objective Nothwendigkeit nicht [449.27] für sich beweisen, und da hätten wir zwar noch immer etwas ganz Beträcht- [449.28] liches dadurch gewonnen, daß wir wenigstens das ächte Princip genauer, [449.29] als wohl sonst geschehen, bestimmt hätten, in Ansehung seiner Gültigkeit [449.30] aber und der praktischen Nothwendigkeit, sich ihm zu unterwerfen, wären [449.31] wir um nichts weiter gekommen; denn wir könnten dem, der uns fragte, [449.32] warum denn die Allgemeingültigkeit unserer Maxime, als eines Gesetzes, [449.33] die einschränkende Bedingung unserer Handlungen sein müsse, und worauf [449.34] wir den Werth gründen, den wir dieser Art zu handeln beilegen, der so [449.35] groß sein soll, daß es überall kein höheres Interesse geben kann, und wie [449.36] es zugehe, daß der Mensch dadurch allein seinen persönlichen Werth zu 449 [101-103] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [450.1] fühlen glaubt, gegen den der eines angenehmen oder unangenehmen Zu- [450.2] standes für nichts zu halten sei, keine genugthuende Antwort geben. [450.3] Zwar finden wir wohl, daß wir an einer persönlichen Beschaffenheit [450.4] ein Interesse nehmen können, die gar kein Interesse des Zustandes bei sich [450.5] führt, wenn jene uns nur fähig macht, des letzteren theilhaftig zu werden, [450.6] im Falle die Vernunft die Austheilung desselben bewirken sollte, d. i. daß die [450.7] bloße Würdigkeit, glücklich zu sein, auch ohne den Bewegungsgrund, dieser [450.8] Glückseligkeit theilhaftig zu werden, für sich interessiren könne: aber dieses [450.9] Urtheil ist in der That nur die Wirkung von der schon vorausgesetzten [450.10] Wichtigkeit moralischer Gesetze (wenn wir uns durch die Idee der Freiheit [450.11] von allem empirischen Interesse trennen); aber daß wir uns von diesem [450.12] trennen, d. i. uns als frei im Handeln betrachten und so uns dennoch für [450.13] gewissen Gesetzen unterworfen halten sollen, um einen Werth bloß in unserer [450.14] Person zu finden, der uns allen Verlust dessen, was unserem Zustande [450.15] einen Werth verschafft, vergüten könne, und wie dieses möglich sei, mithin [450.16] +woher das moralische Gesetz verbinde+, können wir auf solche Art [450.17] noch nicht einsehen. [450.18] Es zeigt sich hier, man muß es frei gestehen, eine Art von Cirkel, aus [450.19] dem, wie es scheint, nicht heraus zu kommen ist. Wir nehmen uns in der [450.20] Ordnung der wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung [450.21] der Zwecke unter sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher [450.22] als diesen Gesetzen unterworfen, weil wir uns die Freiheit des Willens [450.23] beigelegt haben; denn Freiheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind [450.24] beides Autonomie, mithin Wechselbegriffe, davon aber einer eben um des- [450.25] willen nicht dazu gebraucht werden kann, um den anderen zu erklären und [450.26] von ihm Grund anzugeben, sondern höchstens nur, um in logischer Ab- [450.27] sicht verschieden scheinende Vorstellungen von eben demselben Gegenstande [450.28] auf einen einzigen Begriff (wie verschiedne Brüche gleiches Inhalts auf [450.29] die kleinsten Ausdrücke) zu bringen. [450.30] Eine Auskunft bleibt uns aber noch übrig, nämlich zu suchen: ob [450.31] wir, wenn wir uns durch Freiheit als a priori wirkende Ursachen denken, [450.32] nicht einen anderen Standpunkt einnehmen, als wenn wir uns selbst nach [450.33] unseren Handlungen als Wirkungen, die wir vor unseren Augen sehen, [450.34] uns vorstellen. [450.35] Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben kein subtiles Nach- [450.36] denken erfordert wird, sondern von der man annehmen kann, daß sie wohl [450.37] der gemeinste Verstand, obzwar nach seiner Art durch eine dunkele Unter- 450 [103-105] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [451.1] scheidung der Urtheilskraft, die er Gefühl nennt, machen mag: daß alle [451.2] Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkür kommen (wie die der Sinne), [451.3] uns die Gegenstände nicht anders zu erkennen geben, als sie uns afficiren, [451.4] wobei, was sie an sich sein mögen, uns unbekannt bleibt, mithin daß, was [451.5] diese Art Vorstellungen betrifft, wir dadurch auch bei der angestrengtesten [451.6] Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur immer hinzufügen [451.7] mag, doch bloß zur Erkenntniß der +Erscheinungen+, niemals der +Dinge+ [451.8] +an sich selbst+ gelangen können. Sobald dieser Unterschied (allenfalls [451.9] bloß durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen, die [451.10] uns anders woher gegeben werden, und dabei wir leidend sind, von denen, [451.11] die wir lediglich aus uns selbst hervorbringen, und dabei wir unsere Thä- [451.12] tigkeit beweisen) einmal gemacht ist, so folgt von selbst, daß man hinter [451.13] den Erscheinungen doch noch etwas anderes, was nicht Erscheinung ist, [451.14] nämlich die Dinge an sich, einräumen und annehmen müsse, ob wir gleich [451.15] uns von selbst bescheiden, daß, da sie uns niemals bekannt werden können, [451.16] sondern immer nur, wie sie uns afficiren, wir ihnen nicht näher treten [451.17] und, was sie an sich sind, niemals wissen können. Dieses muß eine, ob- [451.18] zwar rohe, Unterscheidung einer +Sinnenwelt+ von der +Verstandeswelt+ [451.19] abgeben, davon die erstere nach Verschiedenheit der Sinnlichkeit in man- [451.20] cherlei Weltbeschauern auch sehr verschieden sein kann, indessen die zweite, [451.21] die ihr zum Grunde liegt, immer dieselbe bleibt. Sogar sich selbst und [451.22] zwar nach der Kenntniß, die der Mensch durch innere Empfindung von [451.23] sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich selbst sei. [451.24] Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen Begriff nicht [451.25] a priori, sondern empirisch bekommt, so ist natürlich, daß er auch von sich [451.26] durch den innern Sinn und folglich nur durch die Erscheinung seiner [451.27] Natur und die Art, wie sein Bewußtsein afficirt wird, Kundschaft ein- [451.28] ziehen könne, indessen er doch nothwendiger Weise über diese aus lauter [451.29] Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjects [451.30] noch etwas anderes zum Grunde Liegendes, nämlich sein Ich, so wie es [451.31] an sich selbst beschaffen sein mag, annehmen und sich also in Absicht auf [451.32] die bloße Wahrnehmung und Empfänglichkeit der Empfindungen zur [451.33] +Sinnenwelt+, in Ansehung dessen aber, was in ihm reine Thätigkeit sein [451.34] mag, (dessen, was gar nicht durch Afficirung der Sinne, sondern unmittel- [451.35] bar zum Bewußtsein gelangt) sich zur +intellectuellen Welt+ zählen muß, [451.36] die er doch nicht weiter kennt. [451.37] Dergleichen Schluß muß der nachdenkende Mensch von allen Dingen, 451 [105-107] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [452.1] die ihm vorkommen mögen, fällen; vermuthlich ist er auch im gemeinsten [452.2] Verstande anzutreffen, der, wie bekannt, sehr geneigt ist, hinter den Gegen- [452.3] ständen der Sinne noch immer etwas Unsichtbares, für sich selbst Thätiges [452.4] zu erwarten, es aber wiederum dadurch verdirbt, daß er dieses Unsichtbare [452.5] sich bald wiederum versinnlicht, d. i. zum Gegenstande der Anschauung [452.6] machen will, und dadurch also nicht um einen Grad klüger wird. [452.7] Nun findet der Mensch in sich wirklich ein Vermögen, dadurch er sich [452.8] von allen andern Dingen, ja von sich selbst, so fern er durch Gegenstände [452.9] afficirt wird, unterscheidet, und das ist die +Vernunft+. Diese, als reine [452.10] Selbstthätigkeit, ist sogar darin noch über den +Verstand+ erhoben: daß, [452.11] obgleich dieser auch Selbstthätigkeit ist und nicht wie der Sinn bloß Vor- [452.12] stellungen enthält, die nur entspringen, wenn man von Dingen afficirt [452.13] (mithin leidend) ist, er dennoch aus seiner Thätigkeit keine andere Be- [452.14] griffe hervorbringen kann als die, so bloß dazu dienen, um die +sinnlichen+ [452.15] +Vorstellungen unter Regeln zu bringen+ und sie dadurch in einem [452.16] Bewußtsein zu vereinigen, ohne welchen Gebrauch der Sinnlichkeit er gar [452.17] nichts denken würde, da hingegen die Vernunft unter dem Namen der [452.18] Ideen eine so reine Spontaneität zeigt, daß sie dadurch weit über alles, [452.19] was ihr Sinnlichkeit nur liefern kann, hinausgeht und ihr vornehmstes [452.20] Geschäfte darin beweiset, Sinnenwelt und Verstandeswelt von einander [452.21] zu unterscheiden, dadurch aber dem Verstande selbst seine Schranken vor- [452.22] zuzeichnen. [452.23] Um deswillen muß ein vernünftiges Wesen sich selbst +als Intelli-+ [452.24] +genz+ (also nicht von Seiten seiner untern Kräfte), nicht als zur Sinnen-, [452.25] sondern zur Verstandeswelt gehörig, ansehen; mithin hat es zwei Stand- [452.26] punkte, daraus es sich selbst betrachten und Gesetze des Gebrauchs seiner [452.27] Kräfte, folglich aller seiner Handlungen erkennen kann, +einmal+, so fern [452.28] es zur Sinnenwelt gehört, unter Naturgesetzen (Heteronomie), +zweitens+, [452.29] als zur intelligibelen Welt gehörig, unter Gesetzen, die, von der Natur un- [452.30] abhängig, nicht empirisch, sondern bloß in der Vernunft gegründet sind. [452.31] Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehöriges Wesen [452.32] kann der Mensch die Causalität seines eigenen Willens niemals anders [452.33] als unter der Idee der Freiheit denken; denn Unabhängigkeit von den [452.34] bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt (dergleichen die Vernunft jederzeit [452.35] sich selbst beilegen muß) ist Freiheit. Mit der Idee der Freiheit ist nun [452.36] der Begriff der +Autonomie+ unzertrennlich verbunden, mit diesem aber [452.37] das allgemeine Princip der Sittlichkeit, welches in der Idee allen Hand- 452 [107-109] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [453.1] lungen +vernünftiger+ Wesen eben so zum Grunde liegt, als das Natur- [453.2] gesetz allen Erscheinungen. [453.3] Nun ist der Verdacht, den wir oben rege machten, gehoben, als wäre [453.4] ein geheimer Cirkel in unserem Schlusse aus der Freiheit auf die Auto- [453.5] nomie und aus dieser aufs sittliche Gesetz enthalten, daß wir nämlich [453.6] vielleicht die Idee der Freiheit nur um des sittlichen Gesetzes willen zum [453.7] Grunde legten, um dieses nachher aus der Freiheit wiederum zu schließen, [453.8] mithin von jenem gar keinen Grund angeben könnten, sondern es nur als [453.9] Erbittung eines Princips, das uns gutgesinnte Seelen wohl gerne ein- [453.10] räumen werden, welches wir aber niemals als einen erweislichen Satz [453.11] aufstellen könnten. Denn jetzt sehen wir, daß, wenn wir uns als frei [453.12] denken, so versetzen wir uns als Glieder in die Verstandeswelt und er- [453.13] kennen die Autonomie des Willens sammt ihrer Folge, der Moralität; [453.14] denken wir uns aber als verpflichtet, so betrachten wir uns als zur Sinnen- [453.15] welt und doch zugleich zur Verstandeswelt gehörig. [453.16] +Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich?+ [453.17] Das vernünftige Wesen zählt sich als Intelligenz zur Verstandes- [453.18] welt, und bloß als eine zu dieser gehörige wirkende Ursache nennt es seine [453.19] Causalität einen +Willen+. Von der anderen Seite ist es sich seiner doch [453.20] auch als eines Stücks der Sinnenwelt bewußt, in welcher seine Handlun- [453.21] gen als bloße Erscheinungen jener Causalität angetroffen werden, deren [453.22] Möglichkeit aber aus dieser, die wir nicht kennen, nicht eingesehen werden [453.23] kann, sondern an deren Statt jene Handlungen als bestimmt durch andere [453.24] Erscheinungen, nämlich Begierden und Neigungen, als zur Sinnenwelt [453.25] gehörig eingesehen werden müssen. Als bloßen Gliedes der Verstandes- [453.26] welt würden also alle meine Handlungen dem Princip der Autonomie des [453.27] reinen Willens vollkommen gemäß sein; als bloßen Stücks der Sinnen- [453.28] welt würden sie gänzlich dem Naturgesetz der Begierden und Neigungen, [453.29] mithin der Heteronomie der Natur gemäß genommen werden müssen. [453.30] (Die ersteren würden auf dem obersten Princip der Sittlichkeit, die zwei- [453.31] ten der Glückseligkeit beruhen.) Weil aber +die Verstandeswelt den+ [453.32] +Grund der Sinnenwelt, mithin auch der Gesetze derselben ent-+ [453.33] +hält+, also in Ansehung meines Willens (der ganz zur Verstandeswelt ge- [453.34] hört) unmittelbar gesetzgebend ist und also auch als solche gedacht werden [453.35] muß, so werde ich mich als Intelligenz, obgleich andererseits wie ein zur 453 [109-111] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [454.1] Sinnenwelt gehöriges Wesen, dennoch dem Gesetze der ersteren, d. i. der [454.2] Vernunft, die in der Idee der Freiheit das Gesetz derselben enthält, und [454.3] also der Autonomie des Willens unterworfen erkennen, folglich die Gesetze [454.4] der Verstandeswelt für mich als Imperativen und die diesem Princip ge- [454.5] mäße Handlungen als Pflichten ansehen müssen. [454.6] Und so sind kategorische Imperativen möglich, dadurch daß die Idee [454.7] der Freiheit mich zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht, wo- [454.8] durch, wenn ich solches allein wäre, alle meine Handlungen der Auto- [454.9] nomie des Willens jederzeit gemäß sein +würden+, da ich mich aber zu- [454.10] gleich als Glied der Sinnenwelt anschaue, gemäß sein +sollen+, welches [454.11] +kategorische+ Sollen einen synthetischen Satz a priori vorstellt, dadurch [454.12] daß über meinen durch sinnliche Begierden afficirten Willen noch die [454.13] Idee ebendesselben, aber zur Verstandeswelt gehörigen reinen, für sich [454.14] selbst praktischen Willens hinzukommt, welcher die oberste Bedingung des [454.15] ersteren nach der Vernunft enthält; ungefähr so, wie zu den Anschauungen [454.16] der Sinnenwelt Begriffe des Verstandes, die für sich selbst nichts als ge- [454.17] setzliche Form überhaupt bedeuten, hinzu kommen und dadurch synthetische [454.18] Sätze a priori, auf welchen alle Erkenntniß einer Natur beruht, möglich [454.19] machen. [454.20] Der praktische Gebrauch der gemeinen Menschenvernunft bestätigt [454.21] die Richtigkeit dieser Deduction. Es ist niemand, selbst der ärgste Böse- [454.22] wicht, wenn er nur sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, [454.23] wenn man ihm Beispiele der Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit [454.24] in Befolgung guter Maximen, der Theilnehmung und des allgemeinen [454.25] Wohlwollens (und noch dazu mit großen Aufopferungen von Vortheilen [454.26] und Gemächlichkeit verbunden) vorlegt, nicht wünsche, daß er auch so ge- [454.27] sinnt sein möchte. Er kann es aber nur wegen seiner Neigungen und An- [454.28] triebe nicht wohl in sich zu Stande bringen, wobei er dennoch zugleich [454.29] wünscht, von solchen ihm selbst lästigen Neigungen frei zu sein. Er be- [454.30] weiset hiedurch also, daß er mit einem Willen, der von Antrieben der [454.31] Sinnlichkeit frei ist, sich in Gedanken in eine ganz andere Ordnung der [454.32] Dinge versetze, als die seiner Begierden im Felde der Sinnlichkeit, weil [454.33] er von jenem Wunsche keine Vergnügung der Begierden, mithin keinen [454.34] für irgend eine seiner wirklichen oder sonst erdenklichen Neigungen be- [454.35] friedigenden Zustand (denn dadurch würde selbst die Idee, welche ihm [454.36] den Wunsch ablockt, ihre Vorzüglichkeit einbüßen), sondern nur einen [454.37] größeren inneren Werth seiner Person erwarten kann. Diese bessere Per- 454 [111-113] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [455.1] son glaubt er aber zu sein, wenn er sich in den Standpunkt eines Gliedes [455.2] der Verstandeswelt versetzt, dazu die Idee der Freiheit, d. i. Unabhängig- [455.3] keit von +bestimmenden+ Ursachen der Sinnenwelt, ihn unwillkürlich [455.4] nöthigt, und in welchem er sich eines guten Willens bewußt ist, der für [455.5] seinen bösen Willen als Gliedes der Sinnenwelt nach seinem eigenen Ge- [455.6] ständnisse das Gesetz ausmacht, dessen Ansehen er kennt, indem er es über- [455.7] tritt. Das moralische Sollen ist also eigenes nothwendiges Wollen als [455.8] Gliedes einer intelligibelen Welt und wird nur so fern von ihm als Sollen [455.9] gedacht, als er sich zugleich wie ein Glied der Sinnenwelt betrachtet. [455.10] +Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie.+ [455.11] Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei. Daher kommen [455.12] alle Urtheile über Handlungen als solche, die hätten +geschehen sollen+, [455.13] ob sie gleich +nicht geschehen sind+. Gleichwohl ist diese Freiheit kein [455.14] Erfahrungsbegriff und kann es auch nicht sein, weil er immer bleibt, ob- [455.15] gleich die Erfahrung das Gegentheil von denjenigen Forderungen zeigt, [455.16] die unter Voraussetzung derselben als nothwendig vorgestellt werden. [455.17] Auf der anderen Seite ist es eben so nothwendig, daß alles, was geschieht, [455.18] nach Naturgesetzen unausbleiblich bestimmt sei, und diese Naturnoth- [455.19] wendigkeit ist auch kein Erfahrungsbegriff, eben darum weil er den Be- [455.20] griff der Nothwendigkeit, mithin einer Erkenntniß a priori bei sich führt. [455.21] Aber dieser Begriff von einer Natur wird durch Erfahrung bestätigt und [455.22] muß selbst unvermeidlich vorausgesetzt werden, wenn Erfahrung, d. i. nach [455.23] allgemeinen Gesetzen zusammenhängende Erkenntniß der Gegenstände der [455.24] Sinne, möglich sein soll. Daher ist Freiheit nur eine +Idee+ der Vernunft, [455.25] deren objective Realität an sich zweifelhaft ist, Natur aber ein +Ver-+ [455.26] +standesbegriff+, der seine Realität an Beispielen der Erfahrung be- [455.27] weiset und nothwendig beweisen muß. [455.28] Ob nun gleich hieraus eine Dialektik der Vernunft entspringt, da in [455.29] Ansehung des Willens die ihm beigelegte Freiheit mit der Naturnoth- [455.30] wendigkeit im Widerspruch zu stehen scheint, und bei dieser Wegescheidung [455.31] die Vernunft in +speculativer Absicht+ den Weg der Naturnothwendig- [455.32] keit viel gebähnter und brauchbarer findet, als den der Freiheit: so ist doch [455.33] in +praktischer Absicht+ der Fußsteig der Freiheit der einzige, auf wel- [455.34] chem es möglich ist, von seiner Vernunft bei unserem Thun und Lassen 455 [113-114] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [456.1] Gebrauch zu machen; daher wird es der subtilsten Philosophie eben so un- [456.2] möglich, wie der gemeinsten Menschenvernunft, die Freiheit wegzuver- [456.3] nünfteln. Diese muß also wohl voraussetzen: daß kein wahrer Wider- [456.4] spruch zwischen Freiheit und Naturnothwendigkeit ebenderselben mensch- [456.5] lichen Handlungen angetroffen werde, denn sie kann eben so wenig den [456.6] Begriff der Natur, als den der Freiheit aufgeben. [456.7] Indessen muß dieser Scheinwiderspruch wenigstens auf überzeugende [456.8] Art vertilgt werden, wenn man gleich, wie Freiheit möglich sei, niemals [456.9] begreifen könnte. Denn wenn sogar der Gedanke von der Freiheit sich [456.10] selbst, oder der Natur, die eben so nothwendig ist, widerspricht, so müßte [456.11] sie gegen die Naturnothwendigkeit durchaus aufgegeben werden. [456.12] Es ist aber unmöglich, diesem Widerspruch zu entgehen, wenn das [456.13] Subject, was sich frei dünkt, sich selbst +in demselben Sinne+, oder +in+ [456.14] +eben demselben Verhältnisse+ dächte, wenn es sich frei nennt, als wenn [456.15] es sich in Absicht auf die nämliche Handlung dem Naturgesetze unterworfen [456.16] annimmt. Daher ist es eine unnachlaßliche Aufgabe der speculativen [456.17] Philosophie: wenigstens zu zeigen, daß ihre Täuschung wegen des Wider- [456.18] spruchs darin beruhe, daß wir den Menschen in einem anderen Sinne [456.19] und Verhältnisse denken, wenn wir ihn frei nennen, als wenn wir ihn als [456.20] Stück der Natur dieser ihren Gesetzen für unterworfen halten, und daß [456.21] beide nicht allein gar wohl beisammen stehen +können+, sondern auch +als+ [456.22] +nothwendig vereinigt+ in demselben Subject gedacht werden müssen, [456.23] weil sonst nicht Grund angegeben werden könnte, warum wir die Ver- [456.24] nunft mit einer Idee belästigen sollten, die, ob sie sich gleich +ohne Wider-+ [456.25] +spruch+ mit einer anderen, genugsam bewährten vereinigen läßt, dennoch [456.26] uns in ein Geschäfte verwickelt, wodurch die Vernunft in ihrem theoreti- [456.27] schen Gebrauche sehr in die Enge gebracht wird. Diese Pflicht liegt aber [456.28] bloß der speculativen Philosophie ob, damit sie der praktischen freie Bahn [456.29] schaffe. Also ist es nicht in das Belieben des Philosophen gesetzt, ob er [456.30] den scheinbaren Widerstreit heben, oder ihn unangerührt lassen will; denn [456.31] im letzteren Falle ist die Theorie hierüber bonum vacans, in dessen Be- [456.32] sitz sich der Fatalist mit Grunde setzen und alle Moral aus ihrem ohne [456.33] Titel besessenen vermeinten Eigenthum verjagen kann. [456.34] Doch kann man hier noch nicht sagen, daß die Grenze der praktischen [456.35] Philosophie anfange. Denn jene Beilegung der Streitigkeit gehört gar [456.36] nicht ihr zu, sondern sie fordert nur von der speculativen Vernunft, daß [456.37] diese die Uneinigkeit, darin sie sich in theoretischen Fragen selbst verwickelt, 456 [114-116] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [457.1] zu Ende bringe, damit praktische Vernunft Ruhe und Sicherheit für äußere [457.2] Angriffe habe, die ihr den Boden, worauf sie sich anbauen will, streitig [457.3] machen könnten. [457.4] Der Rechtsanspruch aber selbst der gemeinen Menschenvernunft auf [457.5] Freiheit des Willens gründet sich auf das Bewußtsein und die zugestan- [457.6] dene Voraussetzung der Unabhängigkeit der Vernunft von bloß subjectiv- [457.7] bestimmenden Ursachen, die insgesammt das ausmachen, was bloß zur [457.8] Empfindung, mithin unter die allgemeine Benennung der Sinnlichkeit ge- [457.9] hört. Der Mensch, der sich auf solche Weise als Intelligenz betrachtet, setzt [457.10] sich dadurch in eine andere Ordnung der Dinge und in ein Verhältniß zu [457.11] bestimmenden Gründen von ganz anderer Art, wenn er sich als Intelligenz [457.12] mit einem Willen, folglich mit Causalität, begabt denkt, als wenn er sich [457.13] wie ein Phänomen in der Sinnenwelt (welches er wirklich auch ist) wahr- [457.14] nimmt und seine Causalität äußerer Bestimmung nach Naturgesetzen [457.15] unterwirft. Nun wird er bald inne, daß beides zugleich stattfinden könne, [457.16] ja sogar müsse. Denn daß ein +Ding in der Erscheinung+ (das zur [457.17] Sinnenwelt gehörig) gewissen Gesetzen unterworfen ist, von welchen eben [457.18] dasselbe +als Ding+ oder Wesen +an sich selbst+ unabhängig ist, enthält [457.19] nicht den mindesten Widerspruch; daß er sich selbst aber auf diese zwiefache [457.20] Art vorstellen und denken müsse, beruht, was das erste betrifft, auf dem [457.21] Bewußtsein seiner selbst als durch Sinne afficirten Gegenstandes, was [457.22] das zweite anlangt, auf dem Bewußtsein seiner selbst als Intelligenz, [457.23] d. i. als unabhängig im Vernunftgebrauch von sinnlichen Eindrücken [457.24] (mithin als zur Verstandeswelt gehörig). [457.25] Daher kommt es, daß der Mensch sich eines Willens anmaßt, der [457.26] nichts auf seine Rechnung kommen läßt, was bloß zu seinen Begierden [457.27] und Neigungen gehört, und dagegen Handlungen durch sich als möglich, [457.28] ja gar als nothwendig denkt, die nur mit Hintansetzung aller Begierden [457.29] und sinnlichen Anreizungen geschehen können. Die Causalität derselben [457.30] liegt in ihm als Intelligenz und in den Gesetzen der Wirkungen und [457.31] Handlungen nach Principien einer intelligibelen Welt, von der er wohl [457.32] nichts weiter weiß, als daß darin lediglich die Vernunft und zwar reine, [457.33] von Sinnlichkeit unabhängige Vernunft das Gesetz gebe, imgleichen da er [457.34] daselbst nur als Intelligenz das eigentliche Selbst (als Mensch hingegen [457.35] nur Erscheinung seiner selbst) ist, jene Gesetze ihn unmittelbar und kate- [457.36] gorisch angehen, so daß, wozu Neigungen und Antriebe (mithin die ganze [457.37] Natur der Sinnenwelt) anreizen, den Gesetzen seines Wollens als Intelli- 457 [116-118] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [458.1] genz keinen Abbruch thun kann, so gar, daß er die erstere nicht verant- [458.2] wortet und seinem eigentlichen Selbst, d. i. seinem Willen, nicht zuschreibt, [458.3] wohl aber die Nachsicht, die er gegen sie tragen möchte, wenn er ihnen zum [458.4] Nachtheil der Vernunftgesetze des Willens Einfluß auf seine Maximen [458.5] einräumte. [458.6] Dadurch, daß die praktische Vernunft sich in eine Verstandeswelt [458.7] hinein +denkt+, überschreitet sie gar nicht ihre Grenzen, wohl aber wenn [458.8] sie sich +hineinschauen, hineinempfinden+ wollte. Jenes ist nur ein [458.9] negativer Gedanke in Ansehung der Sinnenwelt, die der Vernunft in Be- [458.10] stimmung des Willens keine Gesetze giebt, und nur in diesem einzigen [458.11] Punkte positiv, daß jene Freiheit als negative Bestimmung zugleich mit [458.12] einem (positiven) Vermögen und sogar mit einer Causalität der Vernunft [458.13] verbunden sei, welche wir einen Willen nennen, so zu handeln, daß das [458.14] Princip der Handlungen der wesentlichen Beschaffenheit einer Vernunft- [458.15] ursache, d. i. der Bedingung der Allgemeingültigkeit der Maxime als eines [458.16] Gesetzes, gemäß sei. Würde sie aber noch ein +Object des Willens+, d. i. [458.17] eine Bewegursache, aus der Verstandeswelt herholen, so überschritte sie [458.18] ihre Grenzen und maßte sich an, etwas zu kennen, wovon sie nichts weiß. [458.19] Der Begriff einer Verstandeswelt ist also nur ein +Standpunkt+, den die [458.20] Vernunft sich genöthigt sieht, außer den Erscheinungen zu nehmen, +um+ [458.21] +sich selbst als praktisch zu denken+, welches, wenn die Einflüsse der [458.22] Sinnlichkeit für den Menschen bestimmend wären, nicht möglich sein würde, [458.23] welches aber doch nothwendig ist, wofern ihm nicht das Bewußtsein seiner [458.24] selbst als Intelligenz, mithin als vernünftige und durch Vernunft thätige, [458.25] d. i. frei wirkende, Ursache abgesprochen werden soll. Dieser Gedanke führt [458.26] freilich die Idee einer anderen Ordnung und Gesetzgebung, als die des [458.27] Naturmechanismus, der die Sinnenwelt trifft, herbei und macht den Begriff [458.28] einer intelligibelen Welt (d. i. das Ganze vernünftiger Wesen, als Dinge [458.29] an sich selbst) nothwendig, aber ohne die mindeste Anmaßung, hier weiter [458.30] als bloß ihrer +formalen+ Bedingung nach, d. i. der Allgemeinheit der [458.31] Maxime des Willens als Gesetz, mithin der Autonomie des letzteren, die [458.32] allein mit der Freiheit desselben bestehen kann, gemäß zu denken; da hin- [458.33] gegen alle Gesetze, die auf ein Object bestimmt sind, Heteronomie geben, [458.34] die nur an Naturgesetzen angetroffen werden und auch nur die Sinnenwelt [458.35] treffen kann. [458.36] Aber alsdann würde die Vernunft alle ihre Grenze überschreiten, [458.37] wenn sie es sich zu +erklären+ unterfinge, +wie+ reine Vernunft praktisch sein 458 [118-120] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [459.1] könne, welches völlig einerlei mit der Aufgabe sein würde, zu erklären, [459.2] +wie Freiheit möglich sei+. [459.3] Denn wir können nichts erklären, als was wir auf Gesetze zurück- [459.4] führen können, deren Gegenstand in irgend einer möglichen Erfahrung [459.5] gegeben werden kann. Freiheit aber ist eine bloße Idee, deren objective [459.6] Realität auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in irgend [459.7] einer möglichen Erfahrung dargethan werden kann, die also darum, weil [459.8] ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt wer- [459.9] den mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt [459.10] nur als nothwendige Voraussetzung der Vernunft in einem Wesen, das [459.11] sich eines Willens, d. i. eines vom bloßen Begehrungsvermögen noch ver- [459.12] schiedenen Vermögens, (nämlich sich zum Handeln als Intelligenz, mithin [459.13] nach Gesetzen der Vernunft unabhängig von Naturinstincten zu bestim- [459.14] men) bewußt zu sein glaubt. Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen [459.15] aufhört, da hört auch alle +Erklärung+ auf, und es bleibt nichts übrig als [459.16] +Vertheidigung+, d. i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das [459.17] Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben und darum die Freiheit [459.18] dreust für unmöglich erklären. Man kann ihnen nur zeigen, daß der ver- [459.19] meintlich von ihnen darin entdeckte Widerspruch nirgend anders liege als [459.20] darin, daß, da sie, um das Naturgesetz in Ansehung menschlicher Hand- [459.21] lungen geltend zu machen, den Menschen nothwendig als Erscheinung be- [459.22] trachten mußten und nun, da man von ihnen fordert, daß sie ihn als In- [459.23] telligenz auch als Ding an sich selbst denken sollten, sie ihn immer auch da [459.24] noch als Erscheinung betrachten, wo denn freilich die Absonderung seiner [459.25] Causalität (d. i. seines Willens) von allen Naturgesetzen der Sinnenwelt [459.26] in einem und demselben Subjecte im Widerspruche stehen würde, welcher [459.27] aber wegfällt, wenn sie sich besinnen und wie billig eingestehen wollten, [459.28] daß hinter den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar ver- [459.29] borgen) zum Grunde liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht [459.30] verlangen kann, daß sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre [459.31] Erscheinungen stehen. [459.32] Die subjective Unmöglichkeit, die Freiheit des Willens zu +erklären+, [459.33] ist mit der Unmöglichkeit, ein +Interesse*)+ ausfindig und begreiflich zu ______________ [459.34] *) Interesse ist das, wodurch Vernunft praktisch, d. i. eine den Willen be- [459.35] stimmende Ursache, wird. Daher sagt man nur von einem vernünftigen Wesen, daß [459.36] es woran ein Interesse nehme, vernunftlose Geschöpfe fühlen nur sinnliche Antriebe. 459 [120-122] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [460.1] machen, welches der Mensch an moralischen Gesetzen nehmen könne, einer- [460.2] lei; und gleichwohl nimmt er wirklich daran ein Interesse, wozu wir die [460.3] Grundlage in uns das moralische Gefühl nennen, welches fälschlich für [460.4] das Richtmaß unserer sittlichen Beurtheilung von einigen ausgegeben [460.5] worden, da es vielmehr als die +subjective+ Wirkung, die das Gesetz auf [460.6] den Willen ausübt, angesehen werden muß, wozu Vernunft allein die ob- [460.7] jectiven Gründe hergiebt. [460.8] Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich-afficirten [460.9] vernünftigen Wesen das Sollen vorschreibt, dazu gehört freilich ein Ver- [460.10] mögen der Vernunft, ein +Gefühl der Lust+ oder des Wohlgefallens an [460.11] der Erfüllung der Pflicht +einzuflößen+, mithin eine Causalität derselben, [460.12] die Sinnlichkeit ihren Principien gemäß zu bestimmen. Es ist aber gänz- [460.13] lich unmöglich, einzusehen, d. i. a priori begreiflich zu machen, wie ein [460.14] bloßer Gedanke, der selbst nichts Sinnliches in sich enthält, eine Empfin- [460.15] dung der Lust oder Unlust hervorbringe; denn das ist eine besondere Art [460.16] von Causalität, von der wie von aller Causalität wir gar nichts a priori [460.17] bestimmen können, sondern darum allein die Erfahrung befragen müssen. [460.18] Da diese aber kein Verhältniß der Ursache zur Wirkung, als zwischen [460.19] zwei Gegenständen der Erfahrung an die Hand geben kann, hier aber reine [460.20] Vernunft durch bloße Ideen (die gar keinen Gegenstand für Erfahrung [460.21] abgeben) die Ursache von einer Wirkung, die freilich in der Erfahrung [460.22] liegt, sein soll, so ist die Erklärung, wie und warum uns die +Allgemein-+ [460.23] +heit der Maxime als Gesetzes+, mithin die Sittlichkeit interessire, [460.24] uns Menschen gänzlich unmöglich. So viel ist nur gewiß: daß es nicht [460.25] darum für uns Gültigkeit hat, +weil es interessirt+ (denn das ist Hete- [460.26] ronomie und Abhängigkeit der praktischen Vernunft von Sinnlichkeit, näm- ______________ [460.27] Ein unmittelbares Interesse nimmt die Vernunft nur alsdann an der Handlung, [460.28] wenn die Allgemeingültigkeit der Maxime derselben ein gnugsamer Bestimmungs- [460.29] grund des Willens ist. Ein solches Interesse ist allein rein. Wenn sie aber den [460.30] Willen nur vermittelst eines anderen Objects des Begehrens, oder unter Voraus- [460.31] setzung eines besonderen Gefühls des Subjects bestimmen kann, so nimmt die [460.32] Vernunft nur ein mittelbares Interesse an der Handlung, und da Vernunft für [460.33] sich allein weder Objecte des Willens, noch ein besonderes ihm zu Grunde liegendes [460.34] Gefühl ohne Erfahrung ausfindig machen kann, so würde das letztere Interesse [460.35] nur empirisch und kein reines Vernunftinteresse sein. Das logische Interesse der [460.36] Vernunft (ihre Einsichten zu befördern) ist niemals unmittelbar, sondern setzt Ab- [460.37] sichten ihres Gebrauchs voraus. 460 [122-123] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [461.1] lich einem zum Grunde liegenden Gefühl, wobei sie niemals sittlich ge- [461.2] setzgebend sein könnte), sondern daß es interessirt, weil es für uns als [461.3] Menschen gilt, da es aus unserem Willen als Intelligenz, mithin aus [461.4] unserem eigentlichen Selbst entsprungen ist; +was aber zur bloßen Er-+ [461.5] +scheinung gehört, wird von der Vernunft nothwendig der Be-+ [461.6] +schaffenheit der Sache an sich selbst untergeordnet+. [461.7] Die Frage also, wie ein kategorischer Imperativ möglich sei, kann [461.8] zwar so weit beantwortet werden, als man die einzige Voraussetzung an- [461.9] geben kann, unter der er allein möglich ist, nämlich die Idee der Freiheit, [461.10] imgleichen als man die Nothwendigkeit dieser Voraussetzung einsehen kann, [461.11] welches zum +praktischen Gebrauche+ der Vernunft, d. i. zur Überzeugung [461.12] von der +Gültigkeit dieses Imperativs+, mithin auch des sittlichen [461.13] Gesetzes hinreichend ist, aber wie diese Voraussetzung selbst möglich sei, [461.14] läßt sich durch keine menschliche Vernunft jemals einsehen. Unter Vor- [461.15] aussetzung der Freiheit des Willens einer Intelligenz aber ist die +Auto-+ [461.16] +nomie+ desselben, als die formale Bedingung, unter der er allein bestimmt [461.17] werden kann, eine nothwendige Folge. Diese Freiheit des Willens vor- [461.18] auszusetzen, ist auch nicht allein (ohne in Widerspruch mit dem Princip [461.19] der Naturnothwendigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen der Sinnen- [461.20] welt zu gerathen) ganz wohl +möglich+ (wie die speculative Philosophie [461.21] zeigen kann), sondern auch sie praktisch, d. i. in der Idee, allen seinen will- [461.22] kürlichen Handlungen als Bedingung unterzulegen, ist einem vernünftigen [461.23] Wesen, das sich seiner Causalität durch Vernunft, mithin eines Willens [461.24] (der von Begierden unterschieden ist) bewußt ist, ohne weitere Bedingung [461.25] +nothwendig+. +Wie+ nun aber reine Vernunft ohne andere Triebfedern, [461.26] die irgend woher sonst genommen sein mögen, für sich selbst praktisch sein, [461.27] d. i. wie das bloße +Princip der Allgemeingültigkeit aller ihrer+ [461.28] +Maximen als Gesetze+ (welches freilich die Form einer reinen praktischen [461.29] Vernunft sein würde) ohne alle Materie (Gegenstand) des Willens, wor- [461.30] an man zum voraus irgend ein Interesse nehmen dürfe, für sich selbst [461.31] eine Triebfeder abgeben und ein Interesse, welches rein +moralisch+ heißen [461.32] würde, bewirken, oder mit anderen Worten, +wie reine Vernunft prak-+ [461.33] +tisch sein könne+, das zu erklären, dazu ist alle menschliche Vernunft [461.34] gänzlich unvermögend, und alle Mühe und Arbeit, hievon Erklärung zu [461.35] suchen, ist verloren. [461.36] Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergründen suchte, wie Freiheit selbst [461.37] als Causalität eines Willens möglich sei. Denn da verlasse ich den philo- 461 [123-125] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [462.1] sophischen Erklärungsgrund und habe keinen anderen. Zwar könnte ich [462.2] nun in der intelligibelen Welt, die mir noch übrig bleibt, in der Welt der [462.3] Intelligenzen, herumschwärmen; aber ob ich gleich davon eine +Idee+ habe, [462.4] die ihren guten Grund hat, so habe ich doch von ihr nicht die mindeste [462.5] +Kenntniß+ und kann auch zu dieser durch alle Bestrebung meines natür- [462.6] lichen Vernunftvermögens niemals gelangen. Sie bedeutet nur ein Etwas, [462.7] das da übrig bleibt, wenn ich alles, was zur Sinnenwelt gehört, von den [462.8] Bestimmungsgründen meines Willens ausgeschlossen habe, bloß um das [462.9] Princip der Bewegursachen aus dem Felde der Sinnlichkeit einzuschrän- [462.10] ken, dadurch daß ich es begrenze und zeige, daß es nicht Alles in Allem in [462.11] sich fasse, sondern daß außer ihm noch mehr sei; dieses Mehrere aber kenne [462.12] ich nicht weiter. Von der reinen Vernunft, die dieses Ideal denkt, bleibt [462.13] nach Absonderung aller Materie, d. i. Erkenntniß der Objecte, mir [462.14] nichts als die Form übrig, nämlich das praktische Gesetz der Allgemein- [462.15] gültigkeit der Maximen und diesem gemäß die Vernunft in Beziehung [462.16] auf eine reine Verstandeswelt als mögliche wirkende, d. i. als den Willen [462.17] bestimmende, Ursache zu denken; die Triebfeder muß hier gänzlich fehlen; [462.18] es müßte denn diese Idee einer intelligibelen Welt selbst die Triebfeder [462.19] oder dasjenige sein, woran die Vernunft ursprünglich ein Interesse nähme; [462.20] welches aber begreiflich zu machen gerade die Aufgabe ist, die wir nicht [462.21] auflösen können. [462.22] Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung, [462.23] welche aber zu bestimmen, auch schon darum von großer Wichtigkeit ist, [462.24] damit die Vernunft nicht einerseits in der Sinnenwelt auf eine den Sitten [462.25] schädliche Art nach der obersten Bewegursache und einem begreiflichen, [462.26] aber empirischen Interesse herumsuche, andererseits aber, damit sie auch [462.27] nicht in dem für sie leeren Raum transscendenter Begriffe unter dem [462.28] Namen der intelligibelen Welt kraftlos ihre Flügel schwinge, ohne von der [462.29] Stelle zu kommen, und sich unter Hirngespinsten verliere. Übrigens bleibt [462.30] die Idee einer reinen Verstandeswelt als eines Ganzen aller Intelligenzen, [462.31] wozu wir selbst als vernünftige Wesen (obgleich andererseits zugleich Glie- [462.32] der der Sinnenwelt) gehören, immer eine brauchbare und erlaubte Idee [462.33] zum Behufe eines vernünftigen Glaubens, wenn gleich alles Wissen an [462.34] der Grenze derselben ein Ende hat, um durch das herrliche Ideal eines [462.35] allgemeinen Reichs der +Zwecke an sich selbst+ (vernünftiger Wesen), zu [462.36] welchem wir nur alsdann als Glieder gehören können, wenn wir uns nach [462.37] Maximen der Freiheit, als ob sie Gesetze der Natur wären, sorgfältig 462 [125-127] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · 1903 Preussische Akademie Auflage [463.1] verhalten, ein lebhaftes Interesse an dem moralischen Gesetze in uns zu [463.2] bewirken. [463.3] +Schlußanmerkung.+ [463.4] Der speculative Gebrauch der Vernunft +in Ansehung der Natur+ [463.5] führt auf absolute Nothwendigkeit irgend einer obersten Ursache der +Welt+; [463.6] der praktische Gebrauch der Vernunft +in Absicht auf die Freiheit+ [463.7] führt auch auf absolute Nothwendigkeit, aber nur +der Gesetze der Hand-+ [463.8] +lungen+ eines vernünftigen Wesens als eines solchen. Nun ist es ein [463.9] wesentliches +Princip+ alles Gebrauchs unserer Vernunft, ihr Erkenntniß [463.10] bis zum Bewußtsein ihrer +Nothwendigkeit+ zu treiben (denn ohne diese [463.11] wäre sie nicht Erkenntniß der Vernunft). Es ist aber auch eine eben so [463.12] wesentliche +Einschränkung+ eben derselben Vernunft, daß sie weder die [463.13] +Nothwendigkeit+ dessen, was da ist, oder was geschieht, noch dessen, was [463.14] geschehen soll, einsehen kann, wenn nicht eine +Bedingung+, unter der es [463.15] da ist oder geschieht oder geschehen soll, zum Grunde gelegt wird. Auf [463.16] diese Weise aber wird durch die beständige Nachfrage nach der Bedingung [463.17] die Befriedigung der Vernunft nur immer weiter aufgeschoben. Daher [463.18] sucht sie rastlos das Unbedingt-Nothwendige und sieht sich genöthigt, es [463.19] anzunehmen, ohne irgend ein Mittel, es sich begreiflich zu machen; glück- [463.20] lich gnug, wenn sie nur den Begriff ausfindig machen kann, der sich mit [463.21] dieser Voraussetzung verträgt. Es ist also kein Tadel für unsere Deduc- [463.22] tion des obersten Princips der Moralität, sondern ein Vorwurf, den man [463.23] der menschlichen Vernunft überhaupt machen müßte, daß sie ein unbeding- [463.24] tes praktisches Gesetz (dergleichen der kategorische Imperativ sein muß) [463.25] seiner absoluten Nothwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann; denn [463.26] daß sie dieses nicht durch eine Bedingung, nämlich vermittelst irgend eines [463.27] zum Grunde gelegten Interesse, thun will, kann ihr nicht verdacht werden, [463.28] weil es alsdann kein moralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freiheit sein [463.29] würde. Und so begreifen wir zwar nicht die praktische unbedingte Noth- [463.30] wendigkeit des moralischen Imperativs, wir begreifen aber doch seine +Un-+ [463.31] +begreiflichkeit+, welches alles ist, was billigermaßen von einer Phil- [463.32] osophie, die bis zur Grenze der menschlichen Vernunft in Principien strebt, [463.33] gefordert werden kann. ___________________ 463 [127-128] ____________________________________________________________ Inhaltsverzeichnis Abschnitte (Xa) Seiten (Xse) Absätze (Xab) Fußnoten (Xf) Sätze (Xsa) Formeln (Xfor) Beispiele (Xbei) Behauptungen (Xbeh) Rubriken (Xru) Register (Xre) Abschnitte (Xa) Vorrede [387 - 392] Erster Abschnitt [393 - 405] Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen [393 - 405] Zweiter Abschnitt [406 - 445] Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten [406 - 445] Die Autonomie des Willens als oberstes Princip der Sittlichkeit [440] Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unächten Principien der Sittlichkeit [441] Eintheilung aller möglichen Principien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie [441 - 445] Dritter Abschnitt [446 - 463] Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft [446 - 463] Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens [446 - 447] Freiheit muß als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden [447 - 448] Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt [448 - 453] Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? [453 - 455] Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie [455 - 463] Schlußanmerkung [463] Seiten (Xse) Vorrede 387 388 389 390 391 392 Erster Abschnitt 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 Zweiter Abschnitt 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 Dritter Abschnitt 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 Absätze (X3) Vorrede 1. Die alte griechische Philosophie theilte sich in drei Wissenschaften ab: 387.2 2. Alle Vernunfterkenntniß ist entweder +material+ und betrachtet irgend 387.8 3. Die Logik kann keinen empirischen Theil haben, d. i. einen solchen, 387.17 4. Man kann alle Philosophie, so fern sie sich auf Gründe der Erfah- 388.4 5. Auf solche Weise entspringt die Idee einer zwiefachen Metaphysik, 388.9 6. Alle Gewerbe, Handwerke und Künste haben durch die Vertheilung 388.15 7. Da meine Absicht hier eigentlich auf die sittliche Weltweisheit ge- 389.5 8. Also unterscheiden sich die moralischen Gesetze sammt ihren Principien 389.24 9. Eine Metaphysik der Sitten ist also unentbehrlich nothwendig, nicht 389.36 10. Man denke doch ja nicht, daß man das, was hier gefordert wird, schon 390.19 11. Im Vorsatze nun, eine Metaphysik der Sitten dereinst zu liefern, 391.16 12. Weil aber drittens auch eine Metaphysik der Sitten ungeachtet des 391.34 13. Gegenwärtige Grundlegung ist aber nichts mehr, als die Aufsuchung 392.3 14. Ich habe meine Methode in dieser Schrift so genommen, wie ich 392.17 Erster Abschnitt (Absätze) 1. (15) Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben 393.5 2. (15) Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Willen selbst beförder- 393.25 3. (17) Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, 394.13 4. (18) Es liegt gleichwohl in dieser Idee von dem absoluten Werthe des 394.32 5. (19) In den Naturanlagen eines organisirten, d. i. zweckmäßig zum Leben 395.4 6. (20) In der That finden wir auch, daß, je mehr eine cultivirte Vernunft 395.28 7. (21) Denn da die Vernunft dazu nicht tauglich genug ist, um den Willen 396.14 8. (22) Um aber den Begriff eines an sich selbst hochzuschätzenden und ohne 397.1 9. (22) Ich übergehe hier alle Handlungen, die schon als pflichtwidrig er- 397.11 10. (22) Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht, und überdem hat jeder- 397.33 11. (25) Wohlthätig sein, wo man kann, ist Pflicht, und überdem giebt es 398.8 12. (26) Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens indirect), 399.3 13. (27) So sind ohne Zweifel auch die Schriftstellen zu verstehen, darin ge- 399.27 14. (28) Der zweite Satz ist: eine Handlung aus Pflicht hat ihren morali- 399.35 15. (29) Den dritten Satz als Folgerung aus beiden vorigen würde ich so 400.17 16. (30) Es liegt also der moralische Werth der Handlung nicht in der Wir- 401.3 17. (31) Was kann das aber wohl für ein Gesetz sein, dessen Vorstellung, auch 402.1 18. (31) Die Frage sei z. B.: darf ich, wenn ich im Gedränge bin, nicht ein 402.16 19. (33) Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu 403.18 20. (34) So sind wir denn in der moralischen Erkenntniß der gemeinen Men- 403.34 21. (35) Es ist eine herrliche Sache um die Unschuld, nur es ist auch wiederum 404.37 22. (36) So wird also die +gemeine Menschenvernunft+ nicht durch irgend 405.20 Zweiter Abschnitt (Absätze) 1. (37) Wenn wir unsern bisherigen Begriff der Pflicht aus dem gemeinen 406.5 2. (38) In der That ist es schlechterdings unmöglich, durch Erfahrung einen 407.1 3. (39) Man kann auch denen, die alle Sittlichkeit als bloßes Hirngespinst 407.17 4. (40) Setzt man hinzu, daß, wenn man dem Begriffe von Sittlichkeit nicht 408.12 5. (41) Man könnte auch der Sittlichkeit nicht übler rathen, als wenn man 408.28 6. (42) Wenn es denn keinen ächten obersten Grundsatz der Sittlichkeit giebt, 409.9 7. (43) Diese Herablassung zu Volksbegriffen ist allerdings sehr rühmlich, 409.20 8. (44) Man darf nur die Versuche über die Sittlichkeit in jenem beliebten 410.3 9. (45) Es ist aber eine solche völlig isolirte Metaphysik der Sitten, die mit 410.19 10. (46) Aus dem Angeführten erhellt: daß alle sittliche Begriffe völlig a priori 411.8 11. (47) Um aber in dieser Bearbeitung nicht bloß von der gemeinen sittlichen 412.15 12. (48) Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. Nur ein vernünftiges 412.26 13. (49) Die Vorstellung eines objectiven Princips, sofern es für einen Willen 413.9 14. (50) Alle Imperativen werden durch ein +Sollen+ ausgedrückt und zeigen 413.12 15. (51) Ein vollkommen guter Wille würde also eben sowohl unter objectiven 414.1 16. (52) Alle +Imperativen+ nun gebieten entweder +hypothetisch+, oder 414.12 17. (53) Weil jedes praktische Gesetz eine mögliche Handlung als gut und 414.18 18. (54) Der Imperativ sagt also, welche durch mich mögliche Handlung gut 414.26 19. (55) Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß die Handlung zu 414.32 20. (56) Man kann sich das, was nur durch Kräfte irgend eines vernünftigen 415.6 21. (57) Es ist gleichwohl +ein+ Zweck, den man bei allen vernünftigen Wesen 415.28 22. (58) Endlich giebt es einen Imperativ, der, ohne irgend eine andere durch 416.7 23. (59) Das Wollen nach diesen dreierlei Principien wird auch durch die 416.15 24. (60) Nun entsteht die Frage: wie sind alle diese Imperative möglich? 417.3 25. (61) Die Imperativen der Klugheit würden, wenn es nur so leicht wäre, 417.27 26. (62) Dagegen, wie der Imperativ der +Sittlichkeit+ möglich sei, ist ohne 419.12 27. (63) Wir werden also die Möglichkeit eines +kategorischen+ Imperativs 419.36 28. (64) Zweitens ist bei diesem kategorischen Imperativ oder Gesetze der Sitt- 420.12 29. (65) Bei dieser Aufgabe wollen wir zuerst versuchen, ob nicht vielleicht der 420.18 30. (66) Wenn ich mir einen +hypothetischen+ Imperativ überhaupt denke, 420.24 31. (67) Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: 421.6 32. (68) Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Imperativen der 421.9 33. (69) Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wornach Wirkungen geschehen, 421.14 34. (70) Nun wollen wir einige Pflichten herzählen nach der gewöhnlichen 421.21 35. (71) 1) Einer, der durch eine Reihe von Übeln, die bis zur Hoffnungs- 421.24 36. (72) 2) Ein anderer sieht sich durch Noth gedrungen, Geld zu borgen. Er 422.15 37. (73) 3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger 422.37 38. (74) Noch denkt ein +vierter+, dem es wohl geht, indessen er sieht, daß an- 423.17 39. (75) Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen oder wenigstens von 423.36 40. (76) Wenn wir nun auf uns selbst bei jeder Übertretung einer Pflicht Acht 424.15 41. (77) Wir haben so viel also wenigstens dargethan, daß, wenn Pflicht ein 425.1 42. (78) Bei der Absicht, dazu zu gelangen, ist es von der äußersten Wichtig- 425.12 43. (79) Hier sehen wir nun die Philosophie in der That auf einen mißlichen 425.32 44. (80) Alles also, was empirisch ist, ist als Zuthat zum Princip der Sitt- 426.7 45. (81) Die Frage ist also diese: ist es ein nothwendiges Gesetz +für alle+ 426.22 46. (82) Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, +der Vorstellung ge-+ 427.19 47. (83) Gesetzt aber, es gäbe etwas, +dessen Dasein an sich selbst+ einen 428.3 48. (84) Nun sage ich: der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen 428.7 49. (85) Wenn es denn also ein oberstes praktisches Princip und in Ansehung 428.34 50. (86) Um bei den vorigen Beispielen zu bleiben, so wird 429.14 51. (87) +Erstlich+ nach dem Begriffe der nothwendigen Pflicht gegen sich selbst 429.15 52. (88) +Zweitens+, was die nothwendige oder schuldige Pflicht gegen andere 429.29 53. (89) +Drittens+, in Ansehung der zufälligen (verdienstlichen) Pflicht gegen 430.10 54. (90) +Viertens+, in Betreff der verdienstlichen Pflicht gegen andere ist der 430.18 55. (91) Dieses Princip der Menschheit und jeder vernünftigen Natur über- 430.28 56. (92) Alle Maximen werden nach diesem Princip verworfen, die mit der 431.19 57. (93) Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, nämlich der all- 431.25 58. (94) Denn wenn wir einen solchen denken, so kann, obgleich ein Wille, +der+ 432.5 59. (95) Also würde das +Princip+ eines jeden menschlichen Willens, als 432.12 60. (96) Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bisherige Bemühungen, 432.25 61. (97) Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das sich durch alle 433.12 62. (98) Ich verstehe aber unter einem +Reiche+ die systematische Verbindung 433.17 63. (99) Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem +Gesetz+, daß jedes 433.26 64. (100) Es gehört aber ein vernünftiges Wesen als +Glied+ zum Reiche der 433.34 65. (101) Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetzgebend in einem 434.1 66. (102) Moralität besteht also in der Beziehung aller Handlung auf die Ge- 434.7 67. (103) Die praktische Nothwendigkeit nach diesem Princip zu handeln, d. i. 434.20 68. (104) Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen +Preis+, oder eine 434.31 69. (105) Was sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedürf- 434.35 70. (106) Nun ist Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges 435.5 71. (107) Und was ist es denn nun, was die sittlich gute Gesinnung oder die 435.29 72. (108) Die angeführten drei Arten, das Princip der Sittlichkeit vorzustellen, 436.8 73. (109) 1) eine +Form+, welche in der Allgemeinheit besteht, und da ist die 436.15 74. (110) 2) eine +Materie+, nämlich einen Zweck, und da sagt die Formel: daß 436.19 75. (111) 3) +eine vollständige Bestimmung+ aller Maximen durch jene For- 436.23 76. (112) Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im Anfange aus- 437.5 77. (113) Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den übrigen aus, daß 437.21 78. (114) Nun folgt hieraus unstreitig: daß jedes vernünftige Wesen als Zweck 438.8 79. (115) Man kann aus dem kurz vorhergehenden sich es jetzt leicht erklären, 439.35 80. (116) Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch 440.16 81. (116) Wenn der Wille irgend +worin anders+, als in der Tauglichkeit sei- 441.3 82. (117) Die menschliche Vernunft hat hier, wie allerwärts in ihrem reinen 441.29 83. (117) Alle Principien, die man aus diesem Gesichtspunkte nehmen mag, 441.32 84. (120) +Empirische Principien+ taugen überall nicht dazu, um moralische 442.6 85. (121) Unter den +rationalen+ oder Vernunftgründen der Sittlichkeit ist 443.3 86. (122) Wenn ich aber zwischen dem Begriff des moralischen Sinnes und 443.20 87. (123) Übrigens glaube ich einer weitläuftigen Widerlegung aller dieser Lehr- 443.28 88. (124) Allenthalben, wo ein Object des Willens zum Grunde gelegt werden 444.1 89. (125) Der schlechterdings gute Wille, dessen Princip ein kategorischer Im- 444.28 90. (126) +Wie ein solcher synthetischer praktischer Satz a priori mög-+ 444.35 Dritter Abschnitt (Absätze) 1. (127) Der +Wille+ ist eine Art von Causalität lebender Wesen, so fern sie 446.7 2. (128) Die angeführte Erklärung der Freiheit ist +negativ+ und daher, um 446.13 3. (129) Wenn also Freiheit des Willens vorausgesetzt wird, so folgt die Sitt- 447.8 4. (130) Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus welchem 447.28 5. (131) Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlichkeit auf die Idee der 448.25 6. (132) Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen auch das Bewußt- 449.7 7. (133) Es scheint also, als setzten wir in der Idee der Freiheit eigentlich das 449.24 8. (134) Zwar finden wir wohl, daß wir an einer persönlichen Beschaffenheit 450.3 9. (135) Es zeigt sich hier, man muß es frei gestehen, eine Art von Cirkel, aus 450.18 10. (136) Eine Auskunft bleibt uns aber noch übrig, nämlich zu suchen: ob 450.30 11. (137) Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben kein subtiles Nach- 450.35 12. (138) Dergleichen Schluß muß der nachdenkende Mensch von allen Dingen, 451.37 13. (139) Nun findet der Mensch in sich wirklich ein Vermögen, dadurch er sich 452.7 14. (140) Um deswillen muß ein vernünftiges Wesen sich selbst +als Intelli-+ 452.23 15. (141) Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehöriges Wesen 452.31 16. (142) Nun ist der Verdacht, den wir oben rege machten, gehoben, als wäre 453.3 17. (143) Das vernünftige Wesen zählt sich als Intelligenz zur Verstandes- 453.17 18. (144) Und so sind kategorische Imperativen möglich, dadurch daß die Idee 454.6 19. (145) Der praktische Gebrauch der gemeinen Menschenvernunft bestätigt 454.20 20. (146) Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei. Daher kommen 455.11 21. (147) Ob nun gleich hieraus eine Dialektik der Vernunft entspringt, da in 455.28 22. (148) Indessen muß dieser Scheinwiderspruch wenigstens auf überzeugende 456.7 23. (149) Es ist aber unmöglich, diesem Widerspruch zu entgehen, wenn das 456.12 24. (150) Doch kann man hier noch nicht sagen, daß die Grenze der praktischen 456.34 25. (151) Der Rechtsanspruch aber selbst der gemeinen Menschenvernunft auf 457.4 26. (152) Daher kommt es, daß der Mensch sich eines Willens anmaßt, der 457.25 27. (153) Dadurch, daß die praktische Vernunft sich in eine Verstandeswelt 458.6 28. (154) Aber alsdann würde die Vernunft alle ihre Grenze überschreiten, 458.36 29. (155) Denn wir können nichts erklären, als was wir auf Gesetze zurück- 459.3 30. (156) Die subjective Unmöglichkeit, die Freiheit des Willens zu +erklären+, 459.32 31. (157) Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich-afficirten 460.8 32. (158) Die Frage also, wie ein kategorischer Imperativ möglich sei, kann 461.7 33. (159) Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergründen suchte, wie Freiheit selbst 461.36 34. (160) Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung, 462.22 35. (161) Der speculative Gebrauch der Vernunft +in Ansehung der Natur+ 463.4 Fußnoten (Xf) Erster Abschnitt 1. *) +Maxime+ ist das subjective Princip des Wollens; das objective Princip 400.34 2. *) Man könnte mir vorwerfen, als suchte ich hinter dem Worte +Achtung+ nur 401.17 Zweiter Abschnitt 3. *) Man kann, wenn man will, (so wie die reine Mathematik von der ange- 410.30 4. *) Ich habe einen Brief vom sel. vortrefflichen +Sulzer+, worin er mich frägt: 411.24 5. *) Die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens von Empfindungen heißt 413.26 6. *) Das Wort Klugheit wird in zwiefachem Sinn genommen, einmal kann es 416.30 7. *) Mich deucht, die eigentliche Bedeutung des Worts +pragmatisch+ könne so 417.32 8. *) Ich verknüpfe mit dem Willen ohne vorausgesetzte Bedingung aus irgend 420.29 9. **) +Maxime+ ist das subjective Princip zu handeln und muß vom +objectiven+ 420.36 10. *) Man muß hier wohl merken, daß ich die Eintheilung der Pflichten für eine 421.31 11. *) Die Tugend in ihrer eigentlichen Gestalt erblicken, ist nichts anders, als 426.31 12. *) Diesen Satz stelle ich hier als Postulat auf. Im letzten Abschnitte wird 429.35 13. *) Man denke ja nicht, daß hier das triviale: quod tibi non vis fieri etc. 430.30 14. *) Ich kann hier, Beispiele zur Erläuterung dieses Princips anzuführen, über- 432.34 15. *) Die Teleologie erwägt die Natur als ein Reich der Zwecke, die Moral 436.33 16. *) Ich rechne das Princip des moralischen Gefühls zu dem der Glückseligkeit, 442.32 Dritter Abschnitt 17. *) Diesen Weg, die Freiheit nur als von vernünftigen Wesen bei ihren Hand- 448.28 18. *) Interesse ist das, wodurch Vernunft praktisch, d. i. eine den Willen be- 459.34 Sätze (Xsa) 1. Der „erste” Satz 397 - 399 2. Der zweite Satz 399 - 400 3. Der dritte Satz 400 - 401 Formeln (Xfor) 1. Allgemeines Gesetz 421.6 (402.8 434.10 436.31 437.9 438.21) 2. Allgemeines Naturgesetz 421.18 (436.16 437.17) 3. Menschheit 429.10 (433.26 436.19 437.34 438.4) 4. Autonomie 431.14 (432.2 432.12 434.13 437.36 440.18) 5. Reich der Zwecke 433.12 (438.19 439.1) Beispiele (Xbei) 1. Du sollst nicht lügen 389.13 2. Verstand, Witz, Urtheilskraft 393.7 3. Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit 393.8 4. Macht, Reichthum, Ehre, Gesundheit, Glückseligkeit 393.14 5. Mäßigung, Selbstbeherrschung, Ueberlegung 394.4 6. Der kaltblütige Bösewicht 394.9 7. Wie ein Juwel 394.25 8. Der Krämer und seinen unerfahrnen Käufer 397.22 9. Der Unglückliche, der den Tod wünscht 398.3 10. Die theilnehmend gestimmte Seelen 398.9 11. Die Neigung nach Ehre 398.15 12. Der Menschenfreund 398.20 13. Der Mann mit weniger Sympathie 398.27 14. Der Podagrist 399.16 15. Die Schriftstellen 399.27 16. Ein falsches Versprechen 402.19 17. Reine Redlichkeit in der Freundschaft 408.7 18. Der Arzt und der Giftmischer 415.16 19. Eltern und ihre Kinder 415.20 20. Eine Linie in zwei gleiche Teile teilen 417.18 21. Diät, Sparsamkeit, Höflichkeit, Zurückhaltung 418.26 22. Du sollt nichts betrüglich versprechen 419.20 23. Die vier Beispiele (erste Erscheinung) 421.24 24. Die vier Beispiele (zweite Erscheinung) 429.15 25. Die Amputation der Glieder 429.26 26. Die vier Beispiele („dritte” Erscheinung) 432.34 27. Ich soll nicht lügen 441.13 28. Fremde Glückseligkeit zu befördern 441.19 29. Verschiedne Brüche gleiches Inhalts 450.28 30. Der ärgste Bösewicht 454.21 Behauptungen (Xbeh) Vorrede 1. Materiale Philosophie ist zwiefach. [387.12] 2. Die Logik kann keinen empirischen Theil haben. [387.17] 3. Natürliche und sittliche Weltweisheit können einen empirischen Theil haben. [387.22] 4. Die Physik hat ihren empirischen und rationalen Theile. [388.11] 5. Es sey von der äußersten Nothwendigkeit eine reine Moralphilosophie zu bearbeiten. [389.8] 6. Der Grund der Verbindlichkeit müsse in Begriffen der reinen Vernunft gesucht werden. [389.16] 7. Jede Vorschrift, die sich auf empirische Gründe stützt, kann niemals ein moralisches Gesetz heißen. [389.19] 8. Alle Moralphilosophie beruht gänzlich auf ihrem reinen Theil. [389.26] 9. Moralphilosophie gibt dem Menschen Gesetze a priori. [389.29] 10. Urtheilskraft geschärfte durch Erfahrung ist noch erfordert. [389.30] 11. Eine Metaphysik der Sitten ist unentbehrlich nothwendig. [389.36] 12. Die Sitten bleiben allerlei Verderbniß unterworfen. [390.2] 13. Was moralisch gut sein soll, muß auch um des Gesetzes willen geschehen. [390.4] 14. Gemäßheit allein ist sehr zufällig und mißlich. [390.6] 15. Reine Philosophie (Metaphysik) muß vorangehen. [390.11] 16. Ohne Metaphysik kann es überall keine Moralphilosophie geben. [390.11] Erster Abschnitt (Behauptungen) 1. Nichts als ein guter Wille kann ohne Einschränkungen für gut gehalten werden. [393.6] 2. Der gute Wille ist allein durch das Wollen gut. [394.13] 3. Die wahre Bestimmung der Vernunft muß einen an sich selbst guten Willen hervorzubringen sein. [396.20] 4. Der gute Wille muß das höchste Gut sein. [396.24] 5. Der gute Wille muß die Bedingung zu allem Uebrigen sein. [396.25] 6. Der Begriff der Pflicht enthält den Begriff eines guten Willens. [397.6] 7. Seine eigene Glückseligkeit zu sichern ist Pflicht. [399.3] 8. Alle Menschen haben die mächtigste und innigste Neigung zur Glückseligkeit. [399.7] 9. Der Mensch kann keinen bestimmten und sichern Begriff von Glückseligkeit machen. [399.11] 10. Praktische Liebe allein kann geboten werden. [399.33] 11. Eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Werth nur in der Maxime. [399.35] 12. Absichten und Wirkungen können keinen unbedingten und moralischen Werth ertheilen. [400.3] 13. Der moralische Werth einer Handlung kann nur im Princip des Willens liegen. [400.8] 14. Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz. [400.18] 15. Nur das bloße Gesetz für sich kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. [400.28] 16. Nur das Gesetz kann den Willen objectiv bestimmen. [400.32] 17. Reine Achtung für das praktische Gesetz bestimmt den Willen subjectiv. [400.32] 18. Der moralische Werth der Handlung liegt nicht in den Wirkungen. [401.3] 19. Nur die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst macht das sittliche Gute aus. [401.10] 20. Die bloße Gesetzmäßigkeit überhaupt muß den Willen zum Princip dienen. [402.9] 21. Die Pflicht ist die Bedingung eines an sich guten Willens. [403.32] 22. Die gemeine Menschenvernunft, um zu wissen was zu thun, bedarf Philosophie nicht. [404.5] 23. Aus praktischen Gründen wird die gemeine Menschenvernunft zur Philosophie angetrieben. [405.22] Zweiter Abschnitt (Behauptungen) 1. Es sey unmöglich, durch Erfahrung mit Gewißheit auszumachen, ob eine Handlung aus Pflicht geschehe. [407.1] 2. Wenn vom moralischen Werthe die Rede ist, kommt es auf innere Principien der Handlungen, die man nicht sieht. [407.14] 3. Pflicht liegt vor aller Erfahrung in der Idee einer den Willen durch Gründe a priori bestimmenden Vernunft. [408.9] 4. Das Gesetz muß für alle vernünftige Wesen überhaupt gelten. [408.15] 5. Das Gesetz muß schlecterdings nothwendig gelten. [408.17] 6. Beispiele dienen nur zur Aufmunterung und können niemals berechtigen. [409.4] 7. Eine völlig isolirte Metaphysik der Sitten ist ein unentbehrliches Substrat aller theoretischen sicher bestimmten Erkenntniß der Pflichten. [410.19] 8. Eine völlig isolirte Metaphysik der Sitten ist ein Desiderat von der höchsten Wichtigkeit zur wirklichen Vollziehung ihrer Vorschriften. [410.19] 9. Die reine Vorstellung der Pflicht hat auf das menschliche Herz durch den Weg der Vernunft allein einen mächtigern Einfluß. [410.25] 10. Die Vernunft kann der Triebfedern Meister werden. [410.28] 11. Alle sittliche Begriffe haben völlig a priori in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung. [411.8] 12. Keine sittliche Begriffe können von empirischen Erkenntnisse abstrahirt werden. [411.11] 13. Die Würde aller sittlicher Begriffe liegt in der Reinigkeit ihres Ursprungs. [411.12] 14. So viel, als man Empirisches hinzu thut, so viel auch ächten Einflusse der moralischen Principien und dem uneingeschränkten Werthe der Handlungen entziehe. [411.14] 15. Es sey von der größten praktischen Wichtigkeit, moralische Gesetze aus dem allgemeinen Begriffe eines vernünftigen Wesens überhaupt abzuleiten. [411.18] 16. Zu ihrer Anwendung auf Menschen, die Moral bedarf der Anthropologie. [412.4] 17. Ohne Moral als Metaphysik vorzutragen, ist es unmöglich die Sitten auf ihre ächte Principien zu gründen und dadurch reine moralische Gesinnungen zu bewirken. [412.4] 18. Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. [412.26] 19. Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, nach der Vorstellung der Gesetze, d. i. nach Principien, zu handeln, oder einen Willen. [412.26] 20. Der Wille ist nichts anders als praktische Vernunft. [412.29] 21. Nöthigung ist die Bestimmung eines Willens, der nicht an sich völlig der Vernunft gemäß ist. [413.1] 22. Die Vorstellung eines objectiven Princips, sofern es für einen Willen nöthigend ist, heißt ein Gebot (der Vernunft) und die Formel des Gebots heißt Imperativ. [413.9] 23. Alle Imperativen werden durch ein Sollen ausgedruckt. [413.12] 24. Keine Imperativen gelten für den göttlichen und überhaupt für einen heiligen Willen. [414.5] 25. Alle Imperativen gebieten entweder hypothetisch, oder kategorisch. [414.12] 26. Der hypothetische Imperativ sagt nur, daß die Handlung zu irgend einer möglichen oder wirklichen Absicht gut sey. [414.32] 27. Die Absicht auf Glückseligkeit ist ein Zweck, den man bey allen vernünftigen Wesen als wirklich voraussetzen kann. [415.28] 28. Der Imperativ, der sich auf die Wahl der Mittel zur eigenen Glückseligkeit bezieht ist hypothetisch. [416.3] 29. Der Imperativ ist kategorisch, der, ohne irgend eine andere durch ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebietet. [416.7] 30. Wer den Zweck will, will auch das dazu unentbehrlich nothwendige Mittel, das in seiner Gewalt ist. [417.8] 31. Der Begriff der Glückseligkeit ist ein unbestimmter Begriff. [418.1] 32. Man kann nicht nach bestimmten Principien handeln, um glücklich zu sein. [418.24] 33. Der Imperativ der Sittlichkeit ist gar nicht hypothetisch. [419.12] 34. Der kategorische Imperativ allein lautet als ein praktisches Gesetz. [420.3] 35. Der kategorische Imperativ ist ein synthetisch-praktischer Satz a priori. [420.14] 36. Der kategorische Imperativ ist nur ein einziger. [421.6] 37. Einige Handlungen sind so beschaffen, daß ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann. [424.3] 38. Wir anerkennen die Gültigkeit des kategorischen Imperativs wirklich. [424.35] 39. Pflicht, wenn sie echt sein sollte, kann nur in kategorischen Imperativen, keinesweges in hypothetischen ausgedrückt werden. [425.1] 40. Pflicht muß für alle vernünftige Wesen gelten. [425.16] 41. Alles was empirisch ist, ist der Lauterkeit der Sitten selbst höchst nachtheilig. [426.7] 42. Die Lauterkeit der Sitten besteht eben darin, daß das Princip der Handlung von allen Einflüssen zufälliger Gründe, die nur Erfahrung an die Hand geben kann, frei sey. [426.10] 43. Wenn es ein nothwendiges Gesetz für alle vernünftige Wesen gäbe, so muß es (völlig a priori) schon mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt verbunden sein. [426.22] 44. Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen. [427.19] 45. Vernünftige Wesen werden Personen genannt, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst auszeichnet. [428.21] 46. Der Mensch stellt sich sein eignes Dasein nothwendig als Zweck an sich selbst vor. [429.3] 47. Das Princip der Menschheit muß aus reiner Vernunft entspringen. [431.9] 48. Der Mensch ist nur seiner eigenen und dennoch allgemeinen Gesetzgebung unterworfen. [432.29] 49. Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preiß, oder eine Würde. [434.31] 50. Sittlichkeit und die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, haben allein Würde. [435.7] 51. Die Gesetzgebung selbst muß eine Würde haben. [436.2] 52. Autonomie ist der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur. [436.6] 53. Die angeführten drey Arten, das Princip der Sittlichkeit vorzustellen, sind im Grunde nur so viele Formeln eben desselben Gesetzes. [436.8] 54. Alle Maximen haben eine Form, eine Materie, und eine vollständige Bestimmung aller Maximen. [436.13] 55. Der Wille ist schlechterdings gut, der nicht böse sein, mithin dessen Maxime, wenn sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten kann. [437.6] 56. Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den übrigen aus, daß sie ihr selbst einen Zweck setzt. [437.21] 57. Der Zweck hier nicht als ein zu bewirkender, sondern selbständiger Zweck, gedacht werden müsse. [437.26] 58. Ein jedes vernünftiges Wesen muß so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre. [438.18] 59. Ein Reich der Zwecke würde nun durch Maximen, deren Regel der kategorische Imperativ allen vernünftigen Wesen vorschreibt, wirklich zu Stande kommen, wenn sie allgemein befolgt würden. [438.29] 60. Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst ein Gesetz ist. [440.16] 61. Wenn der Wille in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus. [441.3] 62. Empirische Principien taugen überall nicht dazu, um moralische Gesetze darauf zu gründen. [442.6] 63. Das Princip der eigenen Glückseligkeit am meisten verwerflich. [442.12] 64. Das moralische Gefühl, dieser vermeyntliche besondere Sinn, bleibt näher der Sittlichkeit. [442.22] 65. Wenn ich zwischen dem Begriff des moralischen Sinnes und dem der Vollkommenheit überhaupt wählen müßte, so würde ich mich für den letzteren bestimmen. [443.20] 66. Der schlechterdings gute Wille enthält bloß die Form des Wollens überhaupt als Autonomie. [444.28] 67. Wer Sittlichkeit für Etwas hält, muß das Princip der Autonomie einräumen. [445.5] Dritter Abschnitt (Behauptungen) 1. Der Wille ist eine Art von Caussalität lebender Wesen. [446.7] 2. Ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen sind einerlei. [447.6] 3. Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum, in praktischer Rücksicht, wirklich frei. [448.4] 4. Wir müssen jedem mit Vernunft und Willen begabten Wesen diese Eigenschaft, sich unter der Idee seiner Freiheit zum Handeln zu bestimmen, beylegen. [449.4] 5. Freiheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie. [450.23] 6. Dieses muß eine Unterscheidung einer Sinnenwelt von der Verstandeswelt abgeben. [451.17] 7. Nach der Kenntniß, die der Mensch durch innere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich selbst sey. [451.22] 8. Ein vernünftiges Wesen hat zwey Standpuncte, daraus es sich selbst betrachten kann. [452.25] 9. Mit der Idee der Freiheit ist nun der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden, mit diesem aber das allgemeine Princip der Sittlichkeit. [452.35] 10. Die Verstandeswelt enthält den Grund der Sinnenwelt, mithin auch der Gesetze derselben. [453.31] 11. Man muß die Gesetze der Verstandeswelt für sich als Imperativen ansehen. [454.3] 12. Kategorische Imperativen sind möglich weil die Idee der Freiheit mich zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht und ich mich zugleich als Glied der Sinnenwelt anschaue. [454.6] 13. Der praktische Gebrauch der gemeinen Menschenvernunft bestätigt die Richtigkeit dieser Deduction. [454.20] 14. Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei. [455.11] 15. Freiheit ist nur eine Idee der Vernunft, deren objective Realität an sich zweifelhaft ist. [455.24] 16. Kein wahrer Widerspruch zwischen Freiheit und Naturnothwendigkeit ebenderselben menschlichen Handlungen angetroffen werde. [456.3] 17. Diese Pflicht liegt aber bloß der speculativen Philosophie ob, damit sie der praktischen freie Bahn schaffe. [456.27] 18. Daß ein Ding in der Erscheinung gewissen Gesetzen unterworfen ist, von welchen eben dasselbe, als Ding oder Wesen an sich selbst, unabhängig ist, enthält nicht den mindesten Widerspruch. [457.16] 19. Der Begriff einer Verstandeswelt ist nur ein Standpunct. [458.19] 20. Die Vernunft würde alle ihre Grenze überschreiten, wenn sie es sich zu erklären unterfinge, wie reine Vernunft praktisch sein könne. [458.36] 21. Die Idee der Freiheit gilt nur als nothwendige Voraussetzung der Vernunft. [459.9] 22. Wo Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf. [459.14] 23. Die subjective Unmöglichkeit, die Freiheit des Willens zu erklären, ist mit der Unmöglichkeit, ein Interesse ausfindig und begreiflich zu machen, welches der Mensch an moralischen Gesetzen nehmen könne, einerlei. [459.32] 24. Das moralische Gefühl muß als die subjective Wirkung, die das Gesetz auf den Willen ausübt, angesehen werden. [460.5] 25. Die Erklärung, wie und warum uns die Allgemeinheit der Maxime als Gesetzes, mithin die Sittlichkeit, interessire, ist uns Menschen gänzlich unmöglich. [460.22] 26. Es interessirt, weil es für uns als Menschen gilt. [461.2] 27. Die Frage wie ein kategorischer Imperativ möglich sey, kann so weit beantwortet werden, als man die einzige Voraussetzung angeben kann, unter der er allein möglich ist. [461.7] 28. Unter Voraussetzung der Freiheit des Willens einer Intelligenz ist die Autonomie desselben eine nothwendige Folge. [461.14] 29. Diese Freiheit des Willens vorauszusetzen, ist nicht allein möglich, sondern auch praktisch nothwendig. [461.17] 30. Wie reine Vernunft praktisch sein könne, das zu erklären, dazu ist alle menschliche Vernunft gänzlich unvermögend. [461.32] 31. Die Idee einer reinen Verstandeswelt bleibt immer eine brauchbare und erlaubte Idee zum Behufe eines vernünftigen Glaubens. [462.29] 32. Die Vernunft sucht rastlos das Unbedingtnothwendige. [463.18] Rubriken (Xru) Vorrede 1. Die Eintheilungen der Philosophie: Physik, Ethik, Logik [387.2] 2. Alle Vernunfterkenntniß ist material oder formal; die Ethik ist material [387.8] 3. Die empirische (praktische Anthropologie) und rationale (Metaphysik der Sitten) Theilen der Ethik [387.17] 4. Die Bedürftigkeit für eine Metaphysik der Sitten [388.15] 5. Eine Metaphysik der Sitten unterscheidet sich von Wolfs Philosophie [390.19] 6. Drei Gründe für diese Grundlegung [391.16] 7. Die Absichten dieser Grundlegung [392.3] 8. Die Methode und Theilen dieser Grundlegung [392.17] Erster Abschnitt (Rubriken) 1. Der gute Wille allein ist ohne Einschränkung gut [393.5] 2. Der gute Wille ist an sich selbst gut [394.13] 3. Die praktische Bestimmung der Vernunft ist die Gründung eines guten Willens [394.32] 4. Der Begriff der Pflicht enthält den Begriff eines guten Willens [397.1] 5. Handeln aus Pflicht [397.11] 6. Nur Handlungen aus Pflicht haben einen moralischen Werth [397.33] 7. Der Zweyte Satz: eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Werth in dem Princip des Wollens [399.35] 8. Der dritte Satz: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz [400.17] 9. Die Formel des allgemeinen Gesetzes: bloße Gesetzmäßigkeit überhaupt dient als das Princip des guten Willens [401.3] 10. Ein Beispiel: ein falsches Versprechen [402.16] 11. Die gemeine Menschenvernunft gebraucht dieses Princip eines guten Willens [403.34] 12. Die Moral Philosophie ist noch nötig, um der Dialectik entgehen [404.37] Zweiter Abschnitt (Rubriken) 1. Die Sittlichkeit kann aus der Erfahrung nicht gezogen werden [406.5] 2. Die Sittlichkeit kann nicht von Beispielen entlehnt werden [408.28] 3. Die populäre sittliche Weltweisheit ist unzuverlässig [409.9] 4. Rückblick auf methodologische Schlüsse [411.8] 5. Die Vernunft und ihr Einfluß auf den Willen [412.26] 6. Klassifizierung der Imperativen [413.9] 7. Der hypothetische Imperativ [414.12] 8. Der kategorische Imperativ [416.7] 9. Wie hypothetische Imperative sind möglich [417.3] 10. Wie kategorische Imperative sind möglich [419.12] 11. Die Formel des allgemeinen Gesetzes [420.18] 12. Die Formel des allgemeinen Naturgesetzes [421.14] 13. Vier Beispiele [421.21] 14. Maximen zu willen und denken [423.36] 15. Ausnahmen [424.15] 16. Ein a priori Beweis ist noch nötig [425.1] 17. Objective und relative Zwecke [427.19] 18. Die Formel der Menschheit [428.3] 19. Vier Beispiele [429.14] 20. Die Formel der Autonomie [430.28] 21. Die Ausschließung des Interesses [431.25] 22. Heteronomie [432.25] 23. Die Formel des Reichs der Zwecke [433.12] 24. Preiß und Würde [434.31] 25. Rückblick auf die Formeln [436.8] 26. Gesamter Rückblick [437.5] 27. Die Autonomie des Willens [440.14] 28. Die Heteronomie des Willens [441.1] 29. Taxonomie aller heteronomischen Principien [441.25] 30. Empirische heteronomische Principien: Glückseligkeit und Gefühl [442.6] 31. Rationale heteronomische Principien: ontologische und theologische Vollkommenheit [443.3] 32. Die Unzulässigkeit der Heteronomie im allgemeinen [443.28] 33. Rückblick und Vorblick: was schon beweist ist und was noch zu beweisen ist [444.28] Dritter Abschnitt (Rubriken) 1. Begriffe von Freiheit: positiv und negativ [446.5] 2. Die Voraussetzung der Freiheit [447.26] 3. Ein Kreisschluß? [448.23] 4. Entkommen aus dem Kreisschluß: die zwei Standpuncte [450.30] 5. Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? [453.16] 6. Ein Widerspruch zwischen Freiheit und Naturnothwendigkeit? [455.10] 7. Die Auflösung des Widerspruchs: die zwei Standpuncte [456.12] 8. Die Grenzen der Kenntnis: die Verstandeswelt [458.6] 9. Die Grenzen der Erklärung: die Möglichkeit der Freiheit [458.36] 10. Die Grenzen der Erklärung: das moralische Interesse [459.32] 11. Rückblick: wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? [461.7] 12. Die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung [462.22] 13. Schlußanmerkung: die Einschränkungen der Vernunft [463.3] Register (Xre) A Abfall 407.34 abgeleitet 410.36 abgesonderter 390.15 abgiebt 395.29 Abhängigkeit 424.13 Absicht 396.28, 417.15, 450.26 Absichten 416.32, 429.33, 460.36 Abstechung 397.9 abweiche 402.36 abzukürzen 422.6 achtungswürdige 406.20 Affectionspreis 435.1 afficirt 411.35 allein 397.25 allererst 398.26, 402.34 allgemein 416.21, 431.25, 438.31 allgemeine 389.20, 436.30 allgemeinen 421.16, 435.31, 437.13 allgemeines 422.3, 422.7, 424.23 allgemeingesetzgebenden 432.3 Allgemeingültigkeit 438.2, 462.14 Allgemeinheit 460.22 Analogie 436.12 andere 423.17 andern 397.29, 434.27 angeben 461.8 angeführten 423.37 angetroffen 407.33 angewandten 410.30 Annehmlichkeit 401.6 Anthropologie 389.28 Antriebe 454.27 anzubringen 404.30 anzunehmen 448.29 anzutreffen 410.13 Aufbietung 394.23 Aufmunterung 398.17 Aufopferung 407.7 aufzubürden 418.17 ausfallen 433.8 ausfindig 432.26 Ausführlichkeit 391.22 ausgebreiteter 408.14 ausgingen 437.5 Autonomie 439.26, 440.28, 453.4, 454.8, 461.15 B bedienen 430.5 Bedingung 420.25 Bedingungen 408.16 Bedürfnisse 434.35 beförderlich 393.25 befriedigenden 454.34 Begriff 446.15, 455.19 Begriffe 452.13 Begriffen 391.7 Begriffs 447.9 behaupte 398.12 bekam 433.5 Belieben 427.33 bemerken 397.19 Bemühung 420.22 beruhen 409.10 beruht 389.26 Beschaffenheit 393.12, 461.5 Beschämung 419.28 Besitz 456.31 besonderen 444.19 besonderer 446.20 besondern 411.23, 417.7 bestehen 429.17 bestimmen 459.13 bestimmende 459.34 bestimmt 396.35, 414.4 bestimmten 418.24 Bestimmung 422.9, 458.9 Bestimmungsgrund 460.28 Bestimmungsregeln 412.23 Bestrebung 394.21 bestreiten 408.13 betrachten 431.23, 459.21 Beträchtliches 449.27 beurtheilt 408.30, 439.23 bevorstehenden 403.23 Bewegungsgründe 391.4 Bewegursachen 411.29 beweiset 424.34, 454.29, 455.26 bewundern 395.18 Bewußtsein 449.7 Beziehung 404.20 bloßen 396.2 Bösewicht 454.21 C Causalität 446.8 D dadurch 418.12 dagegen 423.26 Daher 395.1 Dauerhaftigkeit 405.4 Deduction 447.22, 463.21 demjenigen 413.21 denken 415.7 Denkens 390.32 derjenigen 425.35 derselben 430.7, 435.27 desselben 392.13, 403.20, 431.15, 444.26 deswegen 443.11 deswillen 450.24 dienen 438.22 diesen 427.8 dieser 402.22, 418.2 dieses 394.11 Disposition 435.18 Disputiren 404.32 durchschauen 409.35 E ehrlich 404.6 eigenen 400.24 Eigenthum 430.3 einander 447.16 Einbildungskraft 418.36 einen 418.10 einerlei 417.25, 460.1 Eingang 437.1 eingeschränkt 421.1 Einheit 436.26 einräumen 406.9, 453.9 einschränkende 431.7 Einschränkung 434.5 einsehendste 418.9 einstimmig 418.3 einziehen 451.27 einzuschlagen 390.22 einzuschränken 462.9 Empfindung 460.14 enthält 453.32 Entschlossenheit 393.8 entspringen 394.35 entzogen 400.15 Erfahrung 388.4, 419.30 Erfahrungsgesetzen 404.13 Erhabenheit 439.8 Erhaltung 395.8 erkannt 397.11 erkennen 453.12 erkennt 412.34 Erkenntnisse 411.11 Erkundigung 405.26 erlaubt 411.22 erläuterten 432.35 erörterte 392.7 errege 411.36 Erscheinung 461.4 etwas 433.2 F Formale 437.15 Formel 436.23 Freiheit 387.14, 446.24, 447.33 freilich 389.29 G gänzlich 460.12 geboten 399.27 geböten 431.32 Gebots 413.10 Gebrauch 415.21, 445.11 Gedränge 399.4 gegangen 396.23 gegeben 406.14, 408.4, 423.15 gegen 407.35 Gegengewicht 405.5 Gegenhaltung 405.25 Gegenstand 428.24 Gegenstande 413.33 Gegenstände 428.11 Gegenständen 452.2 gegründet 410.34 gehört 453.33, 457.8 gemäße 454.4 gemäßen 414.24 gemeiniglich 415.25 genannt 417.33 gerichtet 389.5 geschehen 397.13, 409.21 Geschicklichkeit 417.28 geschieht 388.2 Gesetze 403.16, 433.30, 436.32 Gesetzen 433.35 Gesetzes 422.31 gesetzgebend 434.23, 435.34, 440.11, 461.1 gesetzgebenden 432.31 Gesetzgebung 434.7, 434.8, 439.25 gesetzliche 454.16 gesetzt 446.17 gesinnt 454.26 Geständnisse 455.5 Gesundheit 399.19 Gewalt 420.31 gewisser 427.19 geziemenden 436.4 gleichsam 394.27, 442.31 Glieder 462.31 glücklich 463.19 Glückseligkeit 396.6, 399.12, 399.21, 415.34, 418.1, 438.37, 444.6 Glücksgaben 393.13 größtentheils 390.36 Gründe 408.10 Grundlagen 443.22 Grundlegung 391.32 gründliche 409.29 Grundsatz 421.27 H haben 396.17 halten 418.31 handhaben 394.28 Handlung 411.31, 421.18, 424.25 Handlungen 390.27, 390.35, 397.14, 408.3, 412.28, 418.29, 425.2, 435.17, 448.28, 449.2, 449.8, 452.37, 453.20, 459.20, 463.7 Herrschbegierde 443.16 hervorbringt 388.31 Heteronomie 460.25 Hieraus 405.12 hingegen 458.32 hinlänglich 412.35 hinlängliche 445.14 hochachtungswürdig 405.6 Hochpreisungen 396.5 Hoffnung 404.23 Hoffnungslosigkeit 421.24 höhern 398.35 Hyperphysik 410.20 I imgleichen 404.31, 438.34 Imperativ 416.26, 419.32, 420.20, 420.26, 437.12, 437.16, 444.28 indem 391.9 Intelligenz 452.23, 457.37, 459.22 Interesse 413.28, 413.30, 432.23 irgend 432.33 J jedermann 397.33 K kategorisch 457.35 kategorischen 432.14, 432.18 keinen 393.26 keinesweges 406.6 Kenner 394.29 kleinmüthig 398.4 Klugheit 416.4 Kreuzbogen 417.19 L langes 418.18 Lehrbegriffe 443.28 Liebespflichten 430.33 M machen 415.16 mancherlei 451.19 Maximen 438.13, 438.19 Menschenvernunft 403.34 menschliche 410.32 menschlichen 406.19, 456.4 menschlicher 429.4 Metaphysik 426.28 möglich 405.15, 414.14, 444.35 möglichen 435.32, 436.24 Möglichkeit 408.18 moralisch 391.11 moralische 444.23 moralischen 391.1, 399.35, 412.11 moralisches 410.6 Moralphilosophie 392.25 N Nachdenken 450.35 Nachlässigkeit 426.12 nämlich 436.11, 460.26 Naturgaben 423.5 Naturgesetz 453.1 Naturgesetzes 424.8 natürlichen 462.5 Naturnothwendigkeit 455.18, 455.29, 455.31 nehmen 424.18 Neigung 399.15, 425.26 Nichtachtung 405.10 niemals 402.7, 407.13 nothwendig 413.14, 414.7, 414.19, 415.8, 415.35 nothwendigen 387.6 Nothwendigkeit 391.20, 434.16, 463.29 nüchterne 394.4 nützlich 391.36 O obgleich 416.27, 455.14 Objecte 448.12 objectiven 460.6 obzwar 451.17 Ordnung 416.17 P pathologische 399.31 Person 454.37 pflichtmäßig 412.9 Philosophie 390.13, 463.31 philosophischen 409.27, 461.37 praktisch 461.32 praktische 415.33, 427.3 praktischen 395.22, 405.22, 414.30 praktischer 419.4 Princip 402.11, 415.1, 432.22 Principien 390.34 priori 426.25 Product 398.33 pünktlich 438.33 Q Quellen 391.8 R Realität 439.14 relativen 428.20, 436.21 Richtigkeit 406.17, 409.25 S schlechterdings 425.9, 439.29, 445.10 schuldigen 426.4 seiner 441.3 Selbstliebe 401.28 selbstsüchtiger 397.18 Sinnenwelt 447.18, 453.14, 453.27, 461.19 Sitten 392.27 sittliche 390.8, 398.18, 405.29 Sittlichkeit 410.10, 416.13, 420.12, 426.7, 447.8, 447.30 sondern 416.5, 428.26, 434.28 sowohl 387.21, 428.9 speculativen 411.10, 426.29 Standpunkte 452.25 stattfinden 422.12 Subject 430.24 subjectiver 416.24 Subtile 391.37 synthetische 417.20 T Thätigkeit 451.11 theoretischen 456.26 Totalität 419.1 Triebfeder 427.26 Triebfedern 410.29 U überein 402.14 überhaupt 421.2, 426.26, 430.28, 444.7 überhoben 432.34 Überschlage 395.33, 400.27 übertritt 455.6 Überzeugendes 411.25 übrig 402.6 übrigen 397.5 unabhängig 408.2, 452.29 Unabhängigkeit 455.2 unausbleiblich 412.30 unbedingt 394.7 unbedingtes 463.23 Unbegreiflichkeit 463.30 unbeschränkte 418.20 unbestimmt 443.4 unbezwingliche 399.30 unentbehrlich 417.9 unerlaubt 422.19 Unglückliche 398.3 universalitas 424.30 unmittelbar 394.10, 451.34 unmöglich 423.11, 424.7, 456.1 unnachlaßlichen 424.10 unserer 430.11 unter 393.15 Unterscheidung 450.37 unterschieden 449.22 untersuchen 392.15 unterworfen 438.9 unumschränkte 439.17 unvergleichbaren 436.3 Unvollkommenheit 414.9 unwahres 403.8 Ursachen 413.22 Ursprungs 411.12 V verantwortet 458.1 verbessern 387.4 Verbindlichkeit 439.31, 439.33 verborgen 459.28 vereinigen 399.9, 422.25 verfahren 429.34 verfehlen 443.35 verfolgen 412.24 vergeblich 418.37 Vergleichung 435.26 Vergnügen 398.10 Verhältniß 413.4, 414.8 verheißen 405.9 verkauft 423.27 Verknüpfung 433.23, 437.14, 447.15 Verlangen 396.25 Verlegenheit 402.21, 405.27 Vermeidung 419.21, 429.25 vermeintlich 459.18 Vermögen 460.9 vermögend 389.34 vermuthlich 443.31 Vernunft 413.18, 427.14, 440.25, 456.23 Vernunftbegriffen 410.12, 411.4 Vernunfterkenntniß 392.23, 409.16 Vernunfterkenntnisses 411.20 vernünftige 427.36, 438.27 vernünftigen 420.34, 438.30, 447.29 vernünftiger 393.19, 438.16 vernünftiges 423.13 Vernunftursache 458.14 verschiedenen 459.11 versprechen 404.24 Versprechen 403.3, 422.33 Verstandes 387.9, 388.7 Verstandesbegriff 455.25 Verstandeswelt 453.17, 453.25 Versuchungen 411.33 verwerflich 403.22 verwirren 404.27 Verwirrung 409.33 Voraussetzung 460.30, 461.14 vorauszusetzen 461.17 vorgeblichen 409.36 vorgestellt 391.5 vormundschaftliche 425.36 Vorschriften 415.15 vorstellt 421.4 Vorstellung 430.25 Vorstellungen 452.11 Vortheil 397.27, 411.32, 435.14, 443.1 vortheilhaft 404.17 vorzutragen 411.19, 412.7 vorzuzeichnen 452.21 W wahrnehmen 419.31 wahrnimmt 396.27, 457.13 wegzuvernünfteln 456.2 welchem 455.33 welches 401.14, 432.9 Weltweisheit 390.21 wenigstens 399.22, 405.14 werden 393.6, 418.6, 428.28, 447.34, 459.8 Werkzeug 395.5 Wesen 448.3 Wichtigkeit 425.12 Widerspruch 424.28, 456.3, 456.24 Widerspruchs 456.17 widerstreite 422.13 widerstreiten 437.8 Willen 425.18 Willens 393.21, 417.5, 432.13, 434.25, 437.19, 447.1 willkürlichen 461.21 wirkenden 438.25 wirklich 424.35, 436.36 Wirkung 401.3 wodurch 454.7 Wohlbefinden 418.27 Wohlwollen 423.25 wohlzuthun 398.22 wollen 421.7 woran 461.29 worden 395.16 würde 398.34 Z Zergliederung 440.29, 447.12 ziehen 395.36 Zöglings 415.23 zufälligen 408.20 Zufriedenheit 398.11 zugestandene 457.5 zugetheilt 396.19 zugleich 410.23, 426.2, 437.10, 454.9 zukommen 390.28 zukünftigen 418.8 Zulänglichkeit 392.12 zurückführen 459.3 Zurückhaltung 418.26 zusammengeflickten 426.18 zusammenstimmen 430.12 Zustandes 450.1 zweifelhaft 407.32 zweiten 453.30 Zwekken 396.36 zwiefach 387.13 Document generation date and time: 2014-10-10 at 22:18:50.048 License: Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 3.0 Unported License (http://www.creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/).   Copyright © 2014 Stephen Orr. All rights reserved. MLA style citation: Kant, Immanuel. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Prussian Academy ed. Groundlaying: Kant's Search for the Highest Principle of Morality. Google AppSpot, 10 Oct. 2014. Web. [access date]. .