++Grundlegung++ ++zur++ ++Metaphysik++ ++der Sitten++ ++von++ ++Immanuel Kant.++ _______________________ ++Riga,++ ++bey Johann Friedrich Hartknoch++ ++1785.++ [iii.1] ++Vorrede.++ [iii.2] Die alte griechische Philosophie theilte sich [iii.3] in drey Wissenschaften ab: Die ++Phy-++ [iii.4] ++sik++, die ++Ethik++ und die ++Logik++. [iii.5] Diese Eintheilung ist der Natur der Sache [iii.6] vollkommen angemessen und man hat an ihr [iii.7] nichts zu verbessern, als etwa nur das Prinzip [iii.8] derselben hinzu zu thun, um sich auf solche Art [iii.9] theils ihrer Vollständigkeit zu versichern, theils [iii.10] die nothwendige Unterabtheilungen richtig be- [iii.11] stimmen zu können. [iii.12] Alle Vernunfterkenntnis ist entweder +ma-+ [iii.13] +terial+ und betrachtet irgend ein Objekt, oder [iii.14] +formal+, und beschäftigt sich blos mit der Form [iii.15] des Verstandes und der Vernunft selbst und [iii.16] den allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt, [iii.17] ohne Unterschied der Objekte. Die formale [iii.18] Philosophie heißt ++Logik++, die materiale aber, iii [4:387] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [iv.1] welche es mit bestimmten Gegenständen und [iv.2] den Gesetzen zu thun hat, denen sie unterwor- [iv.3] fen sind, ist wiederum zwiefach. Denn diese [iv.4] Gesetze sind entweder Gesetze der +Natur+, oder [iv.5] der +Freiheit+. Die Wissenschaft von der ersten [iv.6] heißt ++Physik++, die der andern ist ++Ethik++; [iv.7] jene wird auch Naturlehre, diese Sittenlehre [iv.8] genannt. [iv.9] Die Logik kann keinen empirischen Theil [iv.10] haben, d. i. einen solchen, da die allgemeinen [iv.11] und nothwendigen Gesetze des Denkens auf [iv.12] Gründen beruheten, die von der Erfahrung her- [iv.13] genommen wären; denn sonst wäre sie nicht [iv.14] Logik, d. i. ein Canon für den Verstand, oder [iv.15] die Vernunft, der bey allem Denken gilt und [iv.16] demonstrirt werden muß. Dagegen können [iv.17] so wohl die natürliche, als sittliche Weltweis- [iv.18] heit, jede ihren empirischen Theil haben, weil [iv.19] jene der Natur, als einem Gegenstande der [iv.20] Erfahrung, diese aber dem Willen des Men- [iv.21] schen, so fern er durch die Natur afficirt wird, [iv.22] ihre Gesetze bestimmen muß, die erstern zwar [iv.23] als Gesetze, nach denen alles geschieht, die iv [4:387-388] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [v.1] zweyten als solche, nach denen alles geschehen soll, [v.2] aber doch auch mit Erwägung der Bedingun- [v.3] gen, unter denen es öfters nicht geschieht. [v.4] Man kann alle Philosophie, so fern sie [v.5] sich auf Gründe der Erfahrung fußt, +empiri-+ [v.6] +sche+, die aber, so lediglich aus Prinzipien a [v.7] priori ihre Lehren vorträgt, reine Philosophie [v.8] nennen. Die letztere, wenn sie blos formal [v.9] ist, heißt Logik, ist sie aber auf bestimmte Ge- [v.10] genstände des Verstandes eingeschränkt, heißt [v.11] +Metaphysik+. [v.12] Auf solche Weise entspringt die Idee einer [v.13] zwiefachen Metaphysik, einer +Metaphysik der+ [v.14] +Natur+ und einer +Metaphysik der Sitten+. [v.15] Die Physik wird also ihren empirischen, aber [v.16] auch einen rationalen Theil haben, die Ethik [v.17] gleichfalls; wiewohl hier der empirische Theil [v.18] besonders +praktische Anthropologie+, der ra- [v.19] tionale aber eigentlich +Moral+ heißen könnte. [v.20] Alle Gewerbe, Handwerke und Künste, [v.21] haben durch die Vertheilung der Arbeiten ge- v [4:388] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [vi.1] wonnen, da nämlich nicht einer alles macht, [vi.2] sondern jeder sich auf gewisse Arbeit, die sich [vi.3] ihrer Behandlungsweise nach, von andern [vi.4] merklich unterscheidet, einschränkt, um sie in [vi.5] der größten Vollkommenheit und mit mehrerer [vi.6] Leichtigkeit leisten zu können. Wo die Arbei- [vi.7] ten so nicht unterschieden und vertheilt werden, [vi.8] wo jeder ein Tausendkünstler ist, da liegen die [vi.9] Gewerbe noch in der größten Barbarey. Aber [vi.10] ob dieses zwar für sich ein der Erwägung nicht [vi.11] unwürdiges Objekt wäre, zu fragen: ob die [vi.12] reine Philosophie in allen ihren Theilen nicht [vi.13] ihren besondern Mann erheische und es um [vi.14] das Ganze des gelehrten Gewerbes nicht besser [vi.15] stehen würde, wenn die, so das Empirische mit [vi.16] dem Rationalen, dem Geschmacke des Publi- [vi.17] cums gemäß, nach allerley ihnen selbst unbe- [vi.18] kannten Verhältnissen gemischt, zu verkaufen [vi.19] gewohnt sind, die sich Selbstdenker, andere [vi.20] aber, die den blos rationalen Theil zubereiten, [vi.21] Grübler nennen, gewarnt würden, nicht zwey [vi.22] Geschäfte zugleich zu treiben, die in der Art, sie [vi.23] zu behandeln, gar sehr verschieden sind, zu de- [vi.24] ren jedem vielleicht ein besonderes Talent erfo- vi [4:388] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [vii.1] dert wird und deren Verbindung in einer Per- [vii.2] son nur Stümper hervorbringt: so frage ich [vii.3] hier doch nur, ob nicht die Natur der Wissen- [vii.4] schaft es erfodere, den empirischen von dem [vii.5] rationalen Theil jederzeit sorgfältig abzusondern [vii.6] und vor der eigentlichen (empirischen) Physik [vii.7] eine Metaphysik der Natur, vor der praktischen [vii.8] Anthropologie aber eine Metaphysik der Sitten [vii.9] voran zu schicken, die von allem empirischen [vii.10] sorgfältig gesäubert seyn müßte, um zu wissen, [vii.11] wie viel reine Vernunft in beiden Fällen leisten [vii.12] könne und aus welchen Quellen sie selbst diese [vii.13] ihre Belehrung a priori schöpfe, es mag übri- [vii.14] gens das letztere Geschäfte von allen Sittenleh- [vii.15] rern, (deren Nahme Legion heißt) oder nur [vii.16] von einigen, die Beruf dazu fühlen, getrieben [vii.17] werden. [vii.18] Da meine Absicht hier eigentlich auf die [vii.19] sittliche Weltweisheit gerichtet ist, so schränke [vii.20] ich die vorgelegte Frage nur darauf ein: ob [vii.21] man nicht meyne, daß es von der äußersten [vii.22] Nothwendigkeit sey, einmal eine reine Moral- [vii.23] philosophie zu bearbeiten, die von allem, was vii [4:388-389] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [viii.1] nur empirisch seyn mag und zur Anthropologie [viii.2] gehört, völlig gesäubert wäre; denn, daß es eine [viii.3] solche geben müsse, leuchtet von selbst aus der [viii.4] gemeinen Idee der Pflicht und der sittlichen Ge- [viii.5] setze ein. Jedermann muß eingestehen: daß [viii.6] ein Gesetz, wenn es moralisch, d. i. als Grund [viii.7] einer Verbindlichkeit, gelten soll, absolute [viii.8] Nothwendigkeit bey sich führen müsse, daß das [viii.9] Gebot: du sollt nicht lügen, nicht etwa blos [viii.10] für Menschen gelte, andere vernünftige Wesen [viii.11] sich aber daran nicht zu kehren hätten, und so [viii.12] alle übrige eigentliche Sittengesetze, daß mithin [viii.13] der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der [viii.14] Natur des Menschen, oder den Umständen in [viii.15] der Welt, darin er gesetzt ist, gesucht werden [viii.16] müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen [viii.17] der reinen Vernunft, und daß jede andere Vor- [viii.18] schrift, die sich auf Prinzipien der bloßen Er- [viii.19] fahrung gründet und sogar eine, in gewissen [viii.20] Betracht allgemeine Vorschrift, so fern sie sich [viii.21] dem mindesten Theile, vielleicht nur einem Be- [viii.22] wegungsgrunde nach, auf empirische Gründe [viii.23] stützt, zwar eine practische Regel, niemals aber [viii.24] ein moralisches Gesetz heißen kann. viii [4:389] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [ix.1] Also unterscheiden sich die moralischen Ge- [ix.2] setze, samt ihren Prinzipien, unter allem prak- [ix.3] tischen Erkenntnisse von allem übrigen, darinn [ix.4] irgend etwas Empirisches ist, nicht allein we- [ix.5] sentlich, sondern alle Moralphilosophie beruht [ix.6] gänzlich auf ihrem reinen Theil und, auf den [ix.7] Menschen angewandt, entlehnt sie nicht das [ix.8] mindeste von der Kenntnis desselben, (Anthro- [ix.9] pologie), sondern giebt ihm, als vernünftigem [ix.10] Wesen, Gesetze a priori, die freilich noch durch [ix.11] Erfahrung geschärfte Urtheilskraft erfodern, um [ix.12] theils zu unterscheiden, in welchen Fällen sie [ix.13] ihre Anwendung haben, theils ihnen Eingang [ix.14] in den Willen des Menschen und Nachdruck zur [ix.15] Ausübung zu verschaffen, da diese, als selbst [ix.16] mit so viel Neigungen afficirt, der Idee einer [ix.17] praktischen reinen Vernunft zwar fähig, aber [ix.18] nicht so leicht vermögend ist, sie in seinem Le- [ix.19] benswandel in concreto wirksam zu machen. [ix.20] Eine Metaphysik der Sitten ist also un- [ix.21] entbehrlich nothwendig, nicht blos aus einem [ix.22] Bewegungsgrunde der Speculation, um die [ix.23] Quelle der a priori in unser Vernunft liegen- ix [4:389-390] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [x.1] den praktischen Grundsätze zu erforschen, son- [x.2] dern weil die Sitten selber allerley Verderbnis [x.3] unterworfen bleiben, so lange jener Leitfaden [x.4] und oberste Norm ihrer richtigen Beurtheilung [x.5] fehlt. Denn bey dem, was moralisch gut [x.6] seyn soll, ist es nicht genug, daß es dem sittli- [x.7] chen Gesetze +gemäß+ sey, sondern es muß auch [x.8] +um desselben willen+ geschehen; widrigenfalls [x.9] ist jene Gemäßheit nur sehr zufällig und mis- [x.10] lich, weil der unsittliche Grund zwar dann und [x.11] wann gesetzmäßige, mehrmalen aber gesetzwi- [x.12] drige Handlungen hervorbringen wird. Nun [x.13] ist aber das sittliche Gesetz, in seiner Reinigkeit [x.14] und Aechtheit (woran eben im Praktischen am [x.15] meisten gelegen ist), nirgend anders, als in einer [x.16] reinen Philosophie zu suchen, also muß diese [x.17] (Metaphysik) vorangehen und ohne sie kann es [x.18] überall keine Moralphilosophie geben; selbst ver- [x.19] dient diejenige, welche jene reine Prinzipien [x.20] unter die empirischen mischt, den Nahmen einer [x.21] Philosophie nicht, (denn dadurch unterscheidet [x.22] diese sich eben vom gemeinen Vernunfterkennt- [x.23] nisse, daß sie, was diese nur vermengt be- [x.24] greift, in abgesonderter Wissenschaft vorträgt), x [4:390] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [xi.1] viel weniger einer Moralphilosophie, weil sie [xi.2] eben durch diese Vermengung so gar der Rei- [xi.3] nigkeit der Sitten selbst Abbruch thut und ihrem [xi.4] eigenen Zwecke zuwider verfährt. [xi.5] Man denke doch ja nicht, daß man das, [xi.6] was hier gefodert wird, schon an der Propä- [xi.7] devtik des berühmten Wolf vor seiner Moral- [xi.8] philosophie, nämlich der von ihm so genannten [xi.9] +allgemeinen praktischen Weltweisheit+ habe [xi.10] und hier also nicht eben ein ganz neues Feld [xi.11] einzuschlagen sey. Eben darum, weil sie eine [xi.12] allgemeine praktische Weltweisheit seyn sollte, [xi.13] hat sie keinen Willen von irgend einer beson- [xi.14] dern Art, etwa einen solchen, der ohne alle [xi.15] empirische Bewegungsgründe, völlig aus Prin- [xi.16] zipien a priori, bestimmt werde und den man [xi.17] einen reinen Willen nennen könnte, sondern [xi.18] das Wollen überhaupt in Betrachtung gezogen, [xi.19] mit allen Handlungen und Bedingungen, die [xi.20] ihm in dieser allgemeinen Bedeutung zukom- [xi.21] men und dadurch unterscheidet sie sich von einer [xi.22] Metaphysik der Sitten, eben so wie die allge- [xi.23] meine Logik von der Transscendentalphiloso- xi [4:390] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [xii.1] phie, von denen die erstere die Handlungen [xii.2] und Regeln des Denkens +überhaupt+, diese [xii.3] aber blos die besondern Handlungen und Re- [xii.4] geln des ++reinen++ Denkens, d. i. desjenigen, [xii.5] wodurch Gegenstände völlig a priori erkannt [xii.6] werden, vorträgt. Denn die Metaphysik der [xii.7] Sitten soll die Idee und die Prinzipien eines [xii.8] möglichen +reinen+ Willens untersuchen und [xii.9] nicht die Handlungen und Bedingungen des [xii.10] menschlichen Wollens überhaupt, welche größ- [xii.11] tentheils aus der Psychologie geschöpft werden. [xii.12] Daß in der allgemeinen practischen Weltweis- [xii.13] heit (wiewohl wider alle Befugnis), auch von [xii.14] moralischen Gesetzen und Pflicht geredet wird, [xii.15] macht keinen Einwurf wider meine Behaup- [xii.16] tung aus. Denn die Verfasser jener Wissen- [xii.17] schaft bleiben ihrer Idee von derselben auch [xii.18] hierin treu; sie unterscheiden nicht die Bewe- [xii.19] gungsgründe, die, als solche, völlig a priori [xii.20] blos durch Vernunft vorgestellt werden und ei- [xii.21] gentlich moralisch sind, von den empirischen, die [xii.22] der Verstand blos durch Vergleichung der Er- [xii.23] fahrungen zu allgemeinen Begriffen erhebt, [xii.24] sondern betrachten sie, ohne auf den Unterschied xii [4:390-391] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [xiii.1] ihrer Quellen zu achten, nur nach der grösseren [xiii.2] oder kleineren Summe derselben, (indem sie al- [xiii.3] le als gleichartig angesehen werden), und ma- [xiii.4] chen sich dadurch ihren Begriff von +Verbind-+ [xiii.5] +lichkeit+, der freylich nichts weniger als mora- [xiii.6] lisch, aber doch so beschaffen ist, als es in einer [xiii.7] Philosophie, die über den +Ursprung+ aller mög- [xiii.8] lichen practischen Begriffe, ob sie auch a priori, [xiii.9] oder blos a posteriori statt finden, gar nicht ur- [xiii.10] theilt, nur verlangt werden kan. [xiii.11] Im Vorsatze nun, eine Metaphysik der [xiii.12] Sitten dereinst zu liefern, lasse ich diese Grund- [xiii.13] legung voran gehen. Zwar giebt es eigentlich [xiii.14] keine andere Grundlage derselben, als die Cri- [xiii.15] tik einer +reinen practischen Vernunft+, so [xiii.16] wie zur Metaphysik die schon gelieferte Critik [xiii.17] der reinen speculativen Vernunft. Allein, theils [xiii.18] ist jene nicht von so äußerster Nothwendigkeit, [xiii.19] als diese, weil die menschliche Vernunft im [xiii.20] Moralischen, selbst beym gemeinsten Verstan- [xiii.21] de, leicht zu grosser Richtigkeit und Ausführ- [xiii.22] lichkeit gebracht werden kann, da sie hingegen im [xiii.23] theoretischen, aber reinen Gebrauch, ganz und xiii [4:391] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [xiv.1] gar dialectisch ist: theils erfodere ich zur Critik [xiv.2] einer reinen practischen Vernunft, daß, wenn [xiv.3] sie vollendet seyn soll, ihre Einheit mit der [xiv.4] der speculativen in einem gemeinschaftlichen [xiv.5] Prinzip zugleich müsse dargestellt werden kön- [xiv.6] nen; weil es doch am Ende nur eine und die- [xiv.7] selbe Vernunft seyn kann, die blos in der An- [xiv.8] wendung unterschieden seyn muß. Zu einer [xiv.9] solchen Vollständigkeit konnte ich es aber hier [xiv.10] noch nicht bringen, ohne Betrachtungen von [xiv.11] ganz anderer Art herbey zu ziehen und den Le- [xiv.12] ser zu verwirren. Um deswillen habe ich mich, [xiv.13] statt der Benennung einer +Critik der reinen+ [xiv.14] +practischen Vernunft+, der von einer +Grund-+ [xiv.15] +legung zur Metaphysik der Sitten+ bedient. [xiv.16] Weil aber drittens auch eine Metaphysik [xiv.17] der Sitten, unerachtet des abschreckenden Ti- [xiv.18] tels, dennoch eines grossen Grades der Popu- [xiv.19] larität und Angemessenheit zum gemeinen Ver- [xiv.20] stande fähig ist, so finde ich für nützlich, diese [xiv.21] Vorarbeitung der Grundlage davon abzuson- [xiv.22] dern, um das Subtile, was darin unvermeid- [xiv.23] lich ist, künftig nicht faßlichern Lehren beyfügen [xiv.24] zu dürfen. xiv [4:391-392] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [xv.1] Gegenwärtige Grundlegung ist aber [xv.2] nichts mehr, als die Aufsuchung und Festse- [xv.3] tzung +des obersten Prinzips der Moralität+, [xv.4] welche allein ein, in seiner Absicht, ganzes und [xv.5] von aller anderen sittlichen Untersuchung abzu- [xv.6] sonderndes Geschäfte ausmacht. Zwar wür- [xv.7] den meine Behauptungen, über diese wichtige [xv.8] und bisher bey weitem noch nicht zur Gnug- [xv.9] thuung erörterte Hauptfrage, durch Anwendung [xv.10] desselben Prinzips auf das ganze System, viel [xv.11] Licht und, durch die Zulänglichkeit, die es al- [xv.12] lenthalben blicken läßt, große Bestätigung er- [xv.13] halten: allein ich mußte mich dieses Vortheils [xv.14] begeben, der auch im Grunde mehr eigenliebig, [xv.15] als gemeinnützig seyn würde, weil die Leichtig- [xv.16] keit im Gebrauche und die scheinbare Zuläng- [xv.17] lichkeit eines Prinzips keinen ganz sicheren Be- [xv.18] weis von der Richtigkeit desselben abgiebt, viel- [xv.19] mehr eine gewisse Partheylichkeit erweckt, es [xv.20] nicht für sich selbst, ohne alle Rücksicht auf die [xv.21] Folge, nach aller Strenge zu untersuchen und [xv.22] zu wägen. [xv.23] Ich habe meine Methode in dieser Schrift [xv.24] so genommen, wie ich glaube, daß sie die schick- xv [4:392] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Vorrede · Erste Auflage Hartknoch 1785 [xvi.1] lichste sey, wenn man vom gemeinen Erkennt- [xvi.2] nisse zur Bestimmung des obersten Prinzips [xvi.3] derselben analytisch und wiederum zurück von [xvi.4] der Prüfung dieses Prinzips und den Quellen [xvi.5] desselben zur gemeinen Erkenntnis, darinn sein [xvi.6] Gebrauch angetroffen wird, synthetisch den [xvi.7] Weg nehmen will. Die Eintheilung ist daher [xvi.8] so ausgefallen: [xvi.9] 1. +Erster Abschnitt:+ Uebergang von der [xvi.10] gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis [xvi.11] zur philosophischen. [xvi.12] 2. +Zweyter Abschnitt:+ Uebergang von der [xvi.13] populären Moralphilosophie zur Metaphy- [xvi.14] sik der Sitten. [xvi.15] 3. +Dritter Abschnitt:+ Letzter Schritt von [xvi.16] der Metaphysik der Sitten zur Critik der [xvi.17] reinen practischen Vernunft. _______________________ xvi [4:392] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [1.1] ++Erster Abschnitt.++ [1.2] ++Uebergang++ [1.3] +von der gemeinen sittlichen Vernunfterkennt-+ [1.4] +niß zur philosophischen.+ [1.5] Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt [1.6] auch außer derselben zu denken möglich, was [1.7] ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als [1.8] allein ein ++guter Wille++. Verstand, Witz, Urtheils- [1.9] kraft und wie die +Talente+ des Geistes sonst heissen mö- [1.10] gen, oder Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit im [1.11] Vorsatze, als Eigenschaften des +Temperaments+, sind [1.12] ohne Zweifel in mancher Absicht gut und wünschens- [1.13] werth; aber sie können auch äußerst böse und schädlich [1.14] werden, wenn der Wille, der von diesen Naturgaben [1.15] Gebrauch machen soll und dessen eigenthümliche Beschaf- [1.16] fenheit darum +Character+ heißt, nicht gut ist. Mit den [1.17] +Glücksgaben+ ist es eben so bewandt. Macht, Reich- [1.18] thum, Ehre, selbst Gesundheit und das ganze Wohlbe- [1.19] finden und Zufriedenheit mit seinem Zustande, unter 1 [4:393] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [2.1] dem Nahmen der +Glückseligkeit+, machen Muth und [2.2] hiedurch öfters auch Uebermuth, wo nicht ein guter [2.3] Wille da ist, der den Einflus derselben aufs Gemüth, [2.4] und hiemit auch das ganze Prinzip zu handeln, berich- [2.5] tige und allgemein-zweckmäßig mache, ohne zu erwäh- [2.6] nen: daß ein vernünftiger unpartheischer Zuschauer sogar [2.7] am Anblicke eines ununterbrochenen Wohlergehens eines [2.8] Wesens, das kein Zug eines reinen und guten Willens [2.9] zieret, nimmermehr ein Wohlgefallen haben kann und [2.10] so der gute Wille die unerlaßliche Bedingung selbst der [2.11] Würdigkeit glücklich zu seyn auszumachen scheint. [2.12] Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Wil- [2.13] len selbst beförderlich und können sein Werk sehr erleich- [2.14] tern, haben aber dem ungeachtet keinen innern unbe- [2.15] dingten Werth, sondern setzen immer noch einen guten [2.16] Willen voraus, der die Schätzung, die man übrigens mit [2.17] Recht für sie trägt, einschränkt und es nicht erlaubt, sie [2.18] für schlechthin gut zu halten. Mäßigung in Affecten [2.19] und Leidenschaften, Selbstbeherrschung und nüchterne [2.20] Ueberlegung sind nicht allein in vielerley Absicht gut, son- [2.21] dern scheinen sogar einen Theil vom +innern+ Werthe der [2.22] Person auszumachen; allein es fehlt viel daran, um sie [2.23] ohne Einschränkung für gut zu erklären, (so unbedingt [2.24] sie auch von den Alten gepriesen worden). Denn ohne [2.25] Grundsätze eines guten Willens können sie höchst böse [2.26] werden und das kalte Blut eines Bösewichts macht ihn 2 [4:393-394] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [3.1] nicht allein weit gefährlicher, sondern auch unmittelbar [3.2] in unsern Augen noch verabscheuungswürdiger, als er [3.3] ohne dieses dafür würde gehalten werden. [3.4] Der gute Wille ist nicht durch das, was er be- [3.5] wirkt, oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu [3.6] Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern [3.7] allein durch das Wollen, d. i. an sich gut und, für sich [3.8] selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen, [3.9] als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Nei- [3.10] gung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen [3.11] nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn [3.12] gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder [3.13] durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur, [3.14] es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlete, seine Ab- [3.15] sicht durchzusetzen, wenn bey seiner größten Bestrebung [3.16] dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde und nur der [3.17] gute Wille (freylich nicht etwa ein bloßer Wunsch, son- [3.18] dern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in un- [3.19] serer Gewalt sind,) übrig bliebe: so würde er wie ein [3.20] Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen [3.21] vollen Werth in sich selbst hat. Die Nützlichkeit oder [3.22] Fruchtlosigkeit kann diesem Werthe weder etwas zusetzen, [3.23] noch abnehmen. Sie würde gleichsam nur die Einfassung [3.24] seyn, um ihn im gemeinen Verkehr besser handhaben zu [3.25] können, oder die Aufmerksamkeit derer, die noch nicht [3.26] gnug Kenner sind, auf sich zu ziehen, nicht aber um 3 [4:394] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [4.1] ihn Kennern zu empfehlen, und seinen Werth zu be- [4.2] stimmen. [4.3] Es liegt gleichwohl in dieser Idee von dem abso- [4.4] luten Werthe des bloßen Willens, ohne einigen Nutzen [4.5] bey Schätzung desselben in Anschlag zu bringen, etwas [4.6] so befremdliches, daß, unerachtet aller Einstimmung [4.7] selbst der gemeinen Vernunft mit derselben, dennoch ein [4.8] Verdacht entspringen muß, daß vielleicht blos hochflie- [4.9] gende Phantasterey ingeheim zum Grunde liege und die [4.10] Natur in ihrer Absicht, warum sie unserm Willen Ver- [4.11] nunft zur Regiererin beigelegt habe, falsch verstanden [4.12] seyn möge. Daher wollen wir diese Idee aus diesem [4.13] Gesichtspunkte auf die Prüfung stellen. [4.14] In den Naturanlagen eines organisirten, d. i. [4.15] zweckmäßig zum Leben eingerichteten Wesens, nehmen [4.16] wir es als Grundsatz an, daß kein Werkzeug zu irgend [4.17] einem Zwecke in demselben angetroffen werde, als was [4.18] auch zu demselben das schicklichste und ihm am meisten [4.19] angemessen ist. Wäre nun an einem Wesen, das Vernunft [4.20] und einen Willen hat, seine +Erhaltung+, sein +Wohl-+ [4.21] +ergehen+, mit einem Worte seine +Glückseligkeit+ der ei- [4.22] gentliche Zweck der Natur, so hätte sie ihre Veranstal- [4.23] tung dazu sehr schlecht getroffen, sich die Vernunft des [4.24] Geschöpfs zur Ausrichterin dieser ihrer Absicht zu ersehen. [4.25] Denn alle Handlungen, die es in dieser Absicht auszu- 4 [4:394-395] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [5.1] üben hat und die ganze Regel seines Verhaltens würden [5.2] ihm weit genauer durch Instinkt vorgezeichnet und jener [5.3] Zweck weit sicherer dadurch haben erhalten werden kön- [5.4] nen, als es jemals durch Vernunft geschehen kann und, [5.5] sollte diese ja obenein dem begünstigten Geschöpf ertheilt [5.6] worden seyn, so würde sie ihm nur dazu haben dienen [5.7] müssen, um über die glückliche Anlage seiner Natur Be- [5.8] trachtungen anzustellen, sie zu bewundern, sich ihrer zu [5.9] erfreuen und der wohlthätigen Ursache dafür dankbar zu [5.10] seyn; nicht aber, um sein Begehrungsvermögen jener [5.11] schwachen und trüglichen Leitung zu unterwerfen und in [5.12] der Naturabsicht zu pfuschen, mit einem Worte, sie wür- [5.13] de verhütet haben, daß Vernunft nicht in +praktischen+ [5.14] +Gebrauch+ ausschlüge, und die Vermessenheit hätte, mit [5.15] ihren schwachen Einsichten ihr selbst den Entwurf der [5.16] Glückseligkeit und der Mittel dazu zu gelangen auszuden- [5.17] ken, die Natur würde nicht allein die Wahl der Zwecke, [5.18] sondern auch der Mittel selbst übernommen und beyde [5.19] mit weiser Vorsorge lediglich dem Instinkte anvertraut [5.20] haben. [5.21] In der That finden wir auch, daß, je mehr eine [5.22] cultivirte Vernunft sich mit der Absicht auf den Genuß [5.23] des Lebens und der Glückseligkeit abgiebt, desto weiter [5.24] der Mensch von der wahren Zufriedenheit abkomme, wor- [5.25] aus bey vielen, und zwar den versuchtesten im Gebrau- [5.26] che derselben, wenn sie nur aufrichtig genug sind, es 5 [4:395] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [6.1] zugestehen, ein gewisser Grad von +Misologie+, d. i. [6.2] Haß der Vernunft entspringt, weil sie nach dem Ueber- [6.3] schlage alles Vortheils, den sie, ich will nicht sagen von [6.4] der Erfindung aller Künste des gemeinen Luxus, sondern [6.5] so gar von den Wissenschaften, (die ihnen am Ende auch [6.6] ein Luxus des Verstandes zu seyn scheint) ziehen, den- [6.7] noch finden, daß sie sich in der That nur mehr an Müh- [6.8] seligkeit auf den Hals gezogen, als Glückseligkeit gewon- [6.9] nen haben und darüber endlich den gemeinern Schlag der [6.10] Menschen, welcher der Leitung des bloßen Naturinstinkts [6.11] näher ist und der seiner Vernunft nicht viel Einflus auf [6.12] sein Thun und Lassen verstattet, eher beneiden, als gering- [6.13] schätzen. Und so weit muß man gestehen, daß das Ur- [6.14] theil derer, die die ruhmredige Hochpreisungen der [6.15] Vortheile, die uns die Vernunft in Ansehung der Glück- [6.16] seligkeit und Zufriedenheit des Lebens verschaffen sollte, [6.17] sehr mäßigen und sogar unter Null herabsetzen, keines- [6.18] weges grämisch, oder gegen die Güte der Weltregierung [6.19] undankbar sey, sondern daß diesen Urtheilen ingeheim [6.20] die Idee von einer andern und viel würdigern Absicht ih- [6.21] rer Existenz zum Grunde liege, zu welcher und nicht der [6.22] Glückseligkeit, die Vernunft ganz eigentlich bestimmt sey [6.23] und welcher darum, als oberster Bedingung, die Pri- [6.24] vatabsicht des Menschen größtentheils nachstehen muß. [6.25] Denn da die Vernunft dazu nicht tauglich genug [6.26] ist, um den Willen in Ansehung der Gegenstände dessel- 6 [4:395-396] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [7.1] ben und der Befriedigung aller unserer Bedürfnisse (die [7.2] sie zum Theil selbst vervielfältigt) sicher zu leiten, als [7.3] zu welchem Zwecke ein eingepflanzter Naturinstinkt viel [7.4] gewisser geführt haben würde, gleichwohl aber uns Ver- [7.5] nunft als practisches Vermögen, d. i. als ein solches, [7.6] das Einflus auf den +Willen+ haben soll, dennoch zuge- [7.7] theilt ist, so muß die wahre Bestimmung derselben seyn, [7.8] einen, nicht etwa in anderer Absicht +als Mittel+, son- [7.9] dern +an sich selbst guten Willen+ hervorzubringen, wo- [7.10] zu schlechterdings Vernunft nöthig war, wo anders die [7.11] Natur überall in Austheilung ihrer Anlagen zweckmäßig [7.12] zu Werke gegangen ist. Dieser Wille darf also zwar [7.13] nicht das einzige und das ganze, aber er muß doch das [7.14] höchste Gut und zu allem Uebrigen, selbst allen Verlan- [7.15] gen nach Glückseligkeit, die Bedingung seyn, in welchem [7.16] Falle es sich mit der Weisheit der Natur gar wohl ver- [7.17] einigen läßt, wenn man wahrnimmt, daß die Cultur [7.18] der Vernunft, die zur erstern und unbedingten Absicht [7.19] erforderlich ist, die Erreichung der zweyten, die jederzeit [7.20] bedingt ist, nämlich der Glückseligkeit wenigstens in die- [7.21] sem Leben, auf mancherley Weise einschränke, ja sie selbst [7.22] unter Nichts herabbringen könne, ohne daß die Natur [7.23] darinn unzweckmäßig verfahre, weil die Vernunft, die [7.24] ihre höchste practische Bestimmung in der Gründung eines [7.25] guten Willens erkennt, bey Erreichung dieser Absicht nur [7.26] einer Zufriedenheit nach ihrer eigenen Art, nämlich aus [7.27] der Erfüllung des Zwecks, den wiederum nur Vernunft 7 [4:396] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [8.1] bestimmt, fähig ist, sollte dieses auch mit manchem Ab- [8.2] bruch, der den Zwecken der Neigung geschieht, verbun- [8.3] den seyn. [8.4] Um aber den Begriff eines an sich selbst hochzuschä- [8.5] tzenden und ohne weitere Absicht guten Willens, so wie [8.6] er dem natürlichen gesunden Verstande beywohnet und [8.7] nicht so wohl gelehret als vielmehr nur aufgeklärt zu wer- [8.8] den bedarf, diesen Begriff, der in der Schätzung des ganzen [8.9] Werths unserer Handlungen immer obenan steht und die [8.10] Bedingung alles übrigen ausmacht, zu entwickeln: wollen [8.11] wir den Begriff der ++Pflicht++ vor uns nehmen, der den [8.12] eines guten Willens, obzwar unter gewissen subiectiven [8.13] Einschränkungen und Hindernissen, enthält, die aber [8.14] doch, weit gefehlt, daß sie ihn verstecken und unkenntlich [8.15] machen sollten, ihn vielmehr durch Abstechung heben und [8.16] desto heller hervorscheinen lassen. [8.17] Ich übergehe hier alle Handlungen, die schon als [8.18] pflichtwidrig erkannt werden, ob sie gleich in dieser oder [8.19] jener Absicht nützlich seyn mögen; denn bey denen ist [8.20] gar nicht einmal die Frage, ob sie +aus Pflicht+ geschehen [8.21] seyn mögen, da sie dieser so gar widerstreiten. Ich [8.22] setze auch die Handlungen bey Seite, die würklich pflicht- [8.23] mäßig sind, zu denen aber Menschen unmittelbar +keine+ [8.24] +Neigung+ haben, sie aber dennoch ausüben, weil sie [8.25] durch eine andere Neigung dazu getrieben werden. Denn 8 [4:396-397] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [9.1] da läßt sich leicht unterscheiden, ob die pflichtmäßige [9.2] Handlung +aus Pflicht+ oder aus selbstsüchtiger Absicht [9.3] geschehen sey. Weit schwerer ist dieser Unterschied zu [9.4] bemerken, wo die Handlung pflichtmäßig ist und das [9.5] Subiect noch überdem +unmittelbare+ Neigung zu ihr hat. [9.6] z.B. Es ist allerdings pflichtmäßig, daß der Krämer [9.7] seinen unerfahrnen Käufer nicht übertheure und, wo viel [9.8] Verkehr ist, thut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, [9.9] sondern hält einen festgesetzten allgemeinen Preis für je- [9.10] dermann, so daß ein Kind eben so gut bey ihm kauft, [9.11] als jeder anderer. Man wird also +ehrlich+ bedient; [9.12] allein das ist lange nicht gnug, um deswegen zu glau- [9.13] ben, der Kaufmann habe aus Pflicht und Grundsätzen [9.14] der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vortheil erfoderte es; [9.15] daß er aber überdem noch eine unmittelbare Neigung zu [9.16] den Käufern haben sollte, um gleichsam aus Liebe keinem [9.17] vor dem andern im Preise den Vorzug zu geben, läßt sich [9.18] hier nicht annehmen. Also war die Handlung weder aus [9.19] Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sondern blos [9.20] in eigennütziger Absicht geschehen. [9.21] Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht und über- [9.22] dem hat jedermann dazu noch eine unmittelbare Neigung. [9.23] Aber um deswillen hat die oft ängstliche Sorgfalt, die [9.24] der größte Theil der Menschen dafür trägt, doch keinen [9.25] innern Werth und die Maxime derselben keinen morali- [9.26] schen Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar +pflicht-+ 9 [4:397-398] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [10.1] +mäßig+, aber nicht +aus Pflicht+. Dagegen, wenn Wi- [10.2] derwärtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack [10.3] am Leben gänzlich weggenommen haben, wenn der Un- [10.4] glückliche, stark an Seele, über sein Schicksal mehr ent- [10.5] rüstet, als kleinmüthig oder niedergeschlagen, den Tod [10.6] wünscht, und sein Leben doch erhält, ohne es zu lieben, [10.7] nicht aus Neigung, oder Furcht, sondern aus Pflicht, [10.8] alsdenn hat seine Maxime einen moralischen Gehalt. [10.9] Wohlthätig seyn, wo man kann, ist Pflicht und [10.10] überdem giebt es manche so theilnehmend gestimmte See- [10.11] len, daß sie, auch ohne einen andern Bewegungsgrund [10.12] der Eitelkeit, oder des Eigennutzes, ein inneres Vergnü- [10.13] gen daran finden, Freude um sich zu verbreiten und die [10.14] sich an der Zufriedenheit anderer, so fern sie ihr Werk [10.15] ist, ergötzen können. Aber ich behaupte, daß in solchem [10.16] Falle dergleichen Handlung, so pflichtmäßig, so liebens- [10.17] würdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen [10.18] Werth habe, sondern mit andern Neigungen zu gleichen [10.19] Paaren gehe, z. E. der Neigung nach Ehre, die, wenn [10.20] sie glücklicherweise auf das trift, was in der That ge- [10.21] meinnützig und pflichtmäßig, mithin ehrenwerth ist, Lob [10.22] und Aufmunterung, aber nicht Hochschätzung verdient; [10.23] denn der Maxime fehlt der sittliche Gehalt, nämlich sol- [10.24] che Handlungen nicht aus Neigung, sondern +aus+ Pflicht [10.25] zu thun. Gesetzt also, das Gemüth jenes Menschen- [10.26] freundes wäre vom eigenen Gram umwölkt, der alle 10 [4:398] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [11.1] Theilnehmung an anderer Schicksal auslöscht, er hätte [11.2] immer noch Vermögen, andern Nothleidenden wohlzu- [11.3] thun, aber fremde Noth rührte ihn nicht, weil er mit [11.4] seiner eigenen gnug beschäftigt wäre und nun, da keine [11.5] Neigung ihn mehr dazu anreitzt, risse er sich doch aus [11.6] dieser tödtlichen Unempfindlichkeit heraus und thäte die [11.7] Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, als- [11.8] denn hat sie allererst ihren ächten moralischen Werth. [11.9] Noch mehr: wenn die Natur diesem oder jenem überhaupt [11.10] wenig Sympathie ins Herz gelegt hätte, wenn er (übri- [11.11] gens ein ehrlicher Mann) von Temperament kalt und [11.12] gleichgültig gegen die Leiden anderer wäre, vielleicht, [11.13] weil er selbst gegen seine eigene mit der besondern Gabe [11.14] der Geduld und aushaltenden Stärke versehen, derglei- [11.15] chen bey jedem andern auch voraussetzt, oder gar fodert, [11.16] wenn die Natur einen solchen Mann (welcher warlich [11.17] nicht ihr schlechtstes Produkt seyn würde) nicht eigentlich [11.18] zum Menschenfreunde gebildet hätte, würde er denn [11.19] nicht noch in sich einen Quell finden, sich selbst einen weit [11.20] höhern Werth zu geben, als der eines gutartigen Tem- [11.21] peraments seyn mag? Allerdings! gerade da hebt der [11.22] Werth des Charakters an, der moralisch und ohne alle [11.23] Vergleichung der höchste ist, nämlich daß er wohlthue, [11.24] nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht. [11.25] Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht, (we- [11.26] nigstens indirect,) denn der Mangel der Zufriedenheit 11 [4:398-399] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [12.1] mit seinem Zustande, in einem Gedränge von vielen Sor- [12.2] gen und mitten unter unbefriedigten Bedürfnissen, könn- [12.3] te leicht eine große +Versuchung zu Uebertretung der+ [12.4] +Pflichten+ werden. Aber, auch ohne hier auf Pflicht [12.5] zu sehen, haben alle Menschen schon von selbst die mäch- [12.6] tigste und innigste Neigung zur Glückseligkeit, weil sich [12.7] gerade in dieser Idee alle Neigungen zu einer Summe [12.8] vereinigen. Nur ist die Vorschrift der Glückseligkeit [12.9] mehrentheils so beschaffen, daß sie einigen Neigungen [12.10] großen Abbruch thut und doch der Mensch sich von der [12.11] Summe der Befriedigung aller unter dem Nahmen der [12.12] Glückseligkeit keinen bestimmten und sichern Begriff ma- [12.13] chen kann; daher nicht zu verwundern ist, wie eine ein- [12.14] zige, in Ansehung dessen, was sie verheißt, und der [12.15] Zeit, worinn ihre Befriedigung erhalten werden kann, [12.16] bestimmte Neigung, eine schwankende Idee überwiegen [12.17] könne und der Mensch z.B. ein Podagrist wählen könne, [12.18] zu genießen was ihm schmeckt und zu leiden was er kann, [12.19] weil er, nach seinem Ueberschlage, hier wenigstens, sich [12.20] nicht durch vielleicht grundlose Erwartungen eines Glücks, [12.21] das in der Gesundheit stecken soll, um den Genuß des [12.22] gegenwärtigen Augenblicks gebracht hat. Aber auch in [12.23] diesem Falle, wenn die allgemeine Neigung zur Glück- [12.24] seligkeit seinen Willen nicht bestimmte, wenn Gesundheit [12.25] für ihn wenigstens nicht so nothwendig in diesen Ueber- [12.26] schlag gehörete, so bleibt noch hier, wie in allen andern [12.27] Fällen, ein Gesetz übrig, nämlich seine Glückseligkeit zu 12 [4:399] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [13.1] befördern, nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht, und [13.2] da hat sein Verhalten allererst den eigentlichen morali- [13.3] schen Werth. [13.4] So sind ohne Zweifel auch die Schriftstellen zu ver- [13.5] stehen, darinn geboten wird, seinen Nächsten, selbst [13.6] unsern Feind, zu lieben. Denn Liebe als Neigung kann [13.7] nicht geboten werden, aber Wohlthun aus Pflicht selbst, [13.8] wenn dazu gleich gar keine Neigung treibt, ja gar na- [13.9] türliche und unbezwingliche Abneigung widersteht, ist [13.10] +practische+ und nicht +pathologische+ Liebe, die im Willen [13.11] liegt und nicht im Hange der Empfindung, in Grund- [13.12] sätzen der Handlung und nicht schmelzender Theilneh- [13.13] mung; jene aber allein kann geboten werden. [13.14] Der zweyte Satz ist: eine Handlung aus Pflicht [13.15] hat ihren moralischen Werth +nicht in der Absicht+, wel- [13.16] che dadurch erreicht werden soll, und er hängt also nicht [13.17] von der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, [13.18] sondern blos von dem +Prinzip+ des +Wollens+, nach [13.19] welchem die Handlung, unangesehen aller Gegenstände [13.20] des Begehrungsvermögens, geschehen ist. Daß die Ab- [13.21] sichten, die wir bey Handlungen haben mögen, und ihre [13.22] Wirkungen, als Zwecke und Triebfedern des Willens, [13.23] den Handlungen keinen unbedingten und moralischen [13.24] Werth ertheilen können, ist aus dem vorigen klar. Wor- [13.25] inn kann also dieser Werth liegen, wenn er nicht im 13 [4:399-400] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [14.1] Willen, in Beziehung auf deren verhofte Wirkung, be- [14.2] stehen soll? Er kann nirgend anders liegen, +als im+ [14.3] +Prinzip des Willens+, unangesehen der Zwecke, die [14.4] durch solche Handlung bewirkt werden können; denn der [14.5] Wille ist mitten inne zwischen seinem Prinzip a priori, [14.6] welches formell ist, und zwischen seiner Triebfeder a po- [14.7] steriori, welche materiell ist, gleichsam auf einem Schei- [14.8] dewege und, da er doch irgend wodurch muß bestimmt [14.9] werden, so wird er durch das formelle Prinzip des Wol- [14.10] lens überhaupt bestimmt werden müssen, wenn eine [14.11] Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle [14.12] Prinzip entzogen worden. [14.13] Den dritten Satz, als Folgerung aus beiden vori- [14.14] gen würde ich so ausdrücken: +Pflicht ist die Nothwen-+ [14.15] +digkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz+. [14.16] Zum Objekte als Wirkung meiner vorhabenden Handlung [14.17] kann ich zwar +Neigung+ haben, aber +niemals Achtung+, [14.18] eben darum, weil sie blos eine Wirkung meines Willens [14.19] ist. Eben so kann ich für Neigung überhaupt, sie mag [14.20] nun meine oder eines andern seine seyn, nicht Achtung [14.21] haben, ich kann sie höchstens im ersten Falle billigen, im [14.22] zweyten bisweilen selbst lieben, d. i. sie als meinem eige- [14.23] nen Vortheile günstig ansehen. Nur das, was blos als [14.24] Grund, niemals aber als Wirkung mit meinem Willen [14.25] verknüpft ist, was nicht meiner Neigung dient, sondern [14.26] sie überwiegt, wenigstens diese von deren Ueberschlage 14 [4:400] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [15.1] bey der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße Gesetz [15.2] für sich, kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit [15.3] ein Gebot seyn. Nun soll eine Handlung aus Pflicht [15.4] den Einfluß der Neigung, und mit ihr jeden Gegenstand [15.5] des Willens ganz absondern, also bleibt nichts für den [15.6] Willen übrig, was ihn bestimmen könne, als, obiectiv, [15.7] das +Gesetz+, und subiectiv, +reine Achtung+ für dieses [15.8] practische Gesetz, mithin die Maxime *), einem solchen [15.9] Gesetze, selbst mit Abbruch aller meiner Neigungen, Fol- [15.10] ge zu leisten. [15.11] Es liegt also der moralische Werth der Handlung [15.12] nicht in der Wirkung, die daraus erwartet wird, also [15.13] auch nicht in irgend einem Prinzip der Handlung, wel- [15.14] ches seinen Bewegungsgrund von dieser erwarteten Wir- [15.15] kung zu entlehnen bedarf. Denn alle diese Würkungen [15.16] (Annehmlichkeit seines Zustandes, ja gar Beförderung [15.17] fremder Glückseligkeit) konnten auch durch andere Ursa- [15.18] chen zu Stande gebracht werden und es brauchte also [15.19] dazu nicht des Willens eines vernünftigen Wesens; wor- [15.20] inn gleichwohl das höchste und unbedingte Gute allein [15.21] angetroffen werden kann. Es kann also nichts anders [15.22] als die +Vorstellung des Gesetzes+ an sich selbst, +die+ [15.23] *) +Maxime+ ist das subiective Prinzip des Wollens; das obiective [15.24] Prinzip, (d. i. dasjenige, was allen vernünftigen Wesen auch [15.25] subiectiv zum practischen Prinzip dienen würde, wenn Ver- [15.26] nunft volle Gewalt über das Begehrungsvermögen hätte) ist [15.27] das practische +Gesetz+. 15 [4:400-401] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [16.1] +freilich nur im vernünftigen Wesen statt findet+, so [16.2] fern sie, nicht aber die verhofte Wirkung, der Bestim- [16.3] mungsgrund des Willens ist, das so vorzügliche Gute, [16.4] welches wir sittlich nennen, ausmachen, welches in der [16.5] Person selbst schon gegenwärtig ist, die darnach handelt, [16.6] nicht aber allererst aus der Wirkung erwartet werden [16.7] darf *). [16.8] *) Man könnte mir vorwerfen, als suchte ich hinter dem Worte [16.9] +Achtung+ nur Zuflucht in einem dunkelen Gefühle, anstatt [16.10] durch einen Begriff der Vernunft in der Frage deutliche Aus- [16.11] kunft zu geben. Allein wenn Achtung gleich ein Gefühl ist, [16.12] so ist es doch kein durch Einflus +empfangenes+, sondern durch [16.13] einen Vernunftbegriff +selbstgewirktes+ Gefühl und daher von [16.14] allen Gefühlen der ersteren Art, die sich auf Neigung oder [16.15] Furcht bringen lassen, specifisch unterschieden. Was ich un- [16.16] mittelbar als Gesetz für mich erkenne, erkenne ich mit Ach- [16.17] tung, welche blos das Bewustseyn der +Unterordnung+ meines [16.18] Willens unter einem Gesetze, ohne Vermittelung anderer Ein- [16.19] flüsse auf meinen Sinn, bedeutet. Die unmittelbare Bestim- [16.20] mung des Willens durchs Gesetz und das Bewustseyn derselben [16.21] heißt +Achtung+, so daß diese als +Wirkung+ des Gesetzes aufs [16.22] Subiect und nicht als +Ursache+ desselben angesehen wird. Ei- [16.23] gentlich ist Achtung die Vorstellung von einem Werthe, der [16.24] meiner Selbstliebe Abbruch thut. Also ist es etwas, was we- [16.25] der als Gegenstand der Neigung, noch der Furcht betrachtet [16.26] wird, obgleich es mit beyden zugleich etwas analogisches hat. [16.27] Der +Gegenstand+ der Achtung ist also lediglich das +Gesetz+ und [16.28] zwar dasjenige, das wir +uns selbst+ und doch als an sich noth- [16.29] wendig auferlegen. Als Gesetz sind wir ihm unterworfen, ohne [16.30] die Selbstliebe zu befragen; als uns von uns selbst auferlegt [16.31] ist es doch eine Folge unseres Willens und hat in der ersten [16.32] Rücksicht Analogie mit Furcht, in der zweyten mit Neigung. 16 [4:401] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [17.1] Was kann das aber wohl für ein Gesetz seyn, des- [17.2] sen Vorstellung, auch ohne auf die daraus erwartete [17.3] Wirkung Rücksicht zu nehmen, den Willen bestimmen [17.4] muß, damit dieser schlechterdings und ohne Einschrän- [17.5] kung gut heißen könne. Da ich den Willen aller Antrie- [17.6] be beraubet habe, die ihm aus der Befolgung irgend [17.7] eines Gesetzes entspringen könnten, so bleibt nichts als [17.8] die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlungen überhaupt [17.9] übrig, welche allein dem Willen zum Prinzip dienen soll, [17.10] d. i. ich soll niemals anders verfahren, als so, +daß ich+ [17.11] +auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemei-+ [17.12] +nes Gesetz werden+. Hier ist nun die bloße Gesetzmäßig- [17.13] keit überhaupt, (ohne irgend ein auf gewisse Handlun- [17.14] gen bestimmtes Gesetz zum Grunde zu legen), das, was [17.15] dem Willen zum Prinzip dient und ihm auch dazu dienen [17.16] muß, wenn Pflicht nicht überall ein leerer Wahn und [17.17] chimärischer Begriff seyn soll, hiemit aber stimmt die ge- [17.18] meine Menschenvernunft in ihrer practischen Beurthei- [17.19] lung auch vollkommen überein und hat das gedachte [17.20] Princip jederzeit vor Augen. [17.21] Alle Achtung für eine Person ist eigentlich nur Achtung fürs [17.22] Gesetz (der Rechtschaffenheit etc.), wovon jene uns das Beyspiel [17.23] giebt. Weil wir Erweiterung unserer Talente auch als Pflicht [17.24] ansehen, so stellen wir uns an einer Person von Talenten auch [17.25] gleichsam das +Beyspiel eines Gesetzes+ vor und das macht un- [17.26] sere Achtung aus. Alles moralische so genannte +Interesse+ be- [17.27] steht lediglich in der +Achtung+ fürs Gesetz. 17 [4:402] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [18.1] Die Frage sey z.B. darf ich, wenn ich im Ge- [18.2] dränge bin, nicht ein Versprechen thun, in der Absicht, [18.3] es nicht zu halten? Ich mache hier leicht den Unterschied, [18.4] den die Bedeutung der Frage haben kann, ob es klüg- [18.5] lich, oder ob es pflichtmäßig sey, ein falsches Verspre- [18.6] chen zu thun. Das erstere kann ohne Zweifel öfters [18.7] statt finden. Zwar sehe ich wohl, daß es nicht gnug [18.8] sey, mich vermittelst dieser Ausflucht aus einer gegenwär- [18.9] tigen Verlegenheit zu ziehen, sondern wohl überlegt wer- [18.10] den müsse, ob mir aus dieser Lüge nicht hinter her viel [18.11] größere Ungelegenheit entspringen könne, als die sind, [18.12] von denen ich mich jetzt befreye, und, da die Folgen [18.13] bei aller meiner vermeinten +Schlauigkeit+, nicht so leicht [18.14] vorauszusehen sind, daß nicht ein einmal verlohrnes Zu- [18.15] trauen mir weit nachtheiliger werden könnte, als alles [18.16] Uebel, das ich jetzt zu vermeiden gedenke, ob es nicht [18.17] +klüglicher+ gehandelt sey, hiebey nach einer allgemeinen [18.18] Maxime zu verfahren und es sich zur Gewohnheit zu [18.19] machen, nichts zu versprechen, als in der Absicht, es zu [18.20] halten. Allein es leuchtet mir hier bald ein, daß eine [18.21] solche Maxime doch immer nur die besorglichen Folgen [18.22] zum Grunde habe. Nun ist es doch etwas ganz anders, [18.23] aus Pflicht wahrhaft zu seyn, als aus Besorgnis der [18.24] nachtheiligen Folgen; indem im ersten Falle, der Be- [18.25] griff der Handlung an sich selbst schon ein Gesetz für mich [18.26] enthält, im zweyten ich mich allererst anderwärtsher [18.27] umsehen muß, welche Wirkungen für mich wohl damit 18 [4:402] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [19.1] verbunden seyn möchten. Denn, wenn ich von dem [19.2] Princip der Pflicht abweiche, so ist es ganz gewis böse, [19.3] werde ich aber meiner Maxime der Klugheit abtrünnig, [19.4] so kann das mir doch manchmal sehr vortheilhaft seyn, [19.5] wiewohl es freylich sicherer ist, bey ihr zu bleiben. Um [19.6] indessen mich in Ansehung der Beantwortung dieser Auf- [19.7] gabe, ob ein lügenhaftes Versprechen pflichtmäßig sey, [19.8] auf die allerkürzeste und doch untrügliche Art zu belehren, [19.9] so frage ich mich selbst: würde ich wohl damit zufrieden [19.10] seyn, daß meine Maxime (mich durch ein unwahres [19.11] Versprechen aus Verlegenheit zu ziehen) als ein allge- [19.12] meines Gesetz (so wohl für mich als andere), gelten solle, [19.13] und würde ich wohl zu mir sagen können: es mag jeder- [19.14] mann ein unwahres Versprechen thun, wenn er sich in [19.15] Verlegenheit befindet, daraus er sich auf andere Art [19.16] nicht ziehen kann? so werde ich bald inne, daß ich zwar [19.17] die Lüge, aber ein allgemeines Gesetz zu lügen gar nicht [19.18] wollen könne; denn nach einem solchen würde es eigent- [19.19] lich gar kein Versprechen geben, weil es vergeblich wäre, [19.20] meinen Willen in Ansehung meiner künftigen Handlungen [19.21] andern vorzugeben, die diesem Vorgeben doch nicht glau- [19.22] ben, oder, wenn sie es übereilter Weise thäten, mich [19.23] doch mit gleicher Münze bezahlen würden, mithin meine [19.24] Maxime, so bald sie zum allgemeinen Gesetze gemacht [19.25] würde, sich selbst zerstöhren müsse. [19.26] Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen [19.27] sittlich gut sey, darzu brauche ich gar keine weit ausho- 19 [4:402-403] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [20.1] lende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des [20.2] Weltlaufs, unfähig auf alle sich eräugnende Vorfälle [20.3] desselben gefaßt zu seyn, frage ich mich nur: Kanst du [20.4] auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz [20.5] werde? wo nicht, so ist sie verwerflich und das zwar [20.6] nicht, um eines dir, oder auch anderen, daraus bevor- [20.7] stehenden Nachtheils willen, sondern weil sie nicht als [20.8] Princip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen [20.9] kann, für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittel- [20.10] bare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht +ein-+ [20.11] +sehe+, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph un- [20.12] tersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe: [20.13] daß es eine Schätzung des Werthes sey, welche allen [20.14] Werth dessen, was durch Neigung angepriesen wird, [20.15] weit überwiegt, und daß die Nothwendigkeit meiner [20.16] Handlungen aus +reiner+ Achtung fürs practische Gesetz [20.17] dasjenige sey, was die Pflicht ausmacht, der jeder an- [20.18] dere Bewegungsgrund weichen muß, weil sie die Bedin- [20.19] gung eines +an sich+ guten Willens ist, dessen Werth über [20.20] alles geht. [20.21] So sind wir denn in der moralischen Erkenntnis [20.22] der gemeinen Menschenvernunft bis zu ihrem Princip [20.23] gelangt, welches sie sich zwar freylich nicht so in einer [20.24] allgemeinen Form abgesondert denkt, aber doch jederzeit [20.25] wirklich vor Augen hat und zum Richtmaaße ihrer Be- [20.26] urtheilung braucht. Es wäre hier leicht zu zeigen, wie 20 [4:403-404] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [21.1] sie, mit diesem Compasse in der Hand, in allen vorkom- [21.2] menden Fällen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden [21.3] was gut, was böse, pflichtmäßig, oder pflichtwidrig [21.4] sey, wenn man, ohne sie im mindesten etwas neues zu [21.5] lehren, sie nur, wie Socrates that, auf ihr eigenes Prin- [21.6] cip aufmerksam macht, und daß es also keiner Wissen- [21.7] schaft und Philosophie bedürfe, um zu wissen, was man [21.8] zu thun habe, um ehrlich und gut, ja so gar um weise [21.9] und tugendhaft zu seyn. Das liesse sich auch wohl schon [21.10] zum voraus vermuthen, daß die Kenntnis dessen, was [21.11] zu thun, mithin auch zu wissen jedem Menschen obliegt, [21.12] auch jedes, selbst des gemeinsten Menschen Sache seyn [21.13] werde. Gleichwohl kann man es doch nicht ohne Be- [21.14] wunderung ansehen, wie das practische Beurtheilungs- [21.15] vermögen vor dem theoretischen im gemeinen Menschen- [21.16] verstande so gar viel voraus habe. In dem letzteren, [21.17] wenn die gemeine Vernunft es wagt, von den Erfahrungs- [21.18] gesetzen und den Wahrnehmungen der Sinne abzugehen, [21.19] geräth sie in lauter Unbegreiflichkeiten und Widersprüche [21.20] mit sich selbst, wenigstens in ein Chaos von Ungewisheit, [21.21] Dunkelheit und Unbestand. Im practischen aber fängt [21.22] die Beurtheilungskraft denn eben allererst an, sich recht [21.23] vortheilhaft zu zeigen, wenn der gemeine Verstand alle [21.24] sinnliche Triebfedern von practischen Gesetzen ausschließt. [21.25] Er wird alsdenn so gar subtil, es mag seyn, daß er [21.26] mit seinem Gewissen, oder anderen Ansprüchen in Be- [21.27] ziehung auf das, was recht heissen soll, chicaniren, oder 21 [4:404] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [22.1] auch den Werth der Handlungen zu seiner eigenen Be- [22.2] lohnung aufrichtig bestimmen will und, was das meiste [22.3] ist, er kann im letzteren Falle sich eben so gut Hoffnung [22.4] machen, es recht zu treffen, als es sich immer ein Phi- [22.5] losoph versprechen mag, ja ist beynahe noch sicherer hier- [22.6] in, als selbst der letztere, weil dieser doch kein anderes [22.7] Princip als jener haben kann, sein Urtheil aber, durch [22.8] eine Menge fremder, nicht zur Sache gehöriger Erwä- [22.9] gungen, leicht verwirren und von der geraden Richtung [22.10] abweichend machen kann. Wäre es demnach nicht rath- [22.11] samer, es in moralischen Dingen bey dem gemeinen Ver- [22.12] nunfturtheil bewenden zu lassen, und höchstens nur Phi- [22.13] losophie anzubringen, um das System der Sitten desto [22.14] vollständiger und faßlicher, imgleichen die Regeln dersel- [22.15] ben zum Gebrauche, (noch mehr aber zum Disputiren,) [22.16] bequemer darzustellen, nicht aber um selbst in practischer [22.17] Absicht den gemeinen Menschenverstand von seiner glück- [22.18] lichen Einfalt abzubringen und ihn durch Philosophie [22.19] auf einen neuen Weg der Untersuchung und Belehrung [22.20] zu bringen. [22.21] Es ist eine herrliche Sache um die Unschuld, nur [22.22] es ist auch wiederum sehr schlimm, daß sie sich nicht wohl [22.23] bewahren läßt und leicht verführt wird. Deswegen be- [22.24] darf selbst die Weisheit — die sonst wohl mehr in Thun [22.25] und Lassen, als im Wissen besteht, — doch auch der [22.26] Wissenschaft, nicht, um von ihr zu lernen, sondern ih- 22 [4:404-405] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [23.1] rer Vorschrift Eingang und Dauerhaftigkeit zu verschaf- [23.2] fen. Der Mensch fühlt in sich selbst ein mächtiges Ge- [23.3] gengewicht gegen alle Gebote der Pflicht, die ihm die [23.4] Vernunft so hochachtungswürdig vorstellt, an seinen [23.5] Bedürfnissen und Neigungen, deren ganze Befriedigung [23.6] er unter dem Nahmen der Glückseligkeit zusammen faßt. [23.7] Nun gebietet die Vernunft, ohne doch dabey den Neigun- [23.8] gen etwas zu verheissen, unnachlaßlich, mithin gleichsam [23.9] mit Zurüksetzung und Nichtachtung jener so ungestümen [23.10] und dabey so billig scheinenden Ansprüche, (die sich durch [23.11] kein Gebot wollen aufheben lassen), ihre Vorschriften. [23.12] Hieraus entspringt aber eine +natürliche Dialectik+, d. i. [23.13] ein Hang, wider jene strenge Gesetze der Pflicht zu ver- [23.14] nünfteln, und ihre Gültigkeit, wenigstens ihre Reinig- [23.15] keit und Strenge in Zweifel zu ziehen, wenigstens sie, [23.16] wo möglich, unsern Wünschen und Neigungen angemes- [23.17] sener zu machen, d. i. sie im Grunde zu verderben und [23.18] um ihre ganze Würde zu bringen, welches denn doch selbst [23.19] die gemeine practische Vernunft am Ende nicht gut heissen [23.20] kann. [23.21] So wird also die +gemeine Menschenvernunft+ [23.22] nicht durch irgend ein Bedürfnis der Speculation (wel- [23.23] ches ihr, so lange sie sich genügt, blosse gesunde Vernunf [23.24] zu seyn, niemals anwandelt), sondern selbst aus practi- [23.25] schen Gründen angetrieben, aus ihrem Creise zu gehen, [23.26] und einen Schritt ins Feld einer +practischen Philosophie+ [23.27] zu thun, um daselbst, wegen der Quelle ihres Princips 23 [4:405] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Erster Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [24.1] und richtigen Bestimmung desselben in Gegenhaltung mit [24.2] den Maximen, die sich auf Bedürfnis und Neigung fus- [24.3] sen, Erkundigung und deutliche Anweisung zu bekommen, [24.4] damit sie aus der Verlegenheit wegen beyderseitiger An- [24.5] sprüche komme und nicht Gefahr lauffe, durch die Zwey- [24.6] deutigkeit, in die sie leicht geräth, um alle ächte sittliche [24.7] Grundsätze gebracht zu werden. Also entspinnt sich eben [24.8] so wohl in der practischen gemeinen Vernunft, wenn sie [24.9] sich cultivirt, unvermerkt eine +Dialectik+, welche sie nö- [24.10] thigt, in der Philosophie Hülfe zu suchen, als es ihr im [24.11] theoretischen Gebrauche wiederfährt, und die erstere wird [24.12] daher wohl eben so wenig, als die andere, irgendwo [24.13] sonst, als in einer vollständigen Critik unserer Vernunft [24.14] Ruhe finden. _______________________ 24 [4:405] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [25.1] ++Zweyter Abschnitt.++ [25.2] ++Uebergang++ [25.3] +von der populären sittlichen Weltweisheit+ [25.4] ++zur++ [25.5] ++Metaphysik der Sitten.++ [25.6] Wenn wir unsern bisherigen Begriff der Pflicht aus [25.7] dem gemeinen Gebrauche unserer practischen Ver- [25.8] nunft gezogen haben, so ist daraus keinesweges zu schlies- [25.9] sen, als hätten wir ihn als einen Erfahrungsbegriff be- [25.10] handelt. Vielmehr, wenn wir auf die Erfahrung vom [25.11] Thun und Lassen der Menschen Acht haben, treffen wir [25.12] häufige und, wie wir selbst einräumen, gerechte Klagen [25.13] an, daß man von der Gesinnung, aus reiner Pflicht zu [25.14] handeln, so gar keine sichere Beyspiele anführen könne, [25.15] daß, wenn gleich manches dem, was +Pflicht+ gebietet, [25.16] +gemäß+ geschehen mag, dennoch es so zweifelhaft sey, daß [25.17] es eigentlich +aus Pflicht+ geschehe und also einen morali- [25.18] schen Werth habe, daß es zu aller Zeit Philosophen ge- [25.19] geben hat, welche die Wirklichkeit dieser Gesinnung in [25.20] den menschlichen Handlungen schlechterdings abgeleugnet, [25.21] und alles der mehr oder weniger verfeinerten Selbstliebe [25.22] zugeschrieben haben, ohne doch deswegen die Richtigkeit [25.23] des Begriffs von Sittlichkeit in Zweifel zu ziehen, viel- [25.24] mehr mit inniglichem Bedauren der Gebrechlichkeit und [25.25] Unlauterkeit der menschlichen Natur, die zwar edel gnug 25 [4:406] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [26.1] ist, sich eine so achtungswürdige Idee zu ihrer Vorschrift [26.2] zu machen, aber zugleich zu schwach, um sie zu befolgen [26.3] und welche die Vernunft, die ihr zur Gesetzgebung die- [26.4] nen sollte, nur dazu braucht, um das Interesse der Nei- [26.5] gungen, es sey einzeln oder, wenn es hoch kommt, in [26.6] ihrer größten Verträglichkeit unter einander, zu besorgen. [26.7] In der That ist es schlechterdings unmöglich, durch [26.8] Erfahrung einen einzigen Fall mit völliger Gewißheit aus- [26.9] zumachen, da die Maxime einer sonst pflichtmäßigen Hand- [26.10] lung lediglich auf moralischen Gründen und auf der Vor- [26.11] stellung seiner Pflicht beruhet habe. Denn es ist zwar [26.12] bisweilen der Fall, daß wir bey der schärfsten Selbstprü- [26.13] fung gar nichts antreffen, was ausser dem moralischen [26.14] Grunde der Pflicht mächtig genug hätte seyn können, uns [26.15] zu dieser oder jener guten Handlung und so großer Auf- [26.16] opferung zu bewegen, es kann aber daraus gar nicht mit [26.17] Sicherheit geschlossen werden, daß wirklich gar kein ge- [26.18] heimer Antrieb der Selbstliebe unter der Vorspiegelung [26.19] jener Idee, die eigentliche bestimmende Ursache des Wil- [26.20] lens gewesen sey, dafür wir denn gerne uns mit einem [26.21] uns fälschlich angemaßten edlern Bewegungsgrunde [26.22] schmeicheln, in der That aber selbst durch die angestreng- [26.23] ste Prüfung hinter die geheime Triebfedern niemals völ- [26.24] lig kommen können, weil, wenn vom moralischen Wer- [26.25] the die Rede ist, es nicht auf die Handlungen ankommt, [26.26] die man sieht, sondern auf jene innere Principien dersel- [26.27] ben, die man nicht sieht. 26 [4:406-407] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [27.1] Man kann auch denen, die alle Sittlichkeit, als [27.2] bloßes Hirngespinst einer durch Eigendünkel sich selbst über- [27.3] steigenden menschlichen Einbildung verlachen, keinen ge- [27.4] wünschteren Dienst thun, als ihnen einzuräumen: daß [27.5] die Begriffe der Pflicht (so wie man sich auch aus Ge- [27.6] mächlichkeit gerne überredet, daß es auch mit allen übri- [27.7] gen Begriffen bewandt sey), lediglich aus der Erfahrung [27.8] gezogen werden mußten; denn da bereitet man jenen ei- [27.9] nen sichern Triumph. Ich will aus Menschenliebe einräu- [27.10] men, daß noch die meisten unserer Handlungen pflichtmäs- [27.11] sig seyn; sieht man aber ihr Tichten und Trachten näher [27.12] an, so stößt man allenthalben auf das liebe Selbst, was [27.13] immer hervorsticht, worauf, und nicht auf das strenge [27.14] Gebot der Pflicht, welches mehrmalen Selbstverläugnung [27.15] erfodern würde, sich ihre Absicht stützet. Man braucht [27.16] auch eben kein Feind der Tugend, sondern nur ein kalt- [27.17] blütiger Beobachter zu seyn, der den lebhaftesten Wunsch [27.18] für das Gute nicht so fort für dessen Wirklichkeit hält, [27.19] um (vornämlich mit zunehmenden Jahren und einer durch [27.20] Erfahrung theils gewitzigten, theils zum Beobachten ge- [27.21] schärften Urtheilskraft), in gewissen Augenblicken zweifel- [27.22] haft zu werden, ob auch wirklich in der Welt irgend [27.23] wahre Tugend angetroffen werde. Und hier kann uns [27.24] nun nichts für den gänzlichen Abfall von unseren Ideen [27.25] der Pflicht bewahren und gegründete Achtung gegen ihr [27.26] Gesetz in der Seele erhalten, als die klare Ueberzeugung, [27.27] daß, wenn es auch niemals Handlungen gegeben habe, 27 [4:407] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [28.1] die aus solchen reinen Quellen entsprungen wären, den- [28.2] noch hier auch davon gar nicht die Rede sey: ob dies [28.3] oder jenes geschehe, sondern die Vernunft für sich selbst [28.4] und unabhängig von allen Erscheinungen gebiete, was [28.5] geschehen soll, mithin Handlungen, von denen die Welt [28.6] vielleicht bisher noch gar kein Beyspiel gegeben hat, an [28.7] deren Thunlichkeit so gar der, so alles auf Erfahrung [28.8] gründet, sehr zweifeln möchte, dennoch durch Vernunft [28.9] unnachlaßlich geboten sey, und daß z.B. reine Redlich- [28.10] keit in der Freundschaft um nichts weniger von jedem [28.11] Menschen gefodert werden könne, wenn es gleich bis jetzt [28.12] gar keinen redlichen Freund gegeben haben möchte, weil [28.13] diese Pflicht als Pflicht überhaupt, vor aller Erfahrung [28.14] in der Idee einer den Willen durch Gründe a priori be- [28.15] stimmenden Vernunft liegt. [28.16] Setzet man hinzu, daß, wenn man dem Begriffe [28.17] von Sittlichkeit nicht gar alle Wahrheit und Beziehung [28.18] auf irgend ein mögliches Obiect streiten will, man nicht [28.19] in Abrede ziehen könne, daß sein Gesetz von so ausge- [28.20] breiteter Bedeutung sey, daß es nicht blos für Menschen, [28.21] sondern alle +vernünftige Wesen überhaupt,+ nicht [28.22] blos unter zufälligen Bedingungen und mit Ausnahmen, [28.23] sondern +schlechterdings nothwendig+ gelten müsse, so [28.24] ist klar, daß keine Erfahrung selbst, auch nur auf die Mög- [28.25] lichkeit solcher apodictischen Gesetze zu schließen, Anlas [28.26] geben könne. Denn mit welchem Rechte können wir das, 28 [4:407-408] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [29.1] was vielleicht nur unter den zufälligen Bedingungen der [29.2] Menschheit gültig ist, als allgemeine Vorschrift für jede [29.3] vernünftige Natur, in unbeschränkte Achtung bringen [29.4] und wie sollen Gesetze der Bestimmung +unseres+ Willens, [29.5] für Gesetze der Bestimmung des Willens eines vernünfti- [29.6] gen Wesens überhaupt und, nur als solche, auch für [29.7] den unsrigen gehalten werden, wenn sie blos empirisch [29.8] wären und nicht völlig a priori aus reiner, aber practi- [29.9] scher Vernunft ihren Ursprung nähmen. [29.10] Man könnte auch der Sittlichkeit nicht übler rathen, [29.11] als wenn man sie von Beyspielen entlehnen wollte. Denn [29.12] jedes Beyspiel, was mir davon vorgestellt wird, muß [29.13] selbst zuvor nach Prinzipien der Moralität beurtheilt wer- [29.14] den, ob es auch würdig sey, zum ächten Beyspiele, d. i. [29.15] zum Muster zu dienen, keinesweges aber kann es den [29.16] Begriff derselben zu oberst an die Hand geben. Selbst [29.17] der Heilige des Evangelii muß zuvor mit unserm Ideal [29.18] der sittlichen Vollkommenheit verglichen werden, ehe [29.19] man ihn dafür erkennt; auch sagt er von sich selbst: was [29.20] nennt ihr mich, (den ihr sehet), gut, niemand ist gut [29.21] (das Urbild des Guten) als der einige Gott, (den ihr nicht [29.22] sehet). Woher haben wir aber den Begriff von Gott, [29.23] als dem höchsten Gut? Lediglich aus der +Idee+, die die [29.24] Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft, [29.25] und mit dem Begriffe eines freyen Willens unzertrenn- [29.26] lich verknüpft. Nachahmung findet im Sittlichen gar 29 [4:408-409] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [30.1] nicht statt und Beyspiele dienen nur zur Aufmunterung, [30.2] d. i. sie setzen die Thunlichkeit dessen, was das Gesetz ge- [30.3] bietet, ausser Zweifel, sie machen das, was die practi- [30.4] sche Regel allgemeiner ausdrückt, anschaulich, können [30.5] aber niemals berechtigen, ihr wahres Original, das in [30.6] der Vernunft liegt, bey Seite zu setzen und sich nach [30.7] Beyspielen zu richten. [30.8] Wenn es denn keinen ächten obersten Grundsatz [30.9] der Sittlichkeit giebt, der nicht unabhängig von aller [30.10] Erfahrung blos auf reiner Vernunft beruhen müßte, so [30.11] glaube ich, es sey nicht nöthig, auch nur zu fragen, ob [30.12] es gut sey, diese Begriffe, so wie sie, samt denen ihnen [30.13] zugehörigen Prinzipien, a priori feststehen, im allge- [30.14] meinen (in abstracto) vorzutragen, wofern das Erkennt- [30.15] nis sich vom gemeinen unterscheiden und philosophisch [30.16] heissen soll. Aber in unsern Zeiten möchte dieses wohl [30.17] nöthig seyn. Denn wenn man Stimmen sammelte: ob [30.18] reine von allem Empirischen abgesonderte Vernunfter- [30.19] kenntnis, mithin Metaphysik der Sitten, oder popu- [30.20] läre practische Philosophie vorzuziehen sey, so räth man [30.21] bald, auf welche Seite die Wahrheit fallen werde. [30.22] Diese Herablassung zu Volksbegriffen ist allerdings [30.23] sehr rühmlich, wenn die Erhebung zu den Prinzipien [30.24] der reinen Vernunft zuvor geschehen und zur völligen Be- [30.25] friedigung erreicht ist, und das würde heissen, die Leh- 30 [4:409] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [31.1] re der Sitten zuvor auf Metaphysik +gründen+, ihr aber, [31.2] wenn sie fest steht, nachher durch Popularität +Eingang+ [31.3] verschaffen. Es ist aber äußerst ungereimt, dieser in [31.4] der ersten Untersuchung, worauf alle Richtigkeit der [31.5] Grundsätze ankommt, schon willfahren zu wollen. Nicht [31.6] allein, daß dieses Verfahren auf das höchst seltene Ver- [31.7] dienst einer wahren +philosophischen Popularität+ nie- [31.8] mals Anspruch machen kann, indem es gar keine Kunst [31.9] ist, gemeinverständlich zu seyn, wenn man dabey auf [31.10] alle gründliche Einsicht Verzicht thut, so bringt es einen [31.11] ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beob- [31.12] achtungen und halbvernünftelnden Prinzipien zum Vor- [31.13] schein, daran sich schaale Köpfe laben, weil es doch et- [31.14] was gar brauchbares fürs alltägliche Geschwätz ist, wo [31.15] einsehende aber Verwirrung fühlen und unzufrieden, oh- [31.16] ne sich doch helfen zu können, ihre Augen wegwenden, [31.17] Philosophen aber das Blendwerk ganz wohl durchschauen, [31.18] aber wenig Gehör finden, wenn sie auf einige Zeit von [31.19] der vorgeblichen Popularität abrufen, um nur allererst [31.20] nach erworbener bestimmter Einsicht mit Recht populär [31.21] seyn zu dürfen. [31.22] Man darf nur die Versuche über die Sittlichkeit [31.23] in jenem beliebten Geschmacke ansehen, so wird man [31.24] bald die besondere Bestimmung der menschlichen Natur, [31.25] (mit unter aber auch die Idee von einer vernünftigen [31.26] Natur überhaupt,) bald Vollkommenheit, bald Glückse- 31 [4:409-410] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [32.1] ligkeit, hier moralisches Gefühl, dort Gottesfurcht, von [32.2] diesem etwas, von jenem auch etwas, in wunderbarem [32.3] Gemische antreffen, ohne daß man sich einfallen läßt zu [32.4] fragen, ob auch überall in der Kenntnis der menschlichen [32.5] Natur (die wir doch nur von der Erfahrung herhaben [32.6] können), die Prinzipien der Sittlichkeit zu suchen seyn [32.7] und, wenn dieses nicht ist, wenn die letztere völlig a [32.8] priori, frey von allem Empirischen, schlechterdings in [32.9] reinen Vernunftbegriffen und nirgend anders, auch nicht [32.10] dem mindesten Theile nach, anzutreffen seyn, den An- [32.11] schlag zu fassen, diese Untersuchung als reine practische [32.12] Weltweisheit, oder, (wenn man einen so verschrieenen [32.13] Nahmen nennen darf), als Metaphysik *) der Sitten, lie- [32.14] ber ganz abzusondern, sie für sich allein zu ihrer ganzen [32.15] Vollständigkeit zu bringen und das Publicum, das Po- [32.16] pularität verlangt, bis zum Ausgange dieses Unterneh- [32.17] mens zu vertrösten. [32.18] Es ist aber eine solche völlig isolirte Meta- [32.19] physik der Sitten, die mit keiner Anthropologie, mit [32.20] *) Man kann, wenn man will, (so wie die reine Mathematik [32.21] von der angewandten, die reine Logik von der angewandten [32.22] unterschieden wird, also) die reine Philosophie der Sitten (Me- [32.23] taphysik) von der angewandten (nämlich auf die menschliche [32.24] Natur) unterscheiden. Durch diese Benennung wird man auch [32.25] so fort erinnert, daß die sittliche Prinzipien nicht auf die Ei- [32.26] genheiten der menschlichen Natur gegründet, sondern für sich [32.27] a priori bestehend seyn müssen, aus solchen aber, wie für jede [32.28] vernünftige Natur, also auch für die menschliche, practische [32.29] Regeln müssen abgeleitet werden können. 32 [4:410] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [33.1] keiner Theologie, mit keiner Physik, oder Hyperphysik, [33.2] noch weniger mit verborgenen Qualitäten, (die man hy- [33.3] pophysisch nennen könnte), vermischt ist, nicht allein ein [33.4] unentbehrliches Substrat aller theoretischen sicher bestimm- [33.5] ten Erkenntnis der Pflichten, sondern zugleich ein Desi- [33.6] derat von der höchsten Wichtigkeit zur wirklichen Vollzie- [33.7] hung ihrer Vorschriften. Denn die reine und mit kei- [33.8] nem fremden Zusatze von empirischen Anreitzen vermischte [33.9] Vorstellung der Pflicht und überhaupt des sittlichen Ge- [33.10] setzes hat auf das menschliche Herz durch den Weg der [33.11] Vernunft allein, (die hiebey zuerst inne wird, daß sie [33.12] für sich selbst auch practisch seyn kann), einen so viel mäch- [33.13] tigern Einfluß, als alle andere Triebfedern *), die man [33.14] aus dem empirischen Felde aufbieten mag, daß sie im [33.15] Bewustseyn ihrer Würde die letzteren, verachtet und nach [33.16] und nach ihr Meister werden kann, an dessen Statt eine [33.17] vermischte Sittenlehre, die aus Triebfedern von Gefüh- [33.18] len und Neigungen und zugleich aus Vernunftbegriffen [33.19] *) Ich habe einen Brief vom sel. vortreflichen +Sulzer+, worinn er [33.20] mich frägt: was doch die Ursache seyn möge, warum die Leh- [33.21] ren der Tugend, so viel Ueberzeugendes sie auch für die Ver- [33.22] nunft haben, doch so wenig ausrichten. Meine Antwort wurde [33.23] durch die Zurüstung dazu, um sie vollständig zu geben, ver- [33.24] spätet. Allein es ist keine andere, als daß die Lehrer selbst [33.25] ihre Begriffe nicht ins Reine gebracht haben und, indem sie es [33.26] zu gut machen wollen, dadurch, daß sie allerwerts Bewegur- [33.27] sachen zum Sittlichguten auftreiben, um die Arzney recht [33.28] kräftig zu machen, sie sie verderben. Denn die gemeinste 33 [4:410-411] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [34.1] zusammengesetzt ist, das Gemüth zwischen Bewegursachen, [34.2] die sich unter kein Prinzip bringen lassen, die nur sehr [34.3] zufällig zum Guten, öfters aber auch zum Bösen leiten [34.4] können, verwirrt machen muß. [34.5] Aus dem angeführten erhellet: daß alle sittliche [34.6] Begriffe völlig a priori in der Vernunft ihren Sitz und [34.7] Ursprung haben und dieses zwar in der gemeinsten Men- [34.8] schenvernunft, eben so wohl als der im höchsten Maaße [34.9] speculativen, daß sie von keinem empirischen und darum [34.10] blos zufälligen Erkenntnisse abstrahirt werden könne, daß [34.11] in dieser Reinigkeit ihres Ursprunges eben ihre Würde [34.12] liege, uns zu obersten praktischen Prinzipien zu dienen, [34.13] daß man jedesmal so viel, als man Empirisches hinzu [34.14] thut, so viel auch ihrem ächten Einflusse und dem unein- [34.15] geschränkten Werthe der Handlungen entziehe, daß es [34.16] nicht allein die größte Nothwendigkeit in theoretischer [34.17] Absicht, wenn es blos auf Speculation ankommt, er- [34.18] Beobachtung zeigt, daß, wenn man eine Handlung der Recht- [34.19] schaffenheit vorstellt, wie sie von aller Absicht auf irgend einen [34.20] Vortheil, in dieser oder einer anderen Welt, abgesondert, selbst [34.21] unter den größten Versuchungen der Noth, oder der Anlockung, [34.22] mit standhafter Seele ausgeübt worden, sie jede ähnliche [34.23] Handlung, die nur im mindesten durch eine fremde Triebfeder [34.24] afficirt war, weit hinter sich lasse und verdunkle, die Seele [34.25] erhebe und den Wunsch errege, auch so handeln zu können. [34.26] Selbst Kinder von mittlerem Alter fühlen diesen Eindruck und [34.27] ihnen sollte man Pflichten auch niemals anders vorstellen. 34 [4:411] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [35.1] fodere, sondern auch von der größten practischen Wich- [35.2] tigkeit sey, ihre Begriffe und Gesetze aus reiner Ver- [35.3] nunft zu schöpfen, rein und unvermengt vorzutragen, ja [35.4] den Umfang dieses ganzen practischen oder reinen Ver- [35.5] nunfterkenntnisses, d. i. das ganze Vermögen der rei- [35.6] nen practischen Vernunft, zu bestimmen, hierin aber [35.7] nicht, wie es wohl die speculative Philosophie erlaubt, [35.8] ja gar bisweilen nothwendig findet, die Prinzipien von [35.9] der besondern Natur der menschlichen Vernunft abhängig [35.10] zu machen, sondern darum, weil moralische Gesetze für [35.11] jedes vernünftige Wesen überhaupt gelten sollen, sie [35.12] schon aus dem allgemeinen Begriffe eines vernünftigen [35.13] Wesens überhaupt abzuleiten und auf solche Weise alle [35.14] Moral, die zu ihrer +Anwendung+ auf Menschen der An- [35.15] thropologie bedarf, zuerst unabhängig von dieser als rei- [35.16] ne Philosophie, d. i. als Metaphysik vollständig (welches [35.17] sich in dieser Art ganz abgesonderter Erkenntnisse wohl [35.18] thun läßt), vorzutragen, wohl bewußt, daß es, ohne [35.19] im Besitze derselben zu seyn, vergeblich sey, ich will nicht [35.20] sagen, das Moralische der Pflicht in allem, was pflicht- [35.21] mäßig ist, genau für die speculative Beurtheilung zu be- [35.22] stimmen, sondern so gar im blos gemeinen und practi- [35.23] schen Gebrauche, vornemlich der moralischen Unterwei- [35.24] sung, unmöglich sey, die Sitten auf ihre ächte Prinzi- [35.25] pien zu gründen und dadurch reine moralische Gesinnun- [35.26] gen zu bewirken und zum höchsten Weltbesten den Ge- [35.27] müthern einzupfropfen. 35 [4:411-412] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [36.1] Um aber in dieser Bearbeitung nicht blos von der [36.2] gemeinen sittlichen Beurtheilung (die hier sehr achtungs- [36.3] würdig ist), zur philosophischen, wie sonst geschehen ist, [36.4] sondern von einer populären Philosophie, die nicht wei- [36.5] ter geht, als sie durch Tappen vermittelst der Beyspiele [36.6] kommen kann, bis zur Metaphysik, (die sich durch nichts [36.7] Empirisches weiter zurückhalten läßt und, indem sie den [36.8] ganzen Inbegriff der Vernunfterkenntniß dieser Art aus- [36.9] messen muß, allenfalls bis zu Ideen geht, wo selbst die [36.10] Beyspiele, die denen adäquart waren, uns verlassen), durch [36.11] die natürliche Stuffen fortzuschreiten; müssen wir das [36.12] practische Vernunftvermögen von seinen allgemeinen Be- [36.13] stimmungsregeln an, bis dahin, wo aus ihm der Be- [36.14] griff der Pflicht entspringt, verfolgen und deutlich dar- [36.15] stellen. [36.16] Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. [36.17] Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, +nach+ [36.18] +der Vorstellung+ der Gesetze, d. i. nach Principien, zu [36.19] handeln oder einen +Willen+. Da zur Ableitung der Hand- [36.20] lungen von Gesetzen +Vernunft+ erfodert wird, so ist der [36.21] Wille nichts anders, als practische Vernunft. Wenn [36.22] die Vernunft den Willen unausbleiblich bestimmt, so sind [36.23] die Handlungen eines solchen Wesens, die als obiectiv [36.24] nothwendig erkannt werden, auch subiectiv nothwendig, [36.25] d. i. der Wille ist ein Vermögen, +nur dasienige+ zu wäh- [36.26] len, was die Vernunft, unabhängig von der Neigung, 36 [4:412] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [37.1] als practisch nothwendig, d. i. als gut erkennt. Be- [37.2] stimmt aber die Vernunft für sich allein den Willen nicht [37.3] hinlänglich, ist dieser noch subiectiven Bedingungen (ge- [37.4] wissen Triebfedern) unterworfen, die nicht immer mit [37.5] den obiectiven übereinstimmen, mit einem Worte, ist der [37.6] Wille nicht +an sich+ völlig der Vernunft gemäß, (wie es [37.7] bey Menschen wirklich ist), so sind die Handlungen, die [37.8] obiectiv als nothwendig erkannt werden, subiectiv zufäl- [37.9] lig, und die Bestimmung eines solchen Willens, obiectiven [37.10] Gesetzen gemäß, ist +Nöthigung,+ d. i. das Verhältnis [37.11] der obiectiven Gesetze zu einem nicht durchaus guten Wil- [37.12] len wird vorgestellt als die Bestimmung des Willens ei- [37.13] nes vernünftigen Wesens zwar durch Gründe der Ver- [37.14] nunft, denen aber dieser Wille seiner Natur nach nicht [37.15] nothwendig folgsam ist. [37.16] Die Vorstellung eines obiectiven Prinzips, sofern [37.17] es für einen Willen nöthigend ist, heißt ein Geboth (der [37.18] Vernunft), und die Formel des Gebots heißt ++Impe-++ [37.19] ++rativ++. [37.20] Alle Imperativen werden durch ein +Sollen+ ausge- [37.21] drukt, und zeigen dadurch das Verhältnis eines obiecti- [37.22] ven Gesetzes der Vernunft zu einem Willen an, der sei- [37.23] ner subiectiven Beschaffenheit nach dadurch nicht nothwen- [37.24] dig bestimmt wird, (eine Nöthigung). Sie sagen, daß [37.25] etwas zu thun oder zu unterlassen gut seyn würde, allein 37 [4:412-413] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [38.1] sie sagen es einem Willen, der nicht immer darum etwas [38.2] thut, weil ihm vorgestellt wird, daß es zu thun gut sey. [38.3] Practisch +gut+ ist aber, was vermittelst der Vorstellungen [38.4] der Vernunft, mithin nicht aus subiectiven Ursachen, son- [38.5] dern obiectiv, d. i. aus Gründen, die für jedes vernünf- [38.6] tige Wesen, als ein solches, gültig sind, den Willen be- [38.7] stimmt. Es wird vom +Angenehmen+ unterschieden, als [38.8] demjenigen, was nur vermittelst der Empfindung aus blos [38.9] subjectiven Ursachen, die nur für dieses oder jenes seinen [38.10] Sinn gelten, und nicht als Prinzip der Vernunft, das [38.11] für jedermann gilt, auf den Willen Einfluß hat *). [38.12] *) Die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens von Empfindungen [38.13] heißt Neigung, und diese beweiset also jederzeit ein +Bedürfnis+. [38.14] Die Abhängigkeit des Willens aber von Prinzipien der Ver- [38.15] nunft heißt ein +Interesse+. Dieses findet also nur bey einem ab- [38.16] hängigen Willen statt, der nicht von selbst jederzeit der Vernunft [38.17] gemäß ist; beym göttlichen Willen kann man sich kein Interesse [38.18] gedenken. Aber auch der menschliche Wille kann woran ein +In-+ [38.19] +teresse nehmen+, ohne darum +aus Interesse zu handeln+. Das [38.20] erste bedeutet das +practische+ Interesse an der Handlung, das zwey- [38.21] te das +pathologische+ Interesse am Gegenstande der Handlung. [38.22] Das erste zeigt nur Abhängigkeit des Willens von Principien der [38.23] Vernunft an sich selbst, das zweyte von den Prinzipien derselben [38.24] zum Behuf der Neigung an, da nämlich die Vernunft nur die [38.25] practische Regel angiebt, wie dem Bedürfnisse der Neigung ab- [38.26] geholfen werde. Im ersten Falle interessirt mich die Handlung, [38.27] im zweyten der Gegenstand der Handlung, (so fern er mir ange- [38.28] nehm ist). Wir haben im ersten Abschnitte gesehen: daß bey ei- [38.29] ner Handlung aus Pflicht nicht auf das Interesse am Gegen- [38.30] stande, sondern blos an der Handlung selbst und ihrem Princip [38.31] in der Vernunft (dem Gesetz) gesehen werden müsse. 38 [4:413-414] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [39.1] Ein vollkommen guter Wille würde also eben so [39.2] wohl unter obiectiven Gesetzen (des Guten) stehen, aber [39.3] nicht dadurch als zu gesetzmäßigen Handlungen +genöthigt+ [39.4] vorgestellt werden können, weil er von selbst, nach seiner [39.5] subiectiven Beschaffenheit, nur durch die Vorstellung des [39.6] Guten bestimmt werden kann. Daher gelten für den [39.7] +göttlichen+ und überhaupt für einen +heiligen+ Willen keine [39.8] Imperativen; das +Sollen+ ist hier am unrechten Orte, [39.9] weil das +Wollen+ schon von selbst mit dem Gesetz noth- [39.10] wendig einstimmig ist. Daher sind Imperativen nur [39.11] Formeln, das Verhältnis obiectiver Gesetze des Wollens [39.12] überhaupt zu der subiectiven Unvollkommenheit des Wil- [39.13] lens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z.B. des [39.14] menschlichen Willens, auszudrücken. [39.15] Alle +Imperativen+ nun gebieten entweder +hypo-+ [39.16] +thetisch+, oder +categorisch+. Jene stellen die practische [39.17] Nothwendigkeit einer möglichen Handlung als Mittel zu [39.18] etwas anderem, was man will (oder doch möglich ist, daß [39.19] man es wolle), zu gelangen vor. Der categorische Im- [39.20] perativ würde der seyn, welcher eine Handlung als für [39.21] sich selbst, ohne Beziehung auf einen andern Zweck, als [39.22] obiectiv-nothwendig vorstellte. [39.23] Weil jedes practische Gesetz eine mögliche Hand- [39.24] lung als gut und darum, für ein durch Vernunft prac- [39.25] tisch bestimmbares Subiect, als nothwendig vorstellt, so 39 [4:414] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [40.1] sind alle Imperativen Formeln der Bestimmung der Hand- [40.2] lung, die nach dem Prinzip eines in irgend einer Absicht [40.3] guten Willens nothwendig ist. Wenn nun die Handlung [40.4] blos +wozu Anderes+, als Mittel, gut seyn würde, so [40.5] ist der Imperativ +hypothetisch+, wird sie als +an sich+ [40.6] gut vorgestellt, mithin als nothwendig in einem an sich [40.7] der Vernunft gemäßen Willen, als Prinzip desselben, so [40.8] ist er +categorisch+. [40.9] Der Imperativ sagt also, welche durch mich mög- [40.10] liche Handlung gut wäre und stellt die practische Regel in [40.11] Verhältnis auf den Willen vor, der darum nicht sofort [40.12] eine Handlung thut, weil sie gut ist, theils weil das [40.13] Subiect nicht immer weiß, daß sie gut sey, theils weil, [40.14] wenn es dieses auch wüßte, die Maximen desselben doch [40.15] den obiectiven Principien einer practischen Vernunft zu- [40.16] wider seyn könnten. [40.17] Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß [40.18] die Handlung zu irgend einer +möglichen+ oder +wirklichen+ [40.19] Absicht gut sey. Im erstern Falle ist er ein ++proble-++ [40.20] ++matisch++, im zweyten ++assertorisch++-practisches [40.21] Prinzip. Der categorische Imperativ, der die Hand- [40.22] lung ohne Beziehung auf irgend eine Absicht, d. i. auch [40.23] ohne irgend einen andern Zweck für sich als obiectiv noth- [40.24] wendig erklärt, gilt als ein ++apodictisch++ (practisches) [40.25] Prinzip. 40 [4:414-415] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [41.1] Man kann sich das, was nur durch Kräfte irgend [41.2] eines vernünftigen Wesens möglich ist, auch für irgend [41.3] einen Willen als mögliche Absicht denken und daher sind [41.4] der Prinzipien der Handlung, so fern sie als nothwendig [41.5] vorgestellt wird, um irgend eine dadurch zu bewirkende [41.6] mögliche Absicht zu erreichen, in der That unendlich viel. [41.7] Alle Wissenschaften haben irgend einen practischen Theil, [41.8] der aus Aufgaben besteht, daß irgend ein Zweck für uns [41.9] möglich sey, und aus Imperativen, wie er erreicht wer- [41.10] den könne. Diese können daher überhaupt Imperativen [41.11] der ++Geschicklichkeit++ heissen. Ob der Zweck ver- [41.12] nünftig und gut sey, davon ist hier gar nicht die Frage, [41.13] sondern nur was man thun müsse, um ihn zu erreichen. [41.14] Die Vorschriften für den Arzt, um seinen Mann auf [41.15] gründliche Art gesund zu machen, und für einen Giftmischer, [41.16] um ihn sicher zu tödten, sind so fern von gleichem Werth, [41.17] als eine jede dazu dient, ihre Absicht vollkommen zu be- [41.18] wirken. Weil man in der frühen Jugend nicht weiß, [41.19] welche Zwecke uns im Leben aufstoßen dürften, so suchen [41.20] Eltern vornemlich ihre Kinder recht +vielerley+ lernen zu [41.21] lassen und sorgen für die +Geschicklichkeit+, im Gebrauch [41.22] der Mittel zu allerley +beliebigen+ Zwecken, von deren kei- [41.23] nem sie bestimmen können, ob er nicht etwa wirklich künf- [41.24] tig eine Absicht ihres Zöglings werden könne, wovon es [41.25] indessen doch +möglich+ ist, daß er sie einmal haben möch- [41.26] te und diese Sorgfalt ist so groß, daß sie darüber gemei- [41.27] niglich verabsäumen, ihnen das Urtheil über den Werth 41 [4:415] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [42.1] der Dinge, die sie sich etwa zu Zwecken machen möchten, [42.2] zu bilden und zu berichtigen. [42.3] Es ist gleichwohl +ein+ Zweck, den man bey allen [42.4] vernünftigen Wesen (so fern Imperative auf sie, näm- [42.5] lich als abhängige Wesen passen), als wirklich voraussetzen [42.6] kann und also eine Absicht, die sie nicht etwa blos haben [42.7] +können+, sondern von der man sicher voraussetzen kann, [42.8] daß sie solche insgesamt nach einer Naturnothwendigkeit [42.9] +haben+, und das ist die Absicht auf +Glückseligkeit+. Der [42.10] hypothetische Imperativ, der die practische Nothwendig- [42.11] keit der Handlung, als Mittel zur Beförderung der Glück- [42.12] seligkeit, vorstellt, ist ++assertorisch++. Man darf ihn [42.13] nicht blos als nothwendig zu einer ungewissen, blos mög- [42.14] lichen Absicht, vortragen, sondern zu einer Absicht, die [42.15] man sicher bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil [42.16] sie zu seiner Natur gehört. Nun kann man die Geschick- [42.17] lichkeit in der Wahl der Mittel zu seinem eigenen größten [42.18] Wohlseyn +Klugheit+ *) im engsten Verstande nennen. Al- [42.19] *) Das Wort Klugheit wird in zwiefachem Sinn genommen, ein- [42.20] mal kann es den Namen Weltklugheit, im zweyten den der Pri- [42.21] vatklugheit führen. Die erste ist die Geschicklichkeit eines Men- [42.22] schen, auf andere Einfluß zu haben, um sie zu seinen Absichten [42.23] zu gebrauchen. Die zweyte die Einsicht, alle diese Absichten zu [42.24] seinem eigenen daurenden Vortheil zu vereinigen. Die letztere [42.25] ist eigentlich diejenige, worauf selbst der Werth der erstern zurück- [42.26] geführt wird und, wer in der erstern Art klug ist, nicht aber in [42.27] der zweyten, von dem könnte man besser sagen: er ist gescheut [42.28] und verschlagen, im ganzen aber doch unklug. 42 [4:415-416] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [43.1] so ist der Imperativ, der sich auf die Wahl der Mittel [43.2] zur eigenen Glückseligkeit bezieht, d. i., die Vorschrift [43.3] der Klugheit, noch immer +hypothetisch+; die Handlung [43.4] wird nicht schlechthin, sondern nur als Mittel zu einer [43.5] andern Absicht geboten. [43.6] Endlich giebt es einen Imperativ, der, ohne ir- [43.7] gend eine andere durch ein gewisses Verhalten zu errei- [43.8] chende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, die- [43.9] ses Verhalten unmittelbar gebietet. Dieser Imperativ [43.10] ist ++categorisch++. Er betrift nicht die Materie der [43.11] Handlung und das, was aus ihr erfolgen soll, sondern [43.12] die Form und das Prinzip, woraus sie selbst folgt, und [43.13] das Wesentlich-Gute derselben besteht in der Gesinnung, [43.14] der Erfolg mag seyn, welcher er wolle. Dieser Impera- [43.15] tiv mag der der ++Sittlichkeit++ heissen. [43.16] Das Wollen nach diesen dreyerley Prinzipien wird [43.17] auch durch die +Ungleichheit+ der Nöthigung des Willens [43.18] deutlich unterschieden. Um diese nun auch merklich zu [43.19] machen, glaube ich, daß man sie in ihrer Ordnung am [43.20] angemessensten so benennen würde, wenn man sagte: sie [43.21] wären entweder +Regeln+ der Geschicklichkeit, oder +Rath-+ [43.22] +schläge+ der Klugheit, oder +Gebote (Gesetze)+ der Sitt- [43.23] lichkeit. Denn nur das +Gesetz+ führt den Begriff einer [43.24] +unbedingten+ und zwar obiectiven und mithin allgemein [43.25] gültigen +Nothwendigkeit+ bey sich, und Gebote sind Ge- 43 [4:416] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [44.1] setze, denen gehorcht, d. i. auch wider Neigung Folge [44.2] geleistet werden muß. Die +Rathgebung+ enthält zwar [44.3] Nothwendigkeit, die aber blos unter subiectiver gefälliger [44.4] Bedingung, ob dieser oder jene Mensch dieses oder je- [44.5] nes zu seiner Glückseligkeit zähle, gelten kann; dagegen [44.6] der categorische Imperativ durch keine Bedingung einge- [44.7] schränkt wird und als absolut- obgleich practisch noth- [44.8] wendig ganz eigentlich ein Gebot heissen kann. Man [44.9] könnte die ersteren Imperative auch +technisch+ (zur Kunst [44.10] gehörig), die zweyten +pragmatisch+ *) (zur Wohlfarth), [44.11] die dritten +moralisch+ (zum freyen Verhalten überhaupt, [44.12] d. i. zu den Sitten gehörig), nennen. [44.13] Nun entsteht die Frage: wie sind alle diese Impe- [44.14] rative möglich? Diese Frage verlangt nicht zu wissen, [44.15] wie die Vollziehung der Handlung, welche der Impera- [44.16] tiv gebietet, sondern wie blos die Nöthigung des Willens, [44.17] die der Imperativ in der Aufgabe ausdrückt, gedacht [44.18] werden könne. Wie ein Imperativ der Geschicklichkeit [44.19] möglich sey, bedarf wohl keiner besondern Erörterung. [44.20] Wer den Zweck will, will (so fern die Vernunft auf sei- [44.21] *) Mich deucht, die eigentliche Bedeutung des Worts +pragmatisch+ [44.22] könne so am genauesten bestimmt werden. Denn pragmatisch [44.23] werden die +Sanctionen+ genannt, welche eigentlich nicht aus [44.24] dem Rechte der Staaten, als nothwendige Gesetze, sondern [44.25] aus der +Vorsorge+ für die allgemeine Wohlfarth fließen. [44.26] Pragmatisch ist eine +Geschichte+ abgefaßt, wenn sie +klug+ macht, [44.27] d. i. die Welt belehrt, wie sie ihren Vortheil besser, oder we- [44.28] nigstens eben so gut, als die Vorwelt, besorgen könne. 44 [4:416-417] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [45.1] ne Handlungen entscheidenden Einfluß hat), auch das dazu [45.2] unentbehrlich nothwendige Mittel, das in seiner Gewalt [45.3] ist. Dieser Satz ist, was das Wollen betrift, analy- [45.4] tisch; denn in dem Wollen eines Obiects, als meiner [45.5] Wirkung, wird schon meine Caussalität, als handelnder [45.6] Ursache, d. i. der Gebrauch der Mittel, gedacht und [45.7] der Imperativ zieht den Begriff nothwendiger Handlun- [45.8] gen zu diesem Zwecke schon aus dem Begriff eines Wol- [45.9] lens dieses Zwecks heraus, (die Mittel selbst zu einer vor- [45.10] gesetzten Absicht zu bestimmen, dazu gehören allerdings [45.11] synthetische Sätze, die aber nicht den Grund betreffen, den [45.12] Actus des Willens, sondern das Obiect wirklich zu machen). [45.13] Daß, um eine Linie nach einem sichern Prinzip in zwey [45.14] gleiche Theile zu theilen, ich aus den Enden derselben [45.15] zwey Creutzbogen machen müsse, das lehrt die Mathema- [45.16] tik freylich nur durch synthetische Sätze; aber daß, wenn [45.17] ich weiß, durch solche Handlung allein könne die gedach- [45.18] te Wirkung geschehen, ich, wenn ich die Wirkung voll- [45.19] ständig will, auch die Handlung wolle, die dazu erfoder- [45.20] lich ist, ist ein analytischer Satz, denn etwas als eine [45.21] auf gewisse Art durch mich mögliche Wirkung und mich, [45.22] in Ansehung ihrer, auf dieselbe Art handelnd vorstellen, [45.23] ist ganz einerley. [45.24] Die Imperativen der Klugheit würden, wenn es [45.25] nur so leicht wäre, einen bestimmten Begriff von Glück- [45.26] seligkeit zu geben, mit denen der Geschicklichkeit ganz 45 [4:417] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [46.1] und gar übereinkommen, und eben so wohl analytisch [46.2] seyn. Denn es würde eben so wohl hier, als dort, [46.3] heissen: wer den Zweck will, will auch (der Vernunft [46.4] gemäß nothwendig) die einzigen Mittel, die dazu in sei- [46.5] ner Gewalt sind. Allein es ist ein Unglück, daß der [46.6] Begriff der Glückseligkeit ein so unbestimmter Begriff ist, [46.7] daß, obgleich jeder Mensch zu dieser zu gelangen wünscht, [46.8] er doch niemals bestimmt und mit sich selbst einstimmig [46.9] sagen kann, was er eigentlich wünsche und wolle. Die [46.10] Ursache davon ist: daß alle Elemente, die zum Begriff [46.11] der Glückseligkeit gehören, insgesammt empirisch sind, [46.12] d. i. aus der Erfahrung müssen entlehnt werden, daß [46.13] gleich wohl zur Idee der Glückseligkeit ein absolutes Gan- [46.14] ze, ein Maximum des Wohlbefindens, in meinem gegen- [46.15] wärtigen und jedem zukünftigen Zustande erforderlich ist. [46.16] Nun ists unmöglich, daß das einsehendeste und zugleich [46.17] allervermögendste, aber doch endliche Wesen sich einen [46.18] bestimmten Begriff von dem mache, was er hier eigent- [46.19] lich wolle. Will er Reichthum, wie viel Sorge, Neid und [46.20] Nachstellung könnte er sich dadurch nicht auf den Hals [46.21] ziehen. Will er viel Erkenntniß und Einsicht, vielleicht [46.22] könnte das ein nur um desto schärferes Auge werden, um [46.23] die Uebel, die sich für ihn jetzt noch verbergen und doch [46.24] nicht vermieden werden können, ihm nur um desto schreck- [46.25] licher zu zeigen, oder seinen Begierden, die ihm schon [46.26] genug zu schaffen machen, noch mehr Bedürfnisse aufzu- [46.27] bürden. Will er ein langes Leben, wer steht ihm da- 46 [4:417-418] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [47.1] für, daß es nicht ein langes Elend seyn würde? Will [47.2] er wenigstens Gesundheit? wie oft hat noch Ungemäch- [47.3] lichkeit des Körpers von Ausschweifung abgehalten, dar- [47.4] ein ungeschränkte Gesundheit würde haben fallen lassen, [47.5] u. s. w. Kurz er ist nicht vermögend, nach irgend einem [47.6] Grundsatze, mit völliger Gewisheit zu bestimmen, was [47.7] ihn wahrhaftig glücklich machen werde, darum, weil hie- [47.8] zu Allwissenheit erfoderlich seyn würde. Man kann also [47.9] nicht nach bestimmten Prinzipien handeln, um glücklich [47.10] zu seyn, sondern nur nach empirischen Rathschlägen, z. [47.11] B. der Diät, der Sparsamkeit, der Höflichkeit, der Zu- [47.12] rückhaltung u. s. w. von welchen die Erfahrung lehrt, [47.13] daß sie das Wohlbefinden im Durchschnitte am meisten [47.14] befördern. Hieraus folgt, daß die Imperativen der [47.15] Klugheit, genau zu reden, gar nicht gebieten, d. i. Hand- [47.16] lungen obiectiv als practisch-+nothwendig+ darstellen kön- [47.17] nen, daß sie eher für Anrathungen (consilia), als Gebote [47.18] (praecepta) der Vernunft zu halten sind, daß die Auf- [47.19] gabe: sicher und allgemein zu bestimmen, welche Hand- [47.20] lung die Glückseligkeit eines vernünftigen Wesens beför- [47.21] dern werde, völlig unauflößlich, mithin kein Imperativ [47.22] in Ansehung derselben möglich sey, der im strengen Ver- [47.23] stande geböte, das zu thun, was glücklich macht, weil [47.24] Glückseligkeit nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der [47.25] Einbildungskraft ist, was blos auf empirischen Gründen [47.26] beruht, von denen man vergeblich erwartet, daß sie eine [47.27] Handlung bestimmen sollten, dadurch die Totalität einer 47 [4:418-419] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [48.1] in der That unendlichen Reihe von Folgen erreicht wür- [48.2] de. Dieser Imperativ der Klugheit würde indessen, [48.3] wenn man annimmt, die Mittel zur Glückseligkeit ließen [48.4] sich sicher angeben, ein analytisch-practischer Satz seyn: [48.5] Denn er ist von dem Imperativ der Geschicklichkeit nur [48.6] darin unterschieden, daß bey diesem der Zweck blos mög- [48.7] lich, bey jenem aber gegeben ist; da beyde aber blos die [48.8] Mittel zu demjenigen gebieten, von dem man voraussetzt, [48.9] daß man es als Zweck wollte, so ist der Imperativ, der [48.10] das Wollen der Mittel für den, der den Zweck will, ge- [48.11] bietet, in beyden Fällen analytisch. Es ist also in An- [48.12] sehung der Möglichkeit eines solchen Imperativs auch kei- [48.13] ne Schwierigkeit. [48.14] Dagegen, wie der Imperativ der +Sittlichkeit+ mög- [48.15] lich sey, ist ohne Zweifel die einzige einer Auflösung be- [48.16] dürftige Frage, da er gar nicht hypothetisch ist und also [48.17] die obiectiv-vorgestellte Nothwendigkeit sich auf keine [48.18] Voraussetzung stützen kann, wie bey den hypothetischen [48.19] Imperativen. Nur ist immer hiebey nicht aus der Acht [48.20] zu lassen, daß es +durch kein Beispiel+, mithin empirisch [48.21] auszumachen sey, ob es überall irgend einen dergleichen [48.22] Imperativ gebe, sondern zu besorgen, daß alle, die ca- [48.23] tegorisch scheinen, doch versteckter Weise hypothetisch seyn [48.24] mögen, z. B. wenn es heißt: du sollt nichts betrüglich [48.25] versprechen, und man nimmt an, daß die Nothwendigkeit [48.26] dieser Unterlassung nicht etwa bloße Rathgebung zu Ver- 48 [4:419] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [49.1] meidung irgend eines andern Uebels sey, so daß es etwa [49.2] hieße: du sollt nicht lügenhaft versprechen, damit du [49.3] nicht, wenn es offenbar wird, dich um den Credit brin- [49.4] gest, sondern wenn man behauptet, eine Handlung die- [49.5] ser Art müsse für sich selbst als böse betrachtet werden, [49.6] der Imperativ des Verbots sey also categorisch; so kann [49.7] man doch in keinem Beyspiel mit Gewißheit darthun, daß [49.8] der Wille hier ohne andere Triebfeder, blos durchs Ge- [49.9] setz, bestimmt werde, wenns gleich so scheint; denn es [49.10] ist immer möglich, daß ingeheim Furcht für Beschämung, [49.11] vielleicht auch dunkle Besorgnis anderer Gefahren, Einflus [49.12] auf den Willen haben möge. Denn wer kann das Nicht- [49.13] seyn einer Ursache durch Erfahrung beweisen, da diese [49.14] nichts weiter lehrt, als daß wir jene nicht wahrnehmen. [49.15] Auf solchen Fall aber würde der sogenannte moralische [49.16] Imperativ, der als ein solcher categorisch und unbedingt [49.17] erscheint, in der That nur eine pragmatische Vorschrift [49.18] seyn, die uns auf unsern Vortheil aufmerksam macht und [49.19] uns blos lehrt, diesen in Acht zu nehmen. [49.20] Wir werden also die Möglichkeit eines +categori-+ [49.21] +schen+ Imperativs gänzlich a priori zu untersuchen haben, [49.22] da uns hier der Vortheil nicht zu statten kommt, daß die [49.23] Wirklichkeit desselben in der Erfahrung gegeben, und al- [49.24] so die Möglichkeit nicht zur Festsetzung, sondern blos zur [49.25] Erklärung nöthig wäre. So viel ist aber vorläufig ein- [49.26] zusehen: daß der categorische Imperativ allein als ein 49 [4:419-420] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [50.1] practisches ++Gesetz++ laute, die übrigen insgesamt zwar [50.2] +Prinzipien+ des Willens, aber nicht Gesetze heissen kön- [50.3] nen; weil, was blos zur Erreichung einer beliebigen Ab- [50.4] sicht zu thun nothwendig ist, an sich als zufällig betrachtet [50.5] werden kann, und wir von der Vorschrift jederzeit los [50.6] seyn können, wenn wir die Absicht aufgeben, dahingegen [50.7] das unbedingte Gebot dem Willen kein Belieben in Anse- [50.8] hung des Gegentheils frey läßt, mithin allein diejenige [50.9] Nothwendigkeit bey sich führt, welche wir zum Gesetze [50.10] verlangen. [50.11] Zweytens ist bey diesem categorischen Imperativ [50.12] oder Gesetze der Sittlichkeit der Grund der Schwierigkeit, [50.13] (die Möglichkeit desselben einzusehen), auch sehr groß. Er [50.14] ist ein synthetisch practischer Satz *) a priori, und da [50.15] die Möglichkeit der Sätze dieser Art einzusehen, so viel [50.16] Schwierigkeit im theoretischen Erkenntnisse hat, so läßt [50.17] sich leicht abnehmen, daß sie im practischen nicht weniger [50.18] haben werde. [50.19] *) Ich verknüpfe mit dem Willen, ohne vorausgesetzte Bedingung [50.20] aus irgend einer Neigung, die That, a priori, mithin noth- [50.21] wendig, (obgleich nur obiectiv d. i. unter der Idee einer Vernunft, [50.22] die über alle subiective Bewegursachen völlige Gewalt hätte.) [50.23] Dieses ist also ein practischer Satz, der das Wollen einer Hand- [50.24] lung nicht aus einem anderen schon vorausgesetzten analytisch [50.25] ableitet, (denn wir haben keinen so vollkommenen Willen), son- [50.26] dern mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens [50.27] unmittelbar, als etwas, das in ihm nicht enthalten ist, ver- [50.28] knüpft. 50 [4:420] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [51.1] Bey dieser Aufgabe wollen wir zuerst versuchen, ob [51.2] nicht vielleicht der bloße Begriff eines categorischen Im- [51.3] perativs auch die Formel desselben an die Hand gebe, die [51.4] den Satz enthält, der allein ein categorischer Imperativ [51.5] seyn kann; denn wie ein solches absolute Gebot möglich [51.6] sey, wenn wir auch gleich wissen, wie es lautet, wird [51.7] noch besondere und schwere Bemühung erfodern, die wir [51.8] aber zum letzten Abschnitte aussetzen. [51.9] Wenn ich mir einen +hypothetischen+ Imperativ über- [51.10] haupt denke, so weiß ich nicht zum voraus, was er ent- [51.11] halten werde: bis mir die +Bedingung+ gegeben ist. Den- [51.12] ke ich mir aber einen +categorischen+ Imperativ, so weiß [51.13] ich sofort, was er enthalte. Denn da der Imperativ [51.14] ausser dem Gesetze nur die Nothwendigkeit der Maxime *) [51.15] enthält, diesem Gesetze gemäß zu seyn, das Gesetz aber [51.16] keine Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt war, [51.17] so bleibt nichts, als die Allgemeinheit eines Gesetzes über- [51.18] haupt übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß [51.19] *) +Maxime+ ist das subiective Prinzip zu handeln, und muß vom [51.20] +obiectiven Prinzip+, nämlich dem practischen Gesetze, unterschie- [51.21] den werden. Jene enthält die practische Regel, die die Vernunft [51.22] den Bedingungen des Subiects gemäß (öfters der Unwissenheit [51.23] oder auch den Neigungen desselben) bestimmt, und ist also der [51.24] Grundsatz, nach welchem das Subiect +handelt+; das Gesetz aber [51.25] ist das obiective Prinzip, gültig für jedes vernünftige Wesen, [51.26] und der Grundsatz, nach dem es +handeln soll+, d. i. ein Impe- [51.27] rativ. 51 [4:420-421] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [52.1] seyn soll, und welche Gemäßheit allein den Imperativ ei- [52.2] gentlich als nothwendig vorstellt. [52.3] Der categorische Imperativ ist also nur ein einziger [52.4] und zwar dieser: +handle nur nach derjenigen Maxi-+ [52.5] +me, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie+ [52.6] +ein allgemeines Gesetz werde+. [52.7] Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Im- [52.8] perativen der Pflicht, als aus ihrem Prinzip, abgeleitet [52.9] werden können, so werden wir, ob wir es gleich unaus- [52.10] gemacht lassen, ob nicht überhaupt das, was man Pflicht [52.11] nennt, ein leerer Begriff sey, doch wenigstens anzeigen [52.12] können, was wir dadurch denken und was dieser Begriff [52.13] sagen wolle. [52.14] Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wornach Wir- [52.15] kungen geschehen, dasjenige ausmacht, was eigentlich [52.16] +Natur+ im allgemeinsten Verstande (der Form nach), [52.17] d. i. das Daseyn der Dinge, heißt, so fern es nach all- [52.18] gemeinen Gesetzen bestimmt ist, so könnte der allgemeine [52.19] Imperativ der Pflicht auch so lauten: +handle so, als+ [52.20] +ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Wil-+ [52.21] +len zum+ ++allgemeinen Naturgesetze++ +werden+ [52.22] +sollte+. [52.23] Nun wollen wir einige Pflichten herzählen, nach [52.24] der gewöhnlichen Eintheilung derselben, in Pflichten ge- 52 [4:421] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [53.1] gen uns selbst und gegen andere Menschen, in vollkom- [53.2] mene und unvollkommene Pflichten *). [53.3] 1) Einer, der durch eine Reihe von Uebeln, die [53.4] bis zur Hoffnungslosigkeit angewachsen ist, einen Ueber- [53.5] druß am Leben empfindet, ist noch so weit im Besitze sei- [53.6] ner Vernunft, daß er sich selbst fragen kann, ob es auch [53.7] nicht etwa der Pflicht gegen sich selbst zuwider sey, sich [53.8] das Leben zu nehmen. Nun versucht er: ob die Maxi- [53.9] me seiner Handlung wohl ein allgemeines Naturgesetz [53.10] werden könne. Seine Maxime aber ist: ich mache es [53.11] mir aus Selbstliebe zum Prinzip, daß wenn das Leben [53.12] bey seiner längern Frist mehr Uebel droht, als es An- [53.13] nehmlichkeit verspricht, es mir abzukürzen. Es frägt [53.14] sich nur noch, ob dieses Prinzip der Selbstliebe ein allge- [53.15] meines Naturgesetz werden könne. Da sieht man aber [53.16] bald, daß eine Natur, deren Gesetz es wäre, durch die- [53.17] selbe Empfindung, deren Bestimmung es ist, zur Beför- [53.18] *) Man muß hier wohl merken, daß ich die Eintheilung der Pflich- [53.19] ten für eine künftige +Metaphysik der Sitten+ mir gänzlich [53.20] vorbehalte, diese hier also nur als beliebig (um meine Bey- [53.21] spiele zu ordnen) dastehe. Uebrigens verstehe ich hier unter [53.22] einer vollkommenen Pflicht diejenige, die keine Ausnahme zum [53.23] Vortheil der Neigung verstattet, und da habe ich nicht blos [53.24] äussere, sondern auch innere +vollkommene Pflichten+, welches [53.25] dem in Schulen angenommenen Wortgebrauch zuwider läuft, [53.26] ich aber hier nicht zu verantworten gemeynet bin, weil es zu [53.27] meiner Absicht einerley ist, ob man es mir einräumt, oder [53.28] nicht. 53 [4:421-422] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [54.1] derung des Lebens anzutreiben, das Leben selbst zu zer- [54.2] stöhren, ihr selbst widersprechen und also nicht als Na- [54.3] tur bestehen würde, mithin jene Maxime unmöglich als [54.4] allgemeines Naturgesetz statt finden könne, und folglich [54.5] dem obersten Prinzip aller Pflicht gänzlich widerstreite. [54.6] 2) Ein anderer sieht sich durch Noth gedrungen, [54.7] Geld zu borgen. Er weiß wohl, daß er nicht wird be- [54.8] zahlen können, sieht aber auch, daß ihm nichts geliehen [54.9] werden wird, wenn er nicht vestiglich verspricht, es zu [54.10] einer bestimmten Zeit zu bezahlen. Er hat Lust, ein sol- [54.11] ches Versprechen zu thun; noch aber hat er so viel Ge- [54.12] wissen, sich zu fragen: ist es nicht unerlaubt und pflicht- [54.13] widrig, sich auf solche Art aus Noth zu helfen? Gesetzt, [54.14] er beschlösse es doch, so würde seine Maxime der Hand- [54.15] lung so lauten: wenn ich mich in Geldnoth zu seyn glau- [54.16] be, so will ich Geld borgen und versprechen, es zu bezah- [54.17] len, ob ich gleich weiß, es werde niemals geschehen. [54.18] Nun ist dieses Prinzip der Selbstliebe, oder der eigenen [54.19] Zuträglichkeit, mit meinem ganzen künftigen Wohlbefin- [54.20] den vielleicht wohl zu vereinigen, allein jetzt ist die Fra- [54.21] ge: ob es recht sey? Ich verwandle also die Zumuthung [54.22] der Selbstliebe in ein allgemeines Gesetz und richte die Fra- [54.23] ge so ein: wie es denn stehen würde, wenn meine [54.24] Maxime ein allgemeines Gesetz würde. Da sehe ich nun [54.25] sogleich, daß sie niemals als allgemeines Naturgesetz gel- [54.26] ten und mit sich selbst zusammenstimmen könne, sondern 54 [4:422] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [55.1] sich nothwendig widersprechen müsse. Denn die Allge- [55.2] meinheit eines Gesetzes, daß jeder, nachdem er in Noth [55.3] zu seyn glaubt, versprechen könne, was ihm einfällt, [55.4] mit dem Vorsatz, es nicht zu halten, würde das Verspre- [55.5] chen und den Zweck, den man damit haben mag, selbst [55.6] unmöglich machen, indem niemand glauben würde, daß [55.7] ihm was versprochen sey, sondern über alle solche Aeuße- [55.8] rung, als eitles Vorgeben, lachen würde. [55.9] 3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches [55.10] vermittelst einiger Cultur ihn zu einem in allerley Absicht [55.11] brauchbaren Menschen machen könnte. Er sieht sich aber [55.12] in bequemen Umständen, und zieht es vor, dem Vergnü- [55.13] gen nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Ver- [55.14] besserung seiner glücklichen Naturanlagen zu bemühen. [55.15] Noch frägt er aber: ob, ausser der Uebereinstimmung, [55.16] die seine Maxime der Verwahrlosung seiner Naturgaben [55.17] mit seinem Hange zur Ergötzlichkeit an sich hat, sie auch [55.18] mit dem, was man Pflicht nennt, übereinstimme. Da [55.19] sieht er nun, daß zwar eine Natur nach einem solchen [55.20] allgemeinen Gesetze immer noch bestehen könne, obgleich [55.21] der Mensch (so wie die Südsee-Einwohner), sein Talent [55.22] rosten liesse, und sein Leben blos auf Müssiggang, Er- [55.23] götzlichkeit, Fortpflanzung, mit einem Wort, auf Genuß [55.24] zu verwenden bedacht wäre; allein er kann unmöglich [55.25] ++wollen++, daß dieses ein allgemeines Naturgesetz werde, [55.26] oder als ein solches in uns durch Naturinstinkt gelegt 55 [4:422-423] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [56.1] sey. Denn als ein vernünftiges Wesen will er nothwen- [56.2] dig, daß alle Vermögen ihm entwickelt werden, weil sie [56.3] ihm doch zu allerley möglichen Absichten dienlich sind. [56.4] Noch denkt ein +vierter+, dem es wohl geht, indessen [56.5] er sieht, daß andere mit grossen Mühseligkeiten zu käm- [56.6] pfen haben, (denen er auch wohl helfen könnte): was [56.7] gehts mich an? mag doch ein jeder so glücklich seyn, als [56.8] es der Himmel will, oder er sich selbst machen kann, ich [56.9] werde ihm nichts entziehen, ja nicht einmal beneiden, [56.10] nur zu seinem Wohlbefinden oder seinem Beystande in der [56.11] Noth, habe ich nicht Lust, etwas beyzutragen! Nun könn- [56.12] te allerdings, wenn eine solche Denkungsart ein allge- [56.13] meines Naturgesetz würde, das menschliche Geschlecht gar [56.14] wohl bestehen, und ohne Zweifel noch besser, als wenn [56.15] jedermann von Theilnehmung und Wohlwollen schwatzt, [56.16] auch sich beeifert, gelegentlich dergleichen auszuüben, da- [56.17] gegen aber auch, wo man nur kann, betrügt, das Recht [56.18] der Menschen verkauft, oder ihm sonst Abbruch thut. [56.19] Aber, obgleich es möglich ist, daß nach jener Maxime [56.20] ein allgemeines Naturgesetz wohl bestehen könnte; so ist [56.21] es doch unmöglich, zu ++wollen++, daß ein solches Prinzip [56.22] als Naturgesetz allenthalben gelte. Denn ein Wille, der [56.23] dieses beschlöße, würde sich selbst widerstreiten, indem [56.24] der Fälle sich doch manche eräugnen können, wo er ande- [56.25] rer Liebe und Theilnehmung bedarf, und wo er, durch [56.26] ein solches aus seinem eigenen Willen entsprungenen Na- 56 [4:423] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [57.1] turgesetz, sich selbst alle Hoffnung des Beystandes, den [57.2] er sich wünscht, rauben würde. [57.3] Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen [57.4] oder wenigstens von uns dafür gehaltenen Pflichten, deren [57.5] Abtheilung aus dem einigen angeführten Prinzip klar in [57.6] die Augen fällt. Man muß +wollen können+, daß eine [57.7] Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde: [57.8] dies ist der Canon der moralischen Beurtheilung derselben [57.9] überhaupt. Einige Handlungen sind so beschaffen, daß [57.10] ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allge- [57.11] meines Naturgesetz +gedacht+ werden kann, weit gefehlt, [57.12] daß man noch +wollen+ könne, es +sollte+ ein solches werden. [57.13] Bey andern ist zwar jene innere Unmöglichkeit nicht an- [57.14] zutreffen, aber es ist doch unmöglich, zu +wollen+, daß ih- [57.15] re Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben [57.16] werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen [57.17] würde. Man sieht leicht: daß die erstere der strengen [57.18] oder engeren (unnachlaßlichen) Pflicht, die zweyte nur [57.19] der weiteren (verdienstlichen) Pflicht widerstreite, und [57.20] so alle Pflichten, was die Art der Verbindlichkeit, (nicht [57.21] das Obiect ihrer Handlung), betrift, durch diese Beyspie- [57.22] le in ihrer Abhängigkeit von dem einigen Prinzip vollstän- [57.23] dig aufgestellt werden. [57.24] Wenn wir nun auf uns selbst bey jeder Uebertre- [57.25] tung einer Pflicht Acht haben, so finden wir, daß wir 57 [4:423-424] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [58.1] wirklich nicht wollen, es solle unsere Maxime ein allge- [58.2] meines Gesetz werden, denn das ist uns unmöglich, son- [58.3] dern das Gegentheil derselben soll vielmehr allgemein ein [58.4] Gesetz bleiben; nur nehmen wir uns die Freyheit, für [58.5] uns, oder (auch nur für diesesmal) zum Vortheil unse- [58.6] rer Neigung, davon eine +Ausnahme+ zu machen. Folg- [58.7] lich, wenn wir alles aus einem und demselben Gesichts- [58.8] puncte, nämlich der Vernunft, erwögen, so würden [58.9] wir einen Widerspruch in unserem eigenen Willen antref- [58.10] fen, nämlich, daß ein gewisses Prinzip obiectiv als allge- [58.11] meines Gesetz nothwendig sey und doch subiectiv nicht [58.12] allgemein gelten, sondern Ausnahmen verstatten sollte. [58.13] Da wir aber einmal unsere Handlung aus dem Gesichts- [58.14] puncte eines ganz der Vernunft gemäßen, denn aber [58.15] auch eben dieselbe Handlung aus dem Gesichtspuncte ei- [58.16] nes durch Neigung afficirten Willens betrachten, so ist [58.17] wirklich hier kein Widerspruch, wohl aber ein Wider- [58.18] stand der Neigung gegen die Vorschrift der Vernunft, [58.19] (antagonismus), wodurch die Allgemeinheit des Prinzips [58.20] (vniuersalitas) in eine bloße Gemeingültigkeit (genera- [58.21] litas) verwandelt wird, dadurch das practische Vernunft- [58.22] prinzip mit der Maxime auf dem halben Wege zusam- [58.23] menkommen soll. Ob nun dieses gleich in unserem eige- [58.24] nen unpartheyisch angestellten Urtheile nicht gerechtferti- [58.25] get werden kann, so beweiset es doch, daß wir die Gül- [58.26] tigkeit des categorischen Imperativs wirklich anerkennen [58.27] und uns, (mit aller Achtung für denselben), nur einige, 58 [4:424] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [59.1] wie es uns scheint, unerhebliche und uns abgedrungene [59.2] Ausnahmen erlauben. [59.3] Wir haben so viel also wenigstens dargethan, daß, [59.4] wenn Pflicht ein Begriff ist, der Bedeutung und wirkliche [59.5] Gesetzgebung für unsere Handlungen enthalten soll, diese [59.6] nur in categorischen Imperativen, keinesweges aber in [59.7] hypothetischen ausgedrückt werden könne; imgleichen ha- [59.8] ben wir, welches schon viel ist, den Inhalt des catego- [59.9] rischen Imperativs, der das Prinzip aller Pflicht (wenn [59.10] es überhaupt dergleichen gäbe), enthalten müßte, deut- [59.11] lich und zu jedem Gebrauche bestimmt dargestellt. Noch [59.12] sind wir aber nicht so weit, a priori zu beweisen, daß [59.13] dergleichen Imperativ wirklich statt finde, daß es ein [59.14] practisches Gesetz gebe, welches schlechterdings und ohne [59.15] alle Triebfedern für sich gebietet, und daß die Befolgung [59.16] dieses Gesetzes Pflicht sey. [59.17] Bey der Absicht, dazu zu gelangen, ist es von der [59.18] äußersten Wichtigkeit, sich dieses zur Warnung dienen zu [59.19] lassen, daß man es sich ja nicht in den Sinn kommen [59.20] lasse, die Realität dieses Prinzips aus der +besondern+ [59.21] +Eigenschaft der menschlichen Natur+ ableiten zu wol- [59.22] len. Denn Pflicht soll practisch-unbedingte Nothwen- [59.23] digkeit der Handlung seyn; sie muß also für alle ver- [59.24] nünftige Wesen (auf die nur überall ein Imperativ tref- [59.25] fen kann), gelten und +allein darum+ auch für allen mensch- [59.26] lichen Willen ein Gesetz seyn. Was dagegen aus der 59 [4:424-425] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [60.1] besondern Naturanlage der Menschheit, was aus ge- [60.2] wissen Gefühlen und Hange, ja so gar, wo möglich, aus [60.3] einer besonderen Richtung, die der menschlichen Vernunft [60.4] eigen wäre, und nicht nothwendig für den Willen eines [60.5] jeden vernünftigen Wesens gelten müßte, abgeleitet wird, [60.6] das kann zwar eine Maxime für uns, aber kein Gesetz [60.7] abgeben, ein subiectiv Prinzip, nach welchem wir han- [60.8] deln zu dürfen, Hang und Neigung haben, aber nicht ein [60.9] obiectives, nach welchem wir +angewiesen+ wären, zu han- [60.10] deln, wenn gleich aller unser Hang, Neigung und Natur- [60.11] einrichtung dawider wäre, so gar, daß es um desto mehr [60.12] die Erhabenheit und innere Würde des Gebots in einer [60.13] Pflicht beweiset, je weniger die subiectiven Ursachen da- [60.14] für, je mehr sie dagegen seyn, ohne doch deswegen die [60.15] Nöthigung durchs Gesetz nur im mindesten zu schwächen, [60.16] und seiner Gültigkeit etwas zu benehmen. [60.17] Hier sehen wir nun die Philosophie in der That auf [60.18] einen mißlichen Standpunkt gestellet, der fest seyn soll, [60.19] unerachtet er weder im Himmel, noch auf der Erde, an [60.20] etwas gehängt, oder woran gestützt wird. Hier soll sie [60.21] ihre Lauterkeit beweisen, als Selbsthalterin ihrer Gesetze, [60.22] nicht als Herold derjenigen, welche ihr ein eingepflanzter [60.23] Sinn, oder wer weiß welche, vormundschaftliche Natur [60.24] einflüstert, die insgesammt, sie mögen immer besser seyn [60.25] als gar nichts, doch niemals Grundsätze abgeben können, [60.26] die die Vernunft dictirt, und die durchaus völlig a prio- [60.27] ri ihren Quell, und hiemit zugleich ihr gebietendes An- 60 [4:425-426] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [61.1] sehen haben müssen: nichts von der Neigung des Men- [61.2] schen, sondern alles von der Obergewalt des Gesetzes [61.3] und der schuldigen Achtung für dasselbe zu erwarten, oder [61.4] den Menschen widrigenfalls zur Selbstverachtung und [61.5] innern Abscheu zu verurtheilen. [61.6] Alles also, was empirisch ist, ist, als Zuthat zum [61.7] Prinzip der Sittlichkeit, nicht allein dazu ganz untauglich, [61.8] sondern der Lauterkeit der Sitten selbst höchst nachtheilig, [61.9] an welchen der eigentliche und über allen Preis erhabene [61.10] Werth eines schlechterdings guten Willens, eben darinn [61.11] besteht, daß das Prinzip der Handlung von allen Einflüs- [61.12] sen zufälliger Gründe, die nur Erfahrung an die Hand [61.13] geben kann, frey sey. Wider diese Nachlässigkeit oder [61.14] gar niedrige Denkungsart, in Aufsuchung des Prinzips [61.15] unter empirischen Bewegursachen und Gesetzen, kann man [61.16] auch nicht zu viel und zu oft Warnungen ergehen lassen, [61.17] indem die menschliche Vernunft in ihrer Ermüdung gern [61.18] auf diesem Polster ausruht, und in dem Traume süsser [61.19] Vorspiegelungen (die sie doch statt der Juno eine Wolke [61.20] umarmen lassen), der Sittlichkeit einen aus Gliedern ganz [61.21] verschiedener Abstammung zusammengeflickten Bastard un- [61.22] terschiebt, der allem ähnlich sieht, was man daran sehen [61.23] will, nur der Tugend nicht, für den, der sie einmal in [61.24] ihrer wahren Gestalt erblickt hat. *) [61.25] *) Die Tugend in ihrer eigentlichen Gestalt erblicken, ist nichts [61.26] anders, als die Sittlichkeit, von aller Beymischung des Sinn- 61 [4:426] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [62.1] Die Frage ist also diese: ist es ein nothwendiges Ge- [62.2] setz +für alle vernünftige Wesen+, ihre Handlungen je- [62.3] derzeit nach solchen Maximen zu beurtheilen, von denen [62.4] sie selbst wollen können, daß sie zu allgemeinen Gesetzen [62.5] dienen sollen? Wenn es ein solches ist, so muß es (völlig [62.6] a priori) schon mit dem Begriffe des Willens eines ver- [62.7] nünftigen Wesens überhaupt verbunden seyn. Um aber [62.8] diese Verknüpfung zu entdecken, muß man, so sehr man [62.9] sich auch sträubt, einen Schritt hinaus thun, nämlich zur [62.10] Metaphysik, obgleich in ein Gebiet derselben, welches [62.11] von dem der speculativen Philosophie unterschieden ist, [62.12] nämlich in die Metaphysik der Sitten. In einer prakti- [62.13] schen Philosophie, wo es uns nicht darum zu thun ist, [62.14] Gründe anzunehmen, von dem, was +geschieht+, sondern [62.15] Gesetze von dem, was +geschehen soll+, ob es gleich nie- [62.16] mals geschieht d. i. obiectiv-practische Gesetze: da haben [62.17] wir nicht nöthig, über die Gründe Untersuchung anzustel- [62.18] len, warum etwas gefällt oder misfällt, wie das Vergnü- [62.19] gen der blossen Empfindung vom Geschmacke, und ob [62.20] dieser von einem allgemeinen Wohlgefallen der Vernunft [62.21] unterschieden sey; worauf Gefühl der Lust und Unlust be- [62.22] ruhe, und wie hieraus Begierden und Neigungen, aus [62.23] diesen aber, durch Mitwirkung der Vernunft, Maximen [62.24] lichen und allem unächten Schmuck des Lohns, oder der Selbst- [62.25] liebe entkleidet, darzustellen. Wie sehr sie alsdenn alles übrige, [62.26] was den Neigungen reizend erscheint, verdunkele, kann jeder ver- [62.27] mittelst des mindesten Versuchs seiner nicht ganz für alle Abstrac- [62.28] tion verdorbenen Vernunft leicht inne werden. 62 [4:426-427] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [63.1] entspringen; denn das gehört alles zu einer empirischen [63.2] Seelenlehre, welche den zweyten Theil der Naturlehre [63.3] ausmachen würde, wenn man sie als +Philosophie der+ [63.4] +Natur+ betrachtet, so fern sie auf +empirischen Gesetzen+ [63.5] gegründet ist. Hier aber ist vom obiectiv-practischen [63.6] Gesetze die Rede, mithin von dem Verhältnisse eines [63.7] Willens zu sich selbst, so fern er sich blos durch Vernunft [63.8] bestimmt, da denn also alles, was aufs Empirische Be- [63.9] ziehung hat, von selbst wegfällt; weil, wenn die +Ver-+ [63.10] +nunft für sich allein+ das Verhalten bestimmt, (wovon [63.11] wir die Möglichkeit jetzt eben untersuchen wollen), sie die- [63.12] ses nothwendig a priori thun muß. [63.13] Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, +der+ [63.14] +Vorstellung gewisser Gesetze gemäß+ sich selbst zum [63.15] Handeln zu bestimmen. Und ein solches Vermögen kann [63.16] nur in vernünftigen Wesen anzutreffen seyn. Nun ist das, [63.17] was dem Willen zum obiectiven Grunde seiner Selbstbe- [63.18] stimmung dient, der +Zweck+, und dieser, wenn er durch [63.19] blosse Vernunft gegeben wird, muß für alle vernünftige [63.20] Wesen gleich gelten. Was dagegen blos den Grund der [63.21] Möglichkeit der Handlung enthält, deren Wirkung Zweck [63.22] ist, heißt das +Mittel+. Der subjective Grund des Begeh- [63.23] rens ist die +Triebfeder+, der objective des Wollens der [63.24] +Bewegungsgrund+; daher der Unterschied zwischen sub- [63.25] jectiven Zwecken, die auf Triebfedern beruhen, und obiecti- [63.26] ven, die auf Bewegungsgründe ankommen, welche für 63 [4:427] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [64.1] jedes vernünftige Wesen gelten. Practische Prinzipien [64.2] sind +formal+, wenn sie von allen subiectiven Zwecken abstra- [64.3] hiren, sie sind aber +material+, wenn sie diese, mithin ge- [64.4] wisse Triebfedern zum Grunde legen. Die Zwecke, die [64.5] sich ein vernünftiges Wesen als +Wirkungen+ seiner Hand- [64.6] lung nach Belieben vorsetzt (materiale Zwecke), sind ins- [64.7] gesamt nur relativ; denn nur blos ihr Verhältnis auf [64.8] ein besonders geartetes Begehrungsvermögen des Sub- [64.9] jects giebt ihnen den Werth, der daher keine allgemeine [64.10] für alle vernünftige Wesen, und auch nicht für jedes Wol- [64.11] len gültige und nothwendige Prinzipien, d. i. practische [64.12] Gesetze an die Hand geben kann. Daher sind alle die- [64.13] se relative Zwecke nur der Grund von hypothetischen Im- [64.14] perativen. [64.15] Gesetzt aber, es gäbe etwas, +dessen Daseyn an+ [64.16] +sich selbst+ einen absoluten Werth hat, was, als +Zweck+ [64.17] +an sich selbst+, ein Grund bestimmter Gesetze seyn könnte, [64.18] so würde in ihm, und nur in ihm allein, der Grund [64.19] eines möglichen categorischen Imperativs d. i. practischen [64.20] Gesetzes liegen. [64.21] Nun sage ich: der Mensch, und überhaupt jedes ver- [64.22] nünftige Wesen, +existirt+ als Zweck an sich selbst, +nicht+ [64.23] +blos als Mittel+ zum beliebigen Gebrauche für diesen oder [64.24] jenen Willen, sondern muß in allen seinen, so wohl auf [64.25] sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerich- 64 [4:427-428] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [65.1] teten Handlungen, iederzeit +zugleich als Zweck+ betrachtet [65.2] werden. Alle Gegenstände der Neigungen haben nur einen [65.3] bedingten Werth; denn, wenn die Neigungen und darauf [65.4] gegründete Bedürfnisse nicht wären, so würde ihr Gegen- [65.5] stand ohne Werth seyn. Die Neigungen selber aber, als [65.6] Quellen der Bedürfnis, haben so wenig einen absoluten [65.7] Werth, um sie selbst zu wünschen, daß vielmehr gänz- [65.8] lich davon frey zu seyn, der allgemeine Wunsch eines je- [65.9] den vernünftigen Wesens seyn muß. Also ist der Werth [65.10] aller durch unsere Handlung +zu erwerbenden+ Gegenstän- [65.11] de jederzeit bedingt. Die Wesen, deren Daseyn zwar [65.12] nicht auf unserm Willen, sondern der Natur beruht, ha- [65.13] ben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur [65.14] einen relativen Werth, als Mittel, und heissen daher [65.15] +Sachen+, dagegen vernünftige Wesen +Personen+ ge- [65.16] nannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an [65.17] sich selbst, d. i. als etwas, das nicht blos als Mittel ge- [65.18] braucht werden darf, auszeichnet, mithin so fern alle [65.19] Willkühr einschränkt (und ein Gegenstand der Achtung [65.20] ist). Dies sind also nicht blos subiective Zwecke, deren [65.21] Existenz, als Wirkung unserer Handlung, +für uns+ ei- [65.22] nen Werth hat; sondern +obiective Zwecke+, d. i. Dinge, [65.23] deren Daseyn an sich selbst Zweck ist, und zwar einen [65.24] solchen, an dessen Statt kein anderer Zweck gesetzt wer- [65.25] den kann, dem sie +blos+ als Mittel zu Diensten stehen [65.26] sollten, weil ohne dieses überall gar nichts von +absolu-+ [65.27] +tem Werthe+ würde angetroffen werden; wenn aber al- 65 [4:428] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [66.1] ler Werth bedingt, mithin zufällig wäre, so könnte für [66.2] die Vernunft überall kein oberstes practisches Prinzip [66.3] angetroffen werden. [66.4] Wenn es denn also ein oberstes practisches Prin- [66.5] zip und, in Ansehung des menschlichen Willens, einen [66.6] categorischen Imperativ geben soll, so muß es ein solches [66.7] seyn, das aus der Vorstellung dessen, was nothwendig [66.8] für jedermann Zweck ist, weil es +Zweck an sich selbst+ [66.9] ist, ein +objectives+ Prinzip des Willens ausmacht, mit- [66.10] hin zum allgemeinen practischen Gesetz dienen kann. Der [66.11] Grund dieses Prinzips ist: +die vernünftige Natur+ [66.12] +existirt als Zweck an sich selbst+. So stellt sich noth- [66.13] wendig der Mensch sein eigenes Daseyn vor; so fern ist es [66.14] also ein +subiectives+ Prinzip menschlicher Handlungen. [66.15] So stellt sich aber auch jedes andere vernünftige Wesen [66.16] sein Daseyn zufolge eben desselben Vernunftgrundes, der [66.17] auch für mich gilt, vor *), also ist es zugleich ein +ob-+ [66.18] +iectives+ Prinzip, woraus, als einem obersten practi- [66.19] schen Grunde, alle Gesetze des Willens müssen abgeleitet [66.20] werden können. Der practische Imperativ wird also [66.21] folgender seyn: +Handle so, daß du die Menschheit+, [66.22] +so wohl in deiner Person, als in der Person eines+ [66.23] +jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals+ [66.24] *) Diesen Satz stelle ich hier als Postulat auf. Im letzten Ab- [66.25] schnitte wird man die Gründe dazu finden. 66 [4:428-429] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [67.1] +blos als Mittel brauchest+. Wir wollen sehen, ob sich [67.2] dieses bewerkstelligen lasse. [67.3] Um bey den vorigen Beyspielen zu bleiben so wird [67.4] +Erstlich+, nach dem Begriffe der nothwendigen [67.5] Pflicht gegen sich selbst, derjenige, der mit Selbstmorde [67.6] umgeht, sich fragen, ob seine Handlung mit der Idee [67.7] der Menschheit, +als Zwecks an sich selbst+, zusammen [67.8] bestehen könne. Wenn er, um einem beschwerlichen Zu- [67.9] stande zu entfliehen, sich selbst zerstört, so bedient er sich [67.10] einer Person, blos als +eines Mittels+, zu Erhaltung [67.11] eines erträglichen Zustandes bis zu Ende des Lebens. [67.12] Der Mensch aber ist keine Sache, mithin nicht etwas, [67.13] das +blos+ als Mittel gebraucht werden kann, sondern [67.14] muß bey allen seinen Handlungen jederzeit als Zweck an [67.15] sich selbst betrachtet werden. Also kann ich über den [67.16] Menschen in meiner Person nicht disponiren, ihn zu [67.17] verstümmeln, zu verderben, oder zu tödten. (Die nä- [67.18] here Bestimmung dieses Grundsatzes zur Vermeidung [67.19] alles Mißverstandes, z.B. der Amputation der Glieder, [67.20] um mich zu erhalten, der Gefahr, der ich mein Leben [67.21] aussetze, um mein Leben zu erhalten etc., muß ich hier [67.22] vorbeygehen; sie gehört zur eigentlichen Moral). [67.23] +Zweytens:+ was die nothwendige oder schuldige [67.24] Pflicht gegen andere betrift, so wird der, so ein lügen- [67.25] haftes Versprechen gegen andere zu thun im Sinne hat, [67.26] so fort einsehen, daß er sich eines andern Menschen 67 [4:429] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [68.1] +blos als Mittels+ bedienen will, ohne daß dieser zugleich [68.2] den Zweck in sich enthalte. Denn der, den ich durch [68.3] ein solches Versprechen zu meinen Absichten brauchen [68.4] will, kann unmöglich in meiner Art, gegen ihn zu verfah- [68.5] ren, einstimmen und also selbst den Zweck dieser Handlung [68.6] enthalten. Deutlicher fällt dieser Widerstreit gegen das [68.7] Prinzip anderer Menschen in die Augen, wenn man Bey- [68.8] spiele von Angriffen auf Freyheit und Eigenthum ande- [68.9] rer herbeyzieht. Denn da leuchtet klar ein, daß der [68.10] Uebertreter der Rechte der Menschen, sich der Person an- [68.11] derer blos als Mittel zu bedienen, gesonnen sey, ohne in [68.12] Betracht zu ziehen, daß sie, als vernünftige Wesen, je- [68.13] derzeit zugleich als Zwecke, d. i. nur als solche, die von [68.14] eben derselben Handlung auch in sich den Zweck müssen [68.15] enthalten können, geschätzt werden sollen *). [68.16] +Drittens+ in Ansehung der zufälligen (verdienstli- [68.17] chen) Pflicht gegen sich selbst ists nicht genug, daß die [68.18] *) Man denke ja nicht, daß hier das triviale: quod tibi non vis [68.19] fieri &c zur Richtschnur oder Prinzip dienen könne. Denn es ist, [68.20] obzwar mit verschiedenen Einschränkungen, nur aus jenem ab- [68.21] geleitet; es kann kein allgemeines Gesetz seyn, denn es enthält [68.22] nicht den Grund der Pflichten gegen sich selbst, nicht der Lie- [68.23] bespflichten gegen andere, (denn mancher würde es gerne ein- [68.24] gehen, daß andere ihm nicht wohlthun sollen, wenn er es [68.25] nur überhoben seyn dürfte, ihnen Wohlthat zu erzeigen), end- [68.26] lich nicht der schuldigen Pflichten gegen einander; denn der [68.27] Verbrecher würde aus diesem Grunde gegen seine strafenden [68.28] Richter argumentiren, u. s. w. 68 [4:429-430] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [69.1] Handlung nicht der Menschheit in unserer Person, als [69.2] Zweck an sich selbst, widerstreite, sie muß auch +dazu zu-+ [69.3] +sammenstimmen+. Nun sind in der Menschheit Anlagen [69.4] zu grösserer Vollkommenheit, die zum Zwecke der Natur [69.5] in Ansehung der Menschheit in unserem Subiect gehören; [69.6] diese zu vernachlässigen, würde allenfalls wohl mit der [69.7] +Erhaltung+ der Menschheit, als Zwecks an sich selbst, [69.8] aber nicht der +Beförderung+ dieses Zwecks bestehen [69.9] können. [69.10] +Viertens+, in Betreff der verdienstlichen Pflicht [69.11] gegen andere, ist der Naturzweck, den alle Menschen [69.12] haben, ihre eigene Glückseligkeit. Nun würde zwar [69.13] die Menschheit bestehen können, wenn niemand zu des [69.14] andern Glückseligkeit was beytrüge, doch aber ihr nichts [69.15] vorsetzlich entzöge; allein es ist dieses doch nur eine nega- [69.16] tive und nicht positive Uebereinstimmung zur +Menschheit,+ [69.17] +als Zweck an sich selbst+, wenn jedermann auch nicht [69.18] die Zwecke anderer, so viel an ihm ist, zu befördern [69.19] trachtete. Denn das Subiect, welches Zweck an sich [69.20] selbst ist, dessen Zwecke müssen, wenn jene Vorstellung [69.21] bey mir +alle+ Wirkung thun soll, auch, so viel möglich, [69.22] +meine+ Zwecke seyn. [69.23] Dieses Prinzip der Menschheit und jeder vernünf- [69.24] tigen Natur überhaupt, +als Zwecks an sich selbst+, [69.25] (welche die oberste einschränkende Bedingung der Frey- 69 [4:430] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [70.1] heit der Handlungen eines jeden Menschen ist), ist nicht [70.2] aus der Erfahrung entlehnt, erstlich, wegen seiner Allge- [70.3] meinheit, da es auf alle vernünftige Wesen überhaupt [70.4] geht, worüber etwas zu bestimmen keine Erfahrung zu- [70.5] reicht: zweytens, weil darinn die Menschheit nicht als [70.6] Zweck des Menschen (subiectiv) d. i. als Gegenstand, den [70.7] man sich von selbst wirklich zum Zwecke macht, sondern [70.8] als obiectiver Zweck, der, wir mögen Zwecke haben, [70.9] welche wir wollen, als Gesetz die oberste einschränkende [70.10] Bedingung aller subiectiven Zwecke ausmachen soll, vor- [70.11] gestellt wird, mithin aus reiner Vernunft entspringen [70.12] muß. Es liegt nämlich der Grund aller practischen Ge- [70.13] setzgebung +obiectiv in der Regel+ und der Form der All- [70.14] gemeinheit, die sie ein Gesetz (allenfalls Naturgesetz) zu [70.15] seyn fähig macht, (nach dem ersten Prinzip), +subiectiv+ [70.16] aber im +Zwecke+, das Subiect aller Zwecke aber ist jedes [70.17] vernünftige Wesen, als Zweck an sich selbst, (nach dem [70.18] zweyten Prinzip): hieraus folgt nun das dritte practische [70.19] Prinzip des Willens, als oberste Bedingung der Zusam- [70.20] menstimmung desselben mit der allgemeinen practischen [70.21] Vernunft, die Idee +des Willens jedes vernünftigen+ [70.22] +Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens+. [70.23] Alle Maximen werden nach diesem Prinzip ver- [70.24] worfen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung [70.25] des Willens nicht zusammen bestehen können. Der [70.26] Wille wird also nicht als lediglich dem Gesetze unterwor- 70 [4:430-431] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [71.1] fen, sondern so unterworfen, daß er auch +als Selbst-+ [71.2] +gesetzgebend+ und eben um deswillen allererst dem Gesetze, [71.3] (davon er selbst sich als Urheber betrachten kann), unter- [71.4] worfen, angesehen werden muß. [71.5] Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, [71.6] nämlich der allgemein einer +Naturordnung+ ähnlichen [71.7] Gesetzmäßigkeit der Handlungen, oder des allgemeinen [71.8] +Zwecksvorzuges+ vernünftiger Wesen an sich selbst, schlossen [71.9] zwar von ihrem gebietenden Ansehen alle Beymischung [71.10] irgend eines Interesse, als Triebfeder, aus, eben dadurch, [71.11] daß sie als categorisch vorgestellt wurden; sie wurden [71.12] aber nur als categorisch +angenommen+, weil man der- [71.13] gleichen annehmen mußte, wenn man den Begriff von [71.14] Pflicht erklären wollte. Daß es aber practische Sätze [71.15] gäbe, die categorisch geböten, könnte für sich nicht be- [71.16] wiesen werden, so wenig, wie es überhaupt in diesem [71.17] Abschnitte auch hier noch geschehen kann; allein eines [71.18] hätte doch geschehen können, nämlich: daß die Lossa- [71.19] gung von allem Interesse beym Wollen aus Pflicht, als [71.20] das specifische Unterscheidungszeichen des categorischen [71.21] vom hypothetischen Imperativ, in dem Imperativ selbst, [71.22] durch irgend eine Bestimmung, die er enthielte, mit [71.23] angedeutet würde, und dieses geschieht in gegenwärtiger [71.24] dritten Formel des Prinzips, nämlich der Idee des [71.25] Willens eines jeden vernünftigen Wesens, als +allgemein-+ [71.26] +gesetzgebenden Willens+. 71 [4:431-432] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [72.1] Denn wenn wir einen solchen denken, so kann, ob- [72.2] gleich ein Wille, +der unter Gesetzen steht+, noch ver- [72.3] mittelst eines Interesse an dieses Gesetz gebunden seyn [72.4] mag, dennoch ein Wille, der selbst zu oberst gesetzge- [72.5] bend ist, unmöglich so fern von irgend einem Interesse [72.6] abhängen; denn ein solcher abhängender Wille würde [72.7] selbst noch eines andern Gesetzes bedürfen, welches das [72.8] Interesse seiner Selbstliebe auf die Bedingung einer Gül- [72.9] tigkeit zum allgemeinen Gesetz einschränkte. [72.10] Also würde das +Prinzip+ eines jeden menschlichen [72.11] Willens, als +eines durch alle seine Maximen allge-+ [72.12] +mein gesetzgebenden Willens+ *), wenn es sonst mit ihm [72.13] nur seine Richtigkeit hätte, sich zum categorischen Im- [72.14] perativ darinn gar +wohl schicken+, daß es, eben um [72.15] der Idee der allgemeinen Gesetzgebung willen, sich +auf+ [72.16] +kein Interesse gründet+ und also unter möglichen Impe- [72.17] rativen allein +unbedingt+ seyn kann, oder noch besser, [72.18] indem wir den Satz umkehren; wenn es einen categori- [72.19] schen Imperativ giebt, (d. i. ein Gesetz für jeden Willen [72.20] eines vernünftigen Wesens), so kann er nur gebieten: [72.21] alles aus der Maxime seines Willens, als eines solchen, zu [72.22] thun, der zugleich sich selbst als allgemein gesetzgebend [72.23] *) Ich kann hier, Beyspiele zur Erläuterung dieses Prinzips an- [72.24] zuführen, überhoben seyn, denn die, so zuerst den categorischen [72.25] Imperativ und seine Formel erläuterten, können hier alle zu [72.26] eben dem Zwecke dienen. 72 [4:432] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [73.1] zum Gegenstande haben könnte; denn alsdenn nur ist [73.2] das practische Prinzip und der Imperativ, dem er ge- [73.3] horcht, unbedingt, weil er gar kein Interesse zum Grun- [73.4] de haben kann. [73.5] Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bishe- [73.6] rige Bemühungen, die jemals unternommen worden, [73.7] um das Prinzip der Sittlichkeit ausfündig zu machen, zu- [73.8] rücksehen, warum sie insgesamt haben fehlschlagen müssen. [73.9] Man sahe den Menschen durch seine Pflicht an Gesetze [73.10] gebunden, man ließ es sich aber nicht einfallen, daß er [73.11] +nur seiner eigenen+ und dennoch +allgemeinen Gesetzge-+ [73.12] +bung+ unterworfen sey, und daß er nur verbunden sey, [73.13] nach seinem eigenen, dem Naturzwecke nach aber, allge- [73.14] mein gesetzgebenden Willen gemäß zu handeln. Denn, [73.15] wenn man sich ihn nur als einem Gesetz (welches es auch [73.16] sey), unterworfen dachte: so mußte dieses irgend ein In- [73.17] teresse als Reitz oder Zwang bey sich führen, weil es nicht [73.18] als Gesetz aus +seinem+ Willen entsprang, sondern dieser [73.19] gesetzmässig von +etwas andern+ genöthiget wurde, auf [73.20] gewisse Weise zu handeln. Durch diese ganz nothwendi- [73.21] ge Folgerung aber war alle Arbeit, einen obersten Grund [73.22] der Pflicht zu finden, unwiederbringlich verlohren. Denn [73.23] man bekam niemals Pflicht, sondern Nothwendigkeit der [73.24] Handlung aus einem gewissen Interesse heraus. Dieses [73.25] mochte nun ein eigenes oder fremdes Interesse seyn. [73.26] Aber alsdann mußte der Imperativ jederzeit bedingt 73 [4:432-433] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [74.1] ausfallen, und konnte zum moralischen Gebote gar nicht [74.2] taugen. Ich will also dieses Prinzip der ++Autono-++ [74.3] ++mie++ des Willens, im Gegensatz mit jedem andern, das [74.4] ich deshalb zur ++Heteronomie++ zähle, nennen. [74.5] Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das [74.6] sich durch alle Maximen seines Willens als allgemein [74.7] gesetzgebend betrachten muß, um aus diesem Gesichtspunc- [74.8] te sich selbst und seine Handlungen zu beurtheilen, führt [74.9] auf einen ihm anhängenden sehr fruchtbaren Begriff, näm- [74.10] lich den +eines Reichs der Zwecke+. [74.11] Ich verstehe aber unter einem +Reiche+, die systema- [74.12] tische Verbindung verschiedener vernünftiger Wesen durch [74.13] gemeinschaftliche Gesetze. Weil nun Gesetze die Zwecke [74.14] ihrer allgemeinen Gültigkeit nach bestimmen, so wird, [74.15] wenn man von dem persönlichen Unterschiede vernünftiger [74.16] Wesen, imgleichen allem Inhalte ihrer Privatzwecke ab- [74.17] strahirt, ein Ganzes aller Zwecke, (so wohl der vernünf- [74.18] tigen Wesen als Zwecke an sich, als auch der eigenen [74.19] Zwecke, die ein jedes sich selbst setzen mag), in systemati- [74.20] scher Verknüpfung, d. i. ein Reich der Zwecke gedacht [74.21] werden können, welches nach obigen Prinzipien mög- [74.22] lich ist. [74.23] Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem +Ge-+ [74.24] +setz+, daß jedes derselben sich selbst und alle andere +nie-+ 74 [4:433] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [75.1] +mals blos als Mittel+, sondern jederzeit +zugleich als+ [75.2] +Zweck an sich selbst+ behandeln dürfe. Hiedurch aber [75.3] entspringt eine systematische Verbindung vernünftiger [75.4] Wesen durch gemeinschaftliche obiective Gesetze, d. i. ein [75.5] Reich, welches, weil diese Gesetze eben die Beziehung [75.6] derselben auf einander, als Zwecke und Mittel, zur Ab- [75.7] sicht haben, ein Reich der Zwecke (freylich nur ein Ideal), [75.8] heissen kann. [75.9] Es gehört aber ein vernünftiges Wesen als +Glied+ [75.10] zum Reiche der Zwecke, wenn es darinn zwar allgemein [75.11] gesetzgebend, aber auch diesen Gesetzen selbst unterworfen [75.12] ist. Es gehört dazu +als Oberhaupt+, wenn es als ge- [75.13] setzgebend keinem Willen eines andern unterworfen ist. [75.14] Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetz- [75.15] gebend in einem durch Freyheit des Willens möglichen [75.16] Reiche der Zwecke betrachten, es mag nun seyn als Glied [75.17] oder als Oberhaupt. Den Platz des letztern kann es aber [75.18] nicht blos durch die Maxime seines Willens, sondern nur [75.19] alsdann, wenn es ein völlig unabhängiges Wesen, ohne [75.20] Bedürfnis und Einschränkung seines, dem Willen adä- [75.21] quaten Vermögens ist, behaupten. [75.22] Moralität besteht also in der Beziehung aller Hand- [75.23] lung auf die Gesetzgebung, dadurch allein ein Reich der [75.24] Zwecke möglich ist. Diese Gesetzgebung muß aber in je- 75 [4:433-434] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [76.1] dem vernünftigen Wesen selbst angetroffen werden, und [76.2] aus seinem Willen entspringen können, dessen Prinzip [76.3] also ist: keine Handlung nach einer andern Maxime zu [76.4] thun, als so, daß es auch mit ihr bestehen könne, daß [76.5] sie ein allgemeines Gesetz sey, und also nur so, +daß+ [76.6] +der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als+ [76.7] +allgemein gesetzgebend betrachten könne+. Sind nun [76.8] die Maximen mit diesem obiectiven Prinzip der vernünf- [76.9] tigen Wesen, als allgemein gesetzgebend, nicht durch ih- [76.10] re Natur schon nothwendig einstimmig, so heißt die Noth- [76.11] wendigkeit der Handlung nach jenem Prinzip practische [76.12] Nöthigung, d. i. +Pflicht+. Pflicht kommt nicht dem [76.13] Oberhaupte im Reiche der Zwecke, wohl aber jedem [76.14] Gliede, und zwar allen in gleichem Maaße, zu. [76.15] Die practische Nothwendigkeit nach diesem Prin- [76.16] zip zu handeln, d. i. die Pflicht, beruht gar nicht auf Ge- [76.17] fühlen, Antrieben und Neigungen, sondern blos auf dem [76.18] Verhältnisse vernünftiger Wesen zu einander, in welchem [76.19] der Wille eines vernünftigen Wesens jederzeit zugleich als [76.20] +gesetzgebend+ betrachtet werden muß, weil es sie sonst [76.21] nicht als +Zweck an sich selbst+ denken könnte. Die Ver- [76.22] nunft bezieht also jede Maxime des Willens als allgemein [76.23] gesetzgebend auf jeden anderen Willen, und auch auf je- [76.24] de Handlung gegen sich selbst, und dies zwar nicht um [76.25] irgend eines andern practischen Bewegungsgrundes oder [76.26] künftigen Vortheils willen, sondern aus der Idee der 76 [4:434] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [77.1] +Würde+ eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetze [77.2] gehorcht, als dem, das es zugleich selbst giebt. [77.3] Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen [77.4] ++Preiß++, oder eine ++Würde++. Was einen Preiß hat, [77.5] an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als +Aequiva-+ [77.6] +lent+, gesetzt werden; was dagegen über allen Preiß erha- [77.7] ben ist, mithin kein Aequivalent verstattet, das hat eine [77.8] Würde. [77.9] Was sich auf die allgemeine menschliche Neigungen [77.10] und Bedürfnisse bezieht, hat einen +Marktpreiß+, das [77.11] was auch ohne ein Bedürfnis voraus zu setzen, einem ge- [77.12] wissen Geschmacke, d. i. einem Wohlgefallen am blossen [77.13] zwecklosen Spiel unserer Gemüthskräfte gemäß ist, einen [77.14] +Affectionspreiß+, das aber, was die Bedingung aus- [77.15] macht, unter der allein etwas Zweck an sich selbst seyn [77.16] kann, hat nicht blos einen relativen Werth, d. i. einen [77.17] Preiß, sondern einen innern Werth, d. i. +Würde+. [77.18] Nun ist Moralität die Bedingung, unter der al- [77.19] lein ein vernünftiges Wesen Zweck an sich selbst seyn [77.20] kann; weil nur durch sie es möglich ist, ein gesetzgebend [77.21] Glied im Reiche der Zwecke zu seyn. Also ist Sittlich- [77.22] keit und die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, [77.23] dasjenige, was allein Würde hat. Geschicklichkeit und [77.24] Fleiß im Arbeiten haben einen Marktpreiß: Witz, leb- 77 [4:434-435] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [78.1] hafte Einbildungskraft und Launen einen Affectionspreiß: [78.2] dagegen Treue im Versprechen, Wohlwollen aus Grund- [78.3] sätzen, (nicht aus Instinkt), haben einen innern Werth. [78.4] Die Natur sowohl als Kunst enthalten nichts, was sie, [78.5] in Ermanglung derselben, an ihre Stelle setzen könnten; [78.6] denn ihr Werth besteht nicht in den Wirkungen, die dar- [78.7] aus entspringen, im Vortheil und Nutzen, den sie schaf- [78.8] fen, sondern in den Gesinnungen, d. i. den Maximen [78.9] des Willens, die sich auf diese Art in Handlungen zu [78.10] offenbaren bereit sind, obgleich auch der Erfolg sie nicht [78.11] begünstigte. Diese Handlungen bedürfen auch keiner [78.12] Empfehlung, von irgend einer subiectiven Disposition [78.13] oder Geschmack sie mit unmittelbarer Gunst und Wohl- [78.14] gefallen anzusehen, keines unmittelbaren Hanges oder [78.15] Gefühles für dieselbe: sie stellen den Willen, der sie aus- [78.16] übt, als Gegenstand einer unmittelbaren Achtung dar, [78.17] dazu nichts als Vernunft gefodert wird, um sie dem Willen [78.18] zu +auferlegen+, nicht von ihm zu +erschmeicheln+, welches [78.19] letztere bey Pflichten ohnedem ein Widerspruch wäre. [78.20] Diese Schätzung giebt also den Werth einer solchen Den- [78.21] kungsart als Würde zu erkennen und setzt sie über allen [78.22] Preiß unendlich weg, mit dem sie gar nicht in Anschlag [78.23] und Vergleichung gebracht werden kann, ohne sich gleich- [78.24] sam an der Heiligkeit derselben zu vergreiffen. [78.25] Und was ist es denn nun, was die sittlich gute [78.26] Gesinnung oder die Tugend berechtigt, so hohe Ansprü- 78 [4:435] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [79.1] che zu machen. Es ist nichts geringeres als der +Antheil+, [79.2] den sie dem vernünftigen Wesen +an der allgemeinen+ [79.3] +Gesetzgebung+ verschaft und es hiedurch zum Gliede in [79.4] einem möglichen Reiche der Zwecke tauglich macht, wozu [79.5] es durch seine eigene Natur schon bestimmt war, als [79.6] Zweck an sich selbst und eben darum als gesetzgebend im [79.7] Reiche der Zwecke, in Ansehung aller Naturgesetze als [79.8] frey, nur denjenigen allein gehorchend, die es selbst [79.9] giebt und nach welchen seine Maximen zu einer allgemei- [79.10] nen Gesetzgebung (der er sich zugleich selbst unterwirft,) [79.11] gehören können. Denn es hat nichts einen Werth, als [79.12] der ihm das Gesetz bestimmt. Die Gesetzgebung selbst [79.13] aber, die allen Werth bestimmt, muß eben darum eine [79.14] Würde, d. i. unbedingten, unvergleichbaren Werth ha- [79.15] ben, für welchen das Wort +Achtung+ allein den gezie- [79.16] menden Ausdruck der Schätzung abgiebt, die ein vernünf- [79.17] tiges Wesen über sie anzustellen hat. +Autonomie+ ist [79.18] also der Grund der Würde der menschlichen und jeder [79.19] vernünftigen Natur. [79.20] Die angeführte drey Arten, das Prinzip der Sitt- [79.21] lichkeit vorzustellen, sind aber im Grunde nur so viele [79.22] Formeln eben desselben Gesetzes, deren die eine die an- [79.23] deren zwey von selbst in sich vereinigt. Indessen ist doch [79.24] eine Verschiedenheit in ihnen, die zwar eher subiectiv [79.25] als obiectiv-practisch ist, nämlich, um eine Idee der [79.26] Vernunft der Anschauung, (nach einer gewissen Analogie) 79 [4:435-436] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [80.1] und dadurch dem Gefühle näher zu bringen. Alle Maxi- [80.2] men haben nämlich 1) eine +Form+, welche in der Allge- [80.3] meinheit besteht und, da ist die Formel des sittlichen Im- [80.4] perativs so ausgedrückt: daß die Maximen so müssen ge- [80.5] wählt werden, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze [80.6] gelten sollten. [80.7] 2) Eine +Maxime+, nämlich einen Zweck, und da sagt [80.8] die Formel: daß das vernünftige Wesen, als Zweck sei- [80.9] ner Natur nach, mithin als Zweck an sich selbst, jeder [80.10] Maxime zur einschränkenden Bedingung aller blos rela- [80.11] tiven und willkührlichen Zwecke dienen müsse. [80.12] 3) +Eine vollständige Bestimmung+ aller Maxi- [80.13] men durch jene Formel, nämlich: daß alle Maximen [80.14] als eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reiche der [80.15] Zwecke, als einem Reiche der Natur *), zusammenstim- [80.16] men sollen. Der Fortgang geschieht hier, wie durch [80.17] die Categorien, der +Einheit+ der Form des Willens, (der [80.18] Allgemeinheit desselben), der +Vielheit+ der Materie, (der [80.19] Obiecte, d. i. der Zwecke), und der +Allheit+ oder Tota- [80.20] lität des Systems derselben. Man thut aber besser, [80.21] wenn man in der sittlichen +Beurtheilung+ immer nach [80.22] *) Die Teleologie erwägt die Natur, als ein Reich der Zwecke, [80.23] die Moral ein mögliches Reich der Zwecke, als ein Reich [80.24] der Natur. Dort ist das Reich der Zwecke eine theoretische [80.25] Idee, zu Erklärung dessen, was da ist. Hier ist es eine [80.26] practische Idee, um das, was nicht da ist, aber durch unser [80.27] Thun und Lassen wirklich werden kann, und zwar eben dieser [80.28] Idee gemäß, zu Stande zu bringen. 80 [4:436] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [81.1] der strengen Methode verfährt, und die allgemeine For- [81.2] mel des categorischen Imperativs zum Grunde legt: [81.3] +handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum+ [81.4] +allgemeinen Gesetze machen kann+. Will man aber [81.5] dem sittlichen Gesetze zugleich +Eingang+ verschaffen: so ist [81.6] sehr nützlich, ein und eben dieselbe Handlung durch be- [81.7] nannte drey Begriffe zu führen, und sie dadurch, so viel [81.8] sich thun läßt, der Anschauung zu nähern. [81.9] Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im [81.10] Anfange ausgiengen, nämlich dem Begriffe eines unbe- [81.11] dingt guten Willens. Der +Wille+ ist +schlechterdings+ [81.12] +gut+, der nicht böse seyn, mithin dessen Maxime, wenn [81.13] sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst [81.14] niemals widerstreiten kann. Dieses Prinzip ist also auch [81.15] sein oberstes Gesetz: handle jederzeit nach derjenigen Ma- [81.16] xime, deren Allgemeinheit als Gesetzes du zugleich wol- [81.17] len kanst; dieses ist die einzige Bedingung, unter der ein [81.18] Wille niemals mit sich selbst im Widerstreite seyn kann, [81.19] und ein solcher Imperativ ist categorisch. Weil die Gül- [81.20] tigkeit des Willens, als eines allgemeinen Gesetzes für [81.21] mögliche Handlungen, mit der allgemeinen Verknüpfung [81.22] des Daseyns der Dinge nach allgemeinen Gesetzen, die [81.23] das Formale der Natur überhaupt ist, Analogie hat, so [81.24] kann der categorische Imperativ auch so ausgedrückt wer- [81.25] den: +Handle nach Maximen, die sich selbst zugleich+ [81.26] +als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande haben+ 81 [4:436-437] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [82.1] +können+. So ist also die Formel eines schlechterdings [82.2] guten Willens beschaffen. [82.3] Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den [82.4] übrigen aus, daß sie ihr selbst einen Zweck setzt. Dieser [82.5] würde die Materie eines jeden guten Willens seyn. Da [82.6] aber in der Idee eines, ohne einschränkende Bedingung [82.7] (der Erreichung dieses oder jenes Zwecks) schlechterdings [82.8] guten Willens, durchaus von allem zu +bewirkenden+ [82.9] Zwecke abstrahirt werden muß, (als der jeden Willen nur [82.10] relativ gut machen würde), so wird der Zweck hier nicht [82.11] als ein zu bewirkender, +sondern selbstständiger+ Zweck, [82.12] mithin nur negativ, gedacht werden müssen, d. i. dem [82.13] niemals zuwider gehandelt, der also niemals blos als [82.14] Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck in jedem Wol- [82.15] len geschätzt werden muß. Dieser kann nun nichts anders [82.16] als das Subiect aller möglichen Zwecke selbst seyn, weil [82.17] dieses zugleich das Subiect eines möglichen, schlechter- [82.18] dings guten Willens ist; denn dieser kann, ohne Wi- [82.19] derspruch, keinem andern Gegenstande nachgesetzt wer- [82.20] den. Das Prinzip aber: handle in Beziehung auf ein [82.21] jedes vernünftige Wesen (auf dich selbst und andere) so, [82.22] daß es in deiner Maxime zugleich als Zweck an sich selbst [82.23] gelte, ist demnach mit dem Grundsatze: handle nach ei- [82.24] ner Maxime, die ihre eigene allgemeine Gültigkeit für [82.25] jedes vernünftige Wesen zugleich in sich enthält, im Grun- [82.26] de einerley. Denn, daß ich meine Maxime im Gebrau- 82 [4:437-438] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [83.1] che der Mittel zu jedem Zwecke auf die Bedingung ihrer [83.2] Allgemeingültigkeit, als eines Gesetzes für jedes Subiect [83.3] einschränken soll, sagt eben so viel, als das Subiect der [83.4] Zwecke, d. i. das vernünftige Wesen selbst, muß niemals [83.5] blos als Mittel, sondern als oberste einschränkende Be- [83.6] dingung im Gebrauche aller Mittel, d. i. jederzeit zugleich [83.7] als Zweck, allen Maximen der Handlungen zum Grunde [83.8] gelegt werden. [83.9] Nun folgt hieraus unstreitig: daß jedes vernünf- [83.10] tige Wesen, als Zweck an sich selbst, sich in Ansehung al- [83.11] ler Gesetze, denen es nur immer unterworfen seyn mag, [83.12] zugleich als allgemein gesetzgebend müsse ansehen können, [83.13] weil eben diese Schicklichkeit seiner Maximen zur allge- [83.14] meinen Gesetzgebung es als Zweck an sich selbst auszeich- [83.15] net, imgleichen, daß dieses seine Würde (Prärogativ) vor [83.16] allen blossen Naturwesen es mit sich bringe, seine Maximen [83.17] jederzeit aus dem Gesichtspuncte seiner selbst, zugleich [83.18] aber auch jedes andern vernünftigen als gesetzgebenden [83.19] Wesens, (die darum auch Personen heissen), nehmen zu [83.20] müssen. Nun ist auf solche Weise eine Welt vernünftiger [83.21] Wesen (mundus intelligibilis) als ein Reich der Zwecke [83.22] möglich, und zwar durch die eigene Gesetzgebung aller [83.23] Personen als Glieder. Dennoch muß ein jedes vernünf- [83.24] tige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen [83.25] jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der [83.26] Zwecke wäre. Das formale Prinzip dieser Maximen ist: 83 [4:438] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [84.1] handle so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemei- [84.2] nen Gesetze (aller vernünftigen Wesen) dienen sollte. [84.3] Ein Reich der Zwecke ist also nur möglich nach der Ana- [84.4] logie mit einem Reiche der Natur, jenes aber nur nach [84.5] Maximen d. i. sich selbst auferlegten Regeln, diese nur [84.6] nach Gesetzen auch äusserlich genöthigter wirkenden Ur- [84.7] sachen. Dem unerachtet giebt man doch auch dem Na- [84.8] turganzen, ob es schon als Maschine angesehen wird, [84.9] dennoch, so fern es auf vernünftige Wesen, als seine [84.10] Zwecke, Beziehung hat, aus diesem Grunde den Nah- [84.11] men eines Reichs der Natur. Ein solches Reich der [84.12] Zwecke würde nun durch Maximen, deren Regel der ca- [84.13] tegorische Imperativ aller vernünftigen Wesen vorschreibt, [84.14] wirklich zu stande kommen, +wenn sie allgemein befolgt+ [84.15] +würden+. Allein, obgleich das vernünftige Wesen darauf [84.16] nicht rechnen kann, daß, wenn es auch gleich diese Maxi- [84.17] me selbst pünctlich befolgte, darum jedes andere eben [84.18] derselben treu seyn würde, imgleichen, daß das Reich der [84.19] Natur und die zweckmässige Anordnung desselben, mit [84.20] ihm, als einem schicklichen Gliede, zu einem durch ihn selbst [84.21] möglichen Reiche der Zwecke zusammenstimmen, d. i. sei- [84.22] ne Erwartung der Glückseligkeit begünstigen werde: so [84.23] bleibt doch jenes Gesetz: handle nach Maximen eines all- [84.24] gemein gesetzgebenden Gliedes zu einem blos möglichen [84.25] Reiche der Zwecke, in seiner vollen Kraft, weil es ca- [84.26] tegorisch gebietend ist. Und hierin liegt eben das Para- [84.27] doxon: daß blos die Würde der Menschheit, als vernünf- 84 [4:438-439] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [85.1] tiger Natur, ohne irgend einen andern dadurch zu erreichen- [85.2] den Zweck, oder Vortheil, mithin die Achtung für eine blos- [85.3] se Idee, dennoch zur unnachlaßlichen Vorschrift des Wil- [85.4] lens dienen sollte, und daß gerade in dieser Unabhängig- [85.5] keit der Maxime von allen solchen Triebfedern, die Er- [85.6] habenheit derselben bestehe, und die Würdigkeit eines [85.7] jeden vernünftigen Subiects, ein gesetzgebendes Glied im [85.8] Reiche der Zwecke zu seyn; denn sonst würde es nur als [85.9] dem Naturgesetze seiner Bedürfnis unterworfen vorgestellt [85.10] werden müssen. Obgleich auch das Naturreich sowohl, [85.11] als das Reich der Zwecke, als unter einem Oberhaupte [85.12] vereinigt gedacht würde, und dadurch das letztere nicht [85.13] mehr bloße Idee bliebe, sondern wahre Realität erhielte, [85.14] so würde hiedurch zwar jener der Zuwachs einer starken [85.15] Triebfeder, niemals aber Vermehrung ihres innern [85.16] Werths zu statten kommen; denn, diesem ungeachtet, [85.17] müßte doch selbst dieser alleinige unumschränkte Gesetzge- [85.18] ber immer so vorgestellt werden, wie er den Werth der [85.19] vernünftigen Wesen, nur nach ihrem uneigennützigen, [85.20] blos aus jener Idee ihnen selbst vorgeschriebenen Verhal- [85.21] ten, beurtheilte. Das Wesen der Dinge ändert sich durch [85.22] ihre äußere Verhältnisse nicht, und was, ohne an das [85.23] letztere zu denken, den absoluten Werth des Menschen [85.24] allein ausmacht, darnach muß er auch, von wem es auch [85.25] sey, selbst vom höchsten Wesen, beurtheilt werden. +Mo-+ [85.26] +ralität+ ist also das Verhältnis der Handlungen zur Auto- [85.27] nomie des Willens, das ist, zur möglichen allgemeinen 85 [4:439] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [86.1] Gesetzgebung durch die Maximen desselben. Die Hand- [86.2] lung, die mit der Autonomie des Willens zusammen beste- [86.3] hen kann, ist +erlaubt+, die nicht damit stimmt, ist +uner-+ [86.4] +laubt+. Der Wille, dessen Maximen nothwendig mit den [86.5] Gesetzen der Autonomie zusammenstimmen, ist ein +heili-+ [86.6] +ger+, schlechterdings guter Wille. Die Abhängigkeit ei- [86.7] nes nicht schlechterdings guten Willens vom Prinzip der [86.8] Autonomie (die moralische Nöthigung), ist +Verbind-+ [86.9] +lichkeit+. Diese kann also auf ein heiliges Wesen nicht [86.10] gezogen werden. Die obiective Nothwendigkeit einer [86.11] Handlung aus Verbindlichkeit heißt +Pflicht+. [86.12] Man kann aus dem kurz vorhergehenden sich es [86.13] jetzt leicht erklären, wie es zugehe: daß, ob wir gleich [86.14] unter dem Begriffe von Pflicht uns eine Unterwürfigkeit [86.15] unter dem Gesetze denken, wir uns dadurch doch zugleich [86.16] eine gewisse Erhabenheit und +Würde+ an derjenigen Per- [86.17] son vorstellen, die alle ihre Pflichten erfüllt. Denn so [86.18] fern ist zwar keine Erhabenheit an ihr, als sie dem mo- [86.19] ralischen Gesetze +unterworfen+ ist, wohl aber, so fern [86.20] sie in Ansehung eben desselben zugleich +gesetzgebend+ und [86.21] nur darum ihm untergeordnet ist. Auch haben wir oben [86.22] gezeigt, wie weder Furcht, noch Neigung, sondern le- [86.23] diglich Achtung fürs Gesetz, diejenige Triebfeder sey, die [86.24] der Handlung einen moralischen Werth geben kann. Un- [86.25] ser eigener Wille, so fern er, nur unter der Bedingung [86.26] einer durch seine Maximen möglichen allgemeinen Gesetz- 86 [4:439-440] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [87.1] gebung handeln würde, dieser uns mögliche Wille in der [87.2] Idee, ist der eigentliche Gegenstand der Achtung, und [87.3] die Würde der Menschheit bestehet eben in dieser Fähig- [87.4] keit, allgemein gesetzgebend, obgleich mit dem Beding, [87.5] eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu [87.6] seyn. [87.7] ++Die Autonomie des Willens++ [87.8] ++als++ [87.9] +oberstes Prinzip der Sittlichkeit.+ [87.10] Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des [87.11] Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von [87.12] aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein [87.13] Gesetz ist. Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht [87.14] anders zu wählen als so, daß die Maximen seiner Wahl [87.15] in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit [87.16] begriffen seyn. Daß diese praktische Regel ein Imperativ [87.17] sey, d. i. der Wille jedes vernünftigen Wesens an ihr [87.18] als Bedingung nothwendig gebunden sey, kann durch [87.19] bloße Zergliederung der in ihm vorkommenden Begriffe, [87.20] nicht bewiesen werden, weil es ein synthetischer Satz ist; [87.21] man müßte über die Erkenntniß der Objecte und zu einer [87.22] Critik des Subjekts, d. i. der reinen practischen Ver- [87.23] nunft hinausgehen, denn völlig a priori muß dieser syn- [87.24] thetische Satz, der apodictisch gebietet, erkannt werden [87.25] können, dieses Geschäft aber gehört nicht in gegenwärti- 87 [4:440] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [88.1] gen Abschnitt. Allein, daß gedachtes Prinzip der Au- [88.2] tonomie das alleinige Prinzip der Moral sey, läßt sich [88.3] durch bloße Zergliederung der Begriffe der Sittlichkeit [88.4] gar wohl darthun. Denn dadurch findet sich, daß ihr [88.5] Prinzip ein categorischer Imperativ seyn müsse, dieser [88.6] aber nichts mehr oder weniger, als gerade diese Autono- [88.7] mie gebiete. [88.8] +Die Heteronomie des Willens,+ [88.9] +als der Quell aller unächten Prinzipien+ [88.10] +der Sittlichkeit.+ [88.11] Wenn der Wille irgend +worin anders+, als in [88.12] der Tauglichkeit seiner Maximen zu seiner eigenen allge- [88.13] meinen Gesetzgebung, mithin, wenn er über sich selbst [88.14] hinausgeht, und in der Beschaffenheit irgend eines seiner [88.15] Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt [88.16] jederzeit +Heteronomie+ heraus. Der Wille giebt alsdenn [88.17] sich nicht selbst, sondern das Object durch sein Verhält- [88.18] nis zum Willen giebt diesem das Gesetz. Dies Verhält- [88.19] nis, es beruhe nun auf der Neigung, oder auf Vorstel- [88.20] lungen der Vernunft, läßt nur hypothetische Imperati- [88.21] ven möglich werden: ich soll etwas thun darum, +weil ich+ [88.22] +etwas anders will+. Dagegen sagt der moralische, mit- [88.23] hin categorische Imperativ: ich soll so, oder so handeln, [88.24] ob ich gleich nichts anders wollte. Z. E. jener sagt: ich [88.25] soll nicht lügen, wenn ich bei Ehren bleiben will, dieser 88 [4:440-441] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [89.1] aber: ich soll nicht lügen, ob es mir gleich nicht die min- [89.2] deste Schande zuzöge. Der letztere muß also von allem [89.3] Gegenstande so fern abstrahiren, daß dieser gar keinen [89.4] +Einfluß+ auf den Willen habe, damit practische Vernunft [89.5] (Wille) nicht fremdes Interesse blos administrire, sondern [89.6] blos ihr eigenes gebietendes Ansehen, als oberste Gesetz- [89.7] gebung, beweise. So soll ich z.B. fremde Glückseligkeit [89.8] zu befördern suchen, nicht, als wenn mir an deren Exi- [89.9] stenz was gelegen wäre, (es sei durch unmittelbare Nei- [89.10] gung, oder irgend ein Wohlgefallen indirect durch Ver- [89.11] nunft), sondern blos deswegen, weil die Maxime, die sie [89.12] ausschließt, nicht in einem und demselben Wollen, als all- [89.13] gemeinen Gesetz, begriffen werden kann. [89.14] ++Eintheilung++ [89.15] +aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit+ [89.16] +aus dem+ [89.17] ++angenommenen Grundbegriffe++ [89.18] +der Heteronomie.+ [89.19] Die menschliche Vernunft hat hier, wie aller- [89.20] werts in ihrem reinen Gebrauche, so lange es ihr an [89.21] Critik fehlt, vorher alle mögliche unrechte Wege ver- [89.22] sucht, ehe es ihr gelingt, den einzigen wahren zu [89.23] treffen. [89.24] Alle Prinzipien, die man aus diesem Gesichts- [89.25] puncte nehmen mag, sind entweder +Empirisch+ oder +Ra-+ 89 [4:441] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [90.1] +tional+. Die ++ersteren++, aus dem Prinzip der +Glück-+ [90.2] +seligkeit+, sind aufs physische oder moralische Gefühl, die [90.3] ++zweyten++, aus dem Prinzip der +Vollkommenheit+, [90.4] entweder auf den Vernunftbegriff derselben, als möglicher [90.5] Wirkung, oder auf den Begriff einer selbstständigen Voll- [90.6] kommenheit (dem Willen Gottes), als bestimmende Ursa- [90.7] che unseres Willens, gebauet. [90.8] +Empirische Prinzipien+ taugen überall nicht dazu, [90.9] um moralische Gesetze darauf zu gründen. Denn die [90.10] Allgemeinheit, mit der sie für alle vernünftige Wesen [90.11] ohne Unterschied gelten sollen, die unbedingte practische [90.12] Nothwendigkeit, die ihnen dadurch auferlegt wird, fällt [90.13] weg, wenn der Grund derselben von der +besonderen+ [90.14] +Einrichtung der menschlichen Natur+, oder den zu- [90.15] fälligen Umständen hergenommen wird, darinn sie gesetzt [90.16] ist. Doch ist das Prinzip der +eigenen Glückseligkeit+ [90.17] am meisten verwerflich, nicht blos deswegen, weil es [90.18] falsch ist und die Erfahrung dem Vorgeben, als ob das [90.19] Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten rich- [90.20] te, widerspricht, auch nicht blos, weil es gar nichts zur [90.21] Gründung der Sittlichkeit beyträgt, indem es ganz was [90.22] anderes ist, einen glücklichen, als einen guten Menschen [90.23] und diesen klug und auf seinen Vortheil abgewitzt, als [90.24] ihn tugendhaft zu machen: sondern, weil es der Sitt- [90.25] lichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und [90.26] ihre ganze Erhabenheit zernichten, indem sie die Beweg- 90 [4:441-442] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [91.1] ursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine Classe [91.2] stellen und nur den Calcul besser ziehen lehren, den spe- [91.3] cifischen Unterschied beyder aber ganz und gar auslöschen; [91.4] dagegen das moralische Gefühl, dieser vermeyntliche be- [91.5] sondere Sinn *), (so seicht auch die Berufung auf sel- [91.6] bigen ist, indem diejenigen, die nicht +denken+ können, [91.7] selbst in dem, was blos auf allgemeine Gesetze ankommt, [91.8] sich durchs +fühlen+ auszuhelfen glauben, so wenig auch [91.9] Gefühle, die dem Grade nach von Natur unendlich von [91.10] einander unterschieden seyn, einen gleichen Maasstab [91.11] des Guten und Bösen abgeben, auch einer durch sein [91.12] Gefühl für andere gar nicht gültig urtheilen kann,) den- [91.13] noch der Sittlichkeit und ihrer Würde dadurch näher [91.14] treibt, daß er der Tugend die Ehre beweist, das Wohl- [91.15] gefallen und die Hochschätzung für sie, ihr +unmittelbar+ [91.16] zuzuschreiben und ihr nicht gleichsam ins Gesicht sagt, [91.17] daß es nicht ihre Schönheit, sondern nur der Vortheil [91.18] sey, der uns an sie knüpfe. [91.19] Unter den +rationalen+, oder Vernunftgründen der [91.20] Sittlichkeit, ist doch der ontologische Begriff der +Voll-+ [91.21] *) Ich rechne das Prinzip des moralischen Gefühls zu dem der [91.22] Glückseligkeit, weil ein jedes empirische Interesse durch die [91.23] Annehmlichkeit, die etwas nur gewährt, es mag nun unmit- [91.24] telbar und ohne Absicht auf Vortheile, oder in Rücksicht auf [91.25] dieselbe geschehen, einen Beytrag zum Wohlbefinden verspricht. [91.26] Imgleichen muß man das Prinzip der Theilnehmung an an- [91.27] derer Glückseligkeit, mit +Hutcheson+, zu demselben von ihm [91.28] angenommenen moralischen Sinne rechnen. 91 [4:442-443] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [92.1] +kommenheit+, (so leer, so unbestimmt, mithin unbrauch- [92.2] bar er auch ist, um in dem unermeßlichen Felde mög- [92.3] licher Realität die für uns schickliche größte Summe [92.4] auszufinden, so sehr er auch, um die Realität, von der [92.5] hier die Rede ist, specifisch von jeder anderen zu unter- [92.6] scheiden, einen unvermeidlichen Hang hat, sich im Cirkel [92.7] zu drehen, und die Sittlichkeit, die er erklären soll, inge- [92.8] heim voraus zu setzen, nicht vermeiden kann,) dennoch [92.9] besser als der theologische Begriff, sie von einem göttli- [92.10] chen allervollkommensten Willen abzuleiten, nicht blos [92.11] deswegen, weil wir seine Vollkommenheit doch nicht an- [92.12] schauen, sondern sie von unseren Begriffen, unter denen [92.13] der der Sittlichkeit der vornehmste ist, allein ableiten kön- [92.14] nen, sondern weil, wenn wir dieses nicht thun, (wie es [92.15] denn, wenn es geschähe, ein grober Cirkel im Erklären [92.16] seyn würde), der uns noch übrige Begriff seines Willens [92.17] aus den Eigenschaften der Ehr- und Herrschbegierde, mit [92.18] den furchtbaren Vorstellungen der Macht und des Rach- [92.19] eifers verbunden, zu einem System der Sitten, welches [92.20] der Moralität gerade entgegen gesetzt wäre, die Grund- [92.21] lage machen müßte. [92.22] Wenn ich aber zwischen dem Begriff des moralischen [92.23] Sinnes und dem der Vollkommenheit überhaupt, (die bey- [92.24] de der Sittlichkeit wenigstens nicht Abbruch thun, ob sie [92.25] gleich dazu gar nichts taugen, sie als Grundlagen zu un- [92.26] terstützen), wählen müßte: so würde ich mich für den letz- 92 [4:443] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [93.1] teren bestimmen, weil, da er wenigstens die Entschei- [93.2] dung der Frage von der Sinnlichkeit ab und an den Ge- [93.3] richtshof der reinen Vernunft zieht, ob er gleich auch [93.4] hier nichts entscheidet, dennoch die unbestimmte Idee (ei- [93.5] nes an sich guten Willens) zur nähern Bestimmung un- [93.6] verfälscht aufbehält. [93.7] Uebrigens glaube ich einer weitläuftigen Widerle- [93.8] gung aller dieser Lehrbegriffe überhoben seyn zu können. [93.9] Sie ist so leicht, sie ist von denen selbst, deren Amt es [93.10] erfodert, sich doch für eine dieser Theorien zu erklären, [93.11] (weil Zuhörer den Aufschub des Urtheils nicht wohl leiden [93.12] mögen), selbst vermuthlich so wohl eingesehen, daß dadurch [93.13] nur überflüssige Arbeit geschehen würde. Was uns aber [93.14] hier mehr interessirt, ist, zu wissen: daß diese Prinzipien [93.15] überall nichts als Heteronomie des Willens zum ersten [93.16] Grunde der Sittlichkeit aufstellen, und eben darum noth- [93.17] wendig ihres Zwecks verfehlen müssen. [93.18] Allenthalben, wo ein Obiect des Willens zum Grun- [93.19] de gelegt werden muß, um diesem die Regel vorzuschrei- [93.20] ben, die ihn bestimme, da ist die Regel nichts als He- [93.21] teronomie; der Imperativ ist bedingt, nämlich: +wenn+ [93.22] oder +weil+ man dieses Obiect will, soll man so oder so [93.23] handeln, mithin kann er niemals moralisch, d. i. cate- [93.24] gorisch gebieten. Es mag nun das Obiect vermittelst [93.25] der Neigung, wie beym Prinzip der eigenen Glückselig- 93 [4:443-444] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [94.1] keit, oder vermittelst der auf Gegenstände unseres mög- [94.2] lichen Wollens überhaupt gerichteten Vernunft, im Prin- [94.3] zip der Vollkommenheit, den Willen bestimmen, so be- [94.4] stimmt sich der Wille niemals +unmittelbar+ selbst durch [94.5] die Vorstellung der Handlung, sondern nur durch die [94.6] Triebfeder, welche die vorausgesehene Wirkung der [94.7] Handlung auf den Willen hat; +ich soll etwas thun,+ [94.8] +darum, weil ich etwas Anderes will+, und hier muß noch [94.9] ein anderes Gesetz in meinem Subiect zum Grunde ge- [94.10] legt werden, nach welchem ich dieses Andere nothwendig [94.11] will, welches Gesetz wiederum eines Imperativs bedarf, [94.12] der diese Maxime einschränke. Denn weil der Antrieb, [94.13] der die Vorstellung eines durch unsere Kräfte möglichen [94.14] Obiects nach der Naturbeschaffenheit des Subiects auf sei- [94.15] nen Willen ausüben soll, zur Natur des Subiects gehöret, [94.16] es sey der Sinnlichkeit, (der Neigung und des Geschmacks), [94.17] oder des Verstandes und der Vernunft an Vollkommen- [94.18] heit überhaupt nimmt, (deren Existenz entweder [94.19] von ihr selbst, oder nur von der höchsten selbststän- [94.20] digen Vollkommenheit abhängt,) so gäbe eigentlich die [94.21] Natur das Gesetz, welches, als ein solches, nicht allein [94.22] durch Erfahrung erkannt und bewiesen werden muß, mit- [94.23] hin an sich zufällig ist und zur apodictischen practischen [94.24] Regel, dergleichen die moralische seyn muß, dadurch un- [94.25] tauglich wird, sondern es ist +immer nur Heteronomie+ [94.26] des Willens, der Wille giebt sich nicht selbst, sondern [94.27] ein fremder Antrieb giebt ihm, vermittelst einer auf die 94 [4:444] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [95.1] Empfänglichkeit desselben gestimmten Natur des Sub- [95.2] iects, das Gesetz. [95.3] Der schlechterdings gute Wille, dessen Prinzip ein [95.4] categorischer Imperativ seyn muß, wird also in Anse- [95.5] hung aller Obiecte unbestimmt, blos die +Form des+ [95.6] +Wollens+ überhaupt enthalten und zwar als Autonomie, [95.7] d. i. die Tauglichkeit der Maxime eines jeden guten Wil- [95.8] lens, sich selbst zum allgemeinen Gesetze zu machen, ist [95.9] selbst das alleinige Gesetz, das sich der Wille eines jeden [95.10] vernünftigen Wesens selbst auferlegt, ohne irgend eine [95.11] Triebfeder und Interesse derselben als Grund unter- [95.12] zulegen. [95.13] +Wie ein solcher synthetischer practischer Satz+ [95.14] +a priori möglich+ und warum er nothwendig sey, ist eine [95.15] Aufgabe, deren Auflösung nicht mehr binnen den Gren- [95.16] zen der Metaphysik der Sitten liegt, auch haben wir [95.17] seine Wahrheit hier nicht behauptet, vielweniger vorge- [95.18] geben, einen Beweis derselben in unserer Gewalt zu ha- [95.19] ben. Wir zeigten nur durch Entwickelung des einmal [95.20] allgemein im Schwange gehenden Begriffs der Sittlich- [95.21] keit: daß eine Autonomie des Willens demselben, unver- [95.22] meidlicher Weise, anhänge, oder vielmehr zum Grunde [95.23] liege. Wer also Sittlichkeit für Etwas und nicht für [95.24] eine chimärische Idee ohne Wahrheit hält, muß das an- [95.25] geführte Prinzip derselben zugleich einräumen. Dieser 95 [4:444-445] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Zweyter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [96.1] Abschnitt war also, eben so, wie der erste, blos analy- [96.2] tisch. Daß nun Sittlichkeit kein Hirngespinst sey, wel- [96.3] ches alsdenn folgt, wenn der categorische Imperativ und [96.4] mit ihm die Autonomie des Willens wahr, und als ein [96.5] Prinzip a priori schlechterdings nothwendig ist, erfodert [96.6] einen +möglichen synthetischen Gebrauch der reinen+ [96.7] +practischen Vernunft+, den wir aber nicht wagen dür- [96.8] fen, ohne eine +Critic+ dieses Vernunftvermögens selbst [96.9] voran zu schicken, von welcher wir in dem letzten Ab- [96.10] schnitte, die zu unserer Absicht hinlängliche Hauptzüge [96.11] darzustellen haben. _______________________ 96 [4:445] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [97.1] ++Dritter Abschnitt.++ [97.2] ++Uebergang++ [97.3] +von der+ [97.4] ++Metaphysik der Sitten zur Critik++ [97.5] +der reinen practischen Vernunft.+ _______________________ [97.6] +Der Begriff der Freyheit+ [97.7] +ist der+ [97.8] +Schlüssel zur Erklärung der Autonomie+ [97.9] +des Willens.+ [97.10] Der +Wille+ ist eine Art von Caussalität lebender We- [97.11] sen, so fern sie vernünftig sind, und +Freyheit+ wür- [97.12] de diejenige Eigenschaft dieser Caussalität seyn, da sie [97.13] unabhängig von fremden sie +bestimmenden+ Ursachen [97.14] wirkend seyn kann; so wie +Naturnothwendigkeit+ die [97.15] Eigenschaft der Caussalität aller vernunftlosen Wesen, [97.16] durch den Einflus fremder Ursachen zur Thätigkeit be- [97.17] stimmt zu werden. [97.18] Die angeführte Erklärung der Freyheit ist +negativ+ [97.19] und daher, um ihr Wesen einzusehen, unfruchtbar; al- [97.20] lein es fließt aus ihr ein +positiver+ Begriff derselben, der [97.21] desto reichhaltiger und fruchtbarer ist. Da der Begriff [97.22] einer Caussalität den von +Gesetzen+ bey sich führt, nach [97.23] welchen durch Etwas, was wir Ursache nennen, Etwas 97 [4:446] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [98.1] anderes, nämlich die Folge, gesetzt werden muß: so ist [98.2] die Freyheit, ob sie zwar nicht eine Eigenschaft des Wil- [98.3] lens nach Naturgesetzen ist, darum doch nicht gar gesetz- [98.4] los, sondern muß vielmehr eine Caussalität nach unwan- [98.5] delbaren Gesetzen, aber von besonderer Art, seyn; denn [98.6] sonst wäre ein freyer Wille ein Unding. Die Natur- [98.7] nothwendigkeit war eine Heteronomie der wirkenden Ur- [98.8] sachen; denn jede Wirkung war nur nach dem Gesetze [98.9] möglich, daß etwas anderes die wirkende Ursache zur [98.10] Caussalität bestimmte; was kann denn wohl die Freyheit [98.11] des Willens sonst seyn, als Autonomie, d. i. die Ei- [98.12] genschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu seyn? Der [98.13] Satz aber: der Wille ist in allen Handlungen sich selbst [98.14] ein Gesetz, bezeichnet nur das Prinzip, nach keiner an- [98.15] deren Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als [98.16] ein allgemeines Gesetz zum Gegenstande haben kann. [98.17] Dies ist aber gerade die Formel des categorischen Impe- [98.18] rativs und das Prinzip der Sittlichkeit: also ist ein [98.19] freyer Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen [98.20] einerley. [98.21] Wenn also Freyheit des Willens vorausgesetzt wird, [98.22] so folgt die Sittlichkeit sammt ihrem Prinzip daraus, [98.23] durch bloße Zergliederung ihres Begriffs. Indessen ist [98.24] das letztere doch immer ein synthetischer Satz: ein schlech- [98.25] terdings guter Wille ist derjenige, dessen Maxime jeder- [98.26] zeit sich selbst, als allgemeines Gesetz betrachtet, in sich 98 [4:446-447] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [99.1] enthalten kann, denn durch Zergliederung des Begriffs [99.2] von einem schlechthin guten Willen, kann jene Eigen- [99.3] schaft der Maxime nicht gefunden werden. Solche syn- [99.4] thetische Sätze sind aber nur möglich, dadurch, daß bey- [99.5] de Erkenntnisse durch die Verknüpfung mit einem dritten, [99.6] darinn sie beyderseits anzutreffen sind, unter einander [99.7] verbunden werden. Der +positive+ Begriff der Freyheit [99.8] schaft dieses dritte, welches nicht, wie bey den physi- [99.9] schen Ursachen, die Natur der Sinnenwelt seyn kann, [99.10] (in deren Begriff die Begriffe von Etwas, als Ursach, in [99.11] Verhältnis auf +etwas Anderes+, als Wirkung, zusammen [99.12] kommen). Was dieses dritte sey, worauf uns die Frey- [99.13] heit weiset und von dem wir a priori eine Idee haben, [99.14] läßt sich hier so fort noch nicht anzeigen, und die Dedu- [99.15] ction des Begriffs der Freyheit aus der reinen practischen [99.16] Vernunft, mit ihr auch die Möglichkeit eines categori- [99.17] schen Imperativs, begreiflich machen, sondern bedarf noch [99.18] einiger Vorbereitung. [99.19] ++Freyheit++ [99.20] ++muß als Eigenschaft des Willens++ [99.21] ++aller vernünftigen Wesen++ [99.22] +vorausgesetzt werden.+ [99.23] Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es [99.24] sey aus welchem Grunde, Freyheit zuschreiben, wenn [99.25] wir nicht ebendieselbe auch allen vernünftigen Wesen bey- 99 [4:447] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [100.1] zulegen hinreichenden Grund haben. Denn da Sittlich- [100.2] keit für uns blos als +vernünftige Wesen+ zum Gesetze [100.3] dient, so muß sie auch für alle vernünftige Wesen gelten, und [100.4] da sie lediglich aus der Eigenschaft der Freyheit abgelei- [100.5] tet werden muß, so muß auch Freyheit, als Eigenschaft [100.6] des Willens aller vernünftigen Wesen, bewiesen werden, [100.7] und es ist nicht genug, sie aus gewissen vermeintlichen [100.8] Erfahrungen von der menschlichen Natur darzuthun, [100.9] (wiewohl dieses auch schlechterdings unmöglich ist und le- [100.10] diglich a priori dargethan werden kann), sondern man [100.11] muß sie als zur Thätigkeit vernünftiger und mit einem [100.12] Willen begabter Wesen überhaupt beweisen. Ich sage [100.13] nun: Ein jedes Wesen, das nicht anders als +unter+ [100.14] +der Idee der Freyheit+ handeln kann, ist eben darum, [100.15] in practischer Rücksicht, wirklich frey, d. i. es gelten für [100.16] ihn alle Gesetze, die mit der Freyheit unzertrennlich ver- [100.17] bunden sind, eben so, als ob sein Wille auch an sich [100.18] selbst und in der theoretischen Philosophie gültig, für frey [100.19] erklärt würde *). Nun behaupte ich: daß wir jedem [100.20] *) Diesen Weg, die Freyheit nur, als von vernünftigen Wesen [100.21] bey ihren Handlungen blos +in der Idee+ zum Grunde gelegt, [100.22] zu unserer Absicht hinreichend anzunehmen, schlage ich deswe- [100.23] gen ein, damit ich mich nicht verbindlich machen dürfte, die [100.24] Freyheit auch in ihrer theoretischen Absicht zu beweisen. Denn [100.25] wenn dieses letztere auch unausgemacht gelassen wird, so gelten [100.26] doch dieselbe Gesetze für ein Wesen, das nicht anders, als un- [100.27] ter der Idee seiner eigenen Freyheit handeln kann, die ein [100.28] Wesen, das wirklich frey wäre, verbinden würden. Wir kön- [100.29] nen uns hier a von der Last befreyen, die die Theorie drückt. 100 [4:447-448] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [101.1] vernünftigen Wesen, das einen Willen hat, nothwendig [101.2] auch die Idee der Freyheit leihen müssen, unter der es [101.3] allein handle. Denn in einem solchen Wesen denken wir [101.4] uns eine Vernunft, die practisch ist, d. i. Caussalität in [101.5] Ansehung ihrer Obiecte hat. Nun kann man sich un- [101.6] möglich eine Vernunft denken, die mit ihrem eigenen [101.7] Bewustseyn in Ansehung ihrer Urtheile anderwerts her [101.8] eine Lenkung empfinge, denn alsdenn würde das Sub- [101.9] iect nicht seiner Vernunft, sondern einem Antriebe, die [101.10] Bestimmung der Urtheilskraft zuschreiben. Sie muß [101.11] sich selbst als Urheberin ihrer Prinzipien ansehen, unab- [101.12] hängig von fremden Einflüssen, folglich muß sie als prac- [101.13] tische Vernunft, oder als Wille eines vernünftigen We- [101.14] sens, von ihr selbst als frey angesehen werden, d. i. der [101.15] Wille desselben kann nur unter der Idee der Freyheit ein [101.16] eigener Wille seyn, und muß also in practischer Absicht [101.17] allen vernünftigen Wesen beygelegt werden. [101.18] ++Von dem Interesse,++ [101.19] ++welches den Ideen der Sittlichkeit++ [101.20] +anhängt.+ [101.21] Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlich- [101.22] keit auf die Idee der Freyheit zuletzt zurückgeführt; diese [101.23] aber konnten wir, als etwas Wirkliches, nicht einmal [101.24] in uns selbst und in der menschlichen Natur beweisen, wir [101.25] sahen nur, daß wir sie voraussetzen müssen, wenn wir 101 [4:448-449] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [102.1] uns ein Wesen als vernünftig und mit Bewustseyn seiner [102.2] Caussalität in Ansehung der Handlungen, d. i. mit einem [102.3] Willen begabt, uns denken wollen, und so finden wir, [102.4] daß wir aus eben demselben Grunde jedem mit Vernunft [102.5] und Willen begabten Wesen, diese Eigenschaft, sich unter [102.6] der Idee seiner Freyheit zum Handeln zu bestimmen, bey- [102.7] legen müssen. [102.8] Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen [102.9] auch das Bewustseyn eines Gesetzes zu handeln: daß die [102.10] subiective Grundsätze der Handlungen, d. i. Maximen, [102.11] jederzeit so genommen werden müssen, daß sie auch ob- [102.12] jectiv, d. i. allgemein als Grundsätze, gelten, mithin [102.13] zu unserer eigenen allgemeinen Gesetzgebung dienen kön- [102.14] nen. Warum aber soll ich mich denn diesem Prinzip [102.15] unterwerfen und zwar als vernünftiges Wesen überhaupt, [102.16] mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte [102.17] Wesen? Ich will einräumen, daß mich hiezu kein In- [102.18] teresse +treibt+; denn das würde keinen categorischen Im- [102.19] perativ geben, aber ich muß doch hieran nothwendig ein [102.20] Interesse +nehmen+ und einsehen, wie das zugeht; denn [102.21] dieses Sollen ist eigentlich ein Wollen, das unter der [102.22] Bedingung für jedes vernünftige Wesen gilt, wenn die [102.23] Vernunft bey ihm ohne Hindernisse practisch wäre; für [102.24] Wesen, die, wie wir, noch durch Sinnlichkeit, als Trieb- [102.25] federn anderer Art, afficirt werden, bey denen es nicht [102.26] immer geschieht, was die Vernunft für sich allein thun 102 [4:449] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [103.1] würde, heißt jene Nothwendigkeit der Handlung nur im [103.2] Sollen und die subiective Nothwendigkeit wird von der [103.3] obiectiven unterschieden. [103.4] Es scheint also, als setzten wir in der Idee der [103.5] Freyheit eigentlich das moralische Gesetz, nämlich das [103.6] Prinzip der Autonomie des Willens selbst, nur voraus, [103.7] und könnten seine Realität und obiective Nothwendigkeit [103.8] nicht für sich beweisen, und da hätten wir zwar noch im- [103.9] mer etwas ganz beträchtliches dadurch gewonnen, daß [103.10] wir wenigstens das ächte Prinzip genauer, als wohl sonst [103.11] geschehen, bestimmt hätten, in Ansehung seiner Gültig- [103.12] keit aber und der practischen Nothwendigkeit, sich ihm [103.13] zu unterwerfen, wären wir um nichts weiter gekommen; [103.14] denn wir könnten dem, der uns fragte, warum denn die [103.15] Allgemeingültigkeit unserer Maxime, als eines Gesetzes, [103.16] die einschränkende Bedingung unserer Handlungen seyn [103.17] müsse, und worauf wir den Werth gründen, den wir [103.18] dieser Art zu handeln beylegen, der so groß seyn soll, daß [103.19] es überall kein höheres Interesse geben kann und wie es [103.20] zugehe, daß der Mensch dadurch allein seinen persönli- [103.21] chen Werth zu fühlen glaubt, gegen den der, eines an- [103.22] genehmen oder unangenehmen Zustandes, für nichts [103.23] zu halten sey, keine genugthuende Antwort geben. [103.24] Zwar finden wir wohl, daß wir an einer persönli- [103.25] chen Beschaffenheit ein Interesse nehmen können, die gar 103 [4:449-450] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [104.1] kein Interesse des Zustandes bey sich führt, wenn jene [104.2] uns nur fähig macht, des letzteren theilhaftig zu werden, [104.3] im Falle die Vernunft die Austheilung desselben bewirken [104.4] sollte, d. i. daß die bloße Würdigkeit, glücklich zu seyn, [104.5] auch ohne den Bewegungsgrund, dieser Glückseligkeit [104.6] theilhaftig zu werden, für sich interessiren könne: aber [104.7] dieses Urtheil ist in der That nur die Wirkung von der [104.8] schon vorausgesetzten Wichtigkeit moralischer Gesetze, [104.9] (wenn wir uns durch die Idee der Freyheit von allem [104.10] empirischen Interesse trennen), aber, daß wir uns von [104.11] diesem trennen, d. i. uns als frey im Handeln betrach- [104.12] ten, und so uns dennoch für gewissen Gesetzen unterwor- [104.13] fen halten sollen, um einen Werth blos in unserer Per- [104.14] son zu finden, der uns allen Verlust dessen, was unse- [104.15] rem Zustande einen Werth verschafft, vergüten könne [104.16] und wie dieses möglich sey, mithin, +woher das morali-+ [104.17] +sche Gesetz verbinde+, können wir auf solche Art noch [104.18] nicht einsehen. [104.19] Es zeigt sich hier, man muß frey gestehen, eine [104.20] Art von Cirkel, aus dem, wie es scheint, nicht heraus [104.21] zu kommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der [104.22] wirkenden Ursachen als frey an, um uns in der Ord- [104.23] nung der Zwecke unter sittlichen Gesetzen zu denken, und [104.24] wir denken uns nachher als diesen Gesetzen unterworfen, [104.25] weil wir uns die Freyheit des Willens beygelegt haben, denn [104.26] Freyheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind bey- 104 [4:450] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [105.1] des Autonomie, mithin Wechselbegriffe, davon aber [105.2] einer eben um deswillen nicht dazu gebraucht werden [105.3] kann, um den anderen zu erklären und von ihm Grund [105.4] anzugeben, sondern höchstens nur um, in logischer Ab- [105.5] sicht, verschieden scheinende Vorstellungen von eben dem- [105.6] selben Gegenstande auf einen einzigen Begriff, (wie ver- [105.7] schiedene Brüche gleiches Inhalts auf die kleinsten Aus- [105.8] drücke), zu bringen. [105.9] Eine Auskunft bleibt uns aber noch übrig, näm- [105.10] lich zu suchen: ob wir, wenn wir uns durch Freyheit, [105.11] als a priori wirkende Ursachen, denken, nicht einen [105.12] anderen Standpunct einnehmen, als wenn wir uns nach [105.13] unseren Handlungen als Wirkungen, die wir vor unse- [105.14] ren Augen sehen, vorstellen. [105.15] Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben [105.16] kein subtiles Nachdenken erfodert wird, sondern von der [105.17] man annehmen kann, daß sie wohl der gemeinste Ver- [105.18] stand, obzwar, nach seiner Art, durch eine dunkele [105.19] Unterscheidung der Urtheilskraft, die er Gefühl nennt, [105.20] machen mag: daß alle Vorstellungen, die uns ohne un- [105.21] sere Willkühr kommen, (wie die der Sinne), uns die Ge- [105.22] genstände nicht anders zu erkennen geben, als sie uns [105.23] afficiren, wobey, was sie an sich seyn mögen, uns un- [105.24] bekannt bleibt, mithin daß, was diese Art Vorstellungen [105.25] betrift, wir dadurch, auch bey der angestrengtesten Auf- 105 [4:450-451] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [106.1] merksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur im- [106.2] mer hinzufügen mag, doch blos zur Erkenntnis der +Er-+ [106.3] +scheinungen+, niemals der +Dinge an sich selbst+ ge- [106.4] langen können. Sobald dieser Unterschied, (allenfalls [106.5] blos durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den Vor- [106.6] stellungen, die uns anders woher gegeben werden und [106.7] dabey wir leidend sind, von denen, die wir lediglich aus [106.8] uns selbst hervorbringen und dabey wir unsere Thätigkeit [106.9] beweisen), einmal gemacht ist, so folgt von selbst, daß [106.10] man hinter den Erscheinungen doch noch etwas Anderes, [106.11] was nicht Erscheinung ist, nämlich die Dinge an sich, ein- [106.12] räumen und annehmen müsse, ob wir gleich uns von [106.13] selbst bescheiden, daß, da sie uns niemals bekannt wer- [106.14] den können, sondern immer nur, wie sie uns afficiren, [106.15] wir ihnen nicht näher treten und was sie an sich sind, nie- [106.16] mals wissen können. Diese muß eine, obzwar rohe Un- [106.17] terscheidung einer +Sinnenwelt+ von der +Verstandes-+ [106.18] +welt+ abgeben, davon die erstere nach Verschiedenheit der [106.19] Sinnlichkeit in mancherley Weltbeschauern, auch sehr [106.20] verschieden seyn kann, indessen die zweyte, die ihr zum [106.21] Grunde liegt, immer dieselbe bleibt. So gar sich selbst [106.22] und zwar nach der Kenntnis, die der Mensch durch in- [106.23] nere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht an- [106.24] maßen zu erkennen, wie er an sich selbst sey. Denn da [106.25] er doch sich selbst nicht gleichsam schaft und seinen Begriff [106.26] nicht a priori, sondern empirisch bekömmt, so ist natür- [106.27] lich, daß er auch von sich durch den innern Sinn und 106 [4:451] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [107.1] folglich nur durch die Erscheinung seiner Natur und die [107.2] Art, wie sein Bewustseyn afficirt wird, Kundschaft ein- [107.3] ziehen könne, indessen er doch nothwendiger Weise über [107.4] diese aus lauter Erscheinungen zusammengesetzte Beschaf- [107.5] fenheit seines eigenen Subiects noch etwas anderes zum [107.6] Grunde liegendes, nämlich sein Ich, so wie es an sich [107.7] selbst beschaffen seyn mag, annehmen und sich also in [107.8] Absicht auf die bloße Wahrnehmung und Empfänglichkeit [107.9] der Empfindungen zur +Sinnenwelt+, in Ansehung dessen [107.10] aber, was in ihm reine Thätigkeit seyn mag, (dessen, was [107.11] gar nicht durch Afficirung der Sinne, sondern unmit- [107.12] telbar zum Bewustseyn gelangt), sich zur +intellectuellen+ [107.13] +Welt+ zählen muß, die er doch nicht weiter kennt. [107.14] Dergleichen Schluß muß der nachdenkende Mensch [107.15] von allen Dingen, die ihm vorkommen mögen, fällen; [107.16] vermuthlich ist er auch im gemeinsten Verstande anzutref- [107.17] fen, der, wie bekannt, sehr geneigt ist, hinter den Ge- [107.18] genständen der Sinne noch immer etwas Unsichtbares, [107.19] für sich selbst Thätiges, zu erwarten, es aber wiederum [107.20] dadurch verdirbt, daß er dieses Unsichtbare sich bald [107.21] wiederum versinnlicht, d. i. zum Gegenstande der An- [107.22] schauung machen will, und dadurch also nicht um einen [107.23] Grad klüger wird. [107.24] Nun findet der Mensch in sich wirklich ein Vermö- [107.25] gen, dadurch er sich von allen andern Dingen, ja von 107 [4:451-452] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [108.1] sich selbst, so fern er durch Gegenstände afficirt wird, [108.2] unterscheidet, und das ist die +Vernunft+. Diese, als [108.3] reine Selbstthätigkeit, ist sogar darin noch über den +Ver-+ [108.4] +stand+ erhoben: daß, obgleich dieser auch Selbstthätig- [108.5] keit ist und nicht, wie der Sinn, blos Vorstellungen [108.6] enthält, die nur entspringen, wenn man von Dingen [108.7] afficirt (mithin leidend) ist, er dennoch aus seiner Thä- [108.8] tigkeit keine andere Begriffe hervorbringen kann, als die, [108.9] so blos dazu dienen, um die +sinnlichen Vorstellungen+ [108.10] +unter Regeln zu bringen+ und sie dadurch in einem [108.11] Bewustseyn zu vereinigen, ohne welchen Gebrauch der [108.12] Sinnlichkeit er gar nichts denken würde, dahingegen die [108.13] Vernunft unter dem Nahmen der Ideen eine so reine [108.14] Spontaneität zeigt, daß er dadurch weit über alles, [108.15] was ihm Sinnlichkeit nur liefern kann, hinausgeht und [108.16] ihr vornehmstes Geschäfte darinn beweiset, Sinnenwelt [108.17] und Verstandeswelt von einander zu unterscheiden, da- [108.18] durch aber dem Verstande selbst seine Schranken vorzu- [108.19] zeichnen. [108.20] Um deswillen muß ein vernünftiges Wesen sich [108.21] selbst, +als Intelligenz+, (also nicht von Seiten seiner [108.22] untern Kräfte,) nicht als zur Sinnen- sondern zur Ver- [108.23] standeswelt gehörig, ansehen; mithin hat es zwey Stand- [108.24] puncte, daraus es sich selbst betrachten und Gesetze des [108.25] Gebrauchs seiner Kräfte, folglich aller seiner Handlun- [108.26] gen erkennen kann, +einmal+, so fern es zur Sinnenwelt 108 [4:452] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [109.1] gehört, unter Naturgesetzen (Heteronomie), +zweytens+, [109.2] als zur intelligibelen Welt gehörig, unter Gesetzen, die, [109.3] von der Natur unabhängig, nicht empirisch, sondern [109.4] blos in der Vernunft gegründet seyn. [109.5] Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen [109.6] Welt gehöriges Wesen, kann der Mensch die Caussalität [109.7] seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee [109.8] der Freyheit denken; denn Unabhängigkeit von den be- [109.9] stimmten Ursachen der Sinnenwelt, (dergleichen die Ver- [109.10] nunft jederzeit sich selbst beylegen muß,) ist Freyheit. [109.11] Mit der Idee der Freyheit ist nun der Begriff der +Au-+ [109.12] +tonomie+ unzertrennlich verbunden, mit diesem aber das [109.13] allgemeine Prinzip der Sittlichkeit, welches in der Idee [109.14] allen Handlungen +vernünftiger+ Wesen eben so zum [109.15] Grunde liegt, als Naturgesetz allen Erscheinungen. [109.16] Nun ist der Verdacht, den wir oben rege machten, [109.17] gehoben, als wäre ein geheimer Cirkel in unserem [109.18] Schlusse aus der Freyheit auf die Autonomie und aus [109.19] dieser aufs sittliche Gesetz enthalten, daß wir nämlich [109.20] vielleicht die Idee der Freyheit nur um des sittlichen Ge- [109.21] setzes willen zum Grunde legten, um dieses nachher aus [109.22] der Freyheit wiederum zu schliessen, mithin von jenem [109.23] gar keinen Grund angeben könnten, sondern es nur als [109.24] Erbittung eines Prinzips, das uns gut gesinnte Seelen [109.25] wohl gerne einräumen werden, welches wir aber nie- 109 [4:452-453] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [110.1] mals als einen erweislichen Satz aufstellen könnten. Denn [110.2] jetzt sehen wir, daß, wenn wir uns als frey denken, so [110.3] versetzen wir uns als Glieder in die Verstandeswelt, und [110.4] erkennen die Autonomie des Willens, sammt seiner Fol- [110.5] ge, der Moralität; denken wir uns aber als verpflichtet, [110.6] so betrachten wir uns als gehörig zur Sinnenwelt und [110.7] doch zugleich der Verstandeswelt. [110.8] +Wie ist ein categorischer Imperativ+ [110.9] +möglich?+ [110.10] Das vernünftige Wesen zählt sich als Intelligenz [110.11] zur Verstandeswelt und, blos als eine zu dieser gehörige [110.12] wirkende Ursache, nennt es seine Caussalität einen +Wil-+ [110.13] +len+. Von der anderen Seite ist es sich seiner doch auch [110.14] als eines Stücks der Sinnenwelt bewust, in welcher seine [110.15] Handlungen, als bloße Erscheinungen jener Caussalität, [110.16] angetroffen werden, deren Möglichkeit aber aus dieser, [110.17] die wir nicht kennen, nicht eingesehen werden kann, son- [110.18] dern an deren Statt jene Handlungen als bestimmt durch [110.19] andere Erscheinungen, nämlich Begierden und Neigun- [110.20] gen, als zur Sinnenwelt gehörig, eingesehen werden müssen. [110.21] Als bloßen Gliedes der Verstandeswelt würden also alle [110.22] meine Handlungen dem Prinzip der Autonomie des rei- [110.23] nen Willens vollkommen gemäß seyn; als bloßen Stücks [110.24] der Sinnenwelt würden sie gänzlich dem Naturgesetz der [110.25] Begierden und Neigungen, mithin der Heteronomie der 110 [4:453] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [111.1] Natur gemäß genommen werden müssen. (Die ersteren [111.2] würden auf dem obersten Prinzip der Sittlichkeit, die [111.3] zweyten der Glückseligkeit beruhen). +Weil aber die+ [111.4] +Verstandeswelt den Grund der Sinnenwelt, mit-+ [111.5] +hin auch der Gesetze derselben+ enthält, also in Anse- [111.6] hung meines Willens, (der ganz zur Verstandeswelt ge- [111.7] hört), unmittelbar gesetzgebend ist und also auch als solche [111.8] gedacht werden muß, so werde ich mich als Intelligenz, [111.9] obgleich andererseits wie ein zur Sinnenwelt gehöriges [111.10] Wesen, dennoch dem Gesetze der ersteren, d. i. der Ver- [111.11] nunft, die in der Idee der Freyheit das Gesetz derselben [111.12] enthält, und also der Autonomie des Willens unterwor- [111.13] fen, erkennen, folglich die Gesetze der Verstandeswelt für [111.14] mich als Imperativen und die diesem Prinzip gemäße [111.15] Handlungen als Pflichten ansehen müssen. [111.16] Und so sind categorische Imperativen möglich, da- [111.17] durch, daß die Idee der Freyheit mich zu einem Gliede [111.18] einer intelligibelen Welt macht, wodurch, wenn ich sol- [111.19] ches allein wäre, alle meine Handlungen der Autonomie [111.20] des Willens jederzeit gemäß seyn +würden+, da ich mich [111.21] aber zugleich als Glied der Sinnenwelt anschaue, gemäß [111.22] seyn +sollen+, welches +categorische+ Sollen einen syntheti- [111.23] schen Satz a priori vorstellt, dadurch, daß über meinen [111.24] durch sinnliche Begierden afficirten Willen noch die Idee [111.25] ebendesselben, aber zur Verstandeswelt gehörigen, rei- [111.26] nen, für sich selbst practischen Willens hinzukommt, wel- 111 [4:453-454] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [112.1] cher die oberste Bedingung des ersteren nach der Ver- [112.2] nunft enthält; ungefähr so, wie zu den Anschauungen [112.3] der Sinnenwelt Begriffe des Verstandes, die für sich [112.4] selbst nichts als gesetzliche Form überhaupt bedeuten, [112.5] hinzu kommen und dadurch synthetische Sätze a priori, [112.6] auf welchen alle Erkenntnis einer Natur beruht, mög- [112.7] lich machen. [112.8] Der practische Gebrauch der gemeinen Menschen- [112.9] vernunft bestätigt die Richtigkeit dieser Deduction. Es [112.10] ist niemand, selbst der ärgste Bösewicht, wenn er nur [112.11] sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn [112.12] man ihm Beyspiele der Redlichkeit in Absichten, der [112.13] Standhaftigkeit in Befolgung guter Maximen, der Theil- [112.14] nehmung und des allgemeinen Wohlwollens, (und noch [112.15] dazu mit großen Aufopferungen von Vortheilen und Ge- [112.16] mächlichkeit verbunden,) vorlegt, nicht wünsche, daß er [112.17] auch so gesinnt seyn möchte. Er kann es aber nur we- [112.18] gen seiner Neigungen und Antriebe nicht wohl in sich zu [112.19] Stande bringen; wobey er dennoch zugleich wünscht, von [112.20] solchen ihm selbst lästigen Neigungen frey zu seyn. Er [112.21] beweiset hiedurch also, daß er mit einem Willen, der [112.22] von Antrieben der Sinnlichkeit frey ist, sich in Gedanken [112.23] in eine ganz andere Ordnung der Dinge versetze, als die [112.24] seiner Begierden im Felde der Sinnlichkeit, weil er von [112.25] jenem Wunsche keine Vergnügung der Begierden, mit- [112.26] hin keinen für irgend eine seiner wirklichen oder sonst 112 [4:454] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [113.1] erdenklichen Neigungen befriedigenden Zustand, (denn [113.2] dadurch würde selbst die Idee, welche ihm den Wunsch [113.3] ablockt, ihre Vorzüglichkeit einbüßen,) sondern nur einen [113.4] größeren inneren Werth seiner Person erwarten kann. [113.5] Diese bessere Person glaubt er aber zu seyn, wenn er [113.6] sich in den Standpunct eines Gliedes der Verstandeswelt [113.7] versetzt, dazu die Idee der Freiheit von +bestimmenden+ [113.8] Ursachen der Sinnenwelt ihn unwillkührlich nöthigt und [113.9] in welchem er sich eines guten Willens bewust ist, der [113.10] für seinen bösen Willen, als Gliedes der Sinnenwelt, [113.11] nach seinem eigenen Geständnisse das Gesetz ausmacht, [113.12] dessen Ansehen er kennt, indem er es übertritt. Das [113.13] moralische Sollen ist also eigenes nothwendiges Wollen [113.14] als Gliedes einer intelligibelen Welt, und wird nur so fern [113.15] von ihm als Sollen gedacht, als er sich zugleich wie ein [113.16] Glied der Sinnenwelt betrachtet. [113.17] ++Von++ [113.18] ++der äussersten Grenze++ [113.19] +aller practischen Philosophie.+ [113.20] Alle Menschen denken sich dem Willen nach als [113.21] frey. Daher kommen alle Urtheile über Handlungen [113.22] als solche, die hätten +geschehen sollen+, ob sie gleich [113.23] +nicht geschehen sind+. Gleichwohl ist diese Freyheit kein [113.24] Erfahrungsbegriff und kann es auch nicht seyn, weil er [113.25] immer bleibt, obgleich die Erfahrung das Gegentheil 113 [4:454-455] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [114.1] von denjenigen Foderungen zeigt, die unter Vorausse- [114.2] tzung derselben als nothwendig vorgestellt werden. Auf [114.3] der anderen Seite ist es eben so nothwendig, daß alles, [114.4] was geschieht, nach Naturgesetzen unausbleiblich bestimmt [114.5] sey und diese Naturnothwendigkeit ist auch kein Erfah- [114.6] rungsbegriff, eben darum, weil er den Begriff der Noth- [114.7] wendigkeit, mithin einer Erkenntnis a priori, bey sich [114.8] führet. Aber dieser Begriff von einer Natur wird durch [114.9] Erfahrung bestätigt und muß selbst unvermeidlich voraus- [114.10] gesetzt werden, wenn Erfahrung, d. i. nach allgemeinen [114.11] Gesetzen zusammenhängende Erkenntnis der Gegenstände [114.12] der Sinne, möglich seyn soll. Daher ist Freyheit nur [114.13] eine +Idee+ der Vernunft, deren obiective Realität an [114.14] sich zweifelhaft ist, Natur aber ein +Verstandesbegriff+, [114.15] der seine Realität an Beyspielen der Erfahrung beweiset [114.16] und nothwendig beweisen muß. [114.17] Ob nun gleich hieraus eine Dialectik der Vernunft [114.18] entspringt, da in Ansehung des Willens die ihm beyge- [114.19] legte Freyheit mit der Naturnothwendigkeit im Wider- [114.20] spruch zu stehen scheint und, bei dieser Wegescheidung, [114.21] die Vernunft in +speculativer Absicht+ den Weg der Na- [114.22] turnothwendigkeit viel gebähnter und brauchbarer findet, [114.23] als den der Freyheit: so ist doch in +practischer Absicht+ [114.24] der Fußsteig der Freyheit der einzige, auf welchem es [114.25] möglich ist, von seiner Vernunft bey unserem Thun und [114.26] Lassen Gebrauch zu machen; daher wird es der subtilsten 114 [4:455-456] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [115.1] Philosophie eben so unmöglich, wie der gemeinsten Men- [115.2] schenvernunft, die Freyheit wegzuvernünfteln. Diese [115.3] muß also wohl voraussetzen: daß kein wahrer Wider- [115.4] spruch zwischen Freyheit und Naturnothwendigkeit eben- [115.5] derselben menschlichen Handlungen angetroffen werde, [115.6] denn sie kann eben so wenig den Begriff der Natur, als [115.7] den der Freyheit aufgeben. [115.8] Indessen muß dieser Scheinwiderspruch wenigstens [115.9] auf überzeugende Art vertilgt werden, wenn man gleich, [115.10] wie Freyheit möglich sey, niemals begreifen könnte. [115.11] Denn, wenn sogar der Gedanke von der Freyheit sich [115.12] selbst, oder der Natur, die eben so nothwendig ist, wi- [115.13] derspricht, so mußte sie gegen die Naturnothwendigkeit [115.14] durchaus aufgegeben werden. [115.15] Es ist aber unmöglich, diesem Widerspruch zu entge- [115.16] hen, wenn das Subiect, was sich frey dünkt, sich selbst [115.17] +in demselben Sinne+, oder +in eben demselben Ver-+ [115.18] +hältnisse+ dächte, wenn es sich frey nennt, als wenn es [115.19] sich in Absicht auf die nämliche Handlung dem Naturge- [115.20] setze unterworfen, annimmt. Daher ist es eine unnach- [115.21] laßliche Aufgabe der speculativen Philosophie, wenigstens [115.22] zu zeigen: daß ihre Täuschung wegen des Widerspruchs [115.23] darinn beruhe, daß wir den Menschen in einem anderen [115.24] Sinne und Verhältnisse denken, wenn wir ihn frey nen- [115.25] nen, als wenn wir ihn, als Stück der Natur, dieser 115 [4:456] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [116.1] ihren Gesetzen für unterworfen halten, und daß beyde [116.2] nicht allein gar wohl beysammen stehen +können+, sondern [116.3] auch +als nothwendig vereinigt+, in demselben Subiect [116.4] gedacht werden müssen, weil sonst nicht Grund angege- [116.5] ben werden könnte, warum wir die Vernunft mit einer [116.6] Idee belästigen sollten, die, ob sie sich gleich +ohne Wi-+ [116.7] +derspruch+ mit einer anderen gnugsam bewährten, verei- [116.8] nigen läßt, dennoch uns in ein Geschäfte verwickelt, wo- [116.9] durch die Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauche sehr [116.10] in die Enge gebracht wird. Diese Pflicht liegt aber blos [116.11] der speculativen Philosophie ab, damit sie der practi- [116.12] schen freye Bahn schaffe. Also ist es nicht in das Belie- [116.13] ben des Philosophen gesetzt, ob er den scheinbaren Wider- [116.14] streit heben, oder ihn unangerührt lassen will; denn im [116.15] letzteren Falle ist die Theorie hierüber bonum vacans, in [116.16] dessen Besitz sich der Fatalist mit Grunde setzen und alle [116.17] Moral aus ihrem ohne Titel besessenem vermeinten Ei- [116.18] genthum verjagen kann. [116.19] Doch kann man hier noch nicht sagen: daß die [116.20] Grenze der practischen Philosophie anfange. Denn jene [116.21] Beylegung der Streitigkeit gehört gar nicht zu ihr, son- [116.22] dern sie fodert nur von der speculativen Vernunft, daß [116.23] diese die Uneinigkeit, darinn sie sich in theoretischen Fra- [116.24] gen selbst verwickelt, zu Ende bringe, damit practische [116.25] Vernunft Ruhe und Sicherheit für äußere Angriffe habe, [116.26] die ihr den Boden, worauf sie sich anbauen will, strei- [116.27] tig machen könnten. 116 [4:456-457] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [117.1] Der Rechtsanspruch aber, selbst der gemeinen Men- [117.2] schenvernunft auf Freyheit des Willens gründet sich auf [117.3] das Bewustseyn und die zugestandene Voraussetzung [117.4] der Unabhängigkeit der Vernunft, von blos subiectiv- [117.5] bestimmten Ursachen, die insgesammt das ausmachen, [117.6] was blos zur Empfindung, mithin unter die allgemeine [117.7] Benennung der Sinnlichkeit, gehört. Der Mensch, der [117.8] sich auf solche Weise als Intelligenz betrachtet, setzt sich [117.9] dadurch in eine andere Ordnung der Dinge und in ein [117.10] Verhältnis zu bestimmenden Gründen von ganz ande- [117.11] rer Art, wenn er sich als Intelligenz mit einem Willen, [117.12] folglich mit Caussalität begabt, denkt, als wenn er sich, [117.13] wie Phänomen in der Sinnenwelt, (welches er wirklich [117.14] auch ist), wahrnimmt und seine Caussalität, äußerer Be- [117.15] stimmung nach, Naturgesetzen unterwirft. Nun wird [117.16] er bald inne: daß beydes zugleich statt finden könne, ja [117.17] so gar müsse. Denn, daß ein +Ding in der Erscheinung+, [117.18] (das zur Sinnenwelt gehörig), gewissen Gesetzen unter- [117.19] worfen ist, von welchen eben dasselbe, +als Ding+ oder [117.20] Wesen +an sich selbst+, unabhängig ist, enthält nicht den [117.21] mindesten Widerspruch; daß er sich selbst aber auf diese [117.22] zwiefache Art vorstellen und denken müsse, beruht, was [117.23] das erste betrift, auf dem Bewustseyn seiner selbst, als [117.24] durch Sinne afficirten Gegenstandes, was das zweyte [117.25] anlangt, auf dem Bewustseyn seiner selbst, als Intelli- [117.26] genz, d. i. als unabhängig im Vernunftgebrauch von sinnli- [117.27] chen Eindrücken, (mithin als zur Verstandeswelt gehörig). 117 [4:457] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [118.1] Daher kommt es, daß der Mensch sich eines Wil- [118.2] lens anmaßt, der nichts auf seine Rechnung kommen [118.3] läßt, was blos zu seinen Begierden und Neigungen ge- [118.4] hört und dagegen Handlungen durch sich als möglich, ja [118.5] gar als nothwendig denkt, die nur mit Hintansetzung [118.6] aller Begierden und sinnlichen Anreizen geschehen können. [118.7] Die Caussalität derselben liegt in ihm als Intelligenz und [118.8] in den Gesetzen der Wirkungen und Handlungen nach [118.9] Prinzipien einer intelligibelen Welt, von der er wohl [118.10] nichts weiter weiß, als daß darinn lediglich die Vernunft [118.11] und zwar reine, von Sinnlichkeit unabhängige Vernunft, [118.12] das Gesetz gebe, imgleichen da er daselbst nur als In- [118.13] telligenz das eigentliche Selbst, (als Mensch hingegen nur [118.14] Erscheinung seiner selbst) ist, jene Gesetze ihn unmittel- [118.15] bar und categorisch angehen, so daß, wozu Neigungen [118.16] und Antriebe (mithin die ganze Natur der Sinnenwelt) [118.17] anreitzen, den Gesetzen seines Wollens, als Intelligenz, [118.18] keinen Abbruch thun können, so gar, daß er die erstere [118.19] nicht verantwortet und seinem eigentlichen Selbst, d. i. [118.20] seinem Willen nicht zuschreibt, wohl aber die Nachsicht, [118.21] die er gegen sie tragen möchte, wenn er ihnen zum Nach- [118.22] theil der Vernunftgesetze des Willens Einflus auf seine [118.23] Maximen einräumete [118.24] Dadurch, daß die practische Vernunft sich in eine [118.25] Verstandeswelt hinein +denkt+; überschreitet sie gar nicht [118.26] ihre Grenzen, wohl aber, wenn sie sich +hineinschauen,+ [118.27] +hinein empfinden+ wollte. Jenes ist nur ein negativer 118 [4:457-458] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [119.1] Gedanke, in Ansehung der Sinnenwelt, die der Ver- [119.2] nunft in Bestimmung des Willens keine Gesetze giebt und [119.3] nur in diesem einzigen Puncte positiv, daß jene Freyheit, [119.4] als negative Bestimmung, zugleich mit einem (positiven) [119.5] Vermögen und so gar mit einer Caussalität der Vernunft [119.6] verbunden sey, welche wir einen Willen nennen, so zu [119.7] handeln, daß das Prinzip der Handlungen der wesent- [119.8] lichen Beschaffenheit einer Vernunftursache, d. i. der [119.9] Bedingung der Allgemeingültigkeit der Maxime, als [119.10] eines Gesetzes, gemäß sey. Würde sie aber noch ein +Ob-+ [119.11] +iect des Willens+, d. i. eine Bewegursache aus der [119.12] Verstandeswelt herholen, so überschritte sie ihre Grenzen [119.13] und maßte sich an, etwas zu kennen, wovon sie nichts [119.14] weiß. Der Begriff einer Verstandeswelt ist also nur [119.15] ein +Standpunct+, den die Vernunft sich genöthigt sieht, [119.16] außer den Erscheinungen zu nehmen, +um sich selbst als+ [119.17] +practisch zu denken+, welches, wenn die Einflüsse der [119.18] Sinnlichkeit für den Menschen bestimmend wären, nicht [119.19] möglich seyn würde, welches aber doch nothwendig ist, [119.20] wofern ihm nicht das Bewustseyn seiner selbst, als In- [119.21] telligenz, mithin als vernünftige und durch Vernunft [119.22] thätige, d. i. frey wirkende Ursache, abgesprochen wer- [119.23] den soll. Dieser Gedanke führt freylich die Idee einer [119.24] anderen Ordnung und Gesetzgebung, als die des Na- [119.25] turmechanismus, der die Sinnenwelt trift, herbey, und [119.26] macht den Begriff einer intelligibelen Welt, (d. i. das [119.27] Ganze vernünftiger Wesen, als Dinge an sich selbst), noth- 119 [4:458] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [120.1] wendig, aber ohne die mindeste Anmaßung, hier weiter, [120.2] als blos ihrer +formalen+ Bedingung nach, d. i. der All- [120.3] gemeinheit der Maxime des Willens, als Gesetze, mithin [120.4] der Autonomie des letzteren, die allein mit der Freyheit [120.5] desselben bestehen kann, gemäß zu denken. Da hinge- [120.6] gen alle Gesetze, die auf ein Obiect bestimmt sind, He- [120.7] teronomie geben, die nur an Naturgesetzen angetroffen [120.8] werden und auch nur die Sinnenwelt treffen kann. [120.9] Aber alsdenn würde die Vernunft alle ihre Grenze [120.10] überschreiten, wenn sie es sich zu +erklären+ unterfinge, [120.11] ++wie++ reine Vernunft practisch seyn könne, welches völlig [120.12] einerley mit der Aufgabe seyn würde, zu erklären, +wie+ [120.13] +Freyheit möglich sey+. [120.14] Denn wir können nichts erklären, als was wir auf [120.15] Gesetze zurückführen können, deren Gegenstand in irgend [120.16] einer möglichen Erfahrung gegeben werden kann. Frey- [120.17] heit aber ist eine bloße Idee, deren obiective Realität [120.18] auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht [120.19] in irgend einer möglichen Erfahrung, dargethan werden [120.20] kann, die also darum, weil ihr selbst niemals nach ir- [120.21] gend einer Analogie ein Beyspiel untergelegt werden mag, [120.22] niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. [120.23] Sie gilt nur als nothwendige Voraussetzung der Ver- [120.24] nunft in einem Wesen, das sich eines Willens, d. i. ei- [120.25] nes vom bloßen Begehrungsvermögen noch verschiedenen [120.26] Vermögens, (nämlich sich zum handeln als Intelligenz, [120.27] mithin nach Gesetzen der Vernunft, unabhängig von 120 [4:458-459] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [121.1] Naturinstinkten, zu bestimmen), bewust zu seyn glaubt. [121.2] Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da [121.3] hört auch alle +Erklärung+ auf und es bleibt nichts übrig, [121.4] als +Vertheidigung+, d. i. Abtreibung der Einwürfe de- [121.5] rer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu ha- [121.6] ben vorgeben, und darum die Freyheit dreust vor unmög- [121.7] lich erklären. Man kann ihnen nur zeigen, daß der [121.8] vermeintlich von ihnen darinn entdeckte Widerspruch nir- [121.9] gend anders liege, als darinn, daß, da sie, um das [121.10] Naturgesetze in Ansehung menschlicher Handlungen gel- [121.11] tend zu machen, den Menschen nothwendig als Erschei- [121.12] nung betrachten mußten, und nun, da man von ihnen [121.13] fodert, daß sie ihn als Intelligenz, doch auch als Ding [121.14] an sich selbst, denken sollten, sie ihn immer auch da noch [121.15] als Erscheinung betrachten, wo denn freylich die Abson- [121.16] derung seiner Caussalität, (d. i. seines Willens) von allen [121.17] Naturgesetzen der Sinnenwelt in einem und demselben [121.18] Subiecte im Widerspruche stehen würde, welcher aber [121.19] wegfällt, wenn sie sich besinnen und, wie billig, einge- [121.20] stehen wollten, daß hinter den Erscheinungen doch die [121.21] Sachen an sich selbst, (obzwar verborgen), zum Grunde [121.22] liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht ver- [121.23] langen kann, daß sie mit denen einerley seyn sollten, un- [121.24] ter denen ihre Erscheinungen stehen. [121.25] Die subiective Unmöglichkeit, die Freyheit des [121.26] Willens zu +erklären+, ist mit der Unmöglichkeit, ein +In-+ 121 [4:459] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [122.1] +teresse *)+ ausfindig und begreiflich zu machen, welches [122.2] der Mensch an moralischen Gesetzen nehmen könne, einer- [122.3] ley; und gleichwohl nimmt er wirklich daran ein Inter- [122.4] esse, wozu wir die Grundlage in uns das moralische Ge- [122.5] fühl nennen, welches fälschlich für das Richtmaas un- [122.6] serer sittlichen Beurtheilung von einigen ausgegeben wor- [122.7] den, da es vielmehr als die +subiective+ Wirkung, die [122.8] das Gesetz auf den Willen ausübt, angesehen werden muß, [122.9] wozu Vernunft allein die obiectiven Gründe hergiebt. [122.10] Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem [122.11] sinnlich-afficirten vernünftigen Wesen das Sollen vor- [122.12] schreibt, dazu gehört freylich ein Vermögen der Vernunft, [122.13] ein +Gefühl der Lust+, oder des Wohlgefallens an der [122.14] Erfüllung der Pflicht +einzuflößen+, mithin eine Caussali- [122.15] *) Interesse ist das, wodurch Vernunft practisch, d. i. eine den [122.16] Willen bestimmende Ursache wird. Daher sagt man nur von [122.17] einem vernünftigen Wesen, daß es woran ein Interesse nehme, [122.18] vernunftlose Geschöpfe fühlen nur sinnliche Antriebe. Ein un- [122.19] mittelbares Interesse nimmt die Vernunft nur alsdenn an der [122.20] Handlung, wenn die Allgemeingültigkeit der Maxime derselben [122.21] ein gnugsamer Bestimmungsgrund des Willens ist. Ein solches [122.22] Interesse ist allein rein. Wenn sie aber den Willen nur ver- [122.23] mittelst eines anderen Obiects des Begehrens, oder unter Vor- [122.24] aussetzung eines besonderen Gefühls des Subiects bestimmen [122.25] kann, so nimmt die Vernunft nur ein mittelbares Interesse an [122.26] der Handlung und, da Vernunft für sich allein weder Obiecte [122.27] des Willens, noch ein besonderes ihm zu Grunde liegendes [122.28] Gefühl ohne Erfahrung ausfindig machen kann, so würde das [122.29] letztere Interesse nur empirisch und kein reines Vernunftinter- [122.30] esse seyn. Das logische Interesse der Vernunft (ihre Einsichten [122.31] zu befördern), ist niemals unmittelbar, sondern setzt Absichten [122.32] ihres Gebrauchs voraus. 122 [4:459-460] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [123.1] tät derselben, die Sinnlichkeit ihren Prinzipien gemäß [123.2] zu bestimmen. Es ist aber gänzlich unmöglich, einzusehen, [123.3] d. i. a priori begreiflich zu machen, wie ein bloßer Ge- [123.4] danke, der selbst nichts Sinnliches in sich enthält, eine [123.5] Empfindung der Lust oder Unlust hervorbringe; denn [123.6] das ist eine besondere Art von Caussalität, von der, wie [123.7] von aller Caussalität, wir gar nichts a priori bestimmen [123.8] können, sondern darum allein die Erfahrung befragen [123.9] müssen. Da diese aber kein Verhältnis der Ursache zur [123.10] Wirkung, als zwischen zwey Gegenständen der Erfahrung, [123.11] an die Hand geben kann, hier aber reine Vernunft durch [123.12] bloße Ideen, (die gar keinen Gegenstand für Erfahrung [123.13] abgeben), die Ursache von einer Wirkung, die freylich in [123.14] der Erfahrung liegt, seyn soll, so ist die Erklä- [123.15] rung, wie und warum uns die +Allgemeinheit der Maxi-+ [123.16] +me als Gesetzes+, mithin die Sittlichkeit, intereßire, uns [123.17] Menschen gänzlich unmöglich. So viel ist nur gewiß: [123.18] daß es nicht darum für uns Gültigkeit hat, +weil es in-+ [123.19] +tereßirt+, (denn das ist Heteronomie und Abhängigkeit [123.20] der practischen Vernunft von Sinnlichkeit, nämlich einem [123.21] zum Grunde liegenden Gefühl, wobey sie niemals sittlich [123.22] gesetzgebend seyn könnte), sondern daß es intereßirt, weil [123.23] es für uns als Menschen gilt, da es aus unserem Willen [123.24] als Intelligenz, mithin aus unserem eigentlichen Selbst, [123.25] entsprungen ist; +was aber zur bloßen Erscheinung+ [123.26] +gehört, wird von der Vernunft nothwendig der Be-+ [123.27] +schaffenheit der Sache an sich selbst untergeordnet+. 123 [4:460-461] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [124.1] Die Frage also: wie ein categorischer Imperativ [124.2] möglich sey, kann zwar so weit beantwortet werden, als [124.3] man die einzige Voraussetzung angeben kann, unter der [124.4] er allein möglich ist, nämlich, die Idee der Freyheit, im- [124.5] gleichen als man die Nothwendigkeit dieser Voraussetzung [124.6] einsehen kann, welches zum +practischen Gebrauche+ der [124.7] Vernunft, d. i. zur Ueberzeugung von der +Gültigkeit+ [124.8] +dieses Imperativs+, mithin auch des sittlichen Gesetzes, [124.9] hinreichend ist, aber wie diese Voraussetzung selbst mög- [124.10] lich sey, läßt sich durch keine menschliche Vernunft jemals [124.11] einsehen. Unter Voraussetzung der Freyheit des Willens [124.12] einer Intelligenz aber ist die +Autonomie+ desselben, als [124.13] die formale Bedingung, unter der er allein bestimmt wer- [124.14] den kann, eine nothwendige Folge. Diese Freyheit des [124.15] Willens vorauszusetzen, ist auch, nicht allein (ohne in [124.16] Widerspruch mit dem Prinzip der Naturnothwendigkeit [124.17] in der Verknüpfung der Erscheinungen der Sinnenwelt zu [124.18] gerathen), ganz wohl +möglich+, (wie die speculative [124.19] Philosophie zeigen kann), sondern auch sie practisch, d. i. [124.20] in der Idee allen seinen willkührlichen Handlungen, als [124.21] Bedingung, unterzulegen, ist einem vernünftigen Wesen, [124.22] das sich seiner Caussalität durch Vernunft, mithin eines [124.23] Willens, (der von Begierden unterschieden ist), bewust ist, [124.24] ohne weitere Bedingung +nothwendig. Wie+ nun aber [124.25] reine Vernunft, ohne andere Triebfedern, die irgend [124.26] woher sonsten genommen seyn mögen, für sich selbst prac- [124.27] tisch seyn, d. i. wie das bloße +Prinzip der Allgemein-+ 124 [4:461] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [125.1] +gültigkeit aller ihrer Maximen als Gesetze+, (welches [125.2] freylich die Form einer reinen practischen Vernunft seyn [125.3] würde), ohne alle Materie (Gegenstand) des Willens, [125.4] woran man zum voraus irgend ein Interesse nehmen dür- [125.5] fe, für sich selbst eine Triebfeder abgeben und ein Inter- [125.6] esse, welches rein +moralisch+ heissen würde, bewirken, [125.7] oder mit anderen Worten: +wie reine Vernunft prac-+ [125.8] +tisch seyn könne+, das zu erklären, dazu ist alle mensch- [125.9] liche Vernunft gänzlich unvermögend und alle Mühe und [125.10] Arbeit, hievon Erklärung zu suchen, ist verlohren. [125.11] Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergründen suchte, [125.12] wie Freyheit selbst als Caussalität eines Willens möglich [125.13] sey. Denn da verlasse ich den philosophischen Erklärungs- [125.14] grund und habe keinen anderen. Zwar könnte ich nun [125.15] in der intelligibelen Welt, die mir noch übrig bleibt, in [125.16] der Welt der Intelligenzen herumschwärmen; aber, ob ich [125.17] gleich davon eine +Idee+ habe, die ihren guten Grund hat, [125.18] so habe ich doch von ihr nicht die mindeste +Kenntnis+ [125.19] und kann auch zu dieser durch alle Bestrebung meines [125.20] natürlichen Vernunftvermögens niemals gelangen. Sie [125.21] bedeutet nur ein Etwas, das da übrig bleibt, wenn ich [125.22] alles, was zur Sinnenwelt gehöret, von den Bestim- [125.23] mungsgründen meines Willens ausgeschlossen habe, blos [125.24] um das Prinzip der Bewegursachen aus dem Felde der [125.25] Sinnlichkeit einzuschränken, dadurch, daß ich es begrenze [125.26] und zeige, daß es nicht Alles in Allem in sich fasse, son- [125.27] dern daß außer ihm noch mehr sey; dieses Mehrere aber 125 [4:461-462] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [126.1] kenne ich nicht weiter. Von der reinen Vernunft, die [126.2] dieses Ideal denkt, bleibt nach Absonderung aller Mate- [126.3] rie, d. i. Erkenntnis der Obiecte, mir nichts, als die Form [126.4] übrig, nämlich das practische Gesetz der Allgemeingültig- [126.5] keit der Maximen, und, diesem gemäß, die Vernunft [126.6] in Beziehung auf eine reine Verstandeswelt als mögliche [126.7] wirkende, d. i. als den Willen bestimmende Ursache, zu [126.8] denken; die Triebfeder muß hier gänzlich fehlen; es müßte [126.9] denn diese Idee einer intelligibelen Welt selbst die Triebfeder, [126.10] oder dasjenige seyn, woran die Vernunft ursprünglich [126.11] ein Interesse nähme, welches aber begreiflich zu machen [126.12] gerade die Aufgabe ist, die wir nicht auflösen können. [126.13] Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen [126.14] Nachforschung, welche aber zu bestimmen, auch schon dar- [126.15] um von großer Wichtigkeit ist, damit die Vernunft nicht [126.16] einerseits in der Sinnenwelt, auf eine den Sitten schäd- [126.17] liche Art, nach der obersten Bewegursache und einem be- [126.18] greiflichen aber empirischen Interesse herum suche, anderer [126.19] Seits aber, damit sie auch nicht in dem für sie leeren [126.20] Raum transscendenter Begriffe, unter dem Nahmen der [126.21] intelligibelen Welt, kraftlos ihre Flügel schwinge, ohne [126.22] von der Stelle zu kommen und sich unter Hirngespinsten [126.23] verliere. Uebrigens bleibt die Idee einer reinen Verstan- [126.24] deswelt, als eines Ganzen aller Intelligenzen, wozu wir [126.25] selbst, als vernünftige Wesen, (obgleich anderer Seits [126.26] zugleich Glieder der Sinnenwelt), gehören, immer eine [126.27] brauchbare und erlaubte Idee zum Behufe eines vernünf- 126 [4:462] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [127.1] tigen Glaubens, wenn gleich alles Wissen an der Grenze [127.2] derselben ein Ende hat, um durch das herrliche Ideal [127.3] eines allgemeinen Reichs der +Zwecke an sich selbst+, (ver- [127.4] nünftiger Wesen), zu welchen wir nur alsdann als Glie- [127.5] der gehören können, wenn wir uns nach Maximen der [127.6] Freyheit, als ob sie Gesetze der Natur wären, sorgfältig [127.7] verhalten, ein lebhaftes Interesse an dem moralischen [127.8] Gesetze in uns zu bewirken. [127.9] ++Schlußanmerkung.++ [127.10] Der speculative Gebrauch der Vernunft, +in Anse-+ [127.11] +hung der Natur+, führt auf absolute Nothwendigkeit [127.12] irgend einer obersten Ursache +der Welt+; der practische [127.13] Gebrauch der Vernunft, +in Absicht auf die Freyheit+, [127.14] führt auch auf absolute Nothwendigkeit, aber nur +der+ [127.15] +Gesetze der Handlungen+ eines vernünftigen Wesens, [127.16] als eines solchen. Nun ist es ein wesentliches +Prinzip+ [127.17] alles Gebrauchs unserer Vernunft, ihr Erkenntnis bis zum [127.18] Bewustseyn ihrer +Nothwendigkeit+ zu treiben, (denn [127.19] ohne diese wäre sie nicht Erkenntnis der Vernunft). Es [127.20] ist aber auch eine eben so wesentliche +Einschränkung+ [127.21] eben desselben Vernunft, daß sie weder die +Nothwen-+ [127.22] +digkeit+ dessen, was da ist, oder was geschieht, noch des- [127.23] sen, was geschehen soll, einsehen kann, wenn nicht eine [127.24] +Bedingung+, unter der es da ist, oder geschieht, oder [127.25] geschehen soll, zum Grunde gelegt wird. Auf diese Weise [127.26] aber wird durch die beständige Nachfrage nach der Be- 127 [4:462-463] Grundlegung zur Metaphysik der Sitten · Dritter Abschnitt · Erste Auflage Hartknoch 1785 [128.1] dingung, die Befriedigung der Vernunft nur immer wei- [128.2] ter aufgeschoben. Daher sucht sie rastlos das Unbedingt- [128.3] nothwendige und sieht sich genöthigt, es anzunehmen, ohne [128.4] irgend ein Mittel, es sich begreiflich zu machen; glücklich [128.5] gnug, wenn sie nur den Begriff ausfindig machen kann, [128.6] der sich mit dieser Voraussetzung verträgt. Es ist also [128.7] kein Tadel für unsere Deduction des obersten Prinzips [128.8] der Moralität, sondern ein Vorwurf, den man der [128.9] menschlichen Vernunft überhaupt machen müßte, daß sie [128.10] ein unbedingtes practisches Gesetz, (dergleichen der cate- [128.11] gorische Imperativ seyn muß,) seiner absoluten Nothwen- [128.12] digkeit nach nicht begreiflich machen kann; denn, daß sie [128.13] dieses nicht durch eine Bedingung, nämlich vermittelst [128.14] irgend eines zum Grunde gelegten Interesse, thun will, [128.15] kann ihr nicht verdacht werden, weil es alsdenn kein mo- [128.16] ralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freyheit, seyn würde. [128.17] Und so begreifen wir zwar nicht die practische unbedingte [128.18] Nothwendigkeit des moralischen Imperativs, wir begrei- [128.19] fen aber doch seine +Unbegreiflichkeit+, welches alles ist, [128.20] was billigermaßen von einer Philosophie, die bis zur [128.21] Grenze der menschlichen Vernunft in Prinzipien strebt, [128.22] gefodert werden kann. _______________________ 128 [4:463] _________________________________________________ Inhaltsverzeichnis Abschnitte (Xa) Seiten (Xse) Absätze (Xab) Fußnoten (Xf) Sätze (Xsa) Formeln (Xfor) Beyspiele (Xbey) Behauptungen (Xbeh) Rubriken (Xru) Register (Xre) Abschnitte (Xa) Vorrede [iii - xvi] Erster Abschnitt [1 - 24] Uebergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen [1 - 24] Zweyter Abschnitt [25 - 96] Uebergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten [25 - 96] Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit [87 - 88] Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unächten Prinzipien der Sittlichkeit [88 - 89] Eintheilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie [89 - 96] Dritter Abschnitt [97 - 128] Uebergang von der Metaphysik der Sitten zur Critik der reinen practischen Vernunft [97 - 128] Der Begriff der Freyheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens [97 - 99] Freyheit muß als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden [99 - 101] Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt [101 - 110] Wie ist ein categorischer Imperativ möglich? [110 - 113] Von der äussersten Grenze aller practischen Philosophie [113 - 127] Schlußanmerkung [127 - 128] Seiten (Xse) Vorrede iii iv v vi vii viii ix x xi xii xiii xiv xv xvi Erster Abschnitt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Zweyter Abschnitt 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 Dritter Abschnitt 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 Absätze (Xab) Vorrede 1. Die alte griechische Philosophie theilte sich [iii.2] 2. Alle Vernunfterkenntnis ist entweder +ma-+ [iii.12] 3. Die Logik kann keinen empirischen Theil [iv.9] 4. Man kann alle Philosophie, so fern sie [v.4] 5. Auf solche Weise entspringt die Idee einer [v.12] 6. Alle Gewerbe, Handwerke und Künste, [v.20] 7. Da meine Absicht hier eigentlich auf die [vii.18] 8. Also unterscheiden sich die moralischen Ge- [ix.1] 9. Eine Metaphysik der Sitten ist also un- [ix.20] 10. Man denke doch ja nicht, daß man das, [xi.5] 11. Im Vorsatze nun, eine Metaphysik der [xiii.11] 12. Weil aber drittens auch eine Metaphysik [xiv.16] 13. Gegenwärtige Grundlegung ist aber [xv.1] 14. Ich habe meine Methode in dieser Schrift [xv.23] Erster Abschnitt (Absätze) 1. (15) Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt [1.5] 2. (16) Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Wil- [2.12] 3. (17) Der gute Wille ist nicht durch das, was er be- [3.4] 4. (18) Es liegt gleichwohl in dieser Idee von dem abso- [4.3] 5. (19) In den Naturanlagen eines organisirten, d. i. [4.14] 6. (20) In der That finden wir auch, daß, je mehr eine [5.21] 7. (21) Denn da die Vernunft dazu nicht tauglich genug [6.25] 8. (22) Um aber den Begriff eines an sich selbst hochzuschä- [8.4] 9. (23) Ich übergehe hier alle Handlungen, die schon als [8.17] 10. (24) Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht und über- [9.21] 11. (25) Wohlthätig seyn, wo man kann, ist Pflicht und [10.9] 12. (26) Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht, (we- [11.25] 13. (27) So sind ohne Zweifel auch die Schriftstellen zu ver- [13.4] 14. (28) Der zweyte Satz ist: eine Handlung aus Pflicht [13.14] 15. (29) Den dritten Satz, als Folgerung aus beiden vori- [14.13] 16. (30) Es liegt also der moralische Werth der Handlung [15.11] 17. (31) Was kann das aber wohl für ein Gesetz seyn, des- [17.1] 18. (32) Die Frage sey z.B. darf ich, wenn ich im Ge- [18.1] 19. (33) Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen [19.26] 20. (34) So sind wir denn in der moralischen Erkenntnis [20.21] 21. (35) Es ist eine herrliche Sache um die Unschuld, nur [22.21] 22. (36) So wird also die +gemeine Menschenvernunft+ [23.21] Zweyter Abschnitt (Absätze) 1. (37) Wenn wir unsern bisherigen Begriff der Pflicht aus [25.6] 2. (38) In der That ist es schlechterdings unmöglich, durch [26.7] 3. (39) Man kann auch denen, die alle Sittlichkeit, als [27.1] 4. (40) Setzet man hinzu, daß, wenn man dem Begriffe [28.16] 5. (41) Man könnte auch der Sittlichkeit nicht übler rathen, [29.10] 6. (42) Wenn es denn keinen ächten obersten Grundsatz [30.8] 7. (43) Diese Herablassung zu Volksbegriffen ist allerdings [30.22] 8. (44) Man darf nur die Versuche über die Sittlichkeit [31.22] 9. (45) Es ist aber eine solche völlig isolirte Meta- [32.18] 10. (46) Aus dem angeführten erhellet: daß alle sittliche [34.5] 11. (47) Um aber in dieser Bearbeitung nicht blos von der [36.1] 12. (48) Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. [36.16] 13. (49) Die Vorstellung eines obiectiven Prinzips, sofern [37.16] 14. (50) Alle Imperativen werden durch ein +Sollen+ ausge- [37.20] 15. (51) Ein vollkommen guter Wille würde also eben so [39.1] 16. (52) Alle +Imperativen+ nun gebieten entweder +hypo-+ [39.15] 17. (53) Weil jedes practische Gesetz eine mögliche Hand- [39.23] 18. (54) Der Imperativ sagt also, welche durch mich mög- [40.9] 19. (55) Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß [40.17] 20. (56) Man kann sich das, was nur durch Kräfte irgend [41.1] 21. (57) Es ist gleichwohl +ein+ Zweck, den man bey allen [42.3] 22. (58) Endlich giebt es einen Imperativ, der, ohne ir- [43.6] 23. (59) Das Wollen nach diesen dreyerley Prinzipien wird [43.16] 24. (60) Nun entsteht die Frage: wie sind alle diese Impe- [44.13] 25. (61) Die Imperativen der Klugheit würden, wenn es [45.24] 26. (62) Dagegen, wie der Imperativ der +Sittlichkeit+ mög- [48.14] 27. (63) Wir werden also die Möglichkeit eines +categori-+ [49.20] 28. (64) Zweytens ist bey diesem categorischen Imperativ [50.11] 29. (65) Bey dieser Aufgabe wollen wir zuerst versuchen, ob [51.1] 30. (66) Wenn ich mir einen +hypothetischen+ Imperativ über- [51.9] 31. (67) Der categorische Imperativ ist also nur ein einziger [52.3] 32. (68) Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Im- [52.7] 33. (69) Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wornach Wir- [52.14] 34. (70) Nun wollen wir einige Pflichten herzählen, nach [52.23] 35. (71) 1) Einer, der durch eine Reihe von Uebeln, die [53.3] 36. (72) 2) Ein anderer sieht sich durch Noth gedrungen, [54.6] 37. (73) 3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches [55.9] 38. (74) Noch denkt ein +vierter+, dem es wohl geht, indessen [56.4] 39. (75) Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen [57.3] 40. (76) Wenn wir nun auf uns selbst bey jeder Uebertre- [57.24] 41. (77) Wir haben so viel also wenigstens dargethan, daß, [59.3] 42. (78) Bey der Absicht, dazu zu gelangen, ist es von der [59.17] 43. (79) Hier sehen wir nun die Philosophie in der That auf [60.17] 44. (80) Alles also, was empirisch ist, ist, als Zuthat zum [61.6] 45. (81) Die Frage ist also diese: ist es ein nothwendiges Ge- [62.1] 46. (82) Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, +der+ [63.13] 47. (83) Gesetzt aber, es gäbe etwas, +dessen Daseyn an+ [64.15] 48. (84) Nun sage ich: der Mensch, und überhaupt jedes ver- [64.21] 49. (85) Wenn es denn also ein oberstes practisches Prin- [66.4] 50. (86) Um bey den vorigen Beyspielen zu bleiben so wird [67.3] 51. (87) +Erstlich+, nach dem Begriffe der nothwendigen [67.4] 52. (88) +Zweytens:+ was die nothwendige oder schuldige [67.23] 53. (89) +Drittens+ in Ansehung der zufälligen (verdienstli- [68.16] 54. (90) +Viertens+, in Betreff der verdienstlichen Pflicht [69.10] 55. (91) Dieses Prinzip der Menschheit und jeder vernünf- [69.23] 56. (92) Alle Maximen werden nach diesem Prinzip ver- [70.23] 57. (93) Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, [71.5] 58. (94) Denn wenn wir einen solchen denken, so kann, ob- [72.1] 59. (95) Also würde das +Prinzip+ eines jeden menschlichen [72.10] 60. (96) Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bishe- [73.5] 61. (97) Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das [74.5] 62. (98) Ich verstehe aber unter einem +Reiche+, die systema- [74.11] 63. (99) Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem +Ge-+ [74.23] 64. (100) Es gehört aber ein vernünftiges Wesen als +Glied+ [75.9] 65. (101) Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetz- [75.14] 66. (102) Moralität besteht also in der Beziehung aller Hand- [75.22] 67. (103) Die practische Nothwendigkeit nach diesem Prin- [76.15] 68. (104) Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen [77.3] 69. (105) Was sich auf die allgemeine menschliche Neigungen [77.9] 70. (106) Nun ist Moralität die Bedingung, unter der al- [77.18] 71. (107) Und was ist es denn nun, was die sittlich gute [78.25] 72. (108) Die angeführte drey Arten, das Prinzip der Sitt- [79.20] 73. (109) 2) Eine +Maxime+, nämlich einen Zweck, und da sagt [80.7] 74. (110) 3) +Eine vollständige Bestimmung+ aller Maxi- [80.12] 75. (111) Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im [81.9] 76. (112) Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den [82.3] 77. (113) Nun folgt hieraus unstreitig: daß jedes vernünf- [83.9] 78. (114) Man kann aus dem kurz vorhergehenden sich es [86.12] 79. (115) Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des [87.10] 80. (116) Wenn der Wille irgend +worin anders+, als in [88.11] 81. (117) Die menschliche Vernunft hat hier, wie aller- [89.19] 82. (118) Alle Prinzipien, die man aus diesem Gesichts- [89.24] 83. (119) +Empirische Prinzipien+ taugen überall nicht dazu, [90.8] 84. (120) Unter den +rationalen+, oder Vernunftgründen der [91.19] 85. (121) Wenn ich aber zwischen dem Begriff des moralischen [92.22] 86. (122) Uebrigens glaube ich einer weitläuftigen Widerle- [93.7] 87. (123) Allenthalben, wo ein Obiect des Willens zum Grun- [93.18] 88. (124) Der schlechterdings gute Wille, dessen Prinzip ein [95.3] 89. (125) +Wie ein solcher synthetischer practischer Satz+ [95.13] Dritter Abschnitt (Absätze) 1. (126) Der +Wille+ ist eine Art von Caussalität lebender We- [97.10] 2. (127) Die angeführte Erklärung der Freyheit ist +negativ+ [97.18] 3. (128) Wenn also Freyheit des Willens vorausgesetzt wird, [98.21] 4. (129) Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es [99.23] 5. (130) Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlich- [101.21] 6. (131) Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen [102.8] 7. (132) Es scheint also, als setzten wir in der Idee der [103.4] 8. (133) Zwar finden wir wohl, daß wir an einer persönli- [103.24] 9. (134) Es zeigt sich hier, man muß frey gestehen, eine [104.19] 10. (135) Eine Auskunft bleibt uns aber noch übrig, näm- [105.9] 11. (136) Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben [105.15] 12. (137) Dergleichen Schluß muß der nachdenkende Mensch [107.14] 13. (138) Nun findet der Mensch in sich wirklich ein Vermö- [107.24] 14. (139) Um deswillen muß ein vernünftiges Wesen sich [108.20] 15. (140) Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen [109.5] 16. (141) Nun ist der Verdacht, den wir oben rege machten, [109.16] 17. (142) Das vernünftige Wesen zählt sich als Intelligenz [110.10] 18. (143) Und so sind categorische Imperativen möglich, da- [111.16] 19. (144) Der practische Gebrauch der gemeinen Menschen- [112.8] 20. (145) Alle Menschen denken sich dem Willen nach als [113.20] 21. (146) Ob nun gleich hieraus eine Dialectik der Vernunft [114.17] 22. (147) Indessen muß dieser Scheinwiderspruch wenigstens [115.8] 23. (148) Es ist aber unmöglich, diesem Widerspruch zu entge- [115.15] 24. (149) Doch kann man hier noch nicht sagen: daß die [116.19] 25. (150) Der Rechtsanspruch aber, selbst der gemeinen Men- [117.1] 26. (151) Daher kommt es, daß der Mensch sich eines Wil- [118.1] 27. (152) Dadurch, daß die practische Vernunft sich in eine [118.24] 28. (153) Aber alsdenn würde die Vernunft alle ihre Grenze [120.9] 29. (154) Denn wir können nichts erklären, als was wir auf [120.14] 30. (155) Die subiective Unmöglichkeit, die Freyheit des [121.25] 31. (156) Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem [122.10] 32. (157) Die Frage also: wie ein categorischer Imperativ [124.1] 33. (158) Es ist eben dasselbe, als ob ich zu ergründen suchte, [125.11] 34. (159) Hier ist nun die oberste Grenze aller moralischen [126.13] 35. (160) Der speculative Gebrauch der Vernunft, +in Anse-+ [127.10] Fußnoten (Xf) Erster Abschnitt 1. *) +Maxime+ ist das subiective Prinzip des Wollens; das obiective [15.23] 2. *) Man könnte mir vorwerfen, als suchte ich hinter dem Worte [16.8] Zweyter Abschnitt 3. *) Man kann, wenn man will, (so wie die reine Mathematik [32.20] 4. *) Ich habe einen Brief vom sel. vortreflichen +Sulzer+, worinn er [33.19] 5. *) Die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens von Empfindungen [38.12] 6. *) Das Wort Klugheit wird in zwiefachem Sinn genommen, ein- [42.19] 7. *) Mich deucht, die eigentliche Bedeutung des Worts +pragmatisch+ [44.21] 8. *) Ich verknüpfe mit dem Willen, ohne vorausgesetzte Bedingung [50.19] 9. *) +Maxime+ ist das subiective Prinzip zu handeln, und muß vom [51.19] 10. *) Man muß hier wohl merken, daß ich die Eintheilung der Pflich- [53.18] 11. *) Die Tugend in ihrer eigentlichen Gestalt erblicken, ist nichts [61.25] 12. *) Diesen Satz stelle ich hier als Postulat auf. Im letzten Ab- [66.24] 13. *) Man denke ja nicht, daß hier das triviale: quod tibi non vis [68.18] 14. *) Ich kann hier, Beyspiele zur Erläuterung dieses Prinzips an- [72.23] 15. *) Die Teleologie erwägt die Natur, als ein Reich der Zwecke, [80.22] 16. *) Ich rechne das Prinzip des moralischen Gefühls zu dem der [91.21] Dritter Abschnitt 17. *) Diesen Weg, die Freyheit nur, als von vernünftigen Wesen [100.20] 18. *) Interesse ist das, wodurch Vernunft practisch, d. i. eine den [122.15] Sätze (Xsa) 1. Der „erste” Satz [8 - 13] 2. Der zweyte Satz [13.14] 3. Der dritte Satz [14.13] Formeln (Xfor) 1. Allgemeines Gesetz [52.3] [17.10, 76.3, 81.3, 81.15, 83.26] 2. Allgemeines Naturgesetz [52.19] [80.5, 81.25] 3. Menschheit [66.21] [74.23, 80.8, 82.20, 83.3] 4. Autonomie [70.18] [71.24, 72.10, 76.5, 82.23, 87.13] 5. Reich der Zwecke [74.5] [83.23, 84.23] Beyspiele (Xbey) 1. Du sollt nicht lügen [viii.9] 2. Verstand, Witz, Urtheilskraft [1.8] 3. Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit [1.10] 4. Macht, Reichthum, Ehre, Gesundheit, Glückseligkeit [1.17] 5. Mäßigung, Selbstbeherrschung, Ueberlegung [2.18] 6. Der kaltblütige Bösewicht [2.26] 7. Wie ein Juwel [3.19] 8. Der Krämer und seinen unerfahrnen Käufer [9.6] 9. Der Unglückliche, der den Tod wünscht [10.3] 10. Die theilnehmend gestimmte Seelen [10.10] 11. Die Neigung nach Ehre [10.19] 12. Der Menschenfreund [10.25] 13. Der Mann mit weniger Sympathie [11.9] 14. Der Podagrist [12.17] 15. Die Schriftstellen [13.4] 16. Ein falsches Versprechen [18.1] 17. Reine Redlichkeit in der Freundschaft [28.9] 18. Der Arzt und der Giftmischer [41.14] 19. Eltern und ihre Kinder [41.20] 20. Eine Linie in zwey gleiche Theile theilen [45.13] 21. Diät, Sparsamkeit, Höflichkeit, Zurückhaltung [47.11] 22. Du sollt nichts betrüglich versprechen [48.24] 23. Die vier Beyspiele (erste Erscheinung) [53.3] 24. Die vier Beyspiele (zweyte Erscheinung) [67.3] 25. Die Amputation der Glieder [67.19] 26. Die vier Beyspiele („dritte” Erscheinung) [72.23] 27. Ich soll nicht lügen [88.24] 28. Fremde Glückseligkeit zu befördern [89.7] 29. Verschiedne Brüche gleiches Inhalts [105.6] 30. Der ärgste Bösewicht [112.10] Behauptungen (Xbeh) Vorrede 1. Materiale Philosophie ist zwiefach. [iii.18] 2. Die Logik kann keinen empirischen Theil haben. [iv.9] 3. Natürliche und sittliche Weltweisheit können einen empirischen Theil haben. [iv.17] 4. Die Physik hat ihren empirischen und rationalen Theile. [v.15] 5. Es sey von der äußersten Nothwendigkeit eine reine Moralphilosophie zu bearbeiten. [vii.21] 6. Der Grund der Verbindlichkeit müsse in Begriffen der reinen Vernunft gesucht werden. [viii.13] 7. Jede Vorschrift, die sich auf empirische Gründe stützt, kann niemals ein moralisches Gesetz heißen. [viii.17] 8. Alle Moralphilosophie beruht gänzlich auf ihrem reinen Theil. [ix.5] 9. Moralphilosophie gibt dem Menschen Gesetze a priori. [ix.9] 10. Urtheilskraft geschärfte durch Erfahrung ist noch erfodert. [ix.10] 11. Eine Metaphysik der Sitten ist unentbehrlich nothwendig. [ix.20] 12. Die Sitten bleiben allerley Verderbniß unterworfen. [x.2] 13. Was moralisch gut seyn soll, muß auch um des Gesetzes willen geschehen. [x.5] 14. Gemäßheit allein ist sehr zufällig und mißlich. [x.9] 15. Reine Philosophie (Metaphysik) muß vorangehen. [x.16] 16. Ohne Metaphysik kann es überall keine Moralphilosophie geben. [x.17] Erster Abschnitt (Behauptungen) 1. Nichts als ein guter Wille kann ohne Einschränkungen für gut gehalten werden. [1.7] 2. Der gute Wille ist allein durch das Wollen gut. [3.4] 3. Die wahre Bestimmung der Vernunft muß einen an sich selbst guten Willen hervorzubringen seyn. [7.7] 4. Der gute Wille muß das höchste Gut seyn. [7.12] 5. Der gute Wille muß die Bedingung zu allem Uebrigen seyn. [7.14] 6. Der Begriff der Pflicht enthält den Begriff eines guten Willens. [8.11] 7. Seine eigene Glückseligkeit zu sichern ist Pflicht. [11.25] 8. Alle Menschen haben die mächtigste und innigste Neigung zur Glückseligkeit. [12.5] 9. Der Mensch kann keinen bestimmten und sichern Begriff von Glückseligkeit machen. [12.10] 10. Practische Liebe allein kann geboten werden. [13.13] 11. Eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Werth nur in der Maxime. [13.14] 12. Absichten und Wirkungen können keinen unbedingten und moralischen Werth ertheilen. [13.21] 13. Der moralische Werth einer Handlung kann nur im Princip des Willens liegen. [14.2] 14. Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz. [14.14] 15. Nur das bloße Gesetz für sich kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot seyn. [15.1] 16. Nur das Gesetz kann den Willen objectiv bestimmen. [15.6] 17. Reine Achtung für das practische Gesetz bestimmt den Willen subjectiv. [15.6] 18. Der moralische Werth der Handlung liegt nicht in den Wirkungen. [15.11] 19. Nur die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst macht das sittliche Gute aus. [15.21] 20. Die bloße Gesetzmäßigkeit überhaupt muß den Willen zum Princip dienen. [17.12] 21. Die Pflicht ist die Bedingung eines an sich guten Willens. [20.18] 22. Die gemeine Menschenvernunft, um zu wissen was zu thun, bedarf Philosophie nicht. [21.7] 23. Aus practischen Gründen wird die gemeine Menschenvernunft zur Philosophie angetrieben. [23.24] Zweyter Abschnitt (Behauptungen) 1. Es sey unmöglich, durch Erfahrung mit Gewißheit auszumachen, ob eine Handlung aus Pflicht geschehe. [26.7] 2. Wenn vom moralischen Werthe die Rede ist, kommt es auf innere Principien der Handlungen, die man nicht sieht. [26.24] 3. Pflicht liegt vor aller Erfahrung in der Idee einer den Willen durch Gründe a priori bestimmenden Vernunft. [28.13] 4. Das Gesetz muß für alle vernünftige Wesen überhaupt gelten. [28.21] 5. Das Gesetz muß schlecterdings nothwendig gelten. [28.23] 6. Beyspiele dienen nur zur Aufmunterung und können niemals berechtigen. [30.1] 7. Eine völlig isolirte Metaphysik der Sitten ist ein unentbehrliches Substrat aller theoretischen sicher bestimmten Erkenntniß der Pflichten. [32.18] 8. Eine völlig isolirte Metaphysik der Sitten ist ein Desiderat von der höchsten Wichtigkeit zur wirklichen Vollziehung ihrer Vorschriften. [32.18] 9. Die reine Vorstellung der Pflicht hat auf das menschliche Herz durch den Weg der Vernunft allein einen mächtigern Einfluß. [33.7] 10. Die Vernunft kann der Triebfedern Meister werden. [33.11] 11. Alle sittliche Begriffe haben völlig a priori in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung. [34.5] 12. Keine sittliche Begriffe können von empirischen Erkenntnisse abstrahirt werden. [34.9] 13. Die Würde aller sittlicher Begriffe liegt in der Reinigkeit ihres Ursprungs. [34.11] 14. So viel, als man Empirisches hinzu thut, so viel auch ächten Einflusse der moralischen Principien und dem uneingeschränkten Werthe der Handlungen entziehe. [34.13] 15. Es sey von der größten practischen Wichtigkeit, moralische Gesetze aus dem allgemeinen Begriffe eines vernünftigen Wesens überhaupt abzuleiten. [35.1] 16. Zu ihrer Anwendung auf Menschen, die Moral bedarf der Anthropologie. [35.14] 17. Ohne Moral als Metaphysik vorzutragen, ist es unmöglich die Sitten auf ihre ächte Principien zu gründen und dadurch reine moralische Gesinnungen zu bewirken. [35.14] 18. Ein jedes Ding der Natur wirkt nach Gesetzen. [36.16] 19. Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, nach der Vorstellung der Gesetze, d. i. nach Principien, zu handeln, oder einen Willen. [36.17] 20. Der Wille ist nichts anders als practische Vernunft. [36.20] 21. Nöthigung ist die Bestimmung eines Willens, der nicht an sich völlig der Vernunft gemäß ist. [37.6] 22. Die Vorstellung eines objectiven Princips, sofern es für einen Willen nöthigend ist, heißt ein Gebot (der Vernunft) und die Formel des Gebots heißt Imperativ. [37.16] 23. Alle Imperativen werden durch ein Sollen ausgedrukt. [37.20] 24. Keine Imperativen gelten für den göttlichen und überhaupt für einen heiligen Willen. [39.6] 25. Alle Imperativen gebieten entweder hypothetisch, oder categorisch. [39.15] 26. Der hypothetische Imperativ sagt nur, daß die Handlung zu irgend einer möglichen oder wirklichen Absicht gut sey. [40.17] 27. Die Absicht auf Glückseligkeit ist ein Zweck, den man bey allen vernünftigen Wesen als wirklich voraussetzen kann. [42.3] 28. Der Imperativ, der sich auf die Wahl der Mittel zur eigenen Glückseligkeit bezieht ist hypothetisch. [43.1] 29. Der Imperativ ist categorisch, der, ohne irgend eine andere durch ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebietet. [43.6] 30. Wer den Zweck will, will auch das dazu unentbehrlich nothwendige Mittel, das in seiner Gewalt ist. [44.20] 31. Der Begriff der Glückseligkeit ist ein unbestimmter Begriff. [46.6] 32. Man kann nicht nach bestimmten Principien handeln, um glücklich zu seyn. [47.8] 33. Der Imperativ der Sittlichkeit ist gar nicht hypothetisch. [48.14] 34. Der categorische Imperativ allein lautet als ein practisches Gesetz. [49.26] 35. Der categorische Imperativ ist ein synthetisch-practischer Satz a priori. [50.14] 36. Der categorische Imperativ ist nur ein einziger. [52.3] 37. Einige Handlungen sind so beschaffen, daß ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann. [57.9] 38. Wir anerkennen die Gültigkeit des categorischen Imperativs wirklich. [58.25] 39. Pflicht, wenn sie echt sein sollte, kann nur in categorischen Imperativen, keinesweges in hypothetischen ausgedrückt werden. [59.4] 40. Pflicht muß für alle vernünftige Wesen gelten. [59.23] 41. Alles was empirisch ist, ist der Lauterkeit der Sitten selbst höchst nachtheilig. [61.6] 42. Die Lauterkeit der Sitten besteht eben darin, daß das Princip der Handlung von allen Einflüssen zufälliger Gründe, die nur Erfahrung an die Hand geben kann, frey sey. [61.10] 43. Wenn es ein nothwendiges Gesetz für alle vernünftige Wesen gäbe, so muß es (völlig a priori) schon mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt verbunden seyn. [62.1] 44. Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen. [63.13] 45. Vernünftige Wesen werden Personen genannt, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst auszeichnet. [65.15] 46. Der Mensch stellt sich sein eignes Daseyn nothwendig als Zweck an sich selbst vor. [66.12] 47. Das Princip der Menschheit muß aus reiner Vernunft entspringen. [70.11] 48. Der Mensch ist nur seiner eigenen und dennoch allgemeinen Gesetzgebung unterworfen. [73.11] 49. Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preiß, oder eine Würde. [77.3] 50. Sittlichkeit und die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, haben allein Würde. [77.21] 51. Die Gesetzgebung selbst muß eine Würde haben. [79.12] 52. Autonomie ist der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur. [79.17] 53. Die angeführten drey Arten, das Princip der Sittlichkeit vorzustellen, sind im Grunde nur so viele Formeln eben desselben Gesetzes. [79.20] 54. Alle Maximen haben eine Form, eine Materie, und eine vollständige Bestimmung aller Maximen. [80.2] 55. Der Wille ist schlechterdings gut, der nicht böse seyn, mithin dessen Maxime, wenn sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten kann. [81.11] 56. Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den übrigen aus, daß sie ihr selbst einen Zweck setzt. [82.3] 57. Der Zweck hier nicht als ein zu bewirkender, sondern selbständiger Zweck, gedacht werden müsse. [82.10] 58. Ein jedes vernünftiges Wesen muß so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre. [83.23] 59. Ein Reich der Zwecke würde nun durch Maximen, deren Regel der categorische Imperativ allen vernünftigen Wesen vorschreibt, wirklich zu Stande kommen, wenn sie allgemein befolgt würden. [84.11] 60. Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst ein Gesetz ist. [87.10] 61. Wenn der Wille in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus. [88.11] 62. Empirische Principien taugen überall nicht dazu, um moralische Gesetze darauf zu gründen. [90.8] 63. Das Princip der eigenen Glückseligkeit am meisten verwerflich. [90.16] 64. Das moralische Gefühl, dieser vermeyntliche besondere Sinn, bleibt näher der Sittlichkeit. [91.4] 65. Wenn ich zwischen dem Begriff des moralischen Sinnes und dem der Vollkommenheit überhaupt wählen müßte, so würde ich mich für den letzteren bestimmen. [92.22] 66. Der schlechterdings gute Wille enthält bloß die Form des Wollens überhaupt als Autonomie. [95.3] 67. Wer Sittlichkeit für Etwas hält, muß das Princip der Autonomie einräumen. [95.23] Dritter Abschnitt (Behauptungen) 1. Der Wille ist eine Art von Caussalität lebender Wesen. [97.10] 2. Ein freyer Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen sind einerley. [98.18] 3. Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freyheit handeln kann, ist eben darum, in practischer Rücksicht, wirklich frey. [100.13] 4. Wir müssen jedem mit Vernunft und Willen begabten Wesen diese Eigenschaft, sich unter der Idee seiner Freyheit zum Handeln zu bestimmen, beylegen. [102.4] 5. Freyheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind beydes Autonomie. [104.26] 6. Dieses muß eine Unterscheidung einer Sinnenwelt von der Verstandeswelt abgeben. [106.16] 7. Nach der Kenntniß, die der Mensch durch innere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich selbst sey. [106.22] 8. Ein vernünftiges Wesen hat zwey Standpuncte, daraus es sich selbst betrachten kann. [108.23] 9. Mit der Idee der Freyheit ist nun der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden, mit diesem aber das allgemeine Princip der Sittlichkeit. [109.11] 10. Die Verstandeswelt enthält den Grund der Sinnenwelt, mithin auch der Gesetze derselben. [111.3] 11. Man muß die Gesetze der Verstandeswelt für sich als Imperativen ansehen. [111.13] 12. Categorische Imperativen sind möglich weil die Idee der Freyheit mich zu einem Gliede einer intelligibelen Welt macht und ich mich zugleich als Glied der Sinnenwelt anschaue. [111.16] 13. Der practische Gebrauch der gemeinen Menschenvernunft bestätigt die Richtigkeit dieser Deduction. [112.8] 14. Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frey. [113.20] 15. Freyheit ist nur eine Idee der Vernunft, deren objective Realität an sich zweifelhaft ist. [114.12] 16. Kein wahrer Widerspruch zwischen Freyheit und Naturnothwendigkeit ebenderselben menschlichen Handlungen angetroffen werde. [115.3] 17. Diese Pflicht liegt aber bloß der speculativen Philosophie ob, damit sie der practischen freye Bahn schaffe. [116.10] 18. Daß ein Ding in der Erscheinung gewissen Gesetzen unterworfen ist, von welchen eben dasselbe, als Ding oder Wesen an sich selbst, unabhängig ist, enthält nicht den mindesten Widerspruch. [117.17] 19. Der Begriff einer Verstandeswelt ist nur ein Standpunct. [119.14] 20. Die Vernunft würde alle ihre Grenze überschreiten, wenn sie es sich zu erklären unterfinge, wie reine Vernunft practisch seyn könne. [120.9] 21. Die Idee der Freyheit gilt nur als nothwendige Voraussetzung der Vernunft. [120.23] 22. Wo Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf. [121.2] 23. Die subjective Unmöglichkeit, die Freyheit des Willens zu erklären, ist mit der Unmöglichkeit, ein Interesse ausfindig und begreiflich zu machen, welches der Mensch an moralischen Gesetzen nehmen könne, einerley. [121.25] 24. Das moralische Gefühl muß als die subjective Wirkung, die das Gesetz auf den Willen ausübt, angesehen werden. [122.7] 25. Die Erklärung, wie und warum uns die Allgemeinheit der Maxime als Gesetzes, mithin die Sittlichkeit, interessire, ist uns Menschen gänzlich unmöglich. [123.14] 26. Es interessirt, weil es für uns als Menschen gilt. [123.22] 27. Die Frage wie ein categorischer Imperativ möglich sey, kann so weit beantwortet werden, als man die einzige Voraussetzung angeben kann, unter der er allein möglich ist. [124.1] 28. Unter Voraussetzung der Freyheit des Willens einer Intelligenz ist die Autonomie desselben eine nothwendige Folge. [124.11] 29. Diese Freyheit des Willens vorauszusetzen, ist nicht allein möglich, sondern auch practisch nothwendig. [124.14] 30. Wie reine Vernunft practisch seyn könne, das zu erklären, dazu ist alle menschliche Vernunft gänzlich unvermögend. [125.7] 31. Die Idee einer reinen Verstandeswelt bleibt immer eine brauchbare und erlaubte Idee zum Behufe eines vernünftigen Glaubens. [126.23] 32. Die Vernunft sucht rastlos das Unbedingt-nothwendige. [128.2] Rubriken (Xru) Vorrede 1. Die Eintheilungen der Philosophie: Physik, Ethik, Logik [iii.2] 2. Alle Vernunfterkenntniß ist material oder formal; die Ethik ist material [iii.12] 3. Die empirische (practische Anthropologie) und rationale (Metaphysik der Sitten) Theilen der Ethik [iv.9] 4. Die Bedürftigkeit für eine Metaphysik der Sitten [v.20] 5. Eine Metaphysik der Sitten unterscheidet sich von Wolfs Philosophie [xi.5] 6. Drey Gründe für diese Grundlegung [xiii.11] 7. Die Absichten dieser Grundlegung [xv.1] 8. Die Methode und Theilen dieser Grundlegung [xv.23] Erster Abschnitt (Rubriken) 1. Der gute Wille allein ist ohne Einschränkung gut [1.5] 2. Der gute Wille ist an sich selbst gut [3.4] 3. Die practische Bestimmung der Vernunft ist die Gründung eines guten Willens [4.3] 4. Der Begriff der Pflicht enthält den Begriff eines guten Willens [8.4] 5. Handeln aus Pflicht [8.17] 6. Nur Handlungen aus Pflicht haben einen moralischen Werth [9.21] 7. Der Zweyte Satz: eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Werth in dem Princip des Wollens [13.14] 8. Der dritte Satz: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz [14.13] 9. Die Formel des allgemeinen Gesetzes: bloße Gesetzmäßigkeit überhaupt dient als das Princip des guten Willens [15.11] 10. Ein Beyspiel: ein falsches Versprechen [18.1] 11. Die gemeine Menschenvernunft gebraucht dieses Princip eines guten Willens [20.21] 12. Die Moral Philosophie ist noch nötig, um der Dialectik entgehen [22.21] Zweyter Abschnitt (Rubriken) 1. Die Sittlichkeit kann aus der Erfahrung nicht gezogen werden [25.6] 2. Die Sittlichkeit kann nicht von Beyspielen entlehnt werden [29.10] 3. Die populäre sittliche Weltweisheit ist unzuverlässig [30.8] 4. Rückblick auf methodologische Schlüsse [34.5] 5. Die Vernunft und ihr Einfluß auf den Willen [36.16] 6. Klassifizierung der Imperativen [37.16] 7. Der hypothetische Imperativ [39.15] 8. Der categorische Imperativ [43.6] 9. Wie hypothetische Imperative sind möglich [44.13] 10. Wie categorische Imperative sind möglich [48.14] 11. Die Formel des allgemeinen Gesetzes [51.1] 12. Die Formel des allgemeinen Naturgesetzes [52.14] 13. Vier Beyspiele [52.23] 14. Maximen zu willen und denken [57.3] 15. Ausnahmen [57.24] 16. Ein a priori Beweis ist noch nötig [59.3] 17. Objective und relative Zwecke [63.13] 18. Die Formel der Menschheit [64.15] 19. Vier Beyspiele [67.3] 20. Die Formel der Autonomie [69.23] 21. Die Ausschließung des Interesses [71.5] 22. Heteronomie [73.5] 23. Die Formel des Reichs der Zwecke [74.5] 24. Preiß und Würde [77.3] 25. Rückblick auf die Formeln [79.20] 26. Gesamter Rückblick [81.9] 27. Die Autonomie des Willens [87.7] 28. Die Heteronomie des Willens [88.8] 29. Taxonomie aller heteronomischen Principien [89.14] 30. Empirische heteronomische Principien: Glückseligkeit und Gefühl [90.8] 31. Rationale heteronomische Principien: ontologische und theologische Vollkommenheit [91.19] 32. Die Unzulässigkeit der Heteronomie im allgemeinen [93.7] 33. Rückblick und Vorblick: was schon beweist ist und was noch zu beweisen ist [95.3] Dritter Abschnitt (Rubriken) 1. Begriffe von Freyheit: positiv und negativ [97.6] 2. Die Voraussetzung der Freyheit [99.19] 3. Ein Kreisschluß? [101.18] 4. Entkommen aus dem Kreisschluß: die zwey Standpuncte [105.9] 5. Wie ist ein categorischer Imperativ möglich? [110.8] 6. Ein Widerspruch zwischen Freyheit und Naturnothwendigkeit? [113.17] 7. Die Auflösung des Widerspruchs: die zwey Standpuncte [115.15] 8. Die Grenzen der Kenntnis: die Verstandeswelt [118.24] 9. Die Grenzen der Erklärung: die Möglichkeit der Freyheit [120.9] 10. Die Grenzen der Erklärung: das moralische Interesse [121.25] 11. Rückblick: wie ist ein categorischer Imperativ möglich? [124.1] 12. Die oberste Grenze aller moralischen Nachforschung [126.13] 13. Schlußanmerkung: die Einschränkungen der Vernunft [127.9] Register (Xre) (nur Wörter mit Bindestrich zerspaltet) A Abbruch 8.1 abgeholfen 38.25 abgeleitet 68.20, 100.4 abhängigen 38.15 Abschnitte 66.24, 96.9 Absicht 3.14, 50.3, 75.6, 105.4 Absichten 13.20 absolutem 65.26 absoluten 4.3 Absonderung 121.15 Abstraction 62.27 abstrahiren 64.2 abstrahirt 74.16 abzusondern xiv.21 abzusonderndes xv.5 Achtung 16.16 achtungswürdig 36.2 adäquaten 75.20 Aequivalent 77.5 Aeußerung 55.7 alle xiii.2 allein 77.18, 97.19 allenthalben xv.11 aller 65.27, 83.10 allerwerts 89.19 allgemein 72.11, 73.13, 84.23 allgemeine xi.22 allgemeinen 30.13, 52.17, 79.9, 83.13, 84.1, 88.12, 89.12 allgemeines 17.11, 19.11, 53.14, 56.12, 57.10, 58.1, 58.10 allgemeingesetzgebenden 71.25 Allgemeingültigkeit 124.27, 126.4 Allgemeinheit 55.1, 70.2, 70.13, 80.2, 120.2 alsdenn 11.7 also 49.23 Also 42.18 Analogie 84.3 analytisch 45.3, 96.1 andere 20.17 anderen 79.22, 98.14 anderer 56.24, 68.8, 68.10, 91.26, 117.10 angeführte 95.24 angegeben 116.4 angemessener 23.16 angenehm 38.27 angenehmen 103.21 angestrengste 26.22 anmaßen 106.23 Annehmlichkeit 53.12 anschauen 92.11 Anschauung 107.21 Anschlag 32.10 Ansehen 60.27 Ansehung 48.11, 50.7, 95.4, 111.5, 127.10 Ansprüche 24.4, 78.26 Anthropologie ix.8, 35.14 antreffen 58.9 Antriebe 17.5 Anwendung xiv.7 anzuführen 72.23 anzustellen 62.17 anzutreffen 57.13, 107.16 Arbeiten vi.6 Aufgabe 19.6, 47.18 Aufmerksamkeit 105.25 Aufopferung 26.15 aufzubürden 46.26 Ausdrücke 105.7 Ausführlichkeit xiii.21 ausgebreiteter 28.19 ausgedrukt 37.20 ausholende 19.27 Auskunft 16.10 ausmacht 77.14 ausmessen 36.8 ausübt 78.15 auszeichnet 83.14 auszudenken 5.16 auszumachen 26.8 auszuüben 4.25 Autonomie 74.2, 85.26, 88.1, 88.6, 109.11 B bedarf 22.23 Bedingung 20.18, 83.5, 127.26 Bedingungen v.2 bedürftige 48.15 befördern 47.20 Beförderung 53.17 Befriedigung 30.24 Begehrens 63.22 begreifen 128.18 begreiflichen 126.17 begreift x.23 Begriff 18.24, 36.13 behandelt 25.9 Behauptung xii.15 Belieben 116.12 Belohnung 22.1 benannte 81.6 Beobachtungen 31.11 berichtige 2.4 beruhe 62.21 Beschaffenheit 1.15, 107.4, 123.26 besondere 91.4 besondern xi.13 bestehen 14.1, 86.2 besteht 17.26 bestimmen iii.10, 4.1, 35.21 bestimmenden 28.14 bestimmt 38.6, 94.3, 97.16 Bestimmt 37.1 bestimmten 33.4, 109.8 Bestimmung 16.19, 117.14 Bestimmungsgrund 16.2 Bestimmungsgründen 125.22 Bestimmungsregeln 36.12 betrachten 104.11 Betrachtungen 5.7 Beurtheilung 17.18, 20.25 Beurtheilungsvermögen 21.14 bevorstehenden 20.6 Bewegungsgrunde viii.21 Bewegungsgründe xii.18 Bewegursachen 33.26, 90.26 Beweis xv.17 bewiesen 71.15 bewirken 41.17 bewirkt 3.4 Bewunderung 21.13 beyde 92.23, 99.4 beydes 104.26 beygelegte 114.18 beylegen 102.6 Beyspiele 53.20, 57.21, 68.7 beyzulegen 99.25 bezahlen 54.7, 54.16 Beziehung 21.26, 63.8 bisherige 73.5 blosse 85.2 bringest 49.3 C categorisch 48.22, 84.25, 93.23 categorische 84.12, 128.10 categorischen 49.20, 59.8, 72.18, 99.16 Caussalität 122.14 Critik xiii.14 D dadurch 108.17, 111.16 dafür 46.27, 60.13 dagegen 56.16 daraus 78.6 darein 47.3 darstellen 36.14 darum 126.14 Deduction 99.14 demselben 105.5 Denke 51.11 Denkungsart 78.20 dennoch 6.6, 28.1, 91.12 deren vi.23 derer 121.4 dergleichen 11.14, 71.12 derselben 22.14, 26.26 Desiderat 33.5 desselben 6.26 dessen 17.1, 127.22 deswegen 100.22 deutlich 59.10 dienen 26.3 diese 64.12 dieselbe xiv.6, 53.16 diesem 7.20 dieser 49.4 dieses 43.8, 63.11 dürfe 125.4 dürfen 96.7 E ebenderselben 115.4 eigenen 14.22, 58.23 Eigenheiten 32.25 Eigenschaft 98.11, 99.2 Eigenthum 116.17 eigentlich xii.20, 19.18, 46.18, 52.1 Eigentlich 16.22 eigentliche 4.21 einen 27.8, 65.21 einer 38.28, 82.23 einerley 122.2 eines 37.12, 58.15, 86.6, 93.4, 120.24 Einflüsse 16.18 Einflüssen 61.11 eingehen 68.23 eingeschränkt 44.6 eingestehen 121.19 einmal 42.19 einräumen 27.9, 106.11 Einschränkung 17.4 einsehe 20.10 einziehen 107.2 einzige 12.13 einzusehen 49.25 empirische v.5 endlich 68.25 entgehen 115.15 enthalten 51.10 entrüstet 10.4 Entscheidung 93.1 Erfahrung viii.18 Erfahrungen xii.22 Erfahrungsbegriff 114.5 Erfahrungsgesetzen 21.17 erfodere 34.17 erfoderlich 45.19 erfodert vi.24 Ergötzlichkeit 55.22 erhaben 77.6 Erhabenheit 85.5 erhalten xv.12 Erkenntnis 30.14 Erkenntnisse xvi.1 Erklärung 123.14 Erklärungsgrund 125.13 erleichtern 2.13 erreichende 43.7 erreichenden 85.1 Erscheinung 121.11 Erscheinungen 106.2 Erwägungen 22.8 erwähnen 2.5 etwas 31.13 Existenz 89.8 F Fähigkeit 87.3 Festsetzung xv.2 Folge 15.9, 110.4 Folglich 58.6 Formel 81.1 Frage 54.20, 54.22 Fragen 116.23 Freyheit 69.25, 99.12, 120.16 fussen 24.2 G Ganze 46.13 gänzlich 65.7 gebietet 30.2, 48.10 Gebrauche 5.25, 82.26 gebraucht 65.17 gedachte 45.17 Gedanke 123.3 Gedränge 18.1 Gefühl 122.4 Gefühlen 33.17, 76.16 gegeben 25.18 gegen 52.24 Gegengewicht 23.2 Gegenstand 65.4 Gegenstande 38.29 Gegenstände v.9, 65.10, 105.21 Gegenständen 107.17 gegenwärtigen 18.8, 46.14, 87.25 geheimer 26.17 gehorcht 73.2 gehört 111.6, 118.3 gelangen 106.3 gelegt 94.9 gelten 54.25 geltend 121.10 Gemächlichkeit 27.5, 112.15 gemeine 17.17 gemeiniglich 41.26 gemeinnützig 10.20 Gemüthern 35.26 genannt 65.15 generalitas 58.20 gerechtfertiget 58.24 gerichteten 64.25 Gerichtshof 93.2 geringschätzen 6.12 geschärften 27.20 Geschicklichkeit 42.16 Gesetz 49.8, 62.1, 74.23 Gesetze ix.1, viii.4, 43.25 Gesetzes 33.9, 109.20 gesetzgebend 72.4, 75.12, 75.14 Gesetzgeber 85.17 Gesetzgebung 70.12, 73.11, 86.26, 89.6 gesetzlos 98.3 Gesetzmäßigkeit 17.12 gesetzwidrige x.11 Gesichtspuncte 58.7, 58.13, 74.7, 89.24 Gesinnungen 35.25 gewählt 80.4 gewisse 64.3 gewissen 37.3, 60.1, 77.11 Gewissen 54.11 gewonnen v.21, 6.8 gewünschteren 27.3 geziemenden 79.15 glaube 54.15 glauben 9.12, 19.21 gleichsam 78.23 Glieder 127.4 glücklichen 22.17 Glückseligkeit 6.15, 12.23, 31.26, 42.11, 45.25, 90.1, 93.25 Gnugthuung xv.8 göttlichen 92.9 Grenzen 95.15 größtentheils xii.10 Grunde 73.3, 82.25, 93.18 Grundlage 92.20 Grundlegung xiii.12, xiv.14 Grundsätzen 13.11, 78.2 Gültigkeit 58.25, 72.8, 81.19, 103.11 H haben 59.7, 65.12, 79.14, 95.18, 121.5 handeln 60.7, 60.9 Handlung 26.9, 39.23, 40.1, 40.21, 47.19, 50.23, 54.14, 64.5, 75.22, 86.1 Handlungen 17.13, 36.19, 45.7, 47.15, 108.25 heiliger 86.5 hergenommen iv.12 Heteronomie 93.20, 120.6 hierin 22.5 hiezu 47.7 hingegen 120.5 hochfliegende 4.8 hochzuschätzenden 8.4 hypophysisch 33.2 hypothetisch 39.15 I ihre 57.14, 76.9 ihrer 6.20, 22.26 imgleichen 124.4 immer 103.8, 106.1 Imperativ 37.18, 39.19, 43.14, 44.15, 51.26, 72.13, 102.18 Imperative 44.13 Imperativen 52.7, 64.13, 72.16, 88.20 Imperativs 51.2, 80.3, 98.17 ingeheim 92.7 innere 106.22 insgesamt 64.6 Intelligenz 117.25, 118.12, 119.20 Interesse 38.18, 73.16, 102.17, 121.26, 122.3, 125.5 intereßirt 123.18 irgend 43.6, 120.20 J jede 76.23 jedem 75.24 jeden 65.8 jedermann 9.9, 19.13 jederzeit 62.2, 68.12, 98.25 jenes 44.4 K kaltblütiger 27.16 kämpfen 56.5 keine 48.12 keinem 33.7, 41.22 keinesweges 6.17 klüglich 18.4 können xiv.5, 5.3, 47.16, 50.2, 92.13, 100.28, 102.13 könnte 12.2, 56.11 künftig 41.23 L Lebenswandel ix.18 lebhafte 77.24 lediglich 86.22, 100.9 Lehre 30.25 Lehren 33.20 Leichtigkeit xv.15 Leser xiv.11 letzteren 92.26 liebenswürdig 10.16 lieber 32.13 Liebespflichten 68.22 liegenden ix.23 Lossagung 71.18 lügenhaftes 67.24 M machen xiii.3, 12.12 mächtigern 33.12 mächtigste 12.5 material iii.12 Materie 126.2 Mathematik 45.15 Maxime 52.4, 53.8, 81.15, 84.16, 123.15 Maximen 80.1, 80.12 Menschen iv.20, 42.21, 61.1 Menschenfreundes 10.25 Menschenvernunft 34.7, 112.8, 115.1, 117.1 Menschenverstande 21.15 menschliche 125.8 menschlichen 59.25 Metaphysik xvi.13, 32.18, 32.22 mindeste 89.1 mislich x.9 mithin 66.9, 88.22, 94.22, 111.4, 112.25 möchte 41.25 mögen 1.9 möglich 48.6, 48.14, 74.21, 112.6, 124.9 mögliche 40.9 möglichen xiii.7, 42.13, 94.1 möglicher 92.2 Möglichkeit 28.24 moralisch xiii.5 moralische 104.16 moralischen 9.25, 13.2, 25.17, 86.18 moralisches 128.15 Moralität 85.25 Moralphilosophie xi.7, vii.22 Mühseligkeit 6.7 N Nachtheil 118.21 nähere 67.17 Nahmen 84.10 nämlich 42.4, 74.9, 105.9 Natur 54.2 Natureinrichtung 60.10 Naturganzen 84.7 Naturgesetz 56.26 Naturgesetze 115.19 natürlich 106.26 natürliche 13.8 Naturmechanismus 119.24 Naturnothwendigkeit 98.6, 114.21 negative 69.15 Neigung 3.9, 89.9 Neigungen 23.7, 26.4, 110.19 nennen 115.24 Nichtseyn 49.12 niemals 31.7, 62.15, 74.24, 106.15, 109.25 nirgend 121.8 nöthigt 24.9 nothwendig 16.28, 37.23, 39.9, 40.23, 44.7, 50.20, 56.1, 66.12, 93.16, 119.27 nothwendige 73.20 Nothwendigkeit 14.14, 42.10, 59.22, 76.10, 114.6, 127.21, 128.11 O obgleich 72.1 Obiect 119.10 obiectiven 37.21, 63.25 obiectives 66.17 objectiv 102.11 ohne 31.15 Ordnung 104.22 P Paradoxon 84.26 Person vii.1, 86.16, 104.13 persönlichen 103.20, 103.24 Pflichten 53.18 pflichtmässig 27.10 pflichtmäßig 8.22, 9.26, 35.20 pflichtwidrig 54.12 Philosoph 22.4 Philosophie 22.12 Physik iii.3 physischen 99.8 populäre 30.19 Popularität xiv.18, 32.15 posteriori 14.6 practisch 39.24, 124.26, 125.7 practische 30.3, 101.12 practischen 23.24, 35.22, 66.18, 116.11 practischer 29.8 praktischen ix.2, 62.12 Princip 21.5 Prinzip 66.4, 76.15, 94.2 Prinzipien xi.15, 35.24 priori 60.26 Privatabsicht 6.23 Privatklugheit 42.20 problematisch 40.19 Propädevtik xi.6 Publicums vi.16 Q Keine Q-Wörter sind mit Bindestrich zerspaltet. R Racheifers 92.18 rathsamer 22.10 Rathschläge 43.21 Rational 89.25 rationale v.18 Rechtschaffenheit 34.18 Redlichkeit 28.9 Regeln xii.3 Reichthum 1.17 reine 35.15 reinen 35.5, 110.22, 111.25 Reinigkeit xi.2, 23.14 relativen 80.10 richte 90.19 S schädliche 126.16 schaffen 78.7 Scheidewege 14.7 schicklichste xv.24 schlechterdings 82.17, 98.24 schliessen 25.8 schrecklicher 46.24 Seelen 10.10 seine 44.20, 84.21 seinen 94.14 seiner 37.22, 46.4, 53.5, 80.8 selbigen 91.5 Selbstbestimmung 63.17 Selbstgesetzgebend 71.1 Selbstliebe 62.24 Selbstprüfung 26.12 selbstständigen 94.19 Selbstthätigkeit 108.4 sinnlichen 117.26 Sinnlichen 61.26 Sittenlehrern vii.14 sittlichen x.6 Sittlichkeit 43.22, 77.21, 79.20, 90.24, 95.20, 100.1, 101.21 solche 10.23 solches 54.10, 111.18 sondern x.1, 2.20, 3.17, 7.8, 38.4, 50.25, 58.2, 110.17, 116.21, 125.26 Sorgen 12.1 specifischen 91.2 Standpuncte 108.23 streitig 116.26 Subiect 101.8 Subiects 95.1 subjectiven 63.24 Subjects 64.8 synthetische 87.23, 99.3 synthetischen 111.22 systematische 74.11 systematischer 74.19 T Temperaments 11.20 Thätigkeit 108.7 Theilnehmung 13.12, 112.13 Titels xiv.17 Totalität 80.19 Transscendentalphilosophie xi.23 treffen 59.24 Triebfedern 102.24 U überdem 9.21 überhaupt 51.9, 51.17 übersteigenden 27.2 übrigen 27.6 übrigens vii.13, 11.10 Ueberdruß 53.4 Ueberschlag 12.25 Ueberschlage 6.2 Uebertretung 57.24 unabhängig 101.11 Unabhängigkeit 85.4 unausgemacht 52.9 unbedingt 81.10 unbedingten 2.14 Unbedingtnothwendige 128.2 unbekannt 105.23 unbekannten vi.17 unbrauchbar 92.1 uneingeschränkten 34.14 unentbehrlich ix.20 unerlaubt 86.3 Ungemächlichkeit 47.2 Unglückliche 10.3 unmittelbar 16.15, 91.23, 107.11, 118.14 unmittelbare 20.9 unmittelbares 122.18 unmöglich 101.5, 121.6 unnachlaßliche 115.20 Unser 86.24 unsere 17.25, 105.20 unserem 104.14 unseren 105.13 unserer 3.18, 58.5, 122.5 untauglich 94.24 unter 100.26, 121.23 Unternehmens 32.16 unterscheiden 92.5 Unterscheidung 106.16 unterschiebt 61.21 unterschieden 51.20 unterstützen 92.25 untersuchen 20.11 Unterweisung 35.23 unterworfen iv.2, 70.26, 71.3, 104.12, 111.12, 117.18 unterzulegen 95.11 unverfälscht 93.5 unvermeidlich xiv.22 unvermeidlicher 95.21 unwandelbaren 98.4 unzertrennlich 29.25 Ursache 90.6 Ursachen 15.17, 84.6, 98.7 Urtheil 6.13 Urtheilskraft 1.8 urtheilt xiii.9 V Veranstaltung 4.22 Verbesserung 55.13 Verbindlichkeit xiii.4, 86.8 verbunden 8.2, 100.16 Verdienst 31.6 verdienstlichen 68.16 verdient x.18 vereinigen 7.16, 116.7 verfahren 68.4 Vergnügen 10.12, 55.12, 62.18 Verhalten 85.20 Verhältnis 88.17, 88.18 Verhältnisse 115.17 verknüpft 50.27 verlangen 121.22 Verlangen 7.14 Vermeidung 48.26 vermittelst 62.26, 72.2, 122.22 Vermögen 107.24 Vernunft 4.10, 7.4, 15.25, 25.7, 33.21, 35.2, 37.13, 38.14, 63.9, 76.21, 87.22, 89.10, 109.9, 111.10, 112.1, 119.1, 120.23 vernünfteln 23.13 Vernunfterkenntnis 30.18 Vernunfterkenntniß 1.3 Vernunfterkenntnisse x.22 Vernunfterkenntnisses 35.4 vernünftig 41.11 vernünftige 38.5, 59.23, 64.21, 83.9, 83.23 vernünftigen 29.5, 62.6, 69.23, 74.17, 76.8, 126.27 vernünftiger 84.27, 127.3 vernünftiges 79.16 Vernunftinteresse 122.29 Vernunftprinzip 58.21 Vernunfturtheil 22.11 verschaffen 23.1 verschiedene 105.6 verspätet 33.23 Versprechen 18.5, 55.4 Verstand 105.17, 108.3 Verstande xiv.19, xiii.20, 47.22 Verstandeswelt 106.17, 108.22, 126.23 verstehen 13.4 versucht 89.21 verworfen 70.23 vielmehr xv.18, 25.23 völlig 26.23 vollkommene 53.1 Vollkommenheit 90.5, 91.20, 94.17 vollständig 45.18, 57.22 Vollziehung 33.6 vorausgesetzt 114.9 Voraussetzung 114.1, 122.23 vorgegeben 95.17 vorgesetzten 45.9 vorgestellt 70.10 vorigen 14.13 vorkommenden 21.1 Vorschein 31.12 vorschreibt 122.11 Vorschrift viii.17 Vorstellung 26.10 Vorstellungen 88.19, 106.5 vorzuschreiben 93.19 vorzuzeichnen 108.18 W wählen 36.25 weder 16.24 wegen 112.17 weiter 36.4, 128.1 welche 13.15 welcher 111.26 welches 15.13, 23.22, 96.2 Weltweisheit xii.12, iv.17 wenigstens 11.25, 44.27 werden 8.7, 18.9, 29.13, 41.9, 65.24, 81.24, 82.19, 106.13, 119.22, 124.13 Werthe 26.24 Wesen 97.10 Wesens 101.13 wesentlich ix.4 wesentlichen 119.7 Wichtigkeit 35.1 Widerlegung 93.7 widerspricht 115.12 Widerspruch 82.18, 114.19, 115.3, 116.6 Widerstand 58.17 Widerstreit 116.13 Widerwärtigkeiten 10.1 Willen 2.12, 37.11, 52.20, 110.12 Willens 26.19, 39.12, 85.3, 95.7, 98.2, 118.1 Wirkung 15.14 Wirkungen 52.14 Wissenschaft vii.3, xii.16, 21.6 wodurch 116.8 Wohlbefinden 1.18, 54.19 Wohlergehen 4.20 Wohlgefallen 78.13, 91.14 wohlzuthun 11.2 wollen 59.21, 81.16 Wollen 64.10, 82.14 Wollens 14.9, 45.8 woraus 5.24 worden 122.6 worinn 15.19 Worinn 13.24 wozu 7.9 wünschenswerth 1.12 würde 5.12, 48.1, 97.11 würden xv.6 Z zerstöhren 54.1 zufällig 37.8 zufälligen 90.14 zugetheilt 7.6 zukommen xi.20 Zulänglichkeit xv.16 zureicht 70.4 zurückgeführt 42.25 Zurückhaltung 47.11 zurücksehen 73.7 zusammenkommen 58.22 zusammenstimmen 69.2, 80.15 Zusammenstimmung 70.19 Zustande 67.8 Zutrauen 18.14 zuwider 40.15 zweifelhaft 27.21 Zweydeutigkeit 24.5 zweyte 38.20 Document generation date and time: 2014-10-10 at 22:10:15.247 License: Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 3.0 Unported License (http://www.creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/).   Copyright © 2014 Stephen Orr. All rights reserved. MLA style citation: Kant, Immanuel. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Groundlaying: Kant's Search for the Highest Principle of Morality. Google AppSpot, 10 Oct. 2014. Web. [access date]. .